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J
27
y-
Dadifches Sagenbuch.
von
Auguft Schnezler.
Badiſches
Sagen-Buch.
Eine Sammlung
der
ſchoͤnſten Sagen, Geſchichten, Maͤrchen und Legenden
des Vadiſchen Landes
aus Schrifturkunden, dem Munde des Volkes und der
Dichter.
Herausgegeben
Auguſt Schnezler.
> [4 *
Zweite Abtheilung:
Von der Ortenau bis zum Mainthal.
Karlsruhe.
VDruck und Verlag von Creuzbauer und Hasper.
1846.
Das Nheinthal.
Strom der Heimath, mir ſo lieb! haſt Jahrtauſende geſehen,
Die nicht auf den Tafeln ſtehen, welche die Geſchichte ſchrieb.
Doch verzeichnet ſind ſie dort in den wild gethürmten Schichten;
Was die Berge uns berichten, ift ein unvergänglich Wort.
Eine neue Sonne fcheint, feit Die treuen Heliaden
An den öden Schilfgeftaden um des Bruders Tod geweint.
Haben nicht den Dattelwein fromme Völker hier getrunfen ?
Doc die Palmen find verfunfen und ihr Marf gefror zu Stein;
Und des Delbaumd heilig Laub, das des Markwalds Höhen
ſchmückte,
Das der Schlangentödter pflückte, wurde des Gewäſſers Raub.
Ja, ein Eden hat geblüht in des Rheines mildem Thale,
An des Himmels erſtem Strahle, eh' der Kaiſerſtuhl geglüht;
Eh' noch Jovis Sternenring ſich zum feſten Kern verdichtet,
Eh’ ein Gott die Welt gerichtet, und die Nacht den Styr umfing.
Ach, in dunklen Sagen nur hat fich jene Zeit erhalten,
Und des Nordes Stürme walten auf der Paradieſes⸗Flur.
Das dämoniſche Gefchlecht, deſſen Hüften wir entiprungen,
Spie zum Himmel Läfterungen, trotzend auf ein Götterrecht.
„Menſchen, unfre Kinder, ihr mögt die Erde von ung erben,
jenes beffre Reich erwerben über Sternen wollen wir.”
Und fie klimmen keck hinan zu dem hohen Wolfenfige,
Und fie achten nicht ber Blitze auf des Kampfes luft'ger Baba.
I. 1
Aber plöglich braußt das Meer, Feuerbaͤche gießen nieder,
Ueber der Titanen Glieder wälzen ſich die Berge ber.
Eine Wüfte fleigt empor: Lavafelſen aus den Gluthen,
Knochenberge aus den Fluthen — Sinnend fleht der Menſch
2 davor ;
Wohl, die Tobten ſchweigen nicht, reden müſſen, die verweſen,
In der Aſche kann er leſen, in den Gräbern brennt ein Licht.
Dald auch regen ihm die Hand Kräfte feiner Riefen-Ahnen,
Stimmen bört er, die ihn mahnen an fein altes Vaterland.
Und zum Kampfe faßt er Muth, zwingt die Erde, ihm zu die⸗
nen,
Weiß die Gottheit zu verfühnen, muß es feyn, mit eignem Blut.
Und des Rheines öder Grund wandelt fih zum Blumengarten,
And die Hände, die ihn warten, fchlingen ſich zum Freiheits-
bund;
Städte fpiegeln Tih im Strom, Schönheit waltet in dem Leben,
In die Wolfen hoch erheben muß fih Erwins ſtolzer Dom.
Und in Ton und Farb’ erblüht, was fein ird'ſcher Sinn ver⸗
nommen,
Was von Oben nur gefommen in das Tiebende Gemüth. —
Schönes Thal am blauen Rheine , mit verfunfnen Helden⸗
malen !
Herrlich wird dein Name ſtrahlen bis zum legten Sternenfdein.
Deiner Söhne heil’ge Scham) nimmer wird fie Niedres dulden,
Was die Zeiten auch verfchulden:, löſt fie. fromm am Blutaltar.
Aloys Schreiber.
( In Bezug auf vorſtehendes Gedicht, welches uns wieder in das lachende Rhein⸗
thal einführt, vergleiche die zweite Note zu Joſ. Baders Einleitung
im iten Bande.) 474 X u.
8
+30 3
)
j Örtenen. »
295»
Kippenheim.
Die erlöfte Schlange.
Einer hochſchwangeren Frau von Kippenhbeim, bie
Mittags in den bortigen Weinbergen fchlief, kroch eine Schlange
in ben offenen Mund. Ihr Töchterlein, welches neben ihr faß
und dies bemerfte, wollte die Schlange noch am Schwanze paden
und zurüdsiehen; es war aber zu fpät, fie fchlüpfte ber Frau
ganz die Kehle hinunter in den Leib, wo fie fih ruhig verhielt
und der Schwangeren feine weitere Beſchwerde verurfacte.
Als aber die Frau bald darauf eines Kindleins genaß, hatte
fich ihm Die Schlange fo feſt um den Hals gewidelt, daß man fie
nur durch ein Milchbad davon losbrachte. Ste wich aber nicht
- von bed Kindes Seite, Tag ftets bei demfelben im Bett und fraß
aus feiner Schüffel. Weil fie dem Rinde dabei nichts zu leide
that und von ihm fehr geliebt wurde, Tiefen die Eltern beide
ungeftört beiſammen. Sechs Jahre waren fo verfloffen, als
einft die Schlange die allzugroßen Brobflüde in einer Milchſuppe
nicht freffen wollte und dadurch Das Kind fo böfe machte, daß es
ihr den Löffel auf den Kopf ſchlug mit den Worten: „Friß auch
Moden, (Broden) nicht lauter Schlappes!” (Brühe) Bon
Diefem Augenblid an wurde die Schlange ganz traurig und ver-
ſchwand nad einiger Zeit ganz aus dem Haufe. Man fuchte
fie überall von Dach bis zu Keller, endlich in dem großen Stein=
haufen, der feit dem Schwedenfrieg unerforfcht im Hofe gelegen.
*) Unter diefem Namen, ben im Mittelalter ein großer Gau trug, welcher das Land zwi⸗
ſchen ver Waflerfheide des Schwarzwaldes im Dften, der Bleich im Süden, dem Rheine
im Welten und dem Dosbade mit ver Murg im Norben, alfo Beinahe das ganze Mit-
tefftüd des jetzigen Badens umfaßte, begreift man jest im Munde des Volkes nur nod) etwa
die Gegenden von unterhalb ber Blei an, von Offenburg mit einer Heinen Strede das
Kinzigthal aufwärts, dann die Strede des Rheinthals über Appenweiber und Ren-
hen bis gegen Bühl hinunter.
1*
A Drtenau — Rheinthal.
Darin fand man unten einen Keffel voll Goldſtücke und daneben
die Schlange todt Tiegen. Auf einmal war fie weg und an
ihrer Stelle ſtand ein fehneeweißer Mann und ſprach: „Sch war
bie Schlange, und das Kind zu meiner Exrlöfung beflimmt; nun
habt ihr das Geld und feyd reich, ich aber gehe ein in die ewige
Freude.“ — Nach diefen Worten war er verſchwunden.
(Rab mündlicher Ueberlieferung — v. Bernhard Baader i in Mone's Anzeiger
für teutſche Vorzeit. Jahrg. 1839.)
St. Landolins Bad.
Aus Schottland kam der Miſſionair Landolin in dieſe
Gegend. Damals ſtanden blos einige Hütten daſelbſt und
in einer derfelben wohnte ein redlicher Dann, Edulf genannt,
mit Weib und Kindern. Der gab dem Pilgrim ein Obdach,
bis er ausgeraftet hatte. Nachdem Landolin ihm dafür mit Er-
theilung feines Segen gedankt, zog er weiter hinauf und fuchte
ein abgelegenes Pläschen zu feiner Niederlaffung. Ein ſolches
fand er in dem friedlichen Waldthale, mo der Lautenbach und
bie Unditz fich vereinigen und baute ſich daſelbſt eine Klaufe.
Selbſt das Wild des umliegenden Forſtes ſchien von der Sanft-
muth und Srömmigfeit des Einſiedlers bezaubert, Fam oft ver-
traulich aus feiner Hand zu effen, und rettete ſich in feine Hütte,
als in die ficherfte Freiftätte vor den Verfolgungen der Jäger.
In geringer Entfernung von der Stelle, wo Landolin wohnte,
hatte fi ein Häuptling der Gegend, Namens Gifof, auf den
Trümmern eines Römerfaftelld eine Burg erbaut, deren Reſte
noch heutzutage Die Gifenburg heißen. *) Ein Jäger Giſoks traf
den frommen Mann, ale er eben ein Flekchen Feld bei feiner
Klaufe urbar machte und erfchlug ihn, theils aus Grimm, dag fo
vieles Wild ſich in defien Freiftätte flüchtete, theils bloß. von
roher Mordluft getrieben. Da entfprangen aus dem Boden,
ben das Blut des Märtyrers überftrömt hatte, fünf Heilquellen,
bie jegt St. Tandolins Bad heißen und noch häufig befucht
werden. Edulf und die Seinigen ahnten nichts Gutes, als fie
fo lange Zeit ſhren alten Gaſt nicht mehr im Thale ſahen. Sie
*) Im achten Jahrhundert wurde fie zerſtört und die Steine ſpäter zum Bau des Kloſters
Ettenheimmünſter verwendet; den Platz, wo das Schloß ſtand, deckt nun Wald, man nennt
aber die Stätte noch jetzt Heibenfelter,
Ortenau. — Rheinthal. 5
gingen aus, ihn aufzuſuchen und fanden ſeinen blutigen Leich⸗
nam, den fie unter heißen Thraͤnen und unter Verwünſchungen bes
Mörders begruben, Auf biefer Stelle bauten ſich nachher
Mönche ein Klofter und der Ort erhielt den Ramen Mönchs⸗
zell. -
Das Erucifix von Bittenweier.
Nachdem die Bewohner des Dorfes Wittenmeier zum us
therthum übergetreten waren, fchafften fie von ihrem Kirchhofe
das fteinerne Erucifte weg, fanden es jedoch am nächſten Mor⸗
gen wieder am felben Plage aufgerichtet. Noch zweimal thaten
fie e8 hinweg, allein es fehrte jedesmal in der Nacht dahin zu=
rüd, während die Wachen, die man auf dem Gottedader aufge:
ftellt hatte, in unbezwingbarem Schlafe lagen. Hierauf warfen
die MWittenweterer dag Kreuz in dem Nhein, und aus dem fam
ed nie wieder heraus. Seitdem aber riß der Rhein, der vors
ber bort ganz frieblich floß, das dießſeitige Ufer ſtückweiſe weg,
j0 dag Wittenweier fchon. dreimal mußte zurüdgebaut werben. *)
( S. Mone's Anzeiger für Runde ber teutiden Vorzeit. Jahrg. 1839.)
_—— -— + 90&
Lahrs Urfprung.
ihren Namen foll die Stadt von den Gewerben haben, die
auch jegt noch in ihr blühen: von den Tohgerbern. Man
nannte nemlich den Ort Anfangs „In der Loh“ wegen den
Lohmühlen und Gerbehäufern an der Schutter, aus welchen
wahrfcheinlih nach und nad ſich eine Dorfgemeinde bildete,
woraus zuerft der Flecken Lohr und fpäter das Städtchen
Lahr entftand. Die Grafen von Gerolpged erbauten fi
bier ein Schloß und eine Linie nannte fih von Geroldsed-tahr.
Ein Unglüd war e8 für die Stadt, daß biefe Grafen ausftarben
und die Herrfchaft unter weit entfernte Gebieter Fam: die Gra-
fen von Mörs und fpäter an die von Naffau. Im dreißigiäh-
rigen, ferner im franzöfifchen Raubmordfriege unter Ludwig XIV.,
*) Diefe und ähnliche Sagen gehen auf die Bilderſtürmerei des 16. Jahrhunderte zurück.
\
6 Ortenau.
litt auch Lahr ſehr viel und brannte im Jahr 1677 ganz ab.
Es lebten damals zweiunddreißig adelige Familien dort, die ſich
von dieſer Zeit an alle hinwegzogen. Später, unter Naſſauiſcher
Herrſchaft in den glüdlichen Zeiten des Friedens, fing die Stabt
wieder an aufzublühen und der Haupt-Marktplatz für das
Schutterthal und das Ried zu werden. Gerberei, Weberei,
Garn» und Leinwandhandel, Krämerei aller Art bildeten die
vorberrfchendfien Gewerbe. Die Leute vom Land fanden hier
ihre Bedürfniffe und eine Menge Kleiner Krämer ihren Unter-
halt. Und
Klein auf Klein
Baut fein Neft das Vögelein.
Aus den Krämern wurden endlich wohlhabende, ja reiche
Kaufleute und Fabrikbefiter In der Zeit des franzöflfchen Re⸗
volutionskrieges, in den neunziger Jahren, wo ber Rhein und
Straßburg gefperrt waren, zogen die betriebfamen Lahrer ben
Speditionshandel von Straßburg und Kehl größtentheils in ihre
Stadt. Seitdem blieb ihr For immer in fleigender Zunahme
und jest ift fie nach Mannheim die bedeutendfte Handelsſtadt
d
es Großherzogthums D. 8%.
Urſprung von Hohengeroldseck.
Links ab von der ſchönen Straße, welche von Lahr in
das Kinzigthal führt, nicht weit von Biberach, liegen auf einer
Anhöhe die Trümmer des einſt für unüberwindlich gehaltenen
Schloſſes Hohengeroldseck. An Alter und Wechfel der Schick—
ſale übertrifft vielleicht kein edles Haus auf dem weiten Gebirge
den Stamm ber Geroldsecker, und in Zeiten, in welchen wir ge⸗
wohnt find, unfre Sagenfreife zu finden, Iebte bier ſchon eine
ältere Sagenwelt. in dem Munde der Edeln. Als Pipin der
Kurze — fo erzählen fie — der König der mächtigen Franken,
an’ feine Mannen aufbor, um jenfeits der Alpen bie ftolzen
Longobarden und ihren König Aftolf zu bändigen, folgte ihm
ah Marfiliug, ein Herzog vom Schwabenlande. Seine
treuen Dienfte machten ihn bald zum Liebling des Frankenkönigs,
und ale ihm Regarda, bie Tochter Hildebrands von Andechs,
Ortenau. 7
des Grafen über Bayern, einen Sohn gebar, gab er ihm, nach
einer Straße in Rom, den Namen Gerol dsect. („De platea
in Roma Geroltzeck, ibi dicta stirps est progressa;“ dies foll
die Umfchrift eines alten Steines in der Empfinger Kirche ge-
weſen feyn.) Diefer Gerold war folglich der Bruder der
Hildegarde, der Gemahlin Karls des Großen. Ihm über-
trug deßwegen biefer Kaiſer bie herzogliche Würde in Bayern,
das Markgrafenthum in Oeſterreich und die Grafichaft in der
Reichenau. Dem Heerbann leiftete Gerold jederzeit treufich
Folge; in den Sadıfenfriegen erfchlug er mit eigener Hand den
weitgefürdhteten Wittefind und gegen die Allesverheerenden
Hunnen ſchützte ein herrlicher Sieg feine Markgrafſchaft. Allein
er verfolgte den Feind mit allzugroßem Eifer; die Heiden
wandten ſich plöglich gegen ihn, denn er war nur noch von
weniger Mannjchaft begleitet, und erfchlugen den Tapferen.
Seine Reihe wurde nad der Reichenau geführt und im Chor
des Münfters auf der rechten Seite des Hochaltares begraben.
Der Märtyrertag Gerolds ift der zweite Detober bes
Jahres 799. *)
*) An diefen Gerold, als Erbauer von Geroldsed, foll die Inſchrift
eined Steines erinnern, der zu Enve des vorigen Jahrhunderts aus den
Trümmern der Burg hervorgezogen worden iſt:
„Hohen Geroldseck mich bawen ließ
Herr Gerold mit Namen hieß
Dem großen Karlo werdt
In viel Ritterlichen Thaten bewerdt
Ward Markgroff in Oeſtereich
In Schwoben Herzog zugleich ꝛc. ꝛc.
Das Haus Geroldseck beſaß eine Menge Herrſchaften und Lehen:
die Burgen Schenfenzell, Romberg , die Städte Mahlberg und Lahr, im
Elzthale die Schwarzenburg; in den benachbarten Thälern des Kin—
zigthals die einft blühende Münzftätte Prinzbach, Selbad mit ergie-
bigen Silberiverfen, und auf ver Höhe dem Schimberg gegenüber die
Burg Lützelhardt. (S. für Iehtere die folgende Sage.) Prinzbach ifl
jeßt nur noch ein Weiler; der Berfall des einft reichen Städtichens wird
in das elfte Jahrhundert hinaufverlegt und den Kreiburgern zugefchrieben,
welche am Charfreitage (1001) heimlich die Mauern erftiegen und vie
Wohnungen ausplünderten. Münzen und Mauertrümmer,, die man am
Drte findet, weifen indeffen auf eine römiſche Pflanzſtadt hin, die bort
gelegen haben mag. "
(S. Mar von Rings „Malerifche Anfichten ver Ritterburgen Teutſchlands. Seftion
Baden, 1te8 Heft der 2ten Abtheilung.)
8 Ortenau.
° Walther von Geroldsee, ”
Mitter Diebolt, genannt Geroldseck, weil er das
Schloß diefes Namens bewohnte, ftammte aus einer Nebenlinie
des Geroldsedifhen Haufes ab. Er war ein böfer, neidiſcher
und rachgieriger Mann, der aber feine Tüde gar meifterlich zu
verbergen wußte. Drei Sabre lang trug er einen heimlichen
Groll gegen Ritter Walthern, den Burgherrn zu Öohen-
geroldged, im Herzen, weil biefer ihn bei einem Schimpf-
fpiel vom Roffe geworfen, und bald darnach, als Schiedemann
feines Widerparts, in einer ungerechten Sache gegen ihn ge=
ſprochen hatte.
Eines Tages ging Herr Walther ganz allein, blos von
feinem Hunde begleitet, auf die Jagd. Er durchſtrich die Wal-
dungen, die fi, von dem Fuße feiner Burg an, Meilen weit
durch das Thal erfiresften, und gedachte nun, da er furz zuvor das
Lager einer trächtigen Hindin ausgefpürt hatte, feinen Junkern
mit einem kleinen Reh eine Kurzmeil zu machen. Diebolt
hatte einen Buben, der ein gar fehlauer Wicht war, und viele
Zage lang, ale ein Betteljunge verkleidet, um dag Schloß
Geroldseck herſtrich, damit er den Augenblid, da Walther
allein ausgehen ober ausreiten würde, ablaufen und feinen
Herren davon benachrichtigen könne. Dieſes war in langer
Zeit nicht gefchehen, und als ihm der Bube die Botfchaft brachte,
freute er fich fo fehr darüber, daß er ihm einen Goldgulden
fihenfte. Hierauf nahm er vier handfefle Männer von feinen
Leuten zu fih, mit denen er in den Forft eilte, wo er Wal-
thern zu finden hoffte. Er und feine Gefährten waren vers
mummt, und er hatte ihnen den firengften Befehl gegeben, fein
Wort zu fprechen. Mehr als eine Stunde lang durchſtreiften
fie das Dieficht, ohne den Ritter anzutreffen; endlich fanden fie
ihn am Fuße einer Eiche ſitzend, wo er einen Kuchen verzehrte,
den feine Gemahlin, Frau Hedwig, des Abends zuvor geba=
den und ihm in feine Jagdtaſche geftect Hatte. Als der Hund
in dem Gebüſch ein Geraͤuſch vernahm, fprang er auf und fing
*) ©. Bernhard Herzogs Elfäßer⸗Chronik. Straßb. 1592. 5tes Buch. S. 120 ff.
Ortenau. 9
an zu bellen; einer von den Knechten aber ſchoß ihm einen
Bolzen ins Herz, daß er tobt zu Boden ſtürzte. Alsdann fielen
fie alle über Walthern ber, warfen ihn nieder, bevor er fein
Waidmeſſer ziehen fonnte, und banden ihm die Hände. auf den
Rüden, nachdem fie ihm das Wamms vom Leibe geiiffen hatten.
Hierauf ftedten fie ihm einen Knebel in den Mund, verbanden
ihm die Augen, und führten ihn mit fi fort. Einer von den
Knechten befprengte das Wamms mit dem Blute des Hundes,
und ließ ed am Fuße ded Baumes liegen. In diefem Zuftande
fohleppten die Räuber ihren Gefangenen etliche Tage lang um-
her, Nachts in verborgene Herden und Felfen ihn verftedend,
wo fie ihm Speife und Tranf reichten, und fodann wies
der mit ihm fortzogen, fo daß der Ritter wähnte, daß er in ein
fremdes Land hinweggeführt würde. In der vierten Nacht
brachten fie ihn auf das Schloß Lützelhardt, warfen ihm
einen ſchmutzigen Kittel um, und legten ihn, mit Ketten bes
fhwert, in einen finftern Thurm. Frau Hedwig erwartete
ihren Herrn vergebens mit dem Mittagsmahle, und als er auch
die Nacht über wegblieb, fandte fie des folgenden Morgens alle
ihre Knechte aus, um ihn zu ſuchen. Diefe fanden feinen Hund
und das blutige Wamms nebſt dem Waidmeſſer unter der Eiche,
und dachten nicht anderd als, ihr Herr fei von Moͤrdern' er-
ſchlagen und eingefcharrt worden. Vergebens ſuchten fie fein
Grab oder feinen Leichnam, und famen des Abends mit dem
Gewehr und dem Kleide traurig nad Hohengeroldseck zu-
rüd. Ad Frau Hedwig die grauenvolle Nachricht vernahm
und das blutige Wamms erblickte, das einer von den Knechten
unter feinem Kittel hervorzog, ſank fie ohnmächtig nieber und
mußte zu Bette getragen werben, Drei Wochen fonnte fie das lager
nicht verlaffen, und Jedem, der ihren Sammer mit anfah, brach
faft das Herz. Ritter Walther war ein eben fo guter Herr, ald
er ein guter Gemahl und Vater war; er wurde von Alt und“
Jung beweint, und mehrere von feinen Bauern machten ſich
freiwillig auf, um Kundſchaft über ihn einzuziehen; fie famen
aber Alle unverrichteter Sache wieder zurüd, und niemand zwei⸗
felte mehr an feinem Tode.
Unterbeffen lag Herr Walther immer in feinem Gefäng-
niffe anf der Burg Lützelhardt, ohne daß er wußte, wo er
10 Ortenau.
war. Der Thurmwart brachte ihm täglich zu effen und einen
Krug Waffer; wenn er aber von ihm angerebet wurde, fo gab
er dem Gefangenen feine Antwort: — Wißt Ihr, wen Ihr fo
graufambehandelt? — fragteeinft Walther voll Berzweiflung. —
Sch will es nicht wiffen, — erwieberte der Dann, — und habe Bes
fehl, Euch zu tödten, fobald Ihr Euren Namen ausfprecht. — Der
Nitter glaubte nicht anders, als daß er von fremden Räubern,
die ein ſchweres Löfegeld für ihn verlangten, in ein fremdes
Land geführt worden, und wunderte fi oft, wie feine gute
Gemahlin und feine Freunde ihn fo gar verlaflen konnten.
Zwei Jahre ſchmachtete er in dieſem Kerfer, ohne ein einziges _
Mal die Sonne zu fehen, oder die freie Luft zu athmen. Nur
wurde bisweilen in der Höhe ein Loch geöffnet, um den fau⸗
len Dünften einen Ausgang zu verfchaffen, da dann einige
Lichtſtrahlen in dieſe Wohnung des Grauens herabglitten.
Bei diefer Gelegenheit vernahm einft der Gefangene den lauten
Schall eines Hornes, der ihn aufmerffam machte. Es dünkte
ihm, diefe Muſik ſchon irgendwo gehört zu haben; er wußte
fi) aber des Ortes nicht zu erinnern. Einige Zeit hernad),
als es wieder, und zwar in dem Augenblick erſcholl, da ein
anderer Wächter, der ihn erft feit drei Monden bediente, ihm
zu eſſen brachte, erfühnte fh Walther, ihn zu fragen, wo
boch Diefes große Horn geblafen würde? Der Knecht gab ihm
zwar feine beftimmte Antwort; dennoch aber glaubte Walther, aus
einigen Reden bie jener fallen ließ, und aus verfchiedenen Eleinen
Umftänden, die er damit verglich, den Ort feiner Gefangen-
haft errathen zu haben. An einem andern Tage fragte
Walther diefen Knecht nad, feinem Namen und nad) feinem
Baterlande. Er mußte diefe Fragen mehrmals und auf vers
ſchiedene Weife wiederholen, eh’ er ihm die Antwort ablodte,
daß er aus tem Lützelthal, Geroldsedifcher Herrfchaft, ges
bürtig fey, und daß fein Gefchlecht den Namen Rublin führe.
Nun zweifelte Walther nicht mehr, daß er auf der Burg Tür
tzel hardt gefangen läge, und entdeckte zugleich in dieſem Ru b⸗
Yin einen feiner leibeigenen Dienſtleute. Er trug daher Fein
weiteres Bedenken, fih ihm zu erfennen zu geben, und that
es mit der rührenden Würde der bebrängten Unſchuld. Er
befchwur ihn bei Eid und Pflicht und unter den vortheilbafteften
Drtenaum 11
VBerheißungen, das Werkzeug feiner Befreiung zu feyn. Rube
Lin hatte feinen Gefangenen nicht gekannt, und von feinem
Herrn, als er ihm die Stelle des verflorbenen Thurmhüters
übertrug, das Verbot erhalten, fich bei Lebensftrafe in fein Ge⸗
fpräch mit ihm einzulaffen. Als er nun vernahm, daß er, ohne
es zu wiſſen, der Kerfermeifter feines Herrn geweſen, fiel er ihm
zu Füffen, bat ihn um Vergebung, und verfprach, ihm herauszu-
helfen. Wäret Ihr, ſprach er — nicht mein natürlicher Herr, fo
würde fein Geld noch Gut mich bewegen, Euch zu Willen zu
leben. — Nun erwartete Walther mit Ungebuld den Tag
feiner Erlöfung, der nicht lange mehr ausblieb.
An dem hi. Pfingftfefte, da Ritter Dieboft abmwefend und
der größte Theil der Burgleute nah Selbad in die Kirche
gegangen war, fam Rubin in das Gefängniß, nahm Wal⸗
thern feine Ketten ab, und entfchlüpfte mit ihm in einen ent-
fegenen Winkel des Zwingers. Hier klommen fie auf die Mauer,
woran er ein ftarfed Hafengarn befeftigte, das die Stelle einer
Strickleiter vertrat, an welcher Beide ſich glücklich hinunter
ließen,
Walther war einem Tobtengerippe ähnlich; feine Beine
fonnten ihn kaum tragen und hatten faft das Gehen verlernt. Dies
ſes bewog feinen Retter, den gebahnten Weg zu verlaffen, wo
man fie wegen ber Langſamkeit ihres Zuges leicht hätte einholen
fönnen, und fich feitwärts in eben die Waldungen zu fchlagen,
Durch welche der Ritter einft fo Tange herumgefchleppt wurde.
Sie wanden fich Durd die wildeſten Heden und durch das un-
wesfamfte Dickicht, und erquicten fi von Zeit zu Zeit mit dem
Wein und den Speijen, die Rublin mit fih genommen hatte.
Endlich erreichten fie um Mitternacht das Burgthor von Ho—⸗
hbengeroldsed. Walther hatte vier zum Theil erwachlene
Söhne zurüdgelaffen ; diefen wollte er fich zuerſt entdeden, um
zu verhüten, daß fein plößliches Erfeheinen und feine armfelige
Geftalt feiner Gemahlin einen Schreden verurfade. Als ihn
daher der Thorwart nach feinem Namen fragte, gebot er ihm,
den vier Zunfern zu fagen, fie möchten herunter fommen, indem
fie ein Fremder einer wichtigen Runde wegen insgeheim fprechen
wolle. Nach einigen Minuten erfchienen die vier Jünglinge,
mit Dolchen bewaffnet, vor der Pforte, und fragten den Frem⸗
12 Ortenau.
ling, wer er waͤre? — Euer Vater! — ſchluchzte Walther, indem er
ſeinem Erſtgebornen in die Arme ſtürzte. Die Jünglinge um⸗
ringten ihn und einer von ihnen hielt ihm ein Licht vor das
Geſicht; keiner aber konnte ſeinen Vater erkennen, da ihn der
feuchte Kerler und die kümmerliche Nahrung gänzlich entſtellt
hatten. — Ihr ſeyd ein Betrüger! — riefen ſie — unſer Vater iſt
ſchon zwei Jahre todt; er wurde im Forſt auf der Jagd erſchlagen. —
Ihr wollt mid) nicht erfennen, — ſprach Walther weinend, — freilich
hat man Euch betrogen. Allein der Betrüger war Der, welcher bie
Nachricht von meinem Tode ausfprengte. Diebolt von
Lützelhardt wares, der mich zwei Jahre Yang in der härteften
Gefangenschaft hielt. — DO, nun fehen wir’s, — riefen Die Söhne, —
dag Ihr ein Betrüger feyd! Nitter Diebolt iſt felbft mit
jeinen Knechten ausgezogen, um die Mörder unfers Vaters auf-
zufuchen, und hat bei unferer Mutter über deffen Tod Thränen
vergofien. — Diefer Zug, — rief Walther, — fehlte noch, um ihn zum
Zeufel zu machen. Nun fo holet mir Eure Mutter, diefe wird
mich nicht verfennen! — Die vier Brüder verfündigten ihrer Mut⸗
ter, die unruhig ihre Rückkunft erwartete, daß ein Mann, der
ſich fälſchlich für ihren Vater ausgebe, fie zu fprechen verlange.
Frau Hedwig befann fi einige Augenblide; dann dachte fie
bei fich ſelbſt: vielleicht Haben meine Kinder den Fremden miß-
verfianden, und er hat ihnen von dem Tode meines Gemahle,
oder von den Urhebern deffelben, Kundſchaft zu geben. — Sie ftieg
baher hinunter an die Pforte und hieß ihre Söhne im Hof fie
erwarten. — Wo ift der fremde Mann? rieffie beim Deraustreten. —
Hier ift er, dein Gemahl, dein Walther! Meine Söhne haben
mich verfannt; wird auch mein Weib mich verfennen? — Eure
Züge, — ſprach Hebwig, — find nicht Walthers Züge; aber Eure
Stimme, wiewohl fie fhwac und heifer tönet, hat Aehnlichkeit
mit der feinigen. — Dein Ohr, dein Auge, — verſetzte Walther, —
mag dich täufchenz; aber dein Herz, Das Herz meiner Hebwig
wird mich nicht verläugnen! Gewiß hat es jenen Abend nicht
vergeffen, da fie mir zum erſtenmal ihre feufchen Arme öffnete;
da ich ihr den Halsfoller löſte, und bie Erdbeere, die ich auf
ihrer Bruft entdedte ..... Bevor er ausreben fonnte, hing
fhon Hedwig an feinem Halfe und überftrömte feine bleichen
Wangen mit ihren Thränen: Du bift ed, ja du bift mein Ge⸗
/
Ortenau. 13
mahl! — rief fie mit gebrochenen Worten, — Gott hat dich mir wies
der gegeben! — Walther drüdte fie mit zttternden Armen an fein
Herz und theilte dann feiner Gattin noch verfihiedene geheime
Wahrzeichen mit, welche alle ihre Zweifel gehoben hätten, wenn
ihr noch einer übrig geblieben wäre.
Nun rief Hedwig ihre Söhne herbei: Umarmt Euern
Bater! Er iftes, ich ſchwoͤr' es Euch bei meinem Mutterherzen! —
Die Söhne warfen fi ihrem Bater zu Füßen, und baten ihn
wn Verzeihung. Walther bob einen nach dem andern von ber
Erde, umfchlang ihn mit feinen Armen und drüdte feine Lippen
auf deſſen Mund. Dann führte Hedwig ihren Gemahl, von fei-
nen Söhnen umgeben, in die Burg, wo er ihnen die Verrätherei
feines Betters Diebolt und feine Befreiung durch den getreuen
Rublin erzählte. Des folgenden Morgens war großer Jubel
im Schloffe: das geſammte Hofgefinde drängte ſich herbei, um
feinen guten Herrn zu bewillfommen. Walther reichte ihnen
feine abgezehrte Hand, an der noch die Malzeichen der Feſſeln
zu fehben waren. Alle Füßten und nebten fie mit ihren
Thränen. Nach etlihen Tagen fehrieben die Söhne einen Brief
an alfe Berwandte, Freunde und Lehensleute ihres Vaters, und
Hagten ihnen, wie ehrlos Diebolt von Lützelhardt an ihm
gehandelt, wie er ihn heimlich entführt und in einen fchredlichen
Kerfer geworfen habe, um ihn darin verfchmacdhten zu Taffen.
Sie forderten alle diefe Männer im Namen der Ehre und der
Freundfchaft auf, mit ihnen auszuziehen, um diefe Unbilde zu
rächen. “Die nächſte Woche darauf erfchienen die Freunde bes
Herrn von Geroldseck mit 200 Reifigen auf feiner Burg und
rüdten gegen dag Schloß Lügelhardt, das fie zehn Tage lang be⸗
lagerten. Diebolt wehrte ſich anfänglich mit dem Muthe der
Verzweiflung ; ald aber bie lebensmittel ausgingen und er feine
Leute, anftatt Viebreich fie zu tröften, täglich graufamer behan-
belte, fo wollten fie ihn zwingen, die Veſte zu übergeben. Da
entfloh der Ritter des Nachts durch einen unterirdifchen Gang,
‚ und Niemand wußte, wo er bingefommen war. Das Schloß
aber ergab fi am folgenden Morgen, und wurde gänzlich zer-
ftört, wie man folches noch an dem Burgftall fieht.
Der bievere Rublin wurde von Ritter Walther mit feinem
ganzen Gefchlechte von der Leibeigenfchaft Yosgefprochen, und
14 Drtenam.
mit fchönen Gütern und flattlihen Freiheiten begabet, die er
auf feine fpäteflen Enkel vererbt hat.
G. ©. Pfeffer.
(S. deffen „Proſaiſche Verſuche.“ V. Th. Tübingen 1811.)
Klofter Schuttern.
"Un der Schutter, zwifchen Offenburg und Lahr, Tiegt das
ehemalige BenebiktinersKiofter Schuttern. Nach der Sage fol
baffelbe feinen Urfprung einem ehemaligen englifchen König,
Dffo, verdanken. Es ift wahr, daß das Klofter Schuttern in '
alter Zeit den Namen Offenzell führte, und daß die Stabt
Dffenburg, welche den nämlichen englifchen König zu ihrem
Gründer haben foll, ehemals einen Engel auf ihre Münzen
prägte; was, wie die Engel auf den Zinntellern, wohl etwas
Engliiches bedeuten Tann, aber nicht immer wirklich bedeutet.
Es ift ferner wahr, daß es einen König Offa von Mercien in
England gegeben hat, welder Thron und Gemahlin verließ,
nah Rom pilgerte und dann irgendwo ein Mönd wurde;
aber das gefhah im Jahr 707, und das Klofter Offenzell ift
fhon wenigftens hundert Jahre vorher geftanden. Der Grüns
ber von Offenzell, wie von Offenburg, feheint ein Adeliger der
Gegend, mit Namen Dffo, gewefen zu feyn.
3. 8. B.
220
Offenburgs Arſprung.
Dffenburg foll von Dffo,*) einem Britanifhen Fürften-
fohne, um's Jahr Chrifti 600 gegründet worden feyn. Er
befehrte in diefen Gegenden die wilden Alemannen zum Chris
ſtenthum, fliftete das Kloſter Schuttern und nahm als
Statthalter des Königs der Franken in Dffenburg feinen
Sig. Man gibt in diefer Stadt noch die Gegend an, (bei
dem Gaſthaus zum Ochfen) wo fein Schloß geftanden haben
2) ©, obige Sage,
Ortenau. 15
"fol. Auch zeigt man noch Münzen, von denen man behauptet,
daß er fie habe ſchlagen laſſen. Später hielten hier die von
den teutfchen Königen und Herzogen von Schwaben beftellten
Grafen der Ortenam ihren Hof und ihre Gerichte.
2.2.8.
Ritter Peter von Stauffenberg und die
Meerfeye.
In ſteben RNomanzen.
(Wahrhafte Geſchichte Herrn Peter v. Stauffenberg.)“ (Straßbg. bei B. Tobias Erben 1595.)
I.
Vorüber zieht manch edler Aar.
Herr Peter ein theurer Ritter war,
Er war fo feufch, er war jo rein,
Wie feined Antlitzs edler Schein,
Er war bereit zu jeder Zeit,
Zu Schimpf, zu Ernft, zu Luft, zu Streit.
In junger Kraft, in fremdem Land,
Sein Mannheit machte ihn befannt,
Als er nah Haufe kehrt zurüd,
Bedenkt in fih fein hohes Glück,
Langſam zur Burg hinauf thut reiten,
Was fieht fein Knecht zu einer Seiten ?
Er fieht ein fhönes Weib da figen,
Bon Gold und Silber herrlich blitzen,
Bon Perlen und von Edelftein,
Wie eine Sonne reich und rein,
Der Knecht winkt feinen Heren zu ſich:
„Gern diente’ diefer Frauen ich!“
Der Ritter grüßt in großer Zucht,
Er drüdt an fich die edle Frucht. —
„Ihr ſeyd e8 Ritter, edler Herr!
„Das Wunder das mich treibet her,
ee — — — — — —
16
Ortenau.
„In allen Landen, wo Ihr wart,
„Hab' ich euch glücklich ſtets bewahrt.“ —
„„Kein ſchöner Weib hab' ich erblickt,
Ich lieb euch wie es aus mir blickt.
Ich ſah euch oft im tiefſten Traum,
Jetzt glaub ich meinen Sinnen kaum,
Wollt Gott, ihr wärt mein ehlich Weib,
In Ehren dient ich eurem Leib.““
„Run fo wohl hin!“ ſprach da bie Zart:
Auf diefe Red hab ich gewart,
Ich z0g dich auf mit Liebeskraft,
Die alles wirft, die alles fchafft,
Ich bin die Deine, ewig Dein,
Doch muft du auch der Meine feyn!
„Nie darfft du nehmen ein ander Weib,
Dir eigen ift mein ſchöner Leib
Sn jeder Nacht, wo bu begehrft,
Und Macht und Reichthum dir befchert,
Ein ewig enbelofes Leben,
Will ich Durch meine Kraft dir geben.
„Unangefocht wirft du nicht bleiben,
Man wird Dich treiben, dich zu weiben.
Wo du's dann thuft, red ich ohn Zagen,
So bift du tobt in dreyen Tagen;
Sieh weg von mir und denfe nad,
Was dir dein eignes Herze ſagt!“ —
„„Nun, herzigs Weib, ift dem aljo,
Sp werbet meiner Treue froh.
Was fol ich für ein Zeichen haben,
Daß Ihr von mir wollt nimmer laſſen ?““ —
„Ss trag von mir den goldnen Ring,
Bor Unglüd ſchützet dich der Ring.“
Mit fpiefendem Kuß er Abſchied nahm,
Nah Nußbach er zur Meſſe kam,
Drtenan.
Da ging er mit den Kreuzen audh,
Und nabte fi dem Weiheraudh,
Sein Leib und Seel er Gott befahl,
Er follt ihn fchügen überall.
H.
Als er auf Stauffenberg nun kam,
Schnell ab fprang da der edle Mann,
Ein jeder wollt ihn fehen, hören,
Ein jeder wollt ihn höher ehren.
Bon feinen Dienern große Eil,
Don Fraun und Mädchen groß Kurzweil.
Zu Bette trachtet nur der Herr, '
Nach feiner Frau verlangt er fehr,
Biel herrlich Rauchwerf ward gemacht,
Das Bett verhängt mit großer Pracht,
Den Dienern bald erlauben thät,
Daß fie ſich legten all zu Bett.
Er zog fich ab, feßt ſich aufs Bett,
Und zu ſich felber alfo redt:
„O hätt ich fie im Arm allein,
Die heut ich fand auf hohem Stein!“
Als er die Worte kaum noch ſprach,
Die Schöne er mit Augen ſah.
Biel froher Minne fie begehn,
Sie mochten einander ind Herze fehn,
Wenn einer thät dem nachgedenken,
Sp möchte ihn wohl die Sehnfucht Fränfen.
Als er erwachte, glaubt ers kaum,
Er fand den Ring, fonft ware ein Traum.
II.
„Ihr wiſſet nun zu dieſer Friſt,
Daß unſer Geſchlecht im Abgang iſt,
II.
17
18
Ortenau.
„So nehmt ein Weib, berühmt und reich,
Ihr ſeyd ſchon jedem Fuͤrſten gleich,
Wir bringen euch viel Fräulein ſchön,
Die euch gar gerne alle fehn.”
Herr Peter war erfchroden fehr,
Sein Bruder fohweigt, da fprach der Herr:
„Ich dank euch edle Brüder mein,
Doch kann es alfo noch nicht feyn,
Zur Kaiferfrönung geh ich hin,
Nah Ruhm und Ehre fteht mein Sinn.”
Die Meerfey gab ihm diefen Rath,
Sie hat es ihm voraus gefagt, |
Sie giebt ihm Gold und edlen Schmud,
Wie Keiner ihn fo herrlich trug,
Sie füffet ihn und warnet ihn,
Daß er fih nicht gab Weibern hin.
IV.
Der Zierlichfle meinte ein jeder zu ſeyn.
Der Stauffenberger zog auch ein,
Seins Gleihen war zugegen nicht,
Der fo zierlich einher ritt,
Der König nahm fein eben wahr,
Dazu die Frauen ernfthaft gar.
Trommeten fingen an zu blafen,
Die Pferde fingen an zu tofen,
Da Iuflig ward fo Roß ald Mann,
Wie das Turnier gefangen an,
Herr Peter alle darnieder rennt,
Er macht dem Rennen bald ein End.
Als nun der Abend fam herbei,
Bon neuem ging Trommetenſchrey,
Als fie zu Hof gegeffen hatten,
Den fürftlichen Tanz fie allda thaten, .
Drienan. 19
Des Königs Bafe fchön geziert,
Den erfien Dank in Handen führt.
Bon Gold und Perlen diefen Kranz,
Dem Ritter fett fie auf zum Tanz,
Thät auf das gelbe Haar ihm fegen,
Thät freundlich ihm den Finger pfeken,
Gab ihre Lieb ihm zu verftehn,
Durch manden Blick ſchön anzufehn.
V.
Der König lag in ſeinem Bett,
Des Nachts ſeltſam Gedanken hätt,
Und ſeine Gedanken gingen ein
In ſeiner Baſe Schlafkämmerlein,
Und immer ſchwerer kamen wieder,
Wie Bienen ziehn vom Schwärmen nieder.
Am Morgen ſchickt er ſeinen Zwerg,
Zu Peter Herrn von Stauffenberg:
„Die Baſe mein von hoher Art,
Die Fürſtin, jung und reich und zart,
Die will ich geben Euch zum Weib,
Mit ihrem Kärntnerland und Leut.“
Kein Wort kam aus des Ritters Mund,
Erſchrocken ſtand er da zur Stund;
„Mein Red halt mir für keinen Spott,
Und nimm hiemit zu Zeugen Gott,
Daß es mein ew'ger Ernſt fürwahr,
Daß Euer die Fürſtin ganz und gar.“
Herr Peter ſprach mit großen Treuen,
Der hohe Lohn könnt' ihn nicht freuen,
Wie er der Meerfey ſchon verlobt;
Der Untreu ſey der Tod gelobt,
Sonſt ſey er frei von Noth und Leid,
Mit Gut und Geld von ihr erfreut.
2*
20
Drtenau,
„Beh Eurer Seele an dem Ort!
Sie ift verloren bier und dort,
Seht Gottes Auge nimmermehr,
Wenn hr Euch nicht von ihr abkehrt;
Sollt Ihr nen Geift zum Weihe haben,
Nie werden euch die Kinder laben.
„Dem Teufel feyb ihr zugefellt,
hr armer Mann! Ihr theurer Held!”
Sp ſprach der Bifchof und der König,
Der Ritter fagt darauf zum König:
„Es geht mir tief zu meinem Herzen,
Und Gottes Gnad will nicht verfcherzen.“
Herr Peter ward verlobt fogleich,
An Gold und edlen Steinen reich,
O heller Glanz der Jungfrau fein,
Wie ftrahlt er ihm mit Freubdenfchein!
Nah Stauffenberg fie ziehen fort,
Zu feiern ihre Hochzeit dort!
hr düftren Wälder auf dem Wege,
Was ftredt die Hefte ihr entgegen,
Biel froher Schaaren ziehen ja, '
Mit hellem Klange fern und nah,
Mit bunten Bändern, Scherz und Streit,
Iſt alles Luft, ift alles Freud.
VI.
Auf Stauffenberg zur erften Nacht,
Zur ſchönen Frau fein Herze dacht,
Alsbald an feinem Arıne lag,
Die fein mit fleten Treuen pflag,
Sie weinte, ſprach: „Nun wehe bir!
Du folgteft gar zu wenig mir,
„Daß du ein Weib nimmft zu der Ep,
Am dritten Tag Vebft du nicht mehr,
Drtenau.
„Ich fag dir was gefchehen muß:
Ich laſſe fehen meinen Fuß,
Den follen fehen Frau und Mann,
Und ſollen ſich verwundern dran.
„Sp nun dein Aug den auch erficht,
So ſollſt du länger fäumen micht,
Denn e8 fich immer anders wendt,
Empfang das heilge Saframent,
Du weift, daß ich dir Glauben. halte,
Auf ewig find wir nun zerfpalten.”
Mit naffem Aug fie zu ihm ſprach:
„Here denfet fleißig nach der Sad,
Ihr dauret mid) im Herzen mein,
Daß ich nicht mehr kann bei Euch feyn,
Daß mich nun nimmer fieht ein Mann,
Ich fall in ew’ger Liebe Bann.”
Dem Ritter liefen die Augen über:
„Sol ich denn nie dich fehen wieder,
So ſeys geklagt dem höchſten Gott,
Der ende balde meine North,
Ach daß ich je zu Ruhm gekommen,
Daß mid) ein fürftlid Weib genommen !“
Sie füßte ihn auf feinen Mund,
Sie weinten beide zu der Stund,
Umfingen einander noch mit Lieb,
Sie drüdten zufammen beide Brüft :
„ac flerben das ift jest Euer Gewinn,
Ich nimmermehr wieber bei Euch bin !«
VII.
Kein Hochzeit je mit ſolcher Pracht,
Gehalten ward bis tief in die Nacht,
Viel Lieder und viel Saitenſpiel,
Man hörte in dem Schloſſe viel,
Razeran
22
Drtenau,
Und alles bei dem Tiſche faß,
Man war da fröhlich ohne Maaß.
Sie faßen da im großen Saal,
Alsbald da fah man überall,
Die Männer fahens und die Frauen,
Sie konnten beide es anfchauen,
Wie etwas durch die Bühne ftieß,
Ein Menfchen-Fuß ſich fehen Tieß.
Bios zeigt er ſich bis an das Knie,
Kein fihönern Fuß fie fahen nie,
Der Fuß wohl überm Saal erfcheint,
Sp fhön und weiß wie Elfenbein,
Der Nitter fill faß bei der Braut,
Die fchrie bald auf und fehrie gar Taut.
Der Ritter, als er den Fuß erfah,
Erſchrack er und ganz traurig ſprach:
„O weh, o weh, mir armen Mann !’
Und wurde bleich yon Stunde an.
Man bracht ihm fein kriſtallnes Glas,
Er fah es an und wurde blaß.
Er fah in dem Kriftall-Pofale,
Ein Kind, das fehlief beim lauten Mahle,
Es fchlief vom Weine überbedt,
Ein Füßchen hat ed vorgeftredt,
Doc wie der Wein getrunfen aus,
Sp ſchwand das Kindlein auch hinaus.
Der Ritter ſprach: „Der großen Noth !
„In dreien Tagen da bin ich tobt.”
Der Fuß, der war verfchwunden da,
Ein jeder trat der Bühne nah,
Wo doch der Fuß wär kommen bin,
Kein Yoch fah man da in der Bühn.
AU Freud und Kurzweil war zerflört,
Kein Inftrument wurd mehr gehört,
Aus war das Tanzen und Das Singen,
Turnieren, Kämpfen, Fechten, Ringen,
—
Ortenau. 23
Das alles ſtill darnieder leit,
Die Gäſte fliehn in die Felder weit.
Die Braut nur bleibt bei ihrem Mann,
Der Ritter ſieht ſie traurig an:
„Geſegne dich du edle Braut,
Du bleibſt bei mir, haft mir vertraut,” —
„„Durch mic, verliert Ihr euer Leben,
In geiftlihem Stand will ich nun leben.““
Das heilge Del empfing er dann,
Nach dreien Tagen rief der Mann:
„Mein Herr und Gott in deine Hänbd,
Ich meine arme Seele fend,
Mein Seel thu ich befehlen Dir,
„Ein fanftes Ende giebſt du mir.”
Ein Denkmal warb ihm aufgericht,
Bon feiner Frau aus Liebespflicht,
Dabei fie baut die Zelle Hein,
Und betet da für ihn fo rein;
Dft betend kam auch die Meerfey hin,
Sie ſprach mit ihr aus gleihem Sinn.
(Siehe „Des Knaben Wunderhorn 20.” Bd. L)
Staufenberg, ein noch wohl erhaltenes, von Otto von Staufen-
berg, Bifhof von Straßburg, erbautes und neuefter Zeit von ©. 8.9.
dem Großherzog geſchmackvoll hergeftelltes Schloß, Liegt auf einem Hügel
bei Durbach, 2 Stunden norvöftlih von Offenburg.
Die Sage nach dem Bollsmunve, aus welcher Fouque das Original
zu feiner UUnd ine“ gezogen haben fol, ifl auch von Aloys Schreiber
bearbeitet worden. Sie fteht in veffen „Sagen aus der Umgegend von
Baden” und, in gebundener Darftellung, im Jahrgang 1819 ver Cornelia.
Siehe ferner: „Der Nitter von Staufenberg,“ ein altteutfches Ge-
dicht von Egenolt. Mit Tritifchen Bemerkungen herausgegeben von
Engelhard. Straßburg 1823.
Nitter Stauffenberg.
/ ‚(Andere Berfion.)
Sin reicher Flur, auf waldumbüfchten Höhen,
Wo ſtolz der Rhein begrüßt die Ortenau,
Sieht man der Burg bemooſte Trümmer ftehen,
Bon ferne ſchon, auf Felſen fteil und rauh:
Drtenam
Dort tönt e8 in der Morgenwinde Wehen‘.
Oft füß, wie Harfenflang — im Abendihau
Erhebt fih neu die fhaurig — milde IBeife,
Und Geiftertritte wandeln ernft und leiſe.
Dort wohnte Staufenberg, ein edler Ritter,
Mannhaft und kühn, wie Richard Löwenherz;
Groß war fein Muth im Schlachtenungemitter,
Und Lanzenbredden war ihm Spiel und Scherz.
Der Liebe Reiz auch kannt' er, füß-und bitter,
In mander Wonn’, in manchem wilden Schmerz,
Und bleiben fol, weil ihn ein Weib betrogen,
Eein Sinn allein der freien Luft gewogen.
Einft kehrt mit feiner Schaar aus Thal und Sträuchen
Der Ritter von der Jagd im dunfeln Hain,
Und als das Dörflein Nußbach fie erreichen, _
Läßt er die Knappen vor, und bleibt allein :
Nah’ ift ein Duell, ummweht von alten Eichen,
Und glänzend nun im goldnen Abendſchein;
Hier weilt er oft, und läßt in Traum und Sehnen
Auf feiner Laut’ ein Minnelied ertönen.
Wie ftaunt fein Bid, als er an diefer Duelle
est eine wunderfchöne Jungfrau fand:
Sie ſchaut mit Lächeln auf die Silberwelle,
Ihr blondes Haar umfchlingt ein Roſenband;
Mild ift ihr Angeſicht, wie Frühlingshelle,
Und weiß wie Schnee ihr ſchimmerndes Gewand.
Er grüßt: die Maid erhebt fi aus dem Grünen
Und danket ihm mit fittig holden Mienen.
Und ald mit Namen fie Darauf ihn nennet,
Berwundert fich Darob der Ritterömann :
„Es fcheint, o Fräulein, daß Ihr ſchon mich Fennet ?“
Die Schöne fagt: „„Mein Eig ift neben an;
Ich ſeh' Euch oft, wenn Ihr im Fluge vennet
Dem Walde nach feldab und hügelan;
Und fhöpft ihr dann den Trunf am Duell der Wiefen,
Hör’ ich die Jäger Euch mit Namen grüßen.”
Ortenau.
Sie ſpricht noch mehr in himmliſch holden Tönen;
Der Liebesgättin gleicht fie yon Geſtalt.
Der Ritter fühlt ein unnennbares Sehnen,
Es Hält ihn feſt mit zaubriſcher Gewalt.
Er horcht der feinen Sprache diefer Schönen
Entzückt; doch ad! die Stunde flieht zu bald;
Da geht er bei des fanften Mondes Blicke,
Und fehrt beim nächften Abendroth zurücke.
Er fett fich hier auf einen Felfen nieder,
Schaut in das Feld, auf die kriſtallne Flut;
Ein füßer Schauer wallt durch feine Glieder, '
Und in dem Herzen brennt der Liebe Gluth.
Doch warten ift umfonft, fie fehrt nicht wieder:
Er fhleicht zur Burg; ihm finfen Kraft und Muth —
So fommt er jeden Abend ber und klaget,
Daß ihm nicht mehr erfcheint die holde Maget.
Am fechflen Tag, im fpäten Dämmerlichte,
Harrt Staufenberg und feufzt: „Ach! wie fo lang!
Wil denn mein Loos, daß ich auf fie verzichte ?"
Da tönt ein leiſer, Tieblicher Gefang.
Er horcht, und ſpäht bis in des Haines Dichte.
Doch ſchien's, daß aus dem Duell Die Stimme drang;
Da fit, ald nun fein Schritt zum Waſſer eilet,
Die Jungfrau auf dem Stein, wo er geweilet.
O weldes Glück! Er hat fie nun gefunden!
Schon lächelt ihm der ſchönſten Träume Ziel:
Do fol fein Fragen nichts von ihr erfunden,
Und lächelnd feherzt fie nur im Wörterſpiel.
Ah! füß betäubt, zu mächtig überwunden,
Befennt er nun fein liebendes Gefühl;
Sie finnt voll Ernft und fpridt: „An diefer Stelle
Seyd morgen früh, noch vor des Tages Helle!“
Und eh’ die Stern’ entflohn auf andre Bahnen,
Erfcheinet, faum der Wonne ſich bewußt,
Der Held, ed wehn des Morgens lichte Fahnen,
Da ſteht die Reizende vor ihm, o Luſt! —
25
26
Drtenau.
Umfrängt ihr Haar von bläulichen Cyanen,
Gefhmüdt mit jungen Rofen ihre Bruft.
Sie fieht ihn an mit unſchuldvollen Blicken,
Und Worte faum vermag er auszubrüden.
Sie winkt zum Sig: er folgt ihr gluthbefeelet,
Faßt ihre Lilienhand und fagt dabei, |
Wie ſtets um fie die Flamme noch ihn quälet;
Die Maid antwortet: „Eine Wafferfei
Bin ih — von folden wird ja oft erzähle —
Auch Menſchen Tieben wir; doch reblich fei,
Wer ein Berlangen fühlt, um und zu werben;
Sonft wird und tiefe Dual, und ihm — Verderben.
„Gern, Ritter, ſah ih Euch an dieſer Stelle;
Drum, wenn Ihr mein Gemahl zu feyn begehrt,
Dleib’ Eure Treu’ fo rein, wie meine Duelle,
‚Und dauernd, wie der Stahl an Eurem Schwert!
Doch wenn fih von Erlinen je der fchnelle
Und leichte Sinn zu andern Frauen kehrt,
Wird Noth und Fall fih über Euch vereinen,
Und nur mein Fuß zum Zeichen noch erfcheinen.”
Er ruft: „Ha! ohne Dich ift mir fein Leben, .
Und ewig fefte Treue ſchwör' ich Dir!”
Sie eilt erröthend ihm ein Pfand zu geben:
Es ift ein Ring von Demant und Saphir.
Er drüdt fie an die Bruft mit füßem Beben
Und fpridht: „Ach! welche Wonne finden wir,
Nicht mit dem Gold der Erde zu erfaufen,
Auf holder Flur in meiner Burg zu Staufen !“
E8 wird beflimmt, daß mit dem jungen Strahle
Des vierten Tags die Trauung foll gefchehn.
ALS dieſer naht, und jeßt auf Flur und Thale
Der Morgen fteigt herab von Purpurhöh'n,
Da eilt aus dem Gemab zum hohen Saale
Der Ritter fchon, und fieht drei Körbehen ftehn,
Recht Fünftlich fein, geweiht dem Minnefolde,
Und voll von Silber, Edelftein und Golde.
Ortenau. 27
Bald öffnen ſich des Marmorſaales Thüren:
Erlina tritt im Hochzeitsſchmuck herein;
Sechs Mädchen folgen noch aus den Revieren
Ded Duellenreihe, Undinen, blond und fein.
Schon fieht das Volk zur Burgfapelle führen
Die Glüdlichen, wo, ihren Bund zu weih’n,
Der Priefter harrt, und bald dem edlen Paare
Den Segen fpridt am heiligen Altare. —
Wie felig fühlt fih an Erlina’s Wangen
Der Ritter nun! Wie dünkt ihm öd' und rauh
Die ftürm’fche Luft der Welt! Sie ift vergangen,
Sein Herz ſchlägt nur der häuslich-milden Frau.
Sn fanfter Schönheit lockt fie fein Verlangen,
Sp wie den regen Welt die Blumenau:
Ein Jahr entfloh, da lacht — o füße Gabe
- Des Bundes! — ihr im Schooß ein holder Knabe.
est hört man, dag dem Frankenkönig dräuet
Mit ftarfer Macht ein Feind von Süden her,
Und daß der Held die edlen Schaaren reihet,
Der Gränze nah’, zur tapfern Gegenwehr.
Schon ordnet rings im Waffenglanz und freuet
Sich auf den Streit das fieggewohnte Heer;
Auch Ritter von dem rechten Nheingeftade,
Betreten fühn mit ihın des Ruhmes Pfade.
Und Staufenberg? — das rüflige Beginnen
Entflammt auch ihn zu neuer Ritterthat:
Er will zur Liebe neuen Ruhm gewinnen,
Wiewohl er Rorbeern ſchon errungen hat;
Und vor die Gattin tritt, nach langem Sinnen,
Der Rittersmann, fragt zärtlich fie um Rath,
Wie er fol thun; weil Angft und Kummer litte
Ihr Herz vielleicht, wenn er zum Kampfe ritte.
Da fließt, der Perle gleih an Saba’s Strande,
Ein Thränden von Erlinens Angeficht;
Sie faßt fi und erwiedert: „Heil’ge Bande,
Wie unfre, tilgen Zeit und Ferne nicht.
Drtenau
Geliebter, eile denn zum Schuß der Lande !
Nicht hemmen werd’ ich deine Ritterpflicht;
Nur, bis dich gute Stern’ und wieder fchenfen,
Woll' treulich mein und deines Kinds gedenken!“
Der Ritter ſchwört es ihr bei Heil und Leben,
Drückt fie an’s Herz, und bald im Morgenfihein
Zieht er, vom Trupp der Reifigen umgeben,
Dur heim’fche Fluren fort und übern Rhein.
Wo Herzog Otfrieds Banner ſich erheben,
Reiht er ſich fehnell mit feinen Kämpfern ein;
Dann eilt das Heer fernhin, auf manchen Wegen
Zu Roß und Fuß, dem wilden Feind entgegen.
Nicht lange drauf erfchallt die hohe Kunde:
„Sm Byrenä’ngebirg war eine Schladht,
Auf Felſenhöh'n und in des Thales Schlunde ;
Bald wich, bald drang voran des Könige Madıt.
Es fchlug der Kampf wohl manche heiße Stunde -—
Doch plötzlich ward ein heft'ger Stoß gebracht
Des Feindes Heer’, es fielen alle Schranten,
Die Heiden flohn, und Sieg ummeht bie Sranfen.”
So ift ed. Doch wer brah im Schladhtgewühle
Der Gegner Mitte nun? Wer hat erhellt
Dem tapfern Heer die Bahn zum frohen Ziele ?
Bor Allen Staufenberg, der fühne Held:
Das erfte Treffen lenkt’ er, und noch viele
Der Kämpfe fehn Berg, Haine, Thal und Feld,
Dis ſich des Feindes Kräfte ganz ermüden,
Und glorreich fchließt mit ihm der König Frieden.
Ad! ſüße Tön’ in Leid und Sorgen waren
Erlinen dies; ſchon Tächelt Wiederfehn !
Dald hört man, daß der Krieger tapfre Schaaren
Nach ihrer Heimat) im Triumphe gehn;
Doch hat vorher noch Staufenberg erfahren,
Wie Geift und wackre That den Mann erhöhn:
Der König läßt ein goldned Schwert ihm reichen,
Und Michaels geweihte Ordenszeichen.
Drtenam. 29
Auch Otfried, Herzog in dem Rhein'ſchen Franken,
Will ihn, der ruhmvoll feine Schaar geführt,
Bor dem der Sarazenen Banner fanfen,
Hoch ehren, wie dem Helden es gebührt,
Und möcht' ihm gern auf würd’ge Weife danken:
Da, wo fein Hof des Rheines Gauen ziert,
Lädt er in einen Kreis erhabner Gäſte
Den Rittersmann zum hohen Siegesfefte.
Wie glänzt der reihe Saal in ſtolzer Feier!
Wie wird beim Mahl die Freude hoch und Taut!
Der Minnefang ertönt zur goldnen Leier,
Und an der Fürftentochter Seite fchaut
Man Staufenberg, der Allen werth und theuer ;
Ein Flüftern geht: „Nur er verdient die Braut!”
Auch fpricht er gern zur ſchönen Adeline;
Gern lauſcht fie ihm mit Huld und fanfter Miene.
Als froh der zweite Tag in Schatten finfet,
Da tritt in fein Gemad ein Höfling ein,
Und fpricht: „Ihr wünſcht, o Herr, wie und bebünfet,
Der reizenden Prinzeffin euch zu weih’n,
Auc fie — vernehmt, wie Glanz und Wonne winfet !
Scheint nicht dem Helden abgeneigt zu feyn. ,
Drum, wollet mir nur Eure Wünfche nennen,
Der Herzog wird Euch gern ald Sohn erfennen !
Und Staufenberg verfegt in Gluth und Beben:
„Nicht jet — doch morgen fei mein Wunfch erklärt !”
Er fühlt in ſich der Ehrfucht hohes Streben
Und daß fein Herz die Liebliche begehrt;
Als des Gewiſſens Schauer ſich erheben —
Denft er: „Wer ew’ge Treu’ der Gattin fehwört,
Sollt' eben fo die heil’gen Worte brechen,
Wie ihm ein falfhes Weib? — Gott wird ed rächen |”
In wankendem Entfhluß, in Noth und Thränen,
Geht ihm die fehlummerlofe Nacht vorbei.
Zu Otfried eilt er, als die Vögel tönen
Ihr Morgenlied, und fagt ihm endlich frei,
30
Drienam
Nah der Erhabnen flehe nur fein Sehnen,
Do knüpf' ihn fchon Das Band an eine Fey.
Der Herzog flaunt ob ſolchen Wunderbingen
Und meint, Died werd’ ein böfes Ende bringen.
Er finnt vergebeng, ob ein Rath ſich fände;
Darum befragt er feinen Hoffaplan.
Der fpricht: „Erlauchter Fürft, der Himmel wende
Das Unheil ab von diefes Edlen Bahn!
Nur wenn fih eine Gattin ihm verbände,
Die Lehr’ und Taufe, fo wie er, empfah’n,
Könnt er ded Spuks verworfne Bande Idfen
Und ſich befrei'tn von dem Geſpenſterweſen.“
Der Rittersmann entfchließt fih: ach! er trauet
Sp bald dem gleisnerifchen Priefterwort !
Der Bund, auf den er ſtolze Plane bauet,
Die neue Gluth, reißt ihn gewaltfam fort.
As auf die Flur der dritte Abend thauet,
- Sieht man verlobt am glanzerfüllten Ort
Den tapfern Staufenberg mit Adelinen ;
Rings tönts: „Ein ſchönes Paar!— Heil, Heil fey ihnen!’ —
Sie ſchauen foll der zwölfte Tag verbunden;
Da langt zuvor ein Knecht von Staufen an.
Der Ritter ſtutzt, und fragt ihn, welche Kunden
Er melden foll? Hierauf verfest der Mann:
„Herr! mit dem Kind ift Euer Weib verfchwunden
Sp ſchnell, dag Niemand es begreifen Tann;
Dies war am Abend der Berlobungsfeier.”
„„Seltſam, ruft Staufenberg, und nicht geheuer!““
Es war, — fo denft er — jener Bund gefchloffen,
Wenn chriftlich, doch in ſchlimmer Geifter Sinn;
Wohl mir, dag fih Das wahre Licht ergoffen !
Und leichten Muths geht er zur Trauung bin.
Schon Yacht der Mai und milde Bächlein floffen
In dem Gefild; es blüht der Hain, worin .
- Des Fürften hohes Luftfchloß fich erhebet,
Bon Dienern und von Zofen neu belehet,
Ortenau. 31
Dort, als vollbracht die firchlihen Gebräuche,
Empfängt die Tafel rund im Ritterfaal
Den Hof, auch viel der Großen aus dem Reiche,
Der Herrn und Damen zu dem Hochzeitmahl.
Horch! Hörnerfhall! die Braut, die göttergleiche,
Deut lächelnd ihrem Lieben den Pokal,
Er nimmt ihn, blidt empor — wird wie verfteinet,
Weit — an der Wand ein Frauenfuß erfcheinet.
Kalt fährt es ihm und heiß durch alle Glieder;
Nur er Tann fehn den niedlichsfchönen Fuß;
Der fchwindet nun: Der Ritter faßt ſich wieder,
Trinkt vafch und murmelt: „Geh's denn, wie ed muß |“
Man will, da ſchon die Sonne fteigt hernieder,
Zur Hofburg ziehn noch vor des Tages Schluß.
Doch Staufenberg? — — Man fieht, er kann nicht hehlen,
Daß plöslich ihn geheime Echauer quälen.
Die Wagen gehn im ftolgen Pomp zurüde;
Mit Knechten folgt zu Roß der Bräutigam;
Er tauſcht mit feiner Holden Liebesblicke,
Und birgt nad) aller Macht den innern Gram.
Im offnen Feld erfcheint die Bogenbrüde,
Und während jegt der Zug hinüber Fam,
Will durch den feichten Flug vor feinen Knappen
Der Ritter fohnell, und Ienft hinein den Rappen.
Dod in der Mitte fchnaubt Das Roß — nicht weiter
Wil es voranz nichts helfen Sporn und Hand;
Es baumt und überfchlägt fi mit dem Reiter —
Ha! diefer fällt, der Hengft entfpringt an's Land.
Schnell wächſt der Strom, ergießt fi wild und breiter,
Und überfluthet fchon den hoben Strand;
Er raufıht, die Wellen thürmen fih voll Graufen
Hochauf, der Donner hallt und Stürme faufen.
Wie läßt fih laut der Frauen Klage hören!
Ja, auch den Männern finft der tapfre Muth;
Ah! die Bermählte bebt in heißen Zähren —
Da fieh! mit einmal weht der Stürme Wutb;
32 Ortenau.
Neu will die Au’n der Sonne Schein verflären,
Das Waſſer fällt und fanft hin wallt die Fluth;
Die Lerche fingt, des Zephirs Hauche wehen —
Jedoch der Ritter ward nicht mehr gefehen. *)
Karl Geib.
(Aus Geib's „Bolksfagen des Rheinlandes ꝛc. ꝛc.“ Heidelb. 1828. Vergl. mit:
„Ritter Peter von Stauffenberg und die Meerfeye” in des Knaben Wunder⸗
born, (S. die vorige Sage im Bollston.)
Meluſine im Stollenwald.
Am Durbader Thale fieht man noch im großen Stollen-
wald die Trümmer einer alten Burg; am Eingang des Thas
les aber erhebt fich links das Schloß Staufenberg. Bon jener
alten Burg geht folgende Sage:
Einft wohnte ein Amtmann zu Staufenberg, der hatte einen
Sohn, Namens Sebald. Diefer Tiebte den Vogelfang und begab
fih im Herbft oftmals an den Fuß des großen Stollenwaldes,
um Maifen zu Floben. Da Hört’ er einmal vom Berg herab
fo Tieblih fingen, daß er hinauf ging, um zu fehen, was es
wäre. Auf dem Gipfel des Stolfenberges ward er in einem Gebüfche
ein wunderfchönes Weib gewahr, das zu ihm fagte: „Erbarme
dich meiner und erlöfe mich; ich bin verwünfcht, und harre
feit Yanger Zeit auf dich; erhöre meine Bitte, du darfſt mid
nnr dreimal dreifach Füffen, fo bin ich erlöſt.“ Sebald fragte
fie, wer fie denn fey? und fie gab zur Antwort: „Ich bin
Himmel-Stollens Tochter, und heife Melufine; *) ich babe
einen großen Brautſchatz, und wenn bu mich erlöfeft, fo bin
ih und der Schatz bein eigen. Du mußt mich drei Morgen
nach einander, um neun Uhr in der Frühe, auf beide Wangen
und auf den Mund füffen, dann ift die Erföfung vollbracht.
Fürchte Dich nicht, befonders nicht am dritten Tag.” Sebald
betrachtete Melufinen, die aus dem Buſche hervorkam,
fehr genau. Sie war blond, hatte blaue Augen und ein ſchö⸗
ned Angeficht, aber an ihren Händen Feine Finger, fondern
eine trichterartige Höhlung, und flatt der Füße einen Schlan-
*) Ein Ritter Hans Stol von Staufenbergdkommt in Sad’ Bar. Geſch. HI. 246, vor.
Drtenam. 33
genſchwanz. Sebald gab ihr Die erfien drei Küffe, worüber
Melufine fehr froh war und ihn bat, am zweiten und dritten
Tag wieber zur rechten Zeit da zu feyn. Sie kroch in ihren
Buſch zurük und fang: „Komm und erlöfe deine Braut, —
hüte Dich wohl, zu erfchreden,
Sebald, nimm dich wohl in Acht!
Einmal war e6 recht gemacht.“
Da verjank fie vafch in die Erde und Sebald ging heim. Am
andern Tage fam er zur rechten Zeit wieder in den Stolfenwald
und hörte fie auf der Höhe fingen. Dieſes Mal hatte fie Klüs
gel und einen Drachenſchweif, aber Sebald nahte ſich ohne
Furcht und gab ihr die drei anderen Küffe. Sie fang ihm
wieder dankbar zu, wie am erften Tage und bat ihn, wieder
zu kommen, worauf fie abermals in die Erde verfehwand. Ser
bald konnte bie Nacht über nicht ruhen und ging früh wieber in
ben Stollenwald und hörte Meluſinens Lied, wie an ben vorigen
Tagen. Aber diedmal hatte fie einen Krötenfopf und der Drachen⸗
ſchwanz umfchlang furchtbar ihren Leib. Es graufte Sebalben vor
diefer giftigen Geftalt und er ſprach zu ihr: „Kannſt du bein
Antlig nicht entblößen, fo kann ich dich nicht füffen.“ „Nein!““
rief fie, und ſtreckte mit einem lauten Schrei ihre Arme nach ihm.
Die Angft ergriff den Sebald, er fprang den Berg hinab und
gerade ſchlug es neun Uhr, als er im ſchnellſten Lauf in der
Burg bei feinem Vater anfam und Diefem erzählte, was ihm
begegnet war. Er ward jedoch über feine Furchtſamkeit von dem
Vater gefcholten, der bie Gefchichte zum ewigen Angedenfen aufs
Schreiben Tieß, wodurd fie bis auf den heutigen Tag befannt iſt.
Sp vergingen zwei Jahre. Sebald befuchte nicht mehr den
Stollenwald und dachte wohl manchmal daran, daß er die Me-
Iufine betrogen habe. Doch war ihm feitdem nichts gefchehen.
Als er nun den Dienft. feines Vaters befommen follte, fo fah
fih Diefer um eine Frau für feinen Sohn um, und gab ihm bie
Tochter eines Amtsvogtes. Bei der Hochzeit im Schlofie Staus
fenberg war Alles vecht fröhlich am Tifche, als auf einmal bie
Decke des Saales einen Spalt befam, woraus ein Tropfen in den
Teller Sebaldg fiel, der, ohne dies zu wiflen, von der Speife aß,
augenblicklich aber todt niederfant. Man fah zu gleicher Zeit einen
3
34 Ortenau.
kleinen Schlangenſchweif ſich in die Decke zurückziehen. Noch
iſt die Geſchichte in Stein gehauen auf dem Staufenberg zu
ſehen. |
(Nah mündlicher Ueberlieferung mitgetheilt von Bernhard Baader in Mon
„Anzeiger für Kunde der teutfchen Vorzeit,” Yahrg. 1834, ©. 88)
Der Tenfelsftein auf der Schiehald.”
Micht weit von den zwölf Steinen ifl ein Berg, der heißt
bie Schiehald, da feht der größte Stein. Den bat einft ber Teu⸗
fel dahin getragen, und wollte Damit die St. Wendelinus-Rirche
im Thal zerfchmettern. Er nahm ihn von den zwölf Steinen
weg, ging damit durch das große Rappenloch und fam his auf
die Mitte der Schiehald, wo er den Felfen ablegte und ausruhen
wollte. Nachher konnte er aber den Stein nicht mehr aufheben,
da diefer mit dem fpigigen Ende im Berg. fledden blieb, und noch
ſieht man daran das runde Loch, welches die Schulterfnochen
des Teufels hineingedrückt haben, als er den Stein hertrug,
Noch ſteht er auf der Schiehald und heißt der Teufelsftein,
und fo blich die Kirche verfehont. Der Teufel fährt aber manch⸗
mal auf jenem Plate mit ſechs Geisböcken herum und man hört
ihn um Mitternacht mit der Peitfhe knallen. Es iſt nicht gut,
Nachts an jenem Orte vorbeizugehen, felbft mit Sadeln nicht,
denn fie werden Einem ausgelöfcht und die Leute dann in der
Irre herumgeführt.
(Nah mündlicher Ueberlieferung, mitgetheilt von Bernhard Baader in Mone's
nAnzeiger zur Kunde ber teutfhen Vorzeit.“ Jahrg. 1834. ©. 88.)
Der Schas im Stollenberge.
Im Jahr 1779 diente ein fünfzehnjähriges Hirtenmädchen,
welches die Melufine oft gefehen bat, zu Durbac auf dem
Eifenbähl. Ein Play Hinter dem Stolfenwald heißt „bei den
zwölf Steinen,” da erfchien Melufine dem Mädchen und führte
es beim Wolfsloch in den offenen Stolfenberg hinein. Da Tagen
am Eingang drei ungeheure Riefen, mit Speer und Harniſch
*) Vergl. mit dieſer Sage die verwandte; Seite A80 diefer Abtheilung.
Drtenan. 35
bewaffnet, und ſchliefen. Als fie weiter kamen, fahen fie große
Kiften und auf jeder faß ein fhwarzer Hund. Vor der Melufine
fprang aber jeder Hund gehorjam herab und fie öffnete die Ki-
fien mit ihrem Sclüffelbund. Es waren feche, alle mit Geld
angefüllt, welches Melufine dem Mädchen verfprach, wenn es
fie erlöfen wollte, Die Kiften wurden wieder gefchloffen und
die Hunde fprangen darauf, um fie zu bewachen. Sie gingen
nun zu ben zwölf Steinen zurüd und der Berg fchloß fich bei
ihrem Ausgang wieder zu. Dort erzählte Melufine dem Hir-
tenmädchen: „Wenn du 18 Jahre alt bift, Fannft du mich er-
Löfen, denn ich bin verwünjcht, und will Dir al das Gold geben,
das du geſehen haſt. Schon lange hab’ ich auf Dich gewartet
und gefchlafen bis zu deiner Ankunft. Hier bei diefen Steinen
mußte erft ein doppelter Tannenbaum aus einer Wurzel fproffen,
und als er hundert Jahre alt war, mußten ihn zwei Tedige junge
Leute am Wunibaldstage umbauen. Der flärffte Stamm wurde
auf einem Schlitten hinab ins Thal geführt auf Dagoberts-
tag, und aus ben Brettern dieſes Stammes deine Wiege ge-
macht.“ — Noch oft Fam Melufine an diefem Ort mit dem Mäd—
hen zufammen und man fprad im ganzen Thale davon, daß
die Berwünfchte erlöft werden follte. Viele Leute gingen zu dem
Mädchen und gaben ihm Gefchenfe zur Aufmunterung, bie enb-
lich der Pfarrer die Leute abmahnte und dem Mädchen mit
Kirchenbußen drohete. Da kam die Erlöfung nicht zu Stande;
wer aber von Sünden rein ift, wird doch zulest die Melufine
mit ihren Schäßen erlöfen.
Das Hirtenmäbchen nähte in ihrem fpäteren Alter um Lohn
bei den Leuten und lebte noch zu Anfang diefes Jahrhunderts
fehr ftill, Tieß fich aber nicht mehr ein, dieſe Gefchichte ihrer Ju⸗
gend zu erzählen. — Bei den zwölf Steinen find noch zwei
Zannen zu feben, die aus einer Wurzel entfproßt find und da⸗
mals hundertjährig waren. Man heißt fie Melufinen-Baum.
(Mitgetheilt von Bernhard Baader in „Mone's Anzeiger für Runde der
teutſchen Borzeit,” Jahrg. 1834.)
3*
36 Drtenau.
Der Zuß in der Wand.
(Nachträglich zu den zwei anderen Bearbeitungen berielben Sage. Seite 15 u. 23 vief. 328.)
Der Staufenberger ritt zu feiner Burg geſchwinde;
Wie bald entließ der Graf fein läftig Jagdgeſinde!
Zur Ruhe fehnt er fh, er war fo müd' geritten;
Er dachte: „Lieb, o Lieb!” — Da kam fein Tieb gefchritten.
Sie gab ihm Kuß auf Kuß die furze Nacht voll Wonne,
Er meint, e8 wär’ der Mond, da fehien die lichte Sonne.
‚Er ſprach: „Du bift fo fchön, wie könnt' ich dein vergeffen ?
Den lodt fein ander Weib, der ſolch ein Glück beſeſſen!“ —
„„So leicht ift Treue nicht, ſchlau wird man dich umgarnen, |
Drum fey wohl auf der Hut, mein Lieb, ich muß Dich warnen!
„„Ich bin Kein ſterblich Weib, ich bin der Feyen eine,
Mein Reich iſt in der Fluth, mein Schloß im tiefen Rheine.
„„Wir lieben Einmal nur, die Liebe nimmer ſchwindet,
Der muß gar fläte ſeyn, der ſich mit mir verbindet.
„„Biſt du ein ftäter Mann, will ich dir Freude geben,
Und Reihthum, Ehre, Macht, dazu ein langes Leben.
vn &enn du die Treue brächft, fo müßt’ ich ewig ragen,
Du aber fiechteft hin und fürbeft in drei Tagen.
„Du fähft nichts mehr von mir, als diefen Fuß, erfcheinen,
Du hörteft auch nichts mehr, als mein inbrünftig Weinen.” —
Der Staufenberger ſchwur, ihr ſtets getreu zu bleiben,
Er ſchwur dem fohönen Weib, ſich niemals zu beweiben.
Sie gab ihm hohen Muth und reiches Gut und Ehre, '
Und dacht? er: „Lieb, o Lieb!” — fo ftand bei ihm die Hehre.
Sie gab ihm Glück und Sieg bei jedem Ritterfriele,
Wenn er die Lanze ſchwang, fo traf er ſtets zum Ziele,
Wie hat er oft den Dank aus fhöner Hand empfangen !
Des Kaiſers Töchterlein ergriff ein füß Verlangen.
Drienau. 37
Sie ſprach dem Kaifer zu, der Kaifer ſprach zum Grafen:
„Mein funges Töchterlein laͤßt Liebe nicht mehr ſchlafen.
„Willſt du mein Eidam ſeyn, ſo kommt es wohl ins Gleiche,
Ich gebe dir Tyrol und Kärnthen von dem Reiche!“ —
Er ſprach: „„Ich bin vermählt, Herr, laßt es Euch vertrauen:
Es iſt fein ſterblich Weib, die Schönfte doch der Frauen.““ —
„So weh dir, theurer Held! mußt ewig ſeyn verloren,
Biſt du dem Geiſt vermählt und haſt ihm Treu' geſchworen.
Doch bindet nicht der Eid, der Biſchof kann ihn löſen,
Geweihtes Waſſer tilgt das Bündniß mit dem Böſen.“ —
Dem Ritter wurde bang, er nahm es ſich zu Herzen:
nicht will ich Gottes Huld und Eure Gunſt verſcherzen!““
Viel Meſſen laſen ſie; der Weihrauch ſtieg zum Himmel,
Und an die Brüfte ſchlug der Graf im Volksgewimmel.
Man hat vie Hochzeit fhön und herrlich ausgerichtet,
Biel Rofen hingeftreut und Lieder viel gebichtet.
Als es zu Tifche ging, wie die Pofaunen Eangen !
Wie fchienen rofenroth die Raunen und die Wangen!
. Das Pärchen ſaß vergnügt, die Männer und die Frauen, —
Da ließ fih an der Wand ein feltfam Wunder ſchauen:
Die Wand blieb unverlegt, doch kam hindurchgefahren
Ein Frauenfuß, fo fhön, als jemals Füße waren.
Bloß war er bis zum Knie und weiß wie elfenbeinen,
Sp zarten fab man nie, noch nie fo zierlich Heinen.
Auch ward ein Jammerlaut gehört in allen Kammern,
Und in dem Saal zumeift ein Weinen und ein Jammern.
Sie fonnten von dem Fuß die Blicke nicht verwenden,
Der Graf erfchrad, pas Glas zerbrach ihm in den Händen.
Er fah den fchönen Fuß, fein Herz zerfchnitt das Klagen,
Er ſprach. „Das ift mein Lohn, nun flerb’ ich in drei Tagen!
35 Ortenau — Hanauer Ländchen.
„Du, edle Braut, bift frei, mich tödtet bald die Neue;
Wähl' einen andern Mann und halt’ ihm fläte Treue.
„Wähl' einen Königsſohn, der deinem Stand gebühret,
Du fiehft, zu welchem Leid ungleiche Ehe führe!" —
Ins Klofter ging die Braut, das ſchien ihr gleiche Ehe.
Am dritten Tage brach des Grafen Herz vor Wehe.
K. Simrod.
(Siehe Deffen „Rheinfagen ꝛc.“)
3980
Hanauer Ländchen.
Sage vom Korker Waldgericht.
Merlwürdig ift das Korfer Waldgericht, das ehe
mals mitten im Dorf unter Eichen, die zum Theil noch ftehen,
gehalten wurde und, nad dem Korker Waldbrief von 1476, fol-
genden Urfprung haben fol:
„Ein Herr hat geheißen Herr Eppel und feine Hausfrau
Uze, feynd gefeflen auf Fürftened bei Oberkirch; Derfelbig
Herr iſt fo reich gewefen, daß er Fürſtengenoß war, und bie=
felbig ehelich Gemächt hat gehabt eine einzige Tochter, hat ges
heißen Sungfer Stefel, diefelbe ift zu Nußbach an einem”
Tanz gähling geftorben. Zu berfelben Tochter Seelenruhe haben
fie gegeben Korfer Gewälde den Kirchfpielen Kork, Boders⸗
weyer und Tine zu rechten Gottesgaben; Wittwen und Waifen,
Arm und Reich zu gebrauchen. Umb diefelbe Gottesgabe feynd
bie drei Kirchfpiele Kork, Bodersmeyer und Linr uneing ge=
worben, daß Zodtfchläge deßhalb gefchehen.”
Zur Beilegung diefer Streitigfeiten nahmen diefe Gemein-
ben anfangs noch Appenmeier und Windſchläg in Gemeinfchaft.
Als die Zwiſtigkeiten doch noch fortvauerten, gab eine hohe
Perfon den Rath: „man folle ein Wucher-Rind nehmen, das
ein Farr war’, fünf Jahr alt, und es einftellen Jahr und
Zag, daß ed Sonn’ und Mond nicht febe, (was auch geichah),
dann folle man das Rind führen auf den Hof zu Kork an ber
Ortenau — Hanauer Ländchen. 39
Eichen und wohin es gehe, es ſeye zu Weſterholz oder anderſt
wohin, ſoll ein Mark ſeyn derſelben Spanne.“ — Dies ge⸗
ſchah ſo; und nun wird weitläufig erzäht, was das Rind für
einen Weg genommen und wie ed mitten in das alte Rhein-
bett gegangen, ſich dort dreimal gefchüttelt und wieder umges
wendet; und wie es wieder in den Korfer Bann gefommen,
„da habend die Glocken zu Kork fich felbften geläutet, und iſt das
Rind fommen bis auf den Hof zu Kork unter der Eichen und hat
ihm daſelbſt Das Herz abgeftoßen und baffelbe Rind ift an eine
geweihte Statt begraben worden, als ob es ein Chriftenmenich
wäre gewefen. Und fo die Herren, die Amtleute und Wald-
genofien geſehen haben das große Zeichen von dem unvernünf-
tigen Rindvieh nnd wie daffelbe nach dem Umgang auf dem
Hofe fein Herz abgeftoßen bat, (jo fchloßen fie) das gebe
Urfah, daß alle Verhandlung wegen berielben Gotteögabe
(des Waldes) auf demfelben Hofe und nicht weiter berechtigt
und vertheibigt werben ſoll.“ — Wenn Einer einen Waldfrevel
beging, („Wald und Weide verbricht”) der foll nur unter fol-
gender Bedingung wieder zur Gemeinfchaft fommen: „Er fol
zu Kork auf dem Buhl ftehen auf einen Sonntag zu Ausgang
der Meß und fol bei ihme haben 24 Maaß rothen Wein, 24
Semmelwel, 24 neue hölzerne Becher, darin der Wein feyn
fol und foll fprechen: Ich Habe Wald und Weide verbroden
und bitte alle Waldgenoffen, arm und reih, daß man mid)
wieder darein ap! — Wenn er das gethan, follen ihn die von
Kork wieder in Wald und Weide Yaffen, veffelben Weins und
Brots Jedermann zu effen und zu trinfen Macht haben foll.”
(S. d. Lahrer hink. Bothen vom Jahre 1815.)
%
Biſchofsheim N
unterfcheidet fi) Durch den Beinamen‘: „am hohen Steg”
von den andern Drtfchaften dieſes Namens. Bor Zeiten war
nemlich ein hoher Steg über dem Helchenbach, der durch den
Flecken fließt, angebracht, auf welchem man vermittelft vieler
Stufen hinauf und herunter fieg. Die Fuhrwerke mußten
durchs Waffer. Hier war bie ehemalige Reſidenz ber Grafen
40 Drtenau — Hanauer Ländchen.
von Hanau. Der letzte derſelben wurde da geboren, und das
Haus, worin er das Licht der Welt erblickte, ſteht noch. Es
war damals in ſehr ärmlichem Zuſtande, nicht weil es dem Gra⸗
fen an Geld fehlte, — vielmehr hatte die Amtsſchaffnerei ſehr
reiche Einkünfte, — fondern weil man ed damals nicht befier ge-
wohnt war. Indeſſen fing biefer letzte Graf doch einen größeren
Bau an, farb aber noch vor deffen Vollendung. Es ift eine
plumpe Steinmaffe, woraus man mit vielen Koften eine Beam⸗
tenwohnung zugerichtet hat. Als Refivenz hatte Biſchofsheim
ehemals auch eine eigene Münsftätte und hohen Abel.
8.9.8.
Der Leichenzug zu Scherzheim und das
wilde Heer.
Zu Scherzheim bei Licht en au iſt jest eine neue Kirche;
vordem aber ſtand eine da, die man für die älteſte im ganzen
Lande hielt. Viele alte Leute haben an ihr vorüber oft einen
Leichenzug von Geiſtern geſehen. Im Advent bis Weihnachten,
wo die Geiſter gehen, wenn ed Nachts 11 Uhr geſchlagen, hebt
ber Zug im Kälbelögäßel an, voraus mit Kreuz und Fahnen,
mit Prieftern im Gewande; fo gehn fie linfer Hand langſam
fort, fingen dumpfe Lieder, als ob fie einen Todten zur Ruhe
brächten, und tragen eine Bahre, über Die weiße Tücher gehängt
find. Wenn fie an der Kirche ankommen, fo gehn fie rings um
diefelbe herum, bis fie wieder an das Thor derfelben fommen,
wo dann zur linken Seite Alles auf einmal verſchwindet. Fuhr⸗
leute, die von fernen Gegenden herkommen und nichts von die⸗
fen Geiſtern wiſſen, haben fchon oft dieſen Zug gefehen, und im
Revolutionskrieg hatten die Defterreicher Kanonen auf dem
Kirchhof und eine Wache dabei; aber der Umgang ließ ihnen
feine Ruhe; fie mußten Die Kanonen in’s Feld fielen und die
Wachen aufheben. Im Kärbelsgäßel hauft der Teufel manch⸗
mal bei Nacht und man hört auch dort Das wilde Heer mit ges
waltigem Lärme baherbraußen.
(Siehe Mone's Anzeiger ıc, v. 3. 1834.)
— 1 > —
En
Renchthal um Seitenthäler.
+367o
Der Bannader.
An der Nähe der Ulmburg bei Oberkirch liegt ein
Ader, der obigen Namen führt, von deſſen Urfprung die Sage
Folgendes berichtet :
Frau Judith, die Wittwe des Kaftelland von Ulmburg, Tebte
feit ihres Mannes Tode in einem Häuschen unweit der Burg
größtentheils vom Ertrag eines Feldſtückes, das ihr zugehörte.
Sie hatte nur eine einzige Tochter, Imma, die zum fchönften
Mädchen der ganzen Gegend herangeblüht war. Ad Imma
fechszehn Jahre zählte, bepflanzte Frau Judith einen Ader mit
Flachs, den follte ihr Töchterlein ſelbſt fpinnen und die daraus
gewobene Leinwand zu ihrer Mitgift aufbewahren.
Es wohnten aber in der Nachbarfchaft einige loſe Gefellen,
die e8 für bequemer hielten, zu ſtehlen, als zu arbeiten, und ed
befonders auf die Plünderung der Feldgüter abgefehen hatten.
Der Flachs, den Frau Judith gefäet, war ganz vortrefflid ges
biehen und der ſchönſte in der ganzen Gemarkung, fo daß bie
Wittwe fid) nicht genug ihre Freude darüber ausdrücken Fonnte.
Aber Imma fagte dann jedesmal traurig: „Ach, die Diebe wer-
den ihn gewiß bald davontragen!“
„Da wollen wir ihnen ſchon einen Hemmbaum vorfchieben 1” —
verſetzte die Mutter. — „Ich weiß ein Sprüdjlein, das lernſt
du auswendig, gehſt hinaus auf den Flachsacker und fagft ed
Taut her und wie die Diebe das Feld betreten, werben fie feft-
gebannt und können nicht mehr yon der Stelle weichen.“
4) Renchthal und Seitenthäler.
Imma lernte den Segen auswendig und als am nächften
Sonntag bie erfte Feftglode Täutete, ging fie hinaus nnd ſprach
folgendes Bannſprüchlein: |
„Dieb oder Diebin, fommet nur an!
Sch bind’ euch alle hier mit dem Bann,
Mit dem Herr Chriftus die Hölfe bunden,
Mit feines Leibes heiligen Wunden,
„Es ftehn drei Lilien in Blüthe
Auf unfers Herrgotts Grab;
Die erſt' ift feine Güte,
Die zweit’ fein fanft Gemüthe,
Die drit? fein göttlicher Wil.
Mer drunter ifl, muß halten ftil,
Sp lange Gott und ich es will,
„Wohl dreiunddreißig Engel
Die faßen beieinand’
Und pflogen mit Maria
Der Ehren allerhand ;
Da Sprach der heilge Daniel lieb:
Schaut, liebe Frau, dort fommen Dieb’,
Die wollen dein Kind dir flehlen,
Das kann ich dir nicht verhehlen !
Da ſprach unfre liebe Frau mit dem Rind
Zu St. Peters: Bind’, St. Peter, bind’ !
Da fprah St. Peter: ich habe die Dieb’
Schon feftgebunden mit einem Band,
Und zwar mit Gottes felbfteigener Hand.
Jetzt mögen fie ftehlen, drinnen und draus,
Im Wald, im Felde, Hof oder Haus!“
Nachden Imma diefen Segen gefproden, kehrte fie nad
Hauſe zurüd, nicht ohne Vertrauen auf den guten Erfolg, ber
auch nicht Iange ausblieb. Denn als fie am folgenden Mor⸗
gen vor Sonnenaufgang mit der Mutter auf den Flachsacker
hinaus ging, um nadzufehen, fand fie daſelbſt zwei unge
Burſche fefgebannt, die fih nicht um ein Härchen von ber
Stelle bewegen konnten und fih mächtig fehämten, in ſothane
Falle geratben zu feyn. Laut jammernd flehten fie die Frauen
Renchthal und Seitenthäler.- 43
an, ſie doch vom Banne zu loͤſen; aber obgleich das Herz der
Frau Judith nicht arm an Mitleid war, ſo konnte ſie doch
bie Bitten der Gefangenen nicht erfüllen, weil fie die Löſungs⸗
formel vergeffen hatte, und man mußte zulegt einen Geiftlichen
herbeiholen, um bie Gefellen vom Banne zu löfen. Dadurch
verbreitete füh Die Kunde von dem Vorfalle weit und breit
und das Flachsfeld erhielt vom Volke den Namen „der
Bannader.”
(S. AM. Schreibers „Sagen aus den Nheingegenven, ben Vogeſen, und bern
Schwarzwalde.“)
Der Ning.
Ueber dem Oppenauer Thalgrund erhob ſich einſt die
ftattlihe Bärenburg, von deren Mauern aber längſt nichts
mehr fihtbar iſt. Bald nah ihrer Zerflörung hatte fih das
Gerücht verbreitet, Daß ein großer Schag an Gold und Koftbar-
feiten aller Art in einem unterirdifchem Gewölbe dortfelbft ver-
borgen liege. Einem jungen kecken Edelfnechte von dem benach⸗
barten Shlog Bofenftein ſchwoll das Herz vom Gelüften,
ben Schag zu heben. Ein fahrender Schüler, der damals in
der Gegend herumzog, Tehrte ibn Die zu deffen Beihwörung '
nöthige Formel, mit deren Sprud er ſich wirffich den Eingang
in das tiefe modrige Gewölbe dffnete, worin bie Ahnen der Bä-
renburger in ihren Särgen lagen. Er bob verwegen einen Dedel
nach dem andern auf, Doch lauter Gerippe flarrten ihm entgegen
und son Kleinodien war nicht das geringfte zu erbliden. Ends
lich fand er im letzten Sarge den noch unverweften Leichnam
einer Jungfrau von Bärenburg, der Letzten ihres Stammes,
welcher mit ihr ausgefiorben war. Ihren Finger fehmüdte ein
bligender Diamant und ihren Naden eine ſchwere goldene Kette.
Raſch nahm ihr der Edelknecht Beides ab und floh Damit nach
Haufe. Doch, noch nicht begnügt mit dieſem Funde, fland er
fhon des anderen Tages wieder im Todtengewölbe, um weitere
Nachforſchungen anzuftellen. Da richtete fich die bleiche, geftern
von ihn beraubte Jungfrau langſam in ihrem Sarg empor,
faßte plöglich feine Hand und fprach mit ſchauerlichem Tone:
44 Renchthal und Seitenthäler.
„Haſt mir den Ring genommen,
Mein Kettlein auch dazu,
Nun biſt du mein Verlobter,
Leg' dich bei mir zur Ruh!“
Mit geſträubtem Haare riß der Edelknabe ſeine Hand aus
dem Griffe der ihrigen eiskalten los und ſtürzte hinaus, fort
nach Boſenſtein zurück. Doch wenige Tage darauf warf ihn ein
Fieber auf die Leichenbahre.
(S. Al. Schreibers „Sagen aus den Rheingegenden ꝛc. ꝛc.“)
— — — — —
Allerheiligen's Stiftung. ”
So ſprach Frau Uta, die Herzogin:
„Ich will ein Klofter ftiften,
Ihr Räthe, fagt, wo ſtell' ichs hin?“
Da gabs viel Reden und Schriften
Bol „ſintemal“ und „alldiweil,“
„Inmaßen“ und „berowegen.”
Faſt Jeder fuchte das Gegentheil
Bom Andern darzulegen. —
„Sp wird mein Wille nie zur That,
Der Nebel immer dichter ;
Geht, holt mir einen Flügern Rath,
Der fey des Zweifels Schlichter 7 —
Ein Efel wars. Den fchidt fie hinaus,
Bepackt mit reihen Schäßen :
„Run, lieber Getreuer, fuch mir aus
Den beiten von allen Plätzen!“
Rath Langohr fchleicht im trägen Gang,
Dem weiland amtsgemäßen,
Als wär’ er all fein Leben lang
Herzoglicher Rath gewefen.
Bald wirds ihm heiß auf feiner Bahn,
Die Thäler glühn und dampfen,
Ein grimmig Dürften fällt ihn an,
Drob hebt er an zu flampfen;
Renchthal und Seitenthäler.
Doch kaum hat ſeines Hufes Schlag
Den lockern Grund getroffen,
Da ſprudelt ein klarer Quell zu Tag,
Da hat er ſich ſatt geſoffen.
Und weiter ſchleppt er ſeinen Sack,
Bis an des Felſens Schiefe
Er jählings feinen ſchweren Pad
Wegfchleudert in die Tiefe.
„Freund Langohr, Flug iſt bein Entfcheid !
Hier unten will ich bauen;
In wilder Bergeseinfamfeit
Soll man das Klofter fchauen.” —
Und fo nad Efelsrath ward dort
Sogleich auf der Frau Ita Wort
Der Kiofterbau begonnen
Und raſch vollführt; nah diefem Ort
Fließt noch der Eſelsbronnen.
Zulegt noch eine gute Lehr’
Für Alle, fo dies Iefen:
Des Efels Rath frommt öfters mehr
Denn hochgelahrtes Wefen.
Allerbeiligen’s Ende,
Adels-Preis und Herrlichkeit,
Prieſtermacht und Glanz verbleichen,
Denn im Weft mit biutgen Zeichen
Steigt empor die neue Zeit.
Eduard Braser.
45
*) Die fromme Frau Uta, Toter eines Grafen von Calw, und die
Gemahlin eines Herzogs aus dem Geflecht ver Welfen, bewohnte
die Shauenburg, deren Trümmer von einem hoben Felfenblode auf
einem Berge nahe beim Städtchen Oberfirch herunterfehen.
Shauenburg hat ihren Nanten nicht umſonſt; denn von bier aus
genießt man einer wundervollen Fernſicht ind Rheinthal und Die Gebirge.
Das fie diefen Namen deßhalb erhalten, weil vie Straßburger fie einft
vergeblich belagerten und beim Abzuge fich felbft zum Hohne gefagt hät-
ten: „Wir fchauen an die Burg!“ ift wohl nur aus der Luft gegriffen.
Die
46 Renchthal und Seitenthäler.
Auch Frau Ut a's Gotteshaus
Iſt dem Untergang verfallen,
Traurig aus den Kloſterhallen
Zieht der Mönche Schaar hinaus.
Und des Hauſes Gründerin,
Uta, fihwebt herab zur Erbe;
Was aus Allerhbeifgen werde,
Forſcht fie mit betrübtem Sinn.
Sieh, da pflegen juft die Herrn
Rath mit hochgelehrten Mienen:
Wie der Bau nun möge dienen,
Ob als Strafhaus, als Kaſern'?
Reden, fehreiben hin und ber
Mit bedächt’ger Ueberlegung,
Ziehen gründlichſt in Erwägung
Diefer Das und Jenes Der.
Uta hört geduldig lang,
Wie die Herren fich verflügeln, . .
Doch nicht länger mag fie zügeln
Ihres Unmuths heißen Drang.
Bon des Schwarzwalds Felfenfig
Gießt fie finftre Wetterfchauer :
Weh! des Kiofters höchſte Mauer
Spaltet ein gewaltiger Blitz!
„Run ihr Herren! mit Verlaub,
Sparet euch des Nathens Mühen!" —
Flammen zifchen, Funken fprühen,
Und das Klofter finft in Staub.
Eduard Brauer.
‚*) Diefes Gedicht bildet das Gegenſtück zu dem vorftehenden. Nicht
minder außergewöhnlich und bemerfenswerth als deſſen Gründung (nad)
der in der Klofterchronif aufbewahrten Sage) war auch das Enbe des
Klofters. Im Jahr 1803, als kaum die Mönche das Klofter verlaffen
hatten, und man darüber ſich beratbfehlagte, zu welchem Zwecke das Ge⸗
Er: RT, ⸗ fe Au WA Kr) A A A
mu IK Yale x fd 7 kır oc
Renchthalund Seitenthäler. 47
bäude nun verwendet werden ſollte, (als Correctionshaus, Spinnerei,
Kaſerne ꝛc. 20.) warb es vom Blitze getroffen und brannte gänzlich nie⸗
der, Nur bie Kirche blieb ſtehen. (Vergl. Kolbs Lexikon und das Univer⸗
Talleriton von Baden.Jf”
Allerheiligen.
‚Die Felſenkirche.
Nach der ehemaligen Abtei Allerheiligen führt, von
Dppenau her, der Weg Durch ein wildes Thal aufwerts. Nicht
weit davon liegt, auf einer einfamen Walpftelle, ein viefiger
Selfen, der beinahe die Form einer halbzerfallenen Kirche hat.
Wirklich fol er auch in uralten Zeiten eine Kirche, und zwar
eine der erſten chriftlichen Kirchen des Landes gewefen feyn, Die
- ein edler Alemanne geftiftet habe. Bon dieſem geht folgende
Sage:
Er hinterließ fieben Töchter, die eben jo ſchön als fromm
waren und auf der väterlichen Burg miteinander in tiefer Stille
und Eingezogenheit lebten. Es war um die Zeit, ald der Hun⸗
nenkönig Attila, die Geißel Gottes genannt, mit feinen unzähl-
baren wilden Horben an den Rhein fam, um aud Gallien zu
überfhwemmen. Er Tieß eine ungeheure Menge Flöße bauen,
um darauf überzufegen. Bon den Haufen, bie ausgeſchickt wur-
den, um das nöthige Holz dazu im Schwarzwalde zu fällen und
berbeisufchaffen, kam einer durch Zufall auf Die Burg, wo die
Schweftern hauften. Diefe rohen Kriegsmannen ehrten eben fo
wenig die Tugend als die Wehrlofigfeit, und wollten ihren fre=
chen Begierden freien Zügel laſſen. Die Jungfrauen fahen bier
nur die Wahl zwifchen Tod und Schande; aber fie waren
augenblicklich entſchloſſen, erfteren vorzuziehen. Da rieth ihnen
ein alter getreuer Diener, ſich gegen Abend burch einen unter-
irdiſchen Gang in die Kirche zu flüchten, welche ihr Vater er-
baut hatte, Er hoffte, bis dahin die wüften Gefellen beim Trunfe
binhalten zu können und meinte, fie würden nicht fo Leicht Darauf
verfallen, auch in die Kirche zu dringen, die hinter einem Wäld⸗
hen ziemlich verſteckt lag. Die fieben Schweftern befolgten die—
48 Renchthal und Seitenthäler.
ſen Rath und erreichten auch glücklich die heilige Stätte; aber
ein treuloſer Knecht, der ihre Flucht bemerkt hatte, verrieth den
Hunnen das Geheimniß. Dieſe ſtürzten wutherfüllt nach der
Kirche; als ſie aber deren fußdicke eichene Pforte verriegelt fan⸗
den, fällten ſie einen jungen Tannenſtamm, um damit wider die⸗
ſelbe Sturm zu rennen und ſie zu ſprengen. Doch als ſie vom
Walde zurückkehrten, um dies Vorhaben auszuführen, war der
Eingang zur Kirche nicht mehr zu finden. Nirgends eine Spur
mehr von einer Pforte; ſogar die Fenſter und anderen Oeffnun⸗
gen waren verſchwunden. Wohl ſtand die Kirche noch da, jedoch
nur als ein mächtiger, undurchdringlicher Fels, aus deſſen Innern
leis und ſchauerlich ein Pſalmenchor jungfräulicher Stimmen
ertönte.
Noch vernimmt zuweilen der einſame Thalbewohner in ſtil⸗
len Nächten liebliche Geſänge, die aus dem Felſen zu erklingen
ſcheinen, und das Herz mit frommem Sehnen erfüllen.
Auguſt Kopiſch hat obige Sage kurz und fräftig geſun⸗
gen, wie folgt:
Die Felſenkirche.
Die wilden Hunnen werfen den Knecht:
„Wo find die Fräulein ? ſag' es recht!" —
„„Die fieben Fräulein find entflohn
Zur Kirch’ und beten zu Gottes Sopn.““
Die Hunnen rennen zur Kirche dar,
Der Kirche Thür’ verſchloſſen war.
Die Hunnen fällen die hohe Tann
Und rennen wider die Thüren an. N
Die Fräulein zu Maria fehrei’n,
Die Kirche wird ein Felfenftein.
Der Wandrer, der vorüber zieht,
Hört noch im Stein der Frommen Lied.
Eine Reihe von Felfen in der nächſten Umgebung viefer Felſenkirche
wird jeßt noch die „Siebenfhwefterfelfen” genannt; nahe dabei
erhebt fich ein anderer Felfen „ner Reiterfprung”. (Siehe die fol-
gende Sage.) Diefer Punkt wird vom „Känzele“, einer Felſenhöhle
aus, am beften gefehen.
(5. WU, Schreiberd „Sagen aus den Rheingegenden 2c.”)
Renchthal und Seitenthäler. 49
Der Neiterſprung.
Unweit des Kloſters Allerheiligen rauſcht Die Lierbach in
einem fehauerlichen Abgrunde über gewaltige Felfen und Stein-
blöde. Den Neugierigen,, der an den Rand der Klippen tritt
und in bie jähe Tiefe hinabſchaut, faßt plöglicher Schwindel.
Ein einziger Fehltritt — und unvermeiblicher Tod wäre das Loos.
Bis hierher verfolgten im breigigjährigen Kriege einige Defter-
reichifche Reiter einen Schwebifhen. Da der tapfere Flüchtling
hier feinen Ausweg mehr ſah und eher Alles verfuchen wollte,
18 ſich gefangen geben, trieb er rafch fein Pferd zu einem ge⸗
waltigen Sprung über den breiten, graufigen Abgrund. Allein
dem bereits erfchöpften Thiere fehlte die nöthige Kraft; es ſprang
zu kurz, und Roß und Reiter zerfchellten an den Klippen der
Tiefe.
(S. „Sagen aus Baden und ber Umgegend.“ Garlöruhe 1834.)
Der Zigeunerwald,
Unfern des Eſelsbrunnens*) bei Allerheiligen Liegt der Wald
diejes Namens. Bor Zeiten haufte darin eine Schaar Zigeuner,
bie gleichfam eine Kolonie bildeten, in der Umgegend ihr Diebs⸗
und Wahrfagersgewerbe trieben und das Geflohlene in der 50
Schuh langen Felfenhöhle (noch jet die Zigeunerhöhle genannt)
verwahrten. Die Mönche der Abtei Allerheiligen duldeten aber
das Bölfchen gern in ihrer Nähe, ja fie nährten und pflegten
Dafielbe, weil es dem einfam gelegenen Gotteshauſe als Schug
und Wache diente.
(S. das Univerfalleriton vom Groß. Yaben. S. 22.)
(Ausführliheres Über Allerheiligen und die Herzogin Uta findet fi anmuthig
erzählt in Joſ. Bader's „Badenia,“ dritter Jahrgang S. 246 u. ff.)
*) Bei diefem Brunnen fand 2 noch ein Stein mit der Infchrift:
„Ahno 119
Ward bier ein Eſel durchgeführt,
Von deſſen Huf der Quell en .
Acherthal m Seitenthäler.
Zürenne’s Fall. ”
Anſtatt der Thürme, Die gefallen,
Der muntern Städte, Die verbrannt,
Siehft du die weißen Fahnen wallen
Bon rauher Lager Zeltenwand.
Die blanfen Glieder der Musketen
Erfteben ftatt der Silberſaat;
Statt goldner Aerntewagen treten
Der Reiter Reih’n der Gaue Pfad.
Statt Glockentons zu frommem Flehen,
Erſchallt die Trommel zu dem Streit.
Der ſchwarze Wald von feinen Höhen,
Er trauert um bed’ Landes Leid;
Es fleht der Held am Eichenbaume
Bor reichgefhmüdtem Führerfhmwarm,
Und firedt nach feinem Siegesraume
Den Feldherrnſtab mit ſtolzem Arm.
So weit des Helden Augen reichen,
Kein Feindeshaupt bis an den Rhein
Sie ſtäubten hin vor feinen Streichen
Und Teutfchlands Paradies ift fein.
Er hebt in feines Ruhms Gedanfen
Die Stirne freudig himmelan;
Acherthal und Seitenthäler. 51
Der Thränen Millionen ſanken,
Damit ein Stolzer lächeln kann.
Fällſt du ſo willig, teutſche Ehre,
Verbirgſt dein Volk in Wald und Schlucht,
Mit Weibergrimm und feiger Zähre?
Hat dich dein Gott im Zorn verflucht?
Dir ſtehn allein noch deine Eichen,
Zerſchlagen liegt dein treuer Heerd.
Doch deines Baumes Schatten reichen
Ein Throndach Dem, der dich entehrt.
Horch, wie es dröhnt im greiſen Aſte!
Den Fluch im tauſendjähr'gen Arm
Schlaͤgt er herab nach ſeinem Gaſte,
Gibt ihm den Tod für Schmach und Harm.
Des Helden Stirne liegt zerbrochen; —
Bald bricht, o Volk, dein fremdes Joch!
Es hat dein alter Gott geſprochen
Im Braußen deiner Eichen noch.
Georg Rapp.
*) Das Denkmal des Marſchalls Türenne, — ein großartiger Obelisk
von Granit, — ſteht bei dem eine halbe Stunde von Achern entlegenen
Dorfe Sasbach. Im Jahr 1675 ſtunden ſich bier die Heere der
Oeſterreicher unter Montecuculi, und der Franzoſen unter Türenne lange
unſchlüſſig gegenüber und es wollte zu keiner rechten Schlacht kommen.
Sn dem kaiſerlichen Deere befand ſich auch der Markgraf HPermann
von Baden. Eine bisher noch nicht widerlegte Erzählung ſagt: Tü—
renne, welcher einen Schimmel ritt, habe einen Platz recognoseirt, wo⸗
hin er fein Gefchüß aufführen zu Taflen beabfichtigte. Der Markgraf, der
eine Batterie befehligte, und ihn bemerkte, habe nun einen feiner Kano⸗
niere gefragt, ob er fich getraue, Jenem dort auf dem Schimmel eine
Kugel zu fenden? Gleich habe der Kanonier fein Geichüß gerichtet und
die gefeuerte Kugel traf in eine Eiche dicht über Türenned Haupt, und
der flürzende Aftmgerfchmetiterte ven Helden.
Anm. des Herausg.
4*
52 Achernthal und Settenthäler,
Das Brigittenfchloß.”
Deftlih vom Erlenbad, eine halbe Stunde von S ass
bach, wo Türenne’s Denkmal fteht, erhebt fich ein hoher fteiler
Bergfegel, von deſſen Spige noch Die wenigen Trümmer bes
fogenannten Brigittenfchloffes berabfehen.
Der Sage nah fol in uralten Zeiten das Schloß tiefer
und zwar an der Stelle geftanden haben, wo jest das Landgut
Aubach liegt. Damals wohnte Dort, wie es heißt, eine Edel⸗
frau, Namens Brigitte, welche, eine Meifterin in allen hölli⸗
ſchen Zauberfünften, die ganze Umgegend oft mit Seuchen, Ueber:
fchwemmungen, Hagel, Inſekten und anderen Plagen heimſuchte,
je nachdem ihr böfes Gelüſte fie dazu trieb. Darob war dag
Bolt gewaltig gegen fie erbittert und als einft ein furchtbares
Gewitter den ganzen Jahresſegen des Feldes zerftört hatte,
fohaarten ſich die Bewohner der umliegenden Dörfer und Höfe
zufamuen und zogen, mit Senfen, Drefchflegeln, Heugabeln, ır.
Einige fogar mit Bogen und Streitärten bewaffnet, rachebrül⸗
end gegen die Burg der Frau Brigitte. Dem Zuge voran
wurde ein Kreuz getragen, das man aus einer Kirche genom-
men, als ficherfter Wetterableiter alles Hexenſpucks, womit fich
die ſchlimme Here zur Wehre ſetzen könnte.
Als der tobende Haufen bei der Burg anlangte, fand er
die Zugbrüde aufgezogen und alle Zugänge dicht verrammelt ;
auf den Wällen und Zinnen aber ſah man eine Unzahl Eleiner
grauer Männlein, die eher Affen, als Menſchen glichen, ge⸗
fhäftig hin und her wimmeln. Die meiften Bauern überlief
bei dieſem Anblid ein Grauen, Doch ein junger Mönch, der fich
dem Zuge angefchloffen hatte, fachte ihren erlöfchenden Muth
wieder zu neuen Flammen an durch Die Verfiherung: daß Alles
"nur teuffifches Blendwerk fey, das augenblicklich verfchwinden
müße, fobalb Jeder Das Zeichen des heiligen Kreuzes dagegen
made; fie follten daher bei Anbruch der Nacht in Gotted Nas
men getroft auf die Burg Sturm laufen. F
Als alle Berfehrungen dazu getroffen und die Belagerer,
yon ihren Wachtfeuern umlodert, eben im Begriff waren, bie
*) Burgruine im binterften Theile des Sasbacher Thales, vom Städtchen Achern
ein und eine halbe Stunve öſtlich.
\
Achernthal und Seitenthäler. 53
Burg im Sturm zu nehmen, ſahen fie plötzlich auf dem Thurme
berfelben drei blaue Slämmchen im nächtlichen Dunkel herum:
tanzen, Gleich darauf gefellte fih Frau Brigitte zu denſelben,
einen Zauberflab in der Hand, den fie nach den vier Weltge-
genden ausftredte, während fie mit lauter Stimme eine Zauber:
formel dazu fprad. Kaum war fie damit zu Ende, als der
Boden unter ihnen erbebte, ein fürchterliches Geheul durch die
Luft erſcholl, die Sterne verlofchen und mit einem Knall, als
wolle die Erbe berften, der ganze mächtige Bau des Schloffes
fih aus der Tiefe feines rundes losriß und, von unfichtbaren
Gewalten getragen, auf die höchſte Spike des Berges fehwebte,
wo es fich fo feftfeste, als wär’ es ſchon vor uralter Zeit auf
biefer Stelle gegründet worden. Erftarrt vor Entfegen ſchauten
der Mönch und die flurmluftigen Bauern dieſem Zauber nad),
aber ihr Schreden wurde, wo möglih, noch größer, als das
Herenweib ihnen vom Thurme herab zurief: „Solltet ihr euch
vermeffen, mich auch bier auf meiner neuen Wohnftätte zu bes
unrubhigen, fo werbe ich eure Wohnungen, fammt Allem, was
darin ift, ebenfo wie meine Burg, durch die Lüfte forttragen
und in den Rhein oder Bodenfee hinab verfenfen laſſen!“ —
Der ganze Haufe rannte nun nad) Anhörung dieſer gräßlichen
Drohung, fo fehnell ihn nur die Füße trugen, nad) feinen Woh⸗
nungen zurüd und eine lange Zeit verging, ohne daß irgend ein
Menſch den Muth gehabt hätte, den Berg wieder zu befteigen,
von deſſen Gipfel das gefpenftige Schloß herabflarrte. Ohnge⸗
fähr ſechzig Jahre fpäter verirrte fi) ein Mägdlein, das Erd⸗
beeren fammelte, bis vor den Eingang der Burg, deren Mauern
fie vor dem ringsherum ſtehenden dichten Gebüfche nicht gleich
gewahr geworben war. Da fah fie plöglic eine ſchwarzver⸗
ſchleierte, weibliche Geftalt hervortreten, bie einen golbenen
Schlüffel in der Hand hielt und ihr winfte, mit zu kommen.
Das Mädchen aber rannte mit einem Schreckensgeſchrei Davon
und den Berg wieder herab. Bald darauf zerfiel die Burg
Mauer für Maler und als einige Jäger es einmal wagten, in
die Ruine zu dringen, fanden fie nichts darin als einen Haufen
menſchlicher Gebeine und unzählbare Schaaren von Eulen und
Sledermäufen.
(S. AM, Schreibers „Sagen aus den Rheingegenden ⁊c. ⁊c.“)
54
Acherthal und Setitenthäler.
Brigitta von Hohinrot.
(Zweite Sage vom Brigittenſchloß.)
Bas finnt das hohe, flolze Weib,
Im Bogengang um Mitternadt? .
Sie hebt im Zorn den edlen Leib
Und öffnet eine Pforte facht.
Sie fteht vor ihrer Liebe Mann,
Der rubt im Arm der Dirne hold;
Sie winft der Magd zu ſich heran:
„Ich zahle dir den Buhlerſold!“
Da kehrt ihr Herr die Schaam in Wuth;
Am fcharfen Dolche bebt fein Arm,
Ihr hoher Bufen finft im Blut, _
Ihr ſtolzes Auge bricht im Harm.
Den Frevel fhaut die Mondesgluth
Und rührt gelind die Starre an;
Sie waſcht fih ab ihr klebend Blut
Und wanft hinaus auf öder Bahn.
Sie hüllt die welfende Geftalt
In tiefe Kloſterſchleier ein,
Und baut im weltverfchwiegnen Wald
Ein Hüttendach der flummen Pein. —
Der Gattenmord bat feinen Troft
Und Reue wandelt fi in Flud).
Er flieht, gerichtet und erboßt,
Ihn treibt ihr Blut wie Zauberfprud).
Er haut den Feind und fohlägt den Freund,
Beſäet mit Blut den Räuberlauf;
Die Flamme fleigt, wo er erfcheint,
Doch rother fteigt ihr Blut ihm auf.
In Trümmer bricht fein ſtolzes Schloß,
hm fehreit der Fluch des Volkes nach,
Acherthal und Settenthäler.
Ihn hetzt der Hunde lauter Troß,
Ihr Blut ſchreit lauter als die Schmach.
Er ſtürzt ſich von der Felſenwand,
Er ſtürzt ſich in den Strom hinab,
Der wirft ihn ſchaudernd an den Strand,
Die Erde beut ihm auch kein Grab.
Er knirſcht zerſchellt im öden Wald,
Sein Haupt umrauſcht der Raben Flug;
Der Sturm der düſtern Wüſte hallt,
Verſchleiert naht ihm, die er ſchlug.
Und als er ſtirbt in ihrem Schooß
Enthüllt ſie mild ihr Angeſicht,
Und ſanfte Thränen brechen los,
Da ihm das Herz im Frieden bricht.
Georg Rapp.
Das Brigittenfchloß. (Hohinrot.) \
(Andere Berfion.)
In drei Romanzen.
. u
Am Walde fteht verborgen
Das Feine Siedlerhaus;
Der Greis tritt früh am Morgen
In Gottes Welt hinaus;
Sein Glödlein, angefchlagen,
Verhallt im blüh’nden Bann,
Da fchwingt fih über'n Hagen
Ein kecker Jägersmann.
„Sey mir willkommen, Alter!“
— So grüßt der Jäger friſch —
„Leg' heute Kreuz und Pſalter
Und Gürtel auf den Tiſch,
Und zeig’ mir, frommer Degen,
Was du sor Zeiten warft,
53
Acherthal und Seitenthäler.
Du Held, vor deſſen Schlägen
Manch ſtolzer Scheitel barſt!
„Da ließeſt du die Mette,
Das Kreuz, des Teufels ſeyn,
Griffſt in manch Ehebette,
In manchen Pferch hinein,
Warſt tapfer auf der Meute,
Frugſt nichts nach Recht und Pflicht; —
Zum Ritter ſprech' ich heute,
Des Mönchleins acht' ich nicht.
„Du willſt mein Wappen kennen?
Frag', Alter, ohne Noth!
Man wird mit Schall dir nennen
Den Herrn von Hohinrot,
Den mehr, als Kreuz und Klauſe,
Jagdluſt und Minne reizt,
Doch dem ſein Weib zu Hauſe
Die Hölle gut geheizt.
„Die Hölle, ja die Hölle,
Die Eh' iſt mir verhaßt!
Das, Möoönchlein, iſt die Duelle,
Die nichts als Jammer faßt.
Ein Weib ift unerträglich
Das kalt für Minnefcherz,
Nur von Gebeten kläglich
Hat immer voll das Herz.
„Drum höre meine Bitte:
Wenn heut am Abend fpat
Mein eifig Weib Brigitte
Sich deiner Zelle naht:
Sey taub für ihre Klagen,
Wirf ab den Schafvelz gleich,
Und öffn' ihr ohne Zagen
Das Thor zum Himmelreich.
N.
*
Acherthal und Seitenthäler. 57
„Du haſt mein Wort begriffen?
Died Schwert, fo glatt und fein,
Das ift ein ſcharf gefchliffen
Blank Himmelsfchlüffelein ;
Das ſtoß' ihr in das kalte
Tieblofe Herz hinein” -—
Voll Grauen ruft der Alte:
„Herr! Herr! das kann nicht ſeyn!“
„Da, keine Gegenrebe,
Fürcht' Alter, meinen Zorn |
An meinem Grimm geht febe
Dedenflichfeit verlor'n !“ —
Mit diefen Worten wieder
Daponfprengt der Barbar;
Der Greis ſinkt betend nieder
Bor feinem Felsaltar.
2.
Nah Hohinrot, dem Schluffe,
Ziehn heut von Nah’ und Fern
Mit fchmudem Dienertroffe
Die Grafen und die Herrn.
Der Zwerg ſpäht in die Runde
Bom hohen Burgaltan,
Und fagt.zu jeder Stande
Biel neue Säfte an.
Der Mönch, der iſt verfchwiegen,
Und flumm die Tobten find,
Die grünen Zweige. wiegen
Sich wortlos in dem Wind;
Der Wald im luſt'gen Maien
Spricht nichts von Mord und Tod,
Drum keck die Dirne freien
Darf Herr von Hohinrot.
Die Geiger auf den Brettern
Die fiedeln frohe Weiß,
38
Acherthal und Seitenthäler,
Die Hörner luſtig ſchmettern,
Die Becher gehn im Kreis;
Der Saal, geſchmückt mit Kränzen,
Faßt kaum die wilden Reih'n,
Und tauſend Lichter glänzen
Tief in die Nacht hinein.
Der Herr geht durch die Hallen
Reulos, mit frohem Sinn,
Sein Blick ruht mit Gefallen
Auf ſeiner Buhlerin.
Er grüßet Jung und Alte;
Wo blieb des Feſtes Preis,
Wo blieb der Mann vom Walde,
Der fromme Siedlergreis?
Und horch! da dröhnt die Pforte
In ihren Angeln jach,
Ein Greis tritt ohne Worte
Ins feſtliche Gemach.
Er führt an feiner Rechten
Ein Weib, fo finmm und bleich,
In milden Sommernädhten
Dem ftillen Monde gleich.
Es geht ein feltfam Grauen
Dem Pilgerpaar voran,
Und alle Blicke ſchauen
Zum hohen Greis hinan.
Doch fieh, man kennt ihn balde!
Die Mähr’ fliegt durch den Kreis:
„Das ift der Mann vom Walde,
Der fromme Sieblergreis !“
Der redt fih hoch und höher
Und droht mit finftern Brau’n,
Er ſteht, als wie ein Seher
Der Urmwelt anzufhau'n;
Sein Blick in tieffter Feier
Durchbligt die Reihen Dicht,
Acherthal und Seitenthäler 59
Drauf lichtet er vom Schleier
Der Pilgerin Geficht.
Da dröhnt aus Saales Mitte
Ein Schrei, entfeglich faſt:
„Brigitte! weh, Brigitte! —
Wer Iud den Tod zu Gaſt?“
Des Alten Bli im Reigen
Ins Herz dem Grafen bohrt,
Da bricht fein Mund das Schweigen,
Da fchallt fein Donnerwort:
„Heraus, du Mann von Eifen !
Dir droht ein Mönchlein nur!
Nun wird fih’S keck erweifen,
Wem Unrecht wiederfuhr.
Laß deine Zornglut Iodern!
Die Todten kommen nicht,
Die Lebenden, fie fordern
Dich, Sünder, vor Gericht.
„Die du aus deinem Haufe
Berbannt, verftoßen haft,
Sie fand in meiner Klaufe
Im fernen Walde Raft;
Der Herr, der Hort der Armen,
Gab ihr ein gut ©eleit,
Der Wald bielt voll Erbarmen
Ihr Speif und Tranf bereit.
„Nun magft dein Schwert du züden,
Wenns dich entfünd’gen kann!
Es fteht vor Deinen Blicken
Ein waffenlofer Mann;
Reif’ ab ihm die Kapuze,
Schau’ ihm ins Aug’ hinein,
Sein Haupt ift, dir zum Trutze
Bon Mord und Blurfhuld rein!” —
60
Acherthal und Settenthäler,
Schwer traf die Donnermahnung
Des frechen Räubers Ohr,
Er ſteht voll banger Ahnung
Und rafft ſich jach empor;
Er ſtürzet aus dem Saale,
Er eilet ohne Raſt
Und birgt in tiefem Thale
Des Herzens Schuldenlaſt.
Er kann nicht Ruh' mehr finden,
Kein Stern hellt ſeine Bahn,
Es klammern alle Sünden
Sich ſeinen Ferſen an.
Gejagt, gepeinigt toſt er
Durch Kluft und Haideland,
Bis er in fernem Kloſter
Ein friedlich Obdach fand.
8.
Huf Hohinrot, dem Schloffe
Da ifts fo ftill umber,
Da wiehern feine Roffe,
Da blinft Fein Fägerfpeer.
Ein Kirchlein von der Halde
Begrüßt die Gau'n im Kreis,
Drin dient der Mann vom Walde
Der fromme Sieblergreis.
Es wehet von der Zinne
Kein ftolz Panier fortan,
Es ſchallt fein Lied der Minne
Vom hohen Burgaltan.
Ein Kreuz firahlt ob den Thoren
Bergoldet in die Fern,
Das Herz, das viel verloren,
Sudt feinen Schöpfer gern.
In frommer Schweflern Mitte
Dient Ihm, der Welt entrafft,
Acherthal und Seitentpäler. 61
Die Büßerin Brigitte
Sn tiefer Klofterhaft.
Des Gatten Schuld zu wenden
Deut fie den reihen Schag,
Das Gold mit vollen Händen
Den Armen zum Erfag.
Den Wittwen und den Waifen,
Den Kranfen in der Rund,
Die fie als Mutter preifen,
Thut ſich ihr Segen fund;
Die Dörfer fommen alle
Zu knie'n an ihrem Herd,
So ward fie bald mit Schalfe
Als Heilige verehrt.
Wohl ift das Schloß zerfallen,
Wohl ſteht der Thurm verwaift,
Doch ob den öden Hallen
Schwebt noch Brigittens Geift.
Wohin dein Auge ſchaue,
Ihr Segen ſchmückt pag Land,
Drum wird Die Burg im Gaue
Brigittenſchloß genannt.
Friedrich Otte.
Der Burggeiſt auf Nodeck.
Ohngefähr eine Stunde von der Stelle, wo ſich Türenne's
Denkmal erhebt, zieht ſich das Gebirge hinauf ein wildroman⸗
tiſches, aber ſtarkbevölkertes Thal, das Kapplerthal, das von
einem kraftigen, kühnbeherzten Menſchenſchlage bewohnt wird.
In dieſes Thal ſchaut von einer Anhöhe das Schloß Rodeck
herab, von welchem noch folgende Sage ſich erhalten hat.
Zur Zeit des Bauernkrieges hatte auch dieſes Schloß feinen
eigenen Burggeift, der aber ein guimüthiger Knirps war und
gar nichts übel nahm, außer wenn man über feine Geftalt ſpot⸗
tete oder irgend etwas Unrechtes verübte, An der Familie von
Rode hing er mit aufrichtiger Liebe, und als ber Yurgherr
62 Aherthalund Seitenthäler.
eines Tages feinen Rath mehr wußte, fein Schloß und feine
Lieben noch länger vor der Uebermacht der fchon nah heranftürs
menden aufrührerifchen Bauern zu fihern, vertraute ihm ber
getreue Zwerg, er habe tiefer im Gebirg eine Reihe unterirbi-
fher Selfenfammern entdeckt, deren Eingang aller Welt ver-
borgen läge und nur durch Zufall aufgefunden werden könne.
Dahin rieth er dem Nodeder, ſich mit feiner Familie und dem
Beten feiner Habe zu flüchten, dabei auch den nöthigen Vorrath
von Lebensmitteln nicht zu vergeflen.
Der Borfchlag wurde mit freudigem Danf angenommen.
Die meiften Knechte hatten bereits das Schloß verlaffen und
waren, in der Hoffnung, ihre Habſucht zu befriedigen, den beute=
machenden Bauern zugelaufen, und auf die Treue der wenigen
noch Zurüdgebliebenen fonnte der Ritter feft bauen. Die Wan-
berung ind, Öebirge mit Weib, Kind und Hausgefinde nach dem.
bezeichneten Plage geſchah bei tiefer Nacht; nur der Zwerg
weigerte fi) mit zu gehen und beſtund hartnädig darauf, man
folle ihm die Hut des Schloffes anvertrauen. Der Rodeder
willigte Tächelnd ein, denn es war vorauszufehen, daß feine
Burg demleberfall von den Bauern doch nicht entgehen. würde,
Kaum hatten die flüdgigen Auswanderer die Mauern von
Rodeck hinter ſich, als der Zwerg in aller Eile die Laufgraben
mit Waſſer füllte und die Thorbrücke aufzog. Schon Tags
darauf erfchien ein bewaffneter Bauernhaufe und forderte das
Schloß zur Uebergabe auf; als aber nirgendsher Antwort ers
folgte und fie Doch Alles im beften Bertheidigungsflande fanden,
beforgten fie eine dahinter ſteckende Kriegstift, befchloffen aber
nichts deſto weniger, das Wafler aus den Gräben abzuleiten
und fobann Sturm zu laufen. Sogleich wurde Hand and Wert
gelegt und bereits flunden die nöthigen Leitern und Geräthe
zum Sturm in Bereitfhaft, als man plötzlich aus den benach⸗
barten Seitenthälern den Schall. von Trommeln und Pfeifen,
immer näher und näher fommend, vernahbm. Zu gleicher Zeit
erfchien der Zwerg oben auf der Thurmwarte und fchlug ein
gellendes Gelächter auf. Die Bauern überfiel Todesangft; fie
wähnten nicht anders als, das ganze fehwäbifche Bundesheer
rüde heran, und ergriffen fo fihleunig als möglich die Flucht.
Und auch als fi fpäter herausftellte, daß die ganze Gegend
Acherthal und Setitenthäler. 63
weit und breit umher leer ſey von den Truppen ſowohl der
Städte, als der Fürſten, wagten ſich doch die Bauern nicht
mehr in bie Nähe dieſes Schloffes, da der Glaube, daſſelbe ſey
verzaubert, fefte Wurzel in ihnen gefchlagen hatte Sonach
blieb die Burg, Dank ihrem guten Geifte, von allen Schredniffen
des Bauernkrieges verfchont und bie Familie fand, als der Frie-
den ihr die Rüdfehr nach Rodeck geftattete, Alles in der Burg
noch in derfelben Ordnung, wie fie e3 verlaffen hatte.
Aloys Schreiber,
Der Retter von Nodeck.
(Metriſche Verſion der vorftehenden Sage.)
Neun foll es erklingen das luſtige Spiel
Vom Zwerg in dem Schloffe zu Rodeck!
Einf nahmens die Bauern im Kriege zum Ziel,
Da faßte den Grafen ein Todſchreck.
Die Freunde, die Beften, fie waren entflobn;
Die Knechte, verfhmähn’d den verheißenen Lohn,
Gehn über zum Bund der Berfchwornen.
Schon zählt er fih zu den Verlornen.
Der Treufte von Allen, ein drolliger Wicht,
— Kaum maß er drei Fuß bis zum Schopfe —
Mit röthlichem Barte, mit Runzelgefiht,
Und mächtigem Höder und Kopfe:
Der trat nün in raffelndem Harnifh und Helm,
Mit fporenumfliriten Kanonen, der Schelm,
Gar fein falutirend zum Ritter:
„Bas grämt Ihr und härmt Euch fo bitter?
„Vertraut mir, Gebieter! Ich hab’ es Euch Dank,
Daß einft Ihr mich wiegtet im Holzſchuh,
Wo, gütlich bewirthet mit Speife und Tranf,
Ich pflegte vergnüglich und ſtolz Ruh.
Längft bin entwachfen der Schaufel, ein Held!
Ya, glaubt nur, ich tummle mich tapfer im Feld:
Ameif im Galoppe zu reiten,
Meneſtratus lehrt' michs vor Zeiten.
+‘
6A Acherthal und Seitentpäler.
„Wie Demas auf Spinnengeweben, fürwahr,
So künſtlich zu tanzen auch wag' ich;
Wie Marculus, traun, mit dem Kopfe ſogar
Sonnſtäubchen zu ſpießen vermag ich.*)
Kurz: gebt mir, ich bitte, die Burg da in Hut!
Brav wird fie vertheidigt, da ſteh' ih Euch gut;
O fäumt nicht, ſchon wälzt fih im Trotte
Thaleinwerts die feindliche Rotte!“
„Was fabelſt du, närrifcher Enirpfiger Daus?“
Kopffhüttelt der Ritter von Rodeck.
„Du wollteft beftehn mit dem Feinde den Strauß,
Auffordern zur Rache den Tod keck?“ —
„Das will ich, drum bin ih in Eifen und Stahl!
est macht aus dem Staub Euch mit Kind’ und Gemahl!
Dies Zweiglein . . . . an felfiger Stelle
Erſchließt's Euch die wohnlichſte Zelle.“
Der Graf mit den Seinen ergreifet die Flucht,
— Dumpf wirbein die Trommeln von ferne —
Durch heimliche Gänge zur felfigen Schlucht
Gelangt er im Schimmer der Sterne.
Kaum hat er berührt mit dem Zweig das Geftein,
Sp Iadet ein Zaubergewölbe fie ein
Zu leder bereitetem Mahle,
Da funfelt der Wein im Pokale.
Wie ſchmauſet und zechet das Gräflein mit Luſt!
Er fragt nicht, bei wen er zu Gaſte;
Ihm ſchmiegt fich fein jugendlih Weib an die Bruft
Im firablenden Gnomenpalafte.
Die Kinder, fie jubeln, — 9 felige Nacht!
Sp find fie entfihlafen, fo find fie erwacht,
. Derweil vor dem flürmenden Troffe
Sich rüflet der Zwerg auf dem Schloſſe.
Kings füllt er mit Waffer die Gräben fofort,
Aufzieht er Die wuchtige Brüde;
*) Siehe die Anmerkung am Schluß!
’ Acherthal und Seitentpäler. | 65
Den Brefihbatterieen der Bauern zum Tort,
Hoch ypflanzt auf den Wall er die Stüde.
Der Ruf: „es ergebe die Burg fich !” ertönt.
Drauf fhallend Gelächter. — Man glaubt fi verhöhnt,
Argwöhnet verberbliche Kriegsliſt
Im Trotz, der ſo ſicher des Siegs iſt.
Zur That doch befeuert der Führer die Schaar;
Es ſchmettern die Hörner zum Sturme.
Nun krachen die Böller, es wächſt die Gefahr —
Da fieh! auf der Warte vom Thurme
Stolzieret in raffeindem Harnifch und Helm
Mit fporenumflirrten Kanonen der Schelm,
Aufſchlagend entſetzliche Lache!
Dem Feind iſt unheimlich die Sache.
Und ſchwellender gellt ſein Gelächter zu Thal,
Und gellender ſchwillts in die Runde,
Da hallts wie Drommeten und Trommeln zumal
Als Echo vom waldigen Grunde.
Wie macht ſo ein Thürmer die Bauern verdutzt!
Flugs haben die Stürmer die Platte geputzt
Bergunter die Kreuz und die Duere
Aus Angft vor dem ſchwäbiſchen Heere. —
So biieb nun verfchont vor gefürdhtetem Troß
Die Burg in dem Kriegesgemitter.
Gekehrt aud dem Berge der Graf in fein Schloß,
Schlug dankbar das Zwerglein zum Ritter.
Das hat mit dem Rath ihn, dem Hugen, bedacht:
„Zwar hab’ ich die Bauern von binnen gelacht,
Run aber iſts Euere Sade,
Daß dauern der Frieden Euch lache!
„Drum ftillet die Klagen der Armen im Land,
Defreit fie vom Joch dem. verhaßten;
Regiert nicht, wie Andre, mit eiferner Hand;
Bermindert die Frohnden und Laſten!“
I. 5
—8
66 Acherthal und Seitenthäler.
So that er, und Segen erfüllte ſein Haus.
Oft kam das Gezwerge vom Berge zum Schmauß
Bei Meth und gewürzigem Brodweck. —
Hei, ging es da hoch her auf Rodeck!
Ignaz Hub.
(Driginalmittheilung.)
*) Hirngefpinnfte ver Dichter des Alterthums; Pygmäen der win-
zigften Elaffe, fo zu fagen: Infufionsmenfclein. Meneftratus ritt eine
Ameiſe, die ihn abwarf und mit ihren Füßen zertrat; Demas war fo
leicht, daß er auf einem Spinngemwebe tanzen fonnte, und Marculus
hat mit feinem Kopfe ein Loch in ein Sonnenfläubrhen gebohrt. Unge—
heure Riefen dagegen waren, beren Homer im vritten Gefang ver
Altade erwähnt, wo er die Schlachten der Trojaner. und Griechen mit
dem Streite ver Pygmäen und Kraniche vergleicht. Sie wohnten, nad
Plintus, an ven äußerſten Gränzen Indiens, wo der Ganges entfpringt,
hatten eine Höhe von drei Spannen, und wurden befländig von den Kra⸗
nichen befriegt. Zur Zeit des Frühlings zogen fie, auf Widdern und
Ziegen reitend, mit Pfeilen bewaffnet, ſchaarenweiſe an’! Meer, um bie
Eier und Jungen ihrer Feinde aufzureiden. Mit viefem Feldzuge brach⸗
ten fie gewöhnlich drei Donate zu, weil fie fonft den Heeren ver Kraniche
nicht hätten Widerſtand Ieiften können. Ihre Häufer beflanden aus Lehm,
Federn und Eierfchalen. Ann. des Verf,
Die Klofterruine zu Seebacdh. ”
Von des Lebens lauter Straße
Lag geſchieden
Hier in Frieden
Eine heilige Oaſe.
Stille Wohnung frommer Nonnen
Stand im Schirme
Heil'ger Thürme
An des Thales klarem Bronnen.
Bei des Gloͤckleins hellem Klange
Sie erſchienen
Gott zu dienen |
Mit Gebet und mit Gefange.
=
2) Dorf und Filial von Ottenhöfen, drei Stunden öftfih von Achern.
—
Acherthal und Seitenthäler.
Einſt doch weinte eine Nonne
Hier oft Thränen,
Und ihr Sehnen
Wußten Zelle, Mond und Sonne.
Eine Taube kam geflogen,
Zeug im Munde
Todeskunde
Deſſen, dem ſie war gewogen:
Trennungsweh' zog hin den Lieben
Zu dem Heere —
Auf der Ehre
Feld iſt er geblieben;
Und noch dacht' er ſterbend ihrer
Bitter leidend; —
Klage meidend,
Beugt ſie ſich dem Weltregierer.
Und ob ihres Ordens Pflege
Bald erblühte
Dem Gemüthe
Ruh’ im heiligen Gehege, —
Der Zerftörung längſt zum Raube
Ward die Halle,
Und fie Alle
Sind vermählet auch dem Staube.
Und der Epich am Gemäuer
Grünt noch immer,
Aber nimmer
Schlägt ihr Herz im Todesſchleier.
Nur in fanften Maienlüften
Wehen linde
Noch als Winde
Seufzer aus den moos'gen Grüften.
| 5*
67
68 Acherthal und Seitenthäler.
Und im Gipfel alter Bäume
Flüſtert leiſe
Noch die Weiſe
Ihres Lieds und ihrer Träume.
Friedrich Ernft.
Die Helden vom Kappeler Thal.
Un herrlichen Weinbergen vorüber, durch Gärten poll üppi-
ger Obftbäume und ganze Wälder von Kaftanien, auf einem
Teppich frifchgrüner Wiefen zwifchen einer Menge von Bächen
und Quellen dahin, welche nach und nad die oft fehr wilde
Acer bilden, zieht fich der Weg durch diefes Thal, welches in
einer Strede von wenigen Stunden eine Fülle der berrlichften
Scenen entfaltet und an romantifcher Pracht mit manchen ber
befannteften Schweizerthäler wetteifern dürfte. Kappel unter
Rotteck, ein wohlhabender Fleden, Liegt Dicht am Fuße des
Berges, auf welchem die Trümmer des alten Schloßes Rotteck
Yiegen, son dem wir oben die Sage vom tapfern Burggeifte
mittheilten. Bon bier aus z0g einft manch tapferer Ritter gegen
die Wälfchen und Sarazenen, aber die Wiege der Helden ift
längſt in Schutt zerfallen. Das zum Flecken gehörige Thal ift
ziemlich ſchmal und in feinem oberften Theile fchon bedeutend
raub, wird aber von einem fräftigen, fernteutfchen Menfchen-
fihlage bewohnt. Das haben im Jahr 1796 die Franzofen derb
genug empfinden müßen. Denn hier fanden fie ein Feines Tyrol.
Auch bier gibt es nämlich Scharfihügen, fo gut wie dort. Meh—
remale verfuchten die feindlichen Truppen bier einzubringen,
wurden aber allemal, mit einem Berlufte yon Kanonen und
ahnen, blutig zurüdgeworfen. Die Kappeler behaupten, eine
weiße Frauengeftalt fey ihren Schaaren vorangefchmwebt und
babe fie wunderbarlich gefchüst vor dem Feuer der Franzofen.
Ob's ein Fräulein aus dem benachbarten Munmelfee gewefen,
oder eine felige Ritteröfrau von einer der alten Burgen biefeg
Thales, ober gar eine bemfelben beſonders gnädige Heilige,
darüber find die Meinungen verfchieden. — Uebrigens nahmen
bie Weiber dieſes Thaled, nach echt altteutſcher Weife, felbe:
den thätigften Antheil an den Kämpfen und Gefahren ihrer
Acherthal und Seitenthäler. 69
Männer; eine Tapferkeit, von der ſie ſchon früher einmal wackere
Proben abgelegt. Als nämlich im Jahr 1777 ein angeſehener
Bauer dieſer Gegend, wegen Wilderei, ins Oberkircher Amtsge⸗
fängniß geworfen wurde, bewaffneten ſich die Weiber mit Heu⸗,
Mift- und Ofengabeln, Stangen, Beſen :c. und zogen bei nädht-
licher Weile nah Oberkirch, überfielen in tieffter Stille die
Machen am Thor und am Thurm, nahmen fie gefangen, (bie
Wächter mochten im erſten Schreden meinen, alle Deren ber
Yburg fenen herabgefommen) befreiten den Wilderer aus feinem
Kerfer und führten ihn im Triumphe heim in ihr Thal zurüd.
D. 8.
Das Bergweiblein.
Das Sefchleht, das auf der Burg Öofenftein, deſſen
Ruinen bei Dttenhöfen im Kapplerthal von einem Hügel herab-
ſehen, feinen Sit hatte, ift längft erlofchen. Einer der Ritter,
welche dort haußten, hatte eine einzige Tochter, Ida mit Na⸗
men, erft achtzehn Jahre alt, ausnehmend fchön aber eben fo
gut und fromm. Oft erging fie fih im nahen Walde, pflüdte
Blumen und Kräuter und Iaufchte dem fröhlichen Gezwiticher
der Vögel. Da gefellte fih von Zeit zu Zeit ein Kleines, grau⸗
gekleidetes Weiblein zu ihr und hatte bald durch ihr freundliches
Wefen und die wundervollen Gefchichten, die es ihr erzählte,
Ida's volle Gunft gewonnen. Eines Tages brachte ihr das
Weiblein einige Stüde gediegenen Goldes. „Da, — fagte
fie — „will ih dir was fohenfen! Sol ein koſtbares Spiel-
zeug hat wohl faum eine Königstochter aufzuweiſen!“ — Ida
freute ſich herzlich. über diefe Kleinodien und als fie nach Haufe
fam, eilte fie, diefelben ihrem Vater zu zeigen. Aber dieſer Anblid
wedte im Herzen des Ritters alsbald die böfe Begierde, Der
Gedanfe, das Waldweiblein müße wohl im Belige großer Vor⸗
räthe folcher Koftbarfeiten feyn, Yieß ihm feine Ruhe mehr und
feine Habfucht trieb ihn zu einem unfeligen Entfchluße.
Am folgenden Tage fpielte Ida wieder, wie gewöhnlich, in
ihrem lichen Walde und auch die geheimnißvolle Geſellſchafterin
hatte fi) wieder eingeftellt. Da flürzten plöglich etliche Knechte
des Burgheren aus dem Gebüfche hervor, wo fie gelauert hatten,
To Acherthal und Seitenthäler.
ergriffen das Weiblein, des Flehens der zum Tod erſchrockenen
Ida nicht achtend, und ſchleppten es auf die Burg vor den Rit⸗
ter von Boſenſtein. Dieſer fuhr ſie mit rauhen Worten an,
indem er auf das ihm von ſeiner Tochter überlaſſene Gold
deutete:
„Woher haft du dieſe Stücke?“
„Aus meiner Heimath.“ — verſetzte das Bergweiblein.
„Ihr müßt einen Ueberfluß von ſolchen Schätzen haben! —
Ich gebiete dir, mir längſtens bis Morgen um diefe Zeit zehn
Körbe vol davon zu bringen !"'
„Ich bin nicht Eure Leibeigene!“ — gab das Weiblein mit
finfterem Blide zurüd — „Glaubt ja nicht, Daß ich Euch ge-
borchen werde !“
„So will ich verfuhen, ob Dich eine Nacht in meinem
Burgverließe nicht anderen Sinnes werden läßt!“ — zürnte
der Ritter.
„Gewiß zum Danfe, daß ich Eurem Töchterlein das Gold
zum Spielzeuge gebracht habe?” — Ticherte das Weiblein höh⸗
niſch und ihre Worte Hangen fo unheimlich, daß den Burgheren
ein Grauen überlief; allein der Schimmer bes Goldes übers
wältigte fhnell jede, beffere Regung in ihm und er befahl, die
Alte in den Kerfer zu werfen, wenn fie nicht augenblicklich ver⸗
ſpräche, feinem Gebote Folge zu leiſten.
In diefem Augenblide fam Ida faft athemlos gelaufen und
befhwor ihren Vater unter Thränen, doc ja ihrer Freundin
zu fihonen, die ſtets fo Tiebreich gegen fie gewejen. Aber ber
babfüchtige Mann blieb ungerührt, fogar als ſich fein Kind ihm
zu Füßen warf und flehend feine Kniee umſchlang. Das Weibs
lein aber fagte: „Diefes Mägdlein ift Euer guter Engel, Herr
Ritter! Jetzt laßt mich abführen in den Thurm !”
Ida beftand darauf, mit dem Weiblein ins Verließ gefperrt
zu werden, allein der harte Vater riß fie heftig von demſelben
hinweg und bie Alte ward in den Thurm geführt.
Diefem Abend folgte eine furchtbare Nacıt. Ein entjeglicher
Sturm erhob fi und ſchien Die Burg in Trümmer zufammen-
flürgen zu wollen. Zwifchen dem Raffeln des Donners und
dem Geheule der Windshraut vernahm man allerlei: feltfame
Stimmen und gellende Hammerfchläge. Als es endlih Morgen
Acherihal und Settenthäler. 71
ward, kam ein Knecht zu dem Ritter mit der Meldung herauf⸗
geeilt, die Gefangene ſey durch ein Loch, das in den Thurm
gebrochen worden, entflohen.
Jetzt bemeiſterte ſich doch ein Bangen des Herzens des Burg⸗
herrn; als aber eine Magd mit der Nachricht erſchien, Ida's
Bett ſey leer und keine Spur von ihr zu finden, ſchlug er ſich
die Fauſt vor die Stirne und wüthete über ſich ſelbſt.
Das ganze Burggeſinde und alle Reiſigen wurden aufge⸗
boten, die Gegend ringsum zu durchſtreifen, jedoch alles For⸗
ſchen blieb vergebens und ſie kehrten niedergeſchlagenen Herzens
wieder surüd. Der Ritter gerieth in Verzweiflung, raufte ſich
das Haar und that Gelübde auf Gelübde, eine Kirche zu bauen,
einen Tyeil feiner Güter dem Klofter zu fehenfen, ja felbft nach
Einfiedeln zu wallfahrten, wenn ihm nur feine Ida, die er bei
au feiner Härte doch zärtlich Liebte, wiedergegeben würde. End⸗
lich brachte ein Holzhauer die Kunde, daß er das Fräulein auf
einer Felfenflippe, die noch Niemand zu erfteigen vermochte und
bie eine halbe Stunde von Bofenftein im Walde lag, bei dem
gefpenftigen Weiblein figen gefehen habe. Unverzüglich machte
fih der Ritter mit feinen Leuten nad) dem angegebenen Orte
auf, Als das Weiblein die Anfommenden erblidte, nahm fie
raſch Ida bei der Hand und verſchwand mit ihr auf der Rüde
feite des Felfens. Der Ritter wähnte nun Alles verloren, doch
ald er mit vieler Mühe fih einen Weg durch das Geftrüppe
hinter die Klippe gebahnt, fand er zu feiner freudigften Ueber-
raſchung feine Tochter auf einer Moosbank am Felfen ſchlum⸗
mern und neben ihr zwei mit Laub überfireute hohe Körbe.
Der Ritter dachte nicht anders als, fie feyen mit Gold ange-
füllt, als er aber Die Hülle aufdeckte, glänzten ihm nichts ale
Steinfohlen entgegen und dabei Tag ein Pergameniitreif mit
den Worten: „Dem goldgierigen Ritter von Bofenftein
Das Weiblein aber Tieß fich von dieſem Tage an nirgends
mehr blicken und die arme Ida vermißte Tange Zeit mit ſchwerem
Herzen die freundfihe Gefpielin ihrer Waldeinfamfeit und
konnte fich kaum über ihren Verluft mehr tröften.
- (A, Schreiber’s „Sagen aus den Rheingegenven ⁊c.“).
72 Acherthal und Seitenthäler.
Die Frau von Bofenftein.”
Um ihren Herrn von Bofenftein
Hat Yängft verfchmerzt den Trennungsharm,
Noch in der Blüthe Rofenfchein,
Die Frau in ihres Buhlen Arm.
Es war zum Kreuzesfiege
Gezogen fern der Ritter,
Zu des Erlöfers Wiege,
Ein Sarazenenfchnitter.
Sie praßt in Lüften Tag und Nacht,
In fündliher Genüffe Wahl;
Nie Hat fie treulih mehr gedacht
Des Ehgemals beim Schwelgermaht.
Dei weingefüllten Humpen
Wie jubelts heut im Chore!
O ſeht, da hinkt in Lumpen
Ein Weib herein zum Thore!
In ihrer ſieben Kinder Kreis,
Als käm' das Unglück ſelbſt zu Gaſt,
Fleht um ein Stücklein Brod ſie heiß,
Gemagert zum Gerippe faſt.
Jedoch mit finſtrer Stirne
Die Herrin höhnt die Arme:
„Wie kamſt du, Bettlerdirne,
Zu ſolchem Kinderſchwarme?
„Fürwahr! das nenn’ ich Uebermuth,
Hier ift für Hungrige Tein Ort!
Hinaus mit euch, Zigeunerbrut !
Sonſt het’ ich euch mit‘ Hunden fort. —
Die Bettlerin im Grimme
Stößt aus den Fluch in Zähren:
„So mögft zur Schmach du, Schlimme,
Einft Sieben zumal gebären !“
Sie wanft von dannen leidesvoll,
Man fpottet noch der Gramgeftalt;
Acherthal und Seitenthäler. 73
Ob auch die Tafel überquoll,
Der Kinder Jammern taub verhallt.
O Felſenherz der Reichen,
Tyranniſch im Genuſſe!
Habt ihr für Warnungszeichen
Kein Ohr, im Ueberfluſſe?
Die Strafe ſchlich auf leiſer Zeh’
Zur üpp'gen Frau von Boſenſtein;
Nach fieben Monden brach das Weh
Des Fluchs auf fie mit Macht herein.
Der Jubel hat am längften
Ergoffen feine Lieder ;
Sie fam mit Dual und Aengften
Mit fieben Knaben nieder.
Doch bald weiß ihr verflodter Sinn
Für dieſe Schande Höllenrath,
Beredet fchlau die Dienerin
Zur unheilvollen Frevelthat:
„Auf ſtillen Pfaden fchleiche,
— Wer fieht dir's augeſchrieben? —
Hinab zum Didenteide,
Erfäuf die böfen Sieben!”
Die Zofe flebt im Schilf am Teich,
Im Sad die Kindlein Häglich ſchrei'n;
Sie ſprach: „Ich ha euch Ruh’ ſogleich!“
Anknüpfend einen ſchweren Stein.
Der See, vom Morgenrothe
Umblutet, rauſcht im Becken,
Als ob er zürnend droͤhte,
Den Rächer ſtracks zu wecken.
„Gut Zeit!“ — Ein Mann im Pilgerkleid
Ihr plötzlich an der Ferſe ſtund:
„Was kreiſcht in deinem Sack ſo, Maid?“
„Ei, Herr, find neugeborne Hund!“
Sie wurde blaͤſſer, röther.
74
Acherthal und Seitentpäler.
Er heiſcht im ſtrengen Baſſe:
„Zeig her die jungen Köter,
Ob mir gefällt die Raſſe!“
Was muß er fehn! Er flarıt. „Gottlob!“
Sp ruft er aus, vor Zorn erblaßt,
„Daß ich aus diefer Tauf euch hob,
Und mir verfagt ein Stündlein Raft!
Nun, Falſche, offenbare
Der Rabenmutter Namen!” —
Die Magd gefteht das Wahre,
Ihr möcht’ die Zung’ erlahmen.
Da flräubt fich ihm das Haar empor,
Sein Auge rollt in Zornesgluth:
„Das ift die Treu’, die fie mir ſchwor,
Sp hielt fie mir das Haus in Huth!
Dir fey geichenft das Leben,
Doc ihr mag Bott genaden !“
Drauf eilt in’d Schloß voll Beben
Er, mit dem Sad beladen.
Er tritt hinein zum Ritterfaal,
Zur Hand die Zeugen ihrer Schuld;
Da buhlten bei vertrautem Mahl
Die Schwelger um der Dame Huld.
„Hört an, ich bring’ euch Kunde
Bon gräulichem Verbrechen !”
Die Herrlein in der Runde,
Sie halten inn’ im Zehen. —
„Sagt an, welch eine Strafe fol
Ereilen ſolch unmenfchlid Weib,
Hinmordend, graufer Tüde vol,
Die Frucht von ihrem eignen Leib 9“
Dan ftugt. — „Die,“ rief ein Spafler,
„Vermauert harr' Des Todes
Dei einem Kruge Waffer
Und einem Laibe Brobes !“'
Acherthalund Setitenthäler. 75
„Sei's!“ Donnert Herr von Bofenftein
Und wirft den Pilgermantel hin:
„Ins Mauergrab verftoßen ſeyn
Soll alfobald die Sünderin!“
Sie finft entfegt vom Stuhle,
Bernichtet war ihr Hoffen.
Im Blute lag ihr Buhle,
Bom Racheſchwert getroffen.
es
..
Wo dort die Gottſchläg feldherab
Durchs enge Thal fich bricht die Bahn,
Gaͤhnt noch das Edelfrauengrab,
Das einft die Büßerin umfahn.
Noch fteht in alter Kunde
Bon ihrem Stamın gefchrieben,
Davon der Name „Hunde g
Bon Bofenftein“ geblieben.
*) Alte Ruine in der Pfarrei Ottenhöfen, zwei und eine halbe
Stunde öfllih von Ahern; Iiegt auf einem Auslaufer des Melferei-
fopfs, ift mit tiefen zum Theil von der Ratur gebildeten Gräben umge-
ben und nur noch in wenigen Ueberreſten vorhanden. Ob die Burg
tömifchen Urfprungs iſt, wie Einige behaupten, mögen wir nicht entſchei⸗
den. Jedenfalls fcheint fie ein hohes Alter zu haben. Im fünften Jahr⸗
hundert baute, wie man wiffen will, ein alemannifcher Evler, Namens
von Stein, in biefem wilden Thale eine Burg, die jedoch während ber
Bölterwanderung wieder zerflört wurbe, während auch das alte Gefchlecht
erloſch. Kaiſer Otto I. fol viefe Herrfchaft einem andern Adligen, ber
im Jahr 960 das Schloß wieder aufbaute und Bof enftein nannte,
gegeben haben.
Die Sage von der Frau von Bofenftein lautete im Munde des Bol-
kes folgendermaßen : Zu ver ftolgen und hartherzigen Gattin deſſelben fet einft
eine Betilerin mit fieben Kindern gefommen, aber von verfelben wegen
folchen Leibesfegens gefcholten und höhnifh abgewiefen worden. Da
babe die Bettelfrau die Verwünſchung ausgeftoßen, daß vie Edeldame
mit einer gleichen Zahl von Kindern auf Einmal niederlommen möge.
Dies ging in Erfüllung und die Rittersfrau wurde an Einem Tage von
fieben Kindern entbunden. Um dies zu verbehlen, follte eine vertraute
Magd ſechs derſelben im benachbarten Weiher ertränten. Der Ritter,
von einem Zuge heimkehrend, begegnete ver Dienerin zufällig auf dem
76 Aderthalumd Seitenihäler.
Wege zum Teiche, ſah, daß fie etwas in einem Sade trug und fragte
nad feinem Inhalt. „Eine Brut Hündlein, die ich ertränten ſoll!“ lau⸗
tete die Antwort. Verdacht ſchöpfend gebot er ihr, ven Sad aufzubinden,
fah die neugebornen Kindlein darin und vernahm mit Entfeben das Ges
ftänpniß der beabfichtigten Miſſethat. Er gab hierauf treuen Leuten vie
Kinder zum Erziehen, und veranftaltete nach fieben Jahren ein Feſtmahl
auf feiner Burg. Da wurde gefpielt, geſcherzt und mancherlei erzählt.
Unter Anderen fragte der Ritter, welche Strafe wohl einer Frau gebühre,
welche ihre Kinder aus ver Welt geſchafft habe. Raſch erwieberte die
Schuldbewußte: „Eine ſolche Rabenmutter verdient bei einem Laib Brod
und einem Krug Waſſer lebendig eingemauert zu werben!" Somit hatte
fie fih felbft ihr Urtheil geſprochen. Die todtgeglaubten ſechs Knaben
wurden herein gerufen, die Strafe gerecht befunden, und die Evelfrau
lebendig eingemauert. Soweit die Sage,*) — Noch zeigt man im hinter-
fin Gottſchlägthale hinter vem Wafferfalle in ver Felswand eine
Nifche, welche das Bolt „Edelfrauenloch“ nennt, Auch der Diden-
te ich, worin die Kinder ertränkt werden follten, wird noch gezeigt. Der
Sage mag eine biftorifhe Wahrheit zu Grunde Tiegen, und noch lebt
eine Familie „Hund,“ welche von jenem Gefchlechte, das von diefem
Borfalle gleichen Namen führte, abflammen fol, in felbiger Gegend.
(Bergt. „Univerſal⸗Lexikon von Baden.“ ©, 161.)
Krieg von Hochfelden in feiner „Geſchichte der Grafen von Eber-
ftein 20.” ©. 8, erzählt eine ähnliche Sage: „Sementraut, bie Ge-
mahlin Sfenbart’s, ‚Herrn zu Altvorf, eines Zeitgenoffen Karl’s
des Großen, gebar, von einem armen Weibe verwünfcht, zwölf Knaben
auf einmal. Den Zorn des abweſenden Gatten befürchtenn, gab fie elf
derfelben einer alten Dienerin, fle zu ertränfen. Diefer begegnete Ifen-
bart. Auf die Frage, was fie da trage, erwiederte fie: „Zunge Hunde
(Welfen), um fie ind Wafler zu werfen.” Sfenbart deckte den Korb auf,
erfuhr das beabfichtigte Verbrechen, Tieß die Kinder indgeheim erziehen,
führte fie nach ſechs Jahren ihrer erichrodenen Mutter vor und verzieh
ihr großmüthig. Bon den zwölf Knaben warb einer Bifchof, von den
übrigen Teiten die Welfen von Altvorf, die Herzoge von Franken, bie
Grafen von Hohenzollern, von Heiligenberg, jene von Todenburg,
die Gebharde, Derzoge von Alemannien, die Grafen von Eber-
ftein, deren erfter Eberhard geheißen habe, die Grafen von Dettingen,
die Grafen zu Wölpe, fo wie jene von Calw und von Rapenellenbogen,
ihren Urſprung ab.
*) Obige dichterifhe Bearbeitung weicht in einigen Nebenumftänden ab.
Acherthal und Seitenthaäaler. 77 |
Die drei Jungfrauen aus dem See.
Düngefähr in der Mitte des fchönen Thales von Ober-
Kappel, da, wo der Weg zum Mummelfee binaufführt, lie—
gen mehrere zerfireute Wohnungen, die zufammen den Zinfen
Seebad ausmachen. Wie in vielen Gegenden Deutfchlandg,
fo ift es auch bier Sitte, dag an den langen Winterabenden
bie jungen Mädchen mit ihren Kunkeln fi) abmwechfelnd in einer
der Wohnungen verfammeln, um fih beim Epinnen die Zeit
um fo angenehmer durch Singen und Plaudern zu vertreiben.
„zur Spinnftube gehen”, nennt man dieſen Gebrauch. Auch
die jungen ledigen Burfche aus dem Drte pflegen fi dabei
einzufinden,, doch befchränfen ſich Alle auf ehrbare Kurzweil.
Bor vielen Jahren war eines Abends bie Spinnftube bei
dem reichen Hofbauer Erlfried und Alles munter und guter
Dinge, als die Thüre fich Leid öffnete und drei weißgefleibete
Jungfrauen von ausnehmender Schönheit hereintraten,, Jede
ein niedlihes Spinnräbchen von feltfamer Form in der Hand.
Gittfam begrüßten fie die Gefellfhaft und die Eine von ihnen
fragte mit füßer Stimme an, ob man ihnen, als friedlichen
Nahbarinnen, wohl die Gunft geftatten wolle, Theil zu neh⸗
men an ber Unterhaltung in der Spinnfiube? Augenblicklich,
doch nicht ohne wunderliche Gefühle, ward ed den unbekannten
Nahbarinnen zugeſtanden; man feste für fie Stühle in den
Kreis und bald fihnurrten ihre Rädchen mit den anderen um
die Wette. Durch dieſen unerwarteten Befuch war freilich bie
heitere Unbefangenheit des Ländlichen Kreiſes etwas geflört wor⸗
den und Alle fühlten eine gewifie Scheu; als aber die Jung-
frauen mit ihnen fo freundlich fpradhen und mit ihren klaren
blauen Augen fo traufich und offen umberblidten, da verlor
fih allmälig das unheimliche Gefühl und bald war die vorige
Munterfeit und der harmloſe Frohſinn der Spinnerinnen wieder
hergeſtellt.
Von nun an fehlten die drei Fremden in keiner Spinnſtube
mehr. Sobald der Abend dämmerie, ſtellten ſie ſich mit ihren
Spinnrocken ein und plauderten geſellig mit den Andern, aber
mit dem Glockenſchlag eilf nahmen fie Kunkel und Hanf zu-
fammen und eilten fort; da half Fein Bitten, Fein Zureben,
-_
78 Ahbertbalund Seitenthäler
noch Tänger zu verweilen; nichts Fonnte fie vermögen, über bie
elfte Stunde zu bleiben. Niemand wußte, woher fie famen,
noch wohin fie gingen, doch rannte man fih ins Ohr, es
feyen Fräulein aus dem Mummelfee und bald nannte man
fie nicht anders, als das Schwefter » Kfeeblatt vom See. Seit
fie aber die Spinnftuben im Thal zu befuchen pflegten, fanden
ſich Mädchen und Burſchen noch einmal fo gern bei diefen
Zufammenfünften ein; denn Die Seejungfern wußten ihnen gar
viel anmuthige neue Lieder und hübſche Gefchichten vorzutragen
und die Spinnerinnen brachten jedesmal vollere Spulen und
feineren Faden von da nad Daufe, als früher, wenn gleich
ihr Gefpinnft mit dem der Fremden an Zartheit und Silber⸗
glanz noch nicht zu vergleihen war. Am unerfchöpflichften
aber im Lobe der veizenden drei Schweflern waren bie jungen
Burſche, was mandes Schmollen und manchen kleinen eifer-
füchtigen Zwift mit den Mädchen des Thals herbeiführte; Diefe
grollten jedoch keineswegs mit den Seejungfrauen darob, da
deren Betragen ſich flets immer in den Schranfen der Zucht
und Ehrbarfeit hielt und fie den Burfchen feinerlei Aufmunte-
rung gaben. Bor Allen war e8 der Sohn des reichen Eifrieb,
ber an den Seejungfern großes Wohlgefollen fand, ja fogar
an eine derfelben fein Herz verloren hatte. Darum war er
auch am ärgerlichften darüber, daß die Drei jeglichen Abend
jo früh aufbrachen und er fam auf den Gedanken, eines Abende
die hölzerne Wanduhr um eine Stunde zurüdzuftellen. Ge⸗
bacht, gethan. Unter Scherz und Lachen verfloß auch dießmal
bie Zeitz endlich fchlug es Elf ftatt der Mitternachtsſtunde; bie
Jungfrauen nahmen ihr - Spinngeräthe und entfernten fich wie
gewöhnlid.
Am Morgen darauf gingen Holzhauer am Mummelfee vor:
über, da vernahmen fie aus der Tiefe ein feltfames Wimmern
und Stöhnen und auf der Oberflähe ſchwammen drei große
Blutflecken. Der junge Erlfried war in derfelben Nacht fchon
Schwer erfranft und in drei Tagen eine Leiche. Die drei
Schweftern aber wurden nie wieder im Thale gefehen.
(Siehe Al. Schreiber’s „Sagen“ ı. 1839.)
— —
Acherthal und Settenthäler. 79
Die Drei See-Schweitern. ”
(Metriſche Berfion der vorigen Sage.)
Hört ihr im Thale vom Ufer ber _
Ein Hägliches Stöhnen und Wimmern?
Seht ihr im wogenden Silberfee
Drei Schwäne fo biendend, fo weiß wie Schnee,
Wenn am Himmel die Sternelein flimmern ?
Das find die drei Schweftern; von Allen geliebt,
Sonft famen mit Roden und Rädchen
Sie jeglihen Abend zum Dörfchen herein,
Und mifchten ſich unter den frohen Berein
Der Burfchen und fpinnenden Mädchen.
Da wurde gefcherzt und geherzt und gefoft,
Da gab ed wohl viel zu beladhen.
Stets brachten Die Schweftern was Neues mit,
Und übten im Tanze den zierlihen Schritt
Und erzählten bie lieblichſten Sachen.
Doch wann e8 EIf auf der Thurmuhr ſchlug,
Dann mwichen fie eiligft von dannen;
Sie famen und gingen — woher? wohinaus?
_ Das gründete Niemand von Allen aug,
Wie fehr fie auch forfchten und fannen.
Und ein junger Gefelle, vermeflen und fühn,
Gelüftete nach den drei Schönen:
Sie famen — es pocht ihm vor Freude das Herz;
Sie gingen — in Wehmuth verfanf ed und Schmerz,
Dem Gram und der Trauer zu fröhnen. -
Oft fleht' er um längres Berweilen fie an,
Doc Tießen fie nimmer fich halten;
Nicht achteten fie auf den bittenden Ton
Und flohen wie Wind und wie Nebel davon,
Wenn die graufamen Zeichen erfchallten.
Das kränkte gar tief fein verliebtes Gemüth,
Es verdroß ihn das Bitten und Flehen;
80 Acherthal und Seitenthäler.
Da ſtieg er einſt heimlich mit frevelnder Tüd’
Zu der Kirchuhr und ftellte den Zeiger zurüd,
Ein Stündchen fie Tänger zu fehen.
Ohm’ Argwohn erfchienen die Schweftern, die brei
Am Abend, wie fonften, und fpannen,
Da brummte die Glock' erft Zehne ftatt Eilf,
D Himmel, erbarme dich ihrer und heif! —
Sie wihen — o weh! nicht von bannen.
Deſſ freute fich weiblich der junge Geſell',
Erfült war fein fträffich Begehren;
Und als nun eilfmal der Hammer fchlug,
Enteilten fie fröhlich , nicht ahnend den Trug,
Um — nimmer zurüde zu fehren.
Da fieht er des Morgend im nahen See
Drei Flecken mit Blute fich färben;
Und feufzend ertönet zu feinem Ohr
Der fohredlihe Ruf aus der Tiefe hervor:
„Verderben dem Mörder, Berderben! "
Und Entfegen treibt ihn vom Orte hinweg ;
Er ahnet das graufe Vergeben,
Und weilet und harret bis dieſen Tag
Der Schweftern,, Doch nimmer und nimmer vermag
Die Geliebten er wiederzufehen..
Wohl aber vernimmt er vom Ufer her
Ein Hägliches Stöhnen und Wimmern;
Wohl aber gewahrt er im dunklen See
Drei Schwäne von blendender Weiße wie Schnee,
Wenn die Sternlein am Himmel erflimmern.
Marlame.
Aus: „Teutſche Sagen aus dem Munde teutfher Dichter.” Gefammelt von X.
Nodnagel, Zweite Ausgabe, Dresden und Leipzig.)
*) Vergl. mit diefer Sage bie verwandten, nur wenig abweichen-
den : „Die Riren vom Schluchfee ,” Seite 143 des erfien Bandes, „ber
Nirenquel bei Epfenbach“ und „vie Zungfrauen vom See bei Senn-
feld“, in diefem Bande.
DI
Rummelfee
und Nachbar-See'n.
3980
Zehn Romanzen vom Mummelſee im
Schwarzwald,”
- 1
Die SKilien.
Am Mummelfee, im dunflen See,
Da bfühn der Lilien viele,
Sie neigen fi, fie beugen ſich,
Dem Iofen Wind zum Spiele;
Doch wenn die Nacht herniederfintt,
Der vole Mond am Himmel blinkt,
Entfteigen fie dem Babe
Als Jungfern ans Geſtade.
Es braußt der Wind, es fauft das Rohr
Die Melodie zum Zanze;
Die Lilienmädchen fehlingen ſich
As wie einem Kranze,
Und ſchweben leis umher im Kreis,
Gefichter weiß, Gewänber weiß,
Bis ihre bleiben Wangen
Mit zarter Röthe prangen.
‚ *) Die Anmerfungen zum ganzen Sagenfreife des Mummelſee's folgen am Schluffe,
Seite 130,
I. ' 6
82
Mummelfee.
Es braußt der Sturm, es fauft das Rohr,
Es pfeift im Tannenwalde,
Die Wolfen ziehn am Monde hin,
Die Schatten auf der Halde;
Und auf und ab, durchs naſſe Gras,
Dreht fi der Reigen ohne Maaß,
Und immer Yauter fchwellen
Zum Ufer an die Wellen,
Da hebt ein Arm fih aus der Fluth,
Die NRiefenfauft geballet.
Ein triefend Haupt dann fchilfbefrängt,
Bon langem Bart umwallet,
Und eine Donnerftimme fchallt,
Daß im Gebirg es widerhallt:
„Zurück in eure Wogen,
hr Lilien ungezogen !“
Da flodt der Tanz, die Mädchen ſchrei'n
Und werden immer bläßer: |
„„Der Vater ruftl Puh! Morgenluft!
Zurüf in das Gewäffer
Die Nebel fleigen aus dem Thal,
Es dämmert ſchon der Morgenftrahl,
Und Lilien ſchwanken wieder
Im Waſſer auf und nieder.
e
2,
Der Fiſcher.
Es flieht ein Fifcher an dem See:
„Verſchlinge mich und all mein Weh!
„Mein Liebehen hat der Ton genommen,
as fol mir noch das Leben frommen?“ —
Zum Sprung ift er bereitet ſchon,
Da ruft es ihm mit Schmeichelton:
Mummeliee. 83
„Ja, fomm zu mir, in meinen Armen
Sollſt du zu neuer Lieb' erwarmen !"’
Und auf dem Waffer fieht er Har
Ein lichtes Mädchen, gold von Haar.
Sie winkt zu füßem Liebesglücke,
Er aber fpringt entfegt zurüde:
„Rein, Dir gehört mein Herz allein,
Mein liebes todtes Mägbelein !
„And lieber bleib’ ich auf der Erben,
Als dir im Waffer untreu werben !”
Der Fifcher eilt nach Haufe fort;
Gar fromm und ftille lebt er dort,
Und harrt geduldig, ohne Klage,
Bis Gott ihn felbft zur Liebſten trage,
3.
Mummelſee's Bade.
Glatt ift der See, flumm Tiegt die Fluth,
Sp ftill als ob fie fchliefe,
Der Abend ruht wie dunfled Blut
Rings auf der finftern Tiefe;
Die Binfen im Kreife nur Teife
Flüftern verftohlener Weife:
„Wer fehleicht dort "aus dem Tannenwald mit fcheuem
Zritte ber?
Was fchleppt er in dem Sade nad) fo mühfam und fo ſchwer?“ —
„„Das iſt der rothe Diether, der Wilderer benannt,
Dem Förfter eine Kugel hat er ind Herz gebrannt,
est kommt er, in die Tiefe den Leichnam zu verfenfen,
Doch unfer alte Mummler läßt fi fo was nicht fchenten.
„„Der Alte hat gar leiſen Schlaf, ihn flört fogar ein Stein,
Den man vielleicht aus Unbedacht ind Waffer wirft hinein;
6“
84 Mummelfee.
Dann focht es in der Tiefe, Gewitter fleigen auf,
Und flieht nicht gleich der Wandrer mit blisgefchwindem Lauf,
Sp muß er in den Fluthen ald Opfer untergehen,
Kein Auge wird ihn jemals auf Erben wiederſehen!“
Da ſteht der Frevler an dem See, wirft feine Bürde ab
Und ftößt hinab mit einem Fluch den Sad ins naffe Grab:
„Da, jage du nun Fifche da drunten in dem See,
est kann ich ruhig pirfchen im Walde Hirfch und Reh,
Kann mich nun. ruhig wärmen an deines Holzes Gluthen,
Du brauchſt ja doch Fein Feuer da dDrunten in ben Fluthen !“
Er fprihts und will zurück, doch hält ein Dorngeſtrüpp'
ihn an,
Und immer fefter zerrt es ihn mit taufendfachem Zahn;
Da Tocht es in der Tiefe, Gewitter fleigen auf,
Dumpf rollt ob dem Gebirge der Donner feinen Lauf,
Der See fleigt übers Ufer, es glühn des Himmels Flammen,
Und hoch ſchlägt über dem Mörder die ſchwarze Fluth zu⸗
fammen. —
— Stumm liegt. der See, als ob die Gluth
Der Nahe wieder ſchliefe;
Glatt ift die Fluth, im Monde ruht
Die unermeßne Tiefe — —
Die Binfen im Kreife nur leife
Flüſtern verftohlener Weife.
A.
Einkehr.
Was peitſchet und fohnaubet und billt und kracht,
Und pfeifet und jauchzt durch die finftere Nacht ?
Es raffeln die wüthenden Jäger herbei
Mit fchmetternden Hörnern, mit Hurragefchrei.
Und drunten am Waffer hält ſtille der Troß,
Dag ſchwingt ſich ein jeglicher Reiter vom Roß;
Mummelfee. 85
Es fpringen die Hunde hinab in die Fluth
Und löfchen des Durftes verzehrende Gut.
Ringe lagern die Jäger im Kreife herum,
Es tönt aus der Tiefe Das dumpfe Gebrumm.
Hell firahlet der Mond aus den Tannen hervor
Und theilet die Wolfen und lüftet den Flor.
Da tauchen mildlächelnde Mädchen empor,
Aus plätfchernden Wellen, aus fäujelndem Rohr.
Hoch ſchwingen fie Kannen mit funfelndem Wein
Und fchenfen in filberne Becher ihn ein:
„Hier, trinfet ihr Herren, wir bringend euch zu !
Süß ſchmeckt auf der Jagd fold ein Schlückchen in Ruh !“
Aus trinken die Jäger: „Wir danfen gar fhön!
Nun gehts wieder frifch über Thäler und Höhn.“
Es peitfchet und gellet und billt und Fracht,
Es yfeifet und jauchzet und braußt durch die Nadıt.
Da tauden die Niren zurüd in ihr Schloß,
Und ferne verflinget der wüthende Troß.
3.
Der Knabe vom See.
„Bas, im Echilf dort ausgeſetzt,
Mag der Korb wohl hegen ?
Schaut! ein Knäblein unverlegt
Lacht und draus entgegen !
Schweftern, unter Mutterhut
Wollen wir es legen,
Drunten in der fühlen Fluth
Liebevoll fein pflegen.“
Und die Niren tragen ed
Unter file Wogen,
86
Mummelfee.
In dem Schoos des Mummelfee’s
Wird es auferzogen;
In der Wiege von Kriftall
Auf und ab gefchaufelt,
Unter füßem Liederſchall
In den Schlaf gegaufelt.
An der weißen Brüfte Duell
Darf das Kind ſich Taben,
Und fo reift der Säugling ſchnell
Zu dem fchönften Knaben;
Blondgelockt das lange Haar,
Milch und Blut die Wangen,
Kommt er in der Nymphen Schaar
Keck einhergegangen.
Nun darf er zum erftenmal
Aus den Fluthen fleigen,
Läßt fi Berg und Wald und Thal
Bon den Niren zeigen;
Schaut entzüdt den Mondenftrahl
Hinter Tannenzweigen,
Mit dem Mädchen feiner Wahl
Tanzet er den Reigen.
Und ein ungetrübtes Glück
Wird ihm nun zum Loofe,
Oft noch fehret er zurüd
Aus der Wogen Schooſe;
Ueber Thäler, Berg und Ried
Treibt es ihn zu wallen,
Selig Taufchet er dem Lied
Süßer Nachtigallen.
Doch er wandelt nicht allein :
- Aus der Niren Schwarme
Hält das fhönfte Mägdelein
Kofend er im Arme;
Rummelfee 87
Sa des Mondes Zauberfchein
Kann man Beide fehen,
Unter Minnefchmeichelei’n
Aus dem Rohre gehen.
6.
Die Sochzeit.
Bei Nacht ift ein Klingen und Singen im See,
Es flusen im Forfte die Hirſch' und die Reh',
Die Bögelein fehütteln fi) munter.
Es ſchallet und hallet ein Iuftiger Lärm,
Es tauchen die Mummler in buntem Gefhwärm
Die Fluthen herauf und hinunter.
Heut hat ja ihr König die niedlichfte Fee,
Die [höne Merlina genommen zur EP,
Dies will er auf's Herrlichfte feiern;
Nun fleiget das Iuftige Völfchen ang Land,
Im blauen mit Silber geftidten Gewand,
Die Dämchen in filbernen Schleiern.
Der König, die Krone von Schilf auf dem Haubt,
Geformt aus Beryll, mit Smaragden umlaubt,
Im Mantel yon Purpur und Sammet;
Die Königin, firahlend von Schönheit und Glanz,
Im goldenen Haar den faphirenen Kranz,
Der von Ampphitrite noch flammet.
Nun pflüden fie Blumen und grünendes Reis,
Und bauen gar zierlich am Ufer im Kreis
Sic) Lauben mit Tifchen und Bänken;
Dann fesen ſich alle zum köſtlichen Mahl,
Es geht in der Runde der Mufchelpofal,
Gefüllt mit den feinften Getränfen.
Es blafen aus Flöten von Binfen und Rohr
.. Biel berrlihe Stüdlein die Mufifer vor,
Und laden bie Gäfte zum Tanze ;
Mummelfee.
Nun fingt e3 und fpringt ed und ſchwingt ed und fauft,
Daß felber der See nun melodifch erbraußt,
Zu feinem umwirbelnden Kranze.
Die Geifter der Nachbarſchaft fliegen herbei:
Die wüthenden Jäger mit Hurragefchrei,
Die Gnomen, Roboldchen und Zwerge,
Und mifchen fih alle im fchönften Berein
Zur Yuftigen Tafel, zum tanzenden Reih’n,
Es hallen im Echo die Berge.
Sp ſchallet und hallet die Hochzeit am See, —
Da wird e8 dem Lieblihen Bräutchen fo weh,
Sie fann nicht Die Yandluft ertragen;
„Eins“ vufet Die Glode vom Kirchlein im Thal,
Und über der Geifter unendliche Zahl
Die Waffer, die braußenden, fchlagen.
7.
Der Hirte.
Es ſitzt ein Hirtenknab
Am Ufer dort und ſingt,
Daß in die Fluth hinab
Die ſüße Stimme dringt.
Da ſteigt die ſchönſte Fee
Im Liliengewand
Wohl aus dem finſtern See
Zum Hirten an das Land.
Sie hat ihn bald berauſcht
Mit ſüßem Minneſpiel
Und täglich ward getauſcht
Der heißen Küſſe viel.
Doc pünktlich jedesmal
Berfanf die holde Fee
Beim legten Abendftrahl
Hinunter in den See.
De gg
Mummelfee
Einit ſprach das ſchöne Weib:
„Bleib' ich einmal zu Haus,
O Freund, fo ruf bei Feib
Nicht meinen Namen aus]
„Sonft muß ich fterben gleich,
Du fiehft mich nimmermehr ;
In dieſem Waſſerreich
Iſt das Geſetz gar ſchwer!“ —
Schon mancher Tag verfloß
Dem Hirten an dem See,
Doch aus der Wellen Schoos
Stieg immer keine Fee.
Einſt in dem Abendglanz
Der arme Knabe ſaß,
Und des Verbotes ganz
In ſeinem Schmerz vergaß.
Er ruft voll Liebesgluth
Den theuern Namen aus —
Da reget ſich die Fluth
Mit ziſchendem Gebraus,
Und aus der Tiefe gellt
Ein dumpfer Schmerzensſchrei,
An das Geſtade ſchwellt
Ein Strom von Blut herbei.
Es ſchwimmt zum Ufer da
Ein weißes Röslein her —
Kein Aug' auf Erden ſah
Den Hirtenknaben mehr.
—
S.
Die Wollerherberge.
Von Straßburg drei muntre Gefellen
Durchftreifen Gebirg und Thal;
Im Schwarzwald wollen fie fehen
90
Munmmelfee.
Den wunderbarften der Seeen,
Den Mummelfee, doch einmal.
Doc nah’ ſchon den Hornisgrinden
Berlieren fie fpurlos den Weg
. Die Iufligen Kamerädchen,
Da hüpften drei zierliche Mädchen
Herüber vom Tannenfteg.
Sie grüßen mit fchelmifchem Kichern:
„Wo wollt ihr denn hin, ihr Geſell'n?“ —
„Zum Dummelfee wollen wir reifen,
Könnt etwa den Weg ihr und weifen,
Ihr allerliebften Damfel’n 2”
„Ei freilich, mit vielem Vergnügen !
Da braucht ihr mit ung nur zu gehn;
Es führt ja der Zufall gerade
Auch ung zu des Seees Geſtade,
Wo unfere Wohnnngen ſtehn.“ —
Die Burfche, fie nehmen mit Freuden
So hübfche Geleiterfchaft an;
Nun geht’s unter Plaudern und Kofen
Bereint mit den Mädchen, den loſen,
Bon Halde zu Halde hinan,
Die Jüngferchen ſcheinen nicht ſpröde;
Berlodet von ihrem Geneck,
Berfuchens die Wandrer ſchon lange,
Zu rauben mit rafchem Umfange
Ein Küßchen den Lippen fo Ted.
Doch entfchlüpft den umfchlingenden Armen
Sind die Dirnchen, behend wie der Aal:
„Wartet nur, das follt ihr ung büßen !
Meint ihr denn, wir laffen ung füffen
Sp Teicht wie die Mädchen im Thal?” —
Mummelfee
So nedend und fhädernd gelangen
Sie bald an des Mummelfees Strand.
Wie fill im Schlummer ruhten
Die Schwarzen Warferfluthen
Im Mittagsfonnenbrand !
„Ihr Herren, wir find am Ziele,
Dies ift der Mummelfee!
Hier könnt ihr euch baß erfrifchen
Mit Seewein und mit Fifchen ;
Ade, ihr Herren, Adel” —
„So fagt und doch, eh’ wir feheiden,
Allerliebfte Fräulein ihr:
Wie fönnen wir euch denn Tohnen ?
Wo hauft ihr denn?” — „Wir wohnen
Ganz in der Nähe bier.
„Ihr ſeyd wohl matt und mübe
Und durftig obendrein ?
Wißt ihr was: kommt mit nad) Haufe,
Da follt ihr mit Trank und Schmaufe
Bollauf bewirthet feyn.”
Wie nehmen die Burfche mit Freuden
Die freundliche Ladung an!
Und fieh nur, flatt feuchten Sandes,
Aus dehnt fih Länge des Strandes
Ein grüner Wiefenplan.
Voran die Jüngferchen- tanzen,
Die Bürfchlein folgen nad;
Doc find fie faum bis zur Mitten,
Da bricht unter ihren Schritten
Der Boden mit dumpfem Krad.
Plumps! Liegt die ganze Gefellichaft
Im fühlen Wogenbett ;
Die Bürfchlein zappeln im Scilfe
91
92
Mummelfee
Und fohreien erbärmlich um Hilfe;
Ah, nirgends ein Rettungsbrett !
Hell auf aber lachend ſchwimmen
Die Jungfern wie Enten im See;
Die Bürfchlein finfen und finfen,
Schon find fie nah dem Ertrinfen,
Da dauert die Mädchen ihr Weh.
Ein Winf, und ein mächtiger Fluthſchwall
Wälzt fachte Die Drei aufs Geſtad';
Die Jüngferlein aber riefen
Sich tauchend in die Tiefen:
„Geſegn' euch Gott das Bad!
„Wohl bekomm’ euch die Erfriſchung
In unferm Mummelpalaft !
Und hat e8 euch drinn gefallen,
So feyd ihr in feinen Hallen
Für immer willfommen zu Gaſt!“
Da fihließen fih murmelnd die Wogen
Dicht über den Süngferchen zu;
Ein Kichern nur tönt noch leiſe
In Buſch und Geröhricht im Kreife,
Dann liegt Alles in tiefer Ruh.
Die naffen Gefellen, fte ſchleichen
Befrhämt von dem Mummelfee,
Sich zu trodnen auf fonnigem Pläschen,
Und fagen auf immer den Schäschen
In der wäßrigen Herberg Abe!
9
Die SMummelzwerge.
„Mann, du mußt den Pfaffen holen,
Daß den Spud er banne!
Alles wird ung foı ft geftohlen
Noch aus Topf und Kanne!
Mummeliee.
Mag ih Alles auch verfchließen,
Speif’ und Trank verbergen,
Nichts ift fiher mehr vor dieſen
Unverfhämten Zwergen!
„Speck und Eier, Rahm und Butter
Aus der Speifefammer,
Aus dem Stall fogar das Futter,
— ft das nicht ein Sammer? —
Alles und hinwegftipigen
Thun fie Nachts im Stillen,
Und durch Schlüſſelloch und Riten
Schlüpfen fie wie Grillen.”
„Stau, ach Frau! das find die Zwerge
Aus des Seees Grunde,
Wo fie wohnen hinterm Berge
Mit der Höll' im Bunde;
Alle Nacht zur Geiſterſtunde
Schleicht ein Trupp ind Thal fi,
Bei den Wirthen in der Runde
Holen fie dad Mahl fi.
„Dieſe Woche ift die Reih' bier
Nun an ung gefommen,
Und der Pfaffe, Gott verzeih’ mir!
Mird da wenig frommen.
Doch will ih, 's kann ja nicht fchaden,
Zu dem heil’gen Manne,
Auf Heut Nacht ihn einzuladen,
Daß den Spud er banne.“ —
Pünktlich ftellt bei unferm Paare
Nachts der Pfarrer ein ſich;
Daß er fühnen Muth bewahre,
Stärft er erft mit Wein fich,
Zündet an hierauf im SKreife
Die geweihten Kerzen,
Denn mit Geiftern folcher Weife,
Läßt fich ja nicht ſcherzen.
93
94
Mummelfee.
Dann befprengt er Tiſch' und Bänfe
Ringe mit Weihewafler;
Tiſch' und Bänke, Heerd’ und Schränfe
Werden immer naffer,
Immer naffer Flur und Wände
Big in alle Riten,
Tauſend unfichtbare Hände
Aus dem Keffel ſpritzen.
Aus den Deren, aus den Eden
Waſſerſchäume wallen,
Mann und Frau voll Todesfchreden
Auf die Kniee fallen;
Auch das Pfäfflein muß im Tormel
Sich zu Boden fireden,
jede Geifterbannungsformel
Dieibt im Hals ihm fterfen.
Pröglih auf miit dumpfem Krachen
Wird die Wand gebrochen,
Daraus fommt mit hellem Lachen
Zwerg auf Zwerg gekrochen;
AL mit Eiern, Sper und Scinfen
Bollgepfropft die Tafchen,
Und dazwiſchen fieht man blinfen
Weingefüllte Slajchen.
Doch der Dickſte von dem Haufen
Klatſchet in Die Hände,
Und die Waffer fich verlaufen
Wieder Durch die Wände;
Dann mit fpötticher Miene kehrt er
Sich zum armen Pfaffen:
„Seht, uns bangt nicht, Hochgelehrter !
Bor der Kirche Waffen !
„Mit des ganzen Banned Strahle
Krümmt Ihr ung fein Härcden,
Und, wo nur in diefem Thale
Lebt ein geizig Pärchen,
Mummelfee. 95
Wie hier dieſe Eheleute, —
Machen wir die Runde,
Um zu holen unfre Beute
In der Geifterfiunde.
„Was wir flehlen bei den Reichen,
Bringen wir den Armen,
Weil fih doch von Euresgleichen
Keiner will erbarmen.
Wollt Ihr frei feyn vom Verdruſſe
Unfrer nächſten Einkehr,
Sp vergeffet im Genuffe
Nicht der Armuth Pein mehr !
„un Abe, du zitternd Kleeblatt!
Wollt ihr ung verklagen,
Můßt ihr fchon in unfre Seeftadt
Euch hinunter wagen;
Dort, vor unfres Königs Throne
Mögt ihr proceffiren;
Aber glaubt mir, zweifelsohne
Werbet ihr verlieren !”
Und der Mummelzwerglein Truppe
Lachend fih davon macht;
Unfrer Geifterbanner Gruppe
Aber liegt in Ohnmacht.
Doc feit Diefer Nacht entſchwunden
Iſt der Geiz vom Pärchen,
Jeder Arme hats empfunden,
Danf dem Mummelfchärchen.
10.
Der fremde Saft.
Verglommen ift ſchon lange
Der Sonne leßter Strahl,
Da wanft mit müdem Gange
Ein Männfein noch durchs Thal;
96
Mummelfee.
Ein Wandrer grau von Bart und Tracht
Im fanften Antlitz Trauern,
Mit feinem Pilgerflabe ſacht
Klopft er an's Haus des Bauern.
Hang riegelt auf den Faden
Und fieht den Zwerg da flehn;
Solch einen Kameraden
Hat er noch nie gefehn!
Ob der Figur, fo wunderlich,
Möcht' er beinahe lachen,
Fühlt er nicht indgeheim in ſich
Des Mitleids Trieb erwachen.
„Freund, wollt mir Doch geftatten
Für heut ein Nachtquartier |
Raum tragen mich die matten
Gebeine mehr von hier;
Durchwandert hab ich ohne Frucht
Biel ſchwere fohwüle Stunden,
Ach! und das Ziel, das ich gefucht,
Noch immer nicht gefunden.”
Hans, ohne langes Fragen,
Schließt ihm die Thüre auf
Und weift ihm einen Schragen:
„Da, Kleiner, leg' dich drauf!“
Dann geht er felber auch zu Bett,
Sein Saft macht ihm nicht Sorgen,
Und beide ſchnarchen um die Wett’
Bis an den lichten Morgen.
Da rafft ſich ſchnelle fchnelle
Vom Lager auf der Zwerg:
„Hab Dank, hab Dank, Geſelle,
Für deine Nachtherberg!
Zu dieſem Liebesdienſt jedoch
Erweiſ' mir einen zweiten
Reich ſey dein Lohn, willſt du mich noch
Zum Mummelſee geleiten.
Mummelfee 97
„Fremd bin ich bier zu Lande;
Wohl ahnſt du nicht, daß hier
In diefem Staubgewande
Ein König fleht vor dir!
Ein Fürft von einem fohönen See,
Fern diefer Berge Kreife,
‚Ein Gatie, den unfäglich Weh
Trieb auf fo weite Reife.
„Zwei Monde finds gerade,
Luſtwandelnd ging allein
An unfrem Seegeftabe
Mein Weib im Abendſchein;
Da plöglich flürzt auf fie ein Hauf
Bon fremdem Seegeswerge,
Und fort mit ihr im Sturmeslauf
Gings über Thal und Berge.
„Zu fpät erhielt ih Kunde,
Wer malet meinen Graus |
Nings in die weite Runde
Sandt’ ih Bafallen aus;
Umfonft! ich forfchte her und hin
An allen Nachbarſeeen; —
Bon meiner blonden Königin
War feine Spur zu fehen.
„Da bin ich ausgezogen
Mit diefem Pilgerſtab;
Wo nur ein See mag wogen,
Bin ich getaucht hinab !
est bleibt mir nur die Mummelfluth
Noch zu durchforſchen heute,
Mir ahnt's, dort ruht mein höchſtes Gm
Des Näuberfönigs Beute.
„Komm, führe mich gefchwinde
Zu feinem Ufer bin,
Und nimm als Angebinde
Dies goldne Fingerfin!
I
Mummelfer
Wenn Blitz Dir ober Hagel droht,
So braudft du's nur zu breben,
Und Feuers⸗ oder Waſſersnoth
Wird ftetd dein Haus entgehen !“
An Worten fehlt's dem Bauern
Für feine Dankbarkeit,
Bol Staunen und Bedauern
Gibt er ihm das Geleit;
Und als fie vor dem fehwarzen Kreis
Des Mummlers endlich ſtehen,
Da ruft der Zwerg: „Adel wer weiß,
Db-wir ung wieberfehen ?
„Doch was mich auch erreichen
Mag drunten für ein Loos —
Mein Stab gibt dir ein Zeichen
Noch aus der Wellen Schoos!“
Sp taucht er in den finftern Grund,
Drin fletd nur Tücke Tauert,
Das Bäuerlein am Ufer fund,
Bon Ahnung bang durcfchauert.
Hohl kocht es in der Tiefe,
Schaumblafen wirft der See,
Dem Bauer iſts, als riefe
Der Abgrund nichts ale Weh!
Ja Wehel denn empor bie Fluth
Sieht er al Zeichen fommen
Sn einem Kreis von rothem Blut
Des Männleins Stab geſchwommen.
„Ss hat er fie gefunden
Die bionde Königin ?
Doch ah! nur Todeswunden
Sind feiner Treu’ Gewinn !
Fluch diefer Waſſer Mörberbrut,
Daß Gott fie einft verfehütte 1“
Fort von der Fluth mit ſchwerem Muth
Wankt Hans nach feiner Hütte.
| A. Schale.
Mummelſee. 99
Die Geiſter am Mummelfee.
om Berge was fommt dort um Mitternacht fpät,
Mit Fackeln fo prächtig herunter ?
Ob das wohl zum Tanze, zum Feſte noch geht?
Mir Elingen die Lieder fo munter.
O nein!
SH fage, was mag es wohl feyn?
Das, was du da fieheft, iſt Tobtengelelt,
Und was du da höreft, find Klagen,
Dem König, dem Zauberer, gilt es zu Leid,
Und Geifter nur finds, die ihn tragen.
Ach wohl!
Sie fingen fo traurig und hohl!
Sie fhweben hernieber ind Mummelfeethaf,
Sie haben den See fchon betreten,
Sie rühren und negen den Fuß nicht einmal,
Sie ſchwirren in leiſen Gebeten:
O ſchau,
Am Sarge die glänzende Frau!
Jetzt Öffnet der See das grünſpiegelnde Thor;
Gib Achtung, nun tauden fie nieder!
Es fchwebt eine lebende Treppe hervor,
Und — drunten ſchon fummen die Lieder.
Hörft du?
Sie fingen ihn brunten zur Ruh!
Die Waffer, wie Tieblich fie brennen und glühn!
Ste foielen in grünlicdem Feuers
Es geiften die Nebel am Ufer dahin,
Zum Meere verzieht fih der Weiher.
Nur ſtill!
Ob dort ſich nichts rühren will?
Es zuckt in der Mitten — o Himmel! ach hilf!
Ich glaube, ſie nahen, ſie kommen!
Es orgelt im Rohr und es klirret im Schilf;
7%
100
Mummelfee.
Nur hurtig die Flucht nur genommen !
Davon !
Sie wittern, fie haſchen mich fhon! .
. Eduard Möride.
Der Jäger am Mummelſee.
Der Jäger trifft nicht Hirſch noch Reh,
Berbrießlic geht er am Mummelſee.
Was fist am Ufer? — Ein Waldmännlein,
Mit Golde fpielt es im Abendfchein. —
Der Jäger legt an: „Du Walbmännlein,
Bif heute mein Hirſch, dein Gold ift mein!“
Das Männlein aber taucht unter gut, —
Der Schuß geht über die Mummelfluth.
„Ho bo, du toller Fägersmann!
Schieß du auf — was man treffen kann!
„Geſchenkt hätt’ ich dir all das Gold,
Du aber haſt's mit Gewalt gewollt.
„Drum troll' dich mit lediger Tafche nach Haus!
Ihr Hirfchlein tanzet, fein Pulver if aus!“
Da fpringen ihm Häfelein über die Beim
Und kichernd umflattern ihn Lachtäubelein.
Und Eiftern flipigen ihm Brod aus dem Sad,
Mit Schabernaf, huſch, und mit Gik und Gad;
Und flattern zur Liebflen, und fingen um's Haus:
„Leer kommt er, leer kommt er, fein Pulver ift aus!“
Auguſt Kopifch.
Der Jägersmann.
Am Tannenwald ein Zäger wallt
Bei hellem Sternenfchein;
Sein Horn fo luſtig drein erſchallt
Als gings zu Tanz und Wein.
Mummelfee. 101
Und wie er bläft den Wald entlang,
Da tönt vom Mummelfee
Im Echoflang ein holder Sang,
Wie's Lieb von einer Fee.
Es reißt ihn fort, ſchon iſt er dort
In ſchnell vollbrachtem Lauf.
D wel ein wundervoller Ort !
Tief aus der Fluth herauf
Da tauchen in dem Mondenfchein
Der Mümmelchen gar viel,
Sie tanzen fein den Tubelreih’n
Mit Sang und Klang und Spiel.
Sie fingen: „Schmuder Jägersmann,
Tritt in den Reigen ein!
Reich’ ung die Hand, o fomm heran,
Dei ung ift luſtig feyn ]
O fomm! dir winft der Freude Kran,
Das günftige Geſchick
Währt, wie der Stunden Flattertanz,
Nur einen Augenblid.“
Da wird dem armen Jägerdmann
So wohl, fo weh vor Luft;
Die Wafferweibchen fhaut er an,
Bor Lieb’ ihm fchwillt die Bruft,
Er taumelt bin, fte faſſen ihn,
Er fann nicht widerftehn,
Hinab zum See — die Melodien
Berraufcht des Sturmed Wehn.
Emilie Scotzniovsky.
Mummelſee's Geſchenk.
Zu Kappel pocht's um Mitternacht
Einſt an der Hebamm' Fenſter ſacht.
Sie rafft ſich auf, erſchließt die Thür,
Da tritt ein hoher Greis herfür;
In Silberflocken fließt ihm lang
Der Bart herab von Kinn' und Wang';
103
Mummelſee.
Den grünen Mantel ziert ein Saum
Bon weißem Pelz wie Wellenſchaum.
Der Amme vor Entfeten bleich,
Gebeut er, ihm zu folgen gleich
Und feiner Hausfrau beizuftehen,
Die nieberliegt in Kindeswehen.
Die Amme nebt ſich an der Schwelle
Noch mit geweihten Waffer fohnelle,
Und mit geheimem Graufen dann
Folgt fie dem geiflerhaften Mann.
Tief ind Gebirge ging der Weg,
Ihr war, ald ob Gebüfh und Steg
Bor ihrem Blick vorüber flögen,
Als ob fie Geifterhände zögen;
Und fiehe! ſchon am dunfeln Rand
Des Mummelſee's die Bange ftand.
Und aufs Gewäfler ſchlug der Greis
Dreimal mit einem Birfenreig, |
Daß rauſchend ſich die Fluthen theilten.
Auf einer Marmortrepp’ nun eilten
Die Beiden in die Tiefe jach
Bis ind erhellte Schlafgemad.
Und fiehe! — durch den weiten Saal
Schien eines Leuchters bunter Strahl,
Geziert mit gligernden Kriftallen;
Mit reichen Perlen und Korallen,
Und von dem bunten Licht befchienen,
Lag hinter feidenen Gardinen
Die blaffe Frau in ihren Wehen.
Friſch eilt’ Die Amm’, ihr beizufiehen,
Und bald ift aller Schmerz gehoben.
Der Greis, geleitet fie nach oben,
Er dankt, des guten Dienſtes froh,
Und reicht zum Lohn — ein Bündel Stroh.
Kaum flieg der Alte langſam wieder
Die blanke Wenbeltreppe nieder,
Nummelfee 103
Kaum hatten fi die dunkeln Wogen
Zufanmen über ihn gezogen,
So warf die zornige Dienerin
Das Spoitgeſchenk ins Waffer hin.
Doch als fie bei der Morgenhelle
Nun eben trat auf ihre Schwelle,
Da ſah fie hin und flaunte hoch:
Es hing an ihrer Schürze noch
Ein Halm des Stroh's, der wunderbar
In lauter Gold verwandelt war.
Nun dacht' an ihre verfcherztes Glüͤck
Die Arme jeden Tag zurüd,
Und grämte fi, bis über’d Jahr
Derfelbe Tag ihr letzter war.
Aboif Stöber.
Eine Wanderung nach dem Mummelſee.
Oft und viel hatte ih während meines Aufenthalts in Bas
den von bem räthfelhaften, geheimnißvollen See gehört und
gelefen, der tief im unwirthlichen Gebirge Liege, und zwar meh⸗
rere taufend Fuß über ver Nheinebene. Schon ber wunderliche
Name Mummelfee muß Aufmerkfamfeit erregen, und ich weiß
nicht, war es Berlangen nad dem nie geſchauten Anblick eines
See’3 auf der Höhe des Gebirge, oder waren es die anziehen
ben, wunderfamen Sagen, die von ihm in der Gegend heimifch
find, was mich immer unwiberftehlich dahin zog. Aber es fehlen,
als wolle mich irgend ein nedifcher Kobold von dieſer Wande⸗
rung abhalten, denn fo oft ich einen Tag zum Ausfluge dahin
feſtgeſetzt, jedesmal trat wieder ein unvorhergefehened Hinder⸗
niß dazwiſchen. Endlich, an einem heiteren Morgen des jüngft
verfloffenen Jahres, trat ich Die Wanderung wirflih an. Die
Sonne war in ungetrübtem Glanze aufgegangen und verſprach
einen herrfihen Tags; allentbalben funfelten Gras und Raub
im ſtrahlenden Juwelenſchimmer des reichlich gefallenen Nacht⸗
thaues. Rüftig und aufgeräumt wanderte ich im frifchen Mor⸗
gen dahin, durchzog die Eichenallee mit ihren Schatten, wo mir
der flattliche Thurm auf dem Merkuriusberge feinen Morgen“
102 Mummelfee.
gruß zuwinkte; begrüßte das ftilfe, einfame Nonnenkloſter Lich⸗
tenthal, aus befien Hallen eben ber erſte Morgengefang der
frommen Beterinnen dem jungen Tag entgegen töntez ich fehritt
die Häuferreihe des Dorfes hindurch, und hielt meine Schritte
nicht eher an, als bis ich Die Höhe vor dem Weiler Ger oldsau
erreicht hatte, wo ſich ein rveizendes Bild vor meinen Bliden
‚entfaltete. Ein Kranz gewaltiger Berge mit angebauten Vor⸗
bügeln umzieht hier einen Lieblichen Wiefengrund, durch welchen
der Waldbach bald heil und klar, bald ſchäumend und raufchend
im fleinigen Bette feine Wellen dahinrollt, während an feinem
Ufer die befcheivenen Wohnungen des eben genannten Weiler
fih hinreihen. Wie ftil und friebfam fleht Dort die Fleine Ka⸗
pelle am Waldesfaum, von den mächtigen Schatten der bunfeln
Tannen umbüftert! Einen Augenbli weidete ich mich an biefer
idylliſchen Landſchaft, dann feste ich meine Wanderung fort-
und hatte bald Die letzten Häufer Geroldsau's hinter mir. Jetzt
nahm mich der finftere Tannenwald in feine Schatten auf. Der
Weg flieg nun aufwerts, immer dem Ufer des Waldſtroms zur
Seite, der in der engen Thalfchlucht zwifchen den Felfen und
dem Steingerölle ſich durchdrängt. Nicht fehr Lange war ich
im fühlen Waldespunfel hingewandert, ald mein Ohr ein
dumpfes Raufchen vernahm, und nach wenigen Minuten war ich
an die Stelle gelangt, wo fich der wilde Waldſtrom über einen
Selfenabfag in ein Granitbecken herabftürzt, das er ſich im Laufe
von Sahrtaufenden mühfam ausgehöhlt. Es ift dieß zwar nicht
ein großartiger Catarakt, wie der Fallbach bei Tryberg, ober
ber Reichenbach oder der Staubbach, aber biefer Waſ⸗
ferflurg gewährt immerhin in feiner wilden Umgebung einen
anziehenden Anblid, und das gewaltige Kreuz auf der Höhe
des Felsberges zur Linken ſchaut gar bedeutungsvoll in das
Thal herab. Unweit des Falles erweitert fi das Thal wieder;
grüne, reichbewäſſerte Wiefen mit weidenden Rindern und Zie⸗
gen breiten fi) im Grunde aus, und rechts fteht an dem Eins
gang einer Thalſchlucht eine Armliche Gebirgswohnung, blos
aus rohem Gebaͤlk zufammengefügt. Immer tiefer zog fich der
breite, bequeme Weg ins Gebirg, immer höher auffteigend, und
‚je weiter ich eindrang in die wunberfame Bergwelt mit ihren
ahnungsvollen Schauern, deſto mehr zog fie mi an und ich
Mummelfee 105
begann mich ganz heimisch zu fühlen in ihren Walbesfchaiten.
Die Berghänge mit ihren Dämmrigen Hallen, geiragen non. ben
fchlanfen Stämmen ber düflern Schwarztannen und überwölbt
son lichtgrünen Buchenzweigen; die taufend und wieder taufen-
derlei Stauden, Kräuter, Mooſe und Flechten mit ihren Blü⸗
then, Beeren, Samen und Früchten, die zwifchen und über dem
Steingeröll üppig wuderten und nicht felten ein undurchdring⸗
liches Geflräpp bildeten, oder den Boden glei Dem herrlichſten
Teppich überzogen; die gewaltigen Granitmaſſen und das zer
Ttüftete Geftein, die an den Bergwaͤnden hervortraten; Die zer⸗
riffenen Felsſchluchten, von kriſtallkllaren Quellen durchzogen,
begrüßten mich traulich, wie einen alten Belannten, und bie
ganze Ratur umber fprach zu mir und erzählte von Zeiten und
Ereigniffen, die weit binausreichen über alle Geſchichte. Hier
erſt ward ed mir klar, wie die Sehnſucht nach der Heimath den
Sohn des Gebirges im-innerften Leben erfaflen Tann, bis das
ungeſtillte Web das Herz ihm bricht.
Als ich nach etwas mehr als zweiftündiger IBanderung ben
Grat eines Tangen Bergrüdens erftiegen, lag vor mir auf einer
abgeflachten Einfenfung ber Berge das einfame Gebirgsborf
Herrenwiefe, deſſen unbedeutende Feldmark ringsum von
waldumfrängten Gebirgsklöpfen umzogen wird. Das Dorf iſt
arm und feine Bewohner erwerben ihren Unterhalt meift durch
Holzfällen in den benachbarten Waldungen, während fie ihren
Bedarf mit vieler Mühe aus weit entfernten Orten herbeiſchaf⸗
fen müſſen. In der einzigen, eben nicht fehr einlabenden
Scenfe des Ortes nahm ich Fein glänzendes, aber ein nahr⸗
haftes Frühſtück zu mir, und fehritt dann rüflig weiter.
Bon bier führt der Pfad eine Zeit lang faſt eben fort,
immer zwiſchen Waldungen hin, an deren Saum ber gelbe
Enzian blüht und die rothe Preiffelbeere allenibalben aus ber
grünen Bodendecke hervorglänzt. Bei der Hundged, einer ein-
ſamen Waldwohnung, ging es wieder fteil den Berg hinan und
ich erreichte nicht ohne Anftrengung die Höhe bes Hochlopfes,
ber fih in einem endlos langen Bergrüden ſüdwerts zieht.
Diefe Höhe iſt faft ganz von Bäumen entblößt, und nur bas
Haidekraut mit feinen rothen Blüthen det in üppiger Fülle
den Boden, wo allenthalben mächtige Sandfteinblöde zerfireut
106 Nummelfee
Hegen, von gewaltigen Fluthen in einer urweltlichen Erdrevo⸗
Yutton auf dieſe Höhen gewaͤlzt. Wie öde und einfam auch
Alles umber ift, — eine unvergleichliche, entzückende Bernficht ent⸗
ſchäädigt reichlich dafür. Die Perle aller teutfchen Gauen, das
herrliche Rheinthal, breitet fih vor den Blicken aus in all
feiner Pracht und Fülle, mit feinen blühenden Feldern und
duftenden Rebhügeln, mit feinen gewerbfamen Stäbten und
reinlichen Dörfern, mit feinen zahlloſen Flüſſen und Bächen, bie
alle rafchen Laufes dem mächtigen Rheine zuellen, der einen
"Namen trägt, vuhmeeicher wie fein anderer Steom der Erde.
Wer zählt al’ die Schlachten auf, Die an feinen Ufern gefchla-
gen, wer al’ die Thaten, Die bier in Liedern befungen worben ?
Drüben aber aus dem Dufte der Ferne fleigt Erwin's gewal-
tiger Riefenbau zum Himmel empor und ſchaut wehmüthig
nad dem ernfien Schwarzwald herüber, ben er einft, gleich .
den Bergen des Wasgau's, feine Heimath genannt.
Endlich hatte ich Das Ende des langgedehnten Bergrüdens
erreicht, aber ich war gar nicht freudig überrafcht, als ich mich
fest plöglich. durch einen tiefen, breiten Einfchnitt des Gebirges
yon den Hornisgrindben getrennt ſah, an deren ſüdöſtlichem
Abhange das Ziel meiner Wanderung lag. Mißmuthig flieg ich
binab, um auf ber andern Seite noch höher wieder hinaufzu⸗
klimmen, doch empfand ich es nicht wenig angenehm, als ich
wieder auf Waldungen traf. und fühle Schatten mich umfingen,
denn die Sonne war bereits hoch geftiegen und ihre Strahlen
hatten in der baumlofen Dede heiß [auf meinem Scheitel ger
brannt. Meine Freude follte indeß nicht lange währen, denn
die Schatten wurben bald wieder Yichter, der Wald dünner und
bie Bäume gewannen immer mehr ein f&hwächlicheres, kraͤnk⸗
licheres Ausfehen, bis fie zulegt ganz verſchwanden. Endlich
änderte ſich auch der ſchöͤne Teppich von Moos und Haidekraut
unter meinen Füßen, und als ich die hohe Gebirgsfläche, welde
ben Namen Hornisgrinde trägt, erreicht hatte, bedeckte nur erd⸗
fahles Sumpfmoos den unfruchtbaren, lockern Torfboden, ber
nur bier und da einer verfrüppelten Krummholzkiefer die fpär«
liche Nahrung fpendet. Oeder, trauriger läßt ſich kaum eine
Gegend denken als dieſe, wo ſelbſt die grüne Farbe aus ber
Vegetation verſchwunden if. An einem gewaltigen Steinhaufen-
Mummelfce 107
fam ich vorüber, dem man bie Geflalt eines Thurmes gegeben,
und ber bei der Landesvermeffung zum Signalpunft diente;
wanderte nun auf eine Gruppe verfümmerter Kiefern zu und
ftand ploͤtzlich — am Rand eines gewaltigen Bergkeſſels. Jah und
ſteil fiel die Kluft mehrere hundert Fuß tief hinab; wild durch⸗
einander geworfene Felsblöde, zwifchen Denen mächtige Tannen
zum Himmel empor ſtrebten, überbediten die abſchüſſigen Hänge,
und den ganzen Grund der weiten Schlucht füllte der "M ums
melfee aus. Mühfam Eletterte ich zwifchen dem Geſtein binab
und erreichte bald das felfige Ufer. Still und unbeweglich wie
der achernfifche See, ſchwarz und ſchauerlich wie das Asphalt
gewäfler des todten Meeres, lag der Wafferfpiegel vor mir.
Kein Blick vermag zu ergründen biefe fchauerliche Tiefe und
die Geheimniſſe zu erfpähen, die fie birgt auf ihrem Grunde.
Kein lebendes Weſen beherbergt er in feinem vüftern Schooße
und fein Ton unterbricht die ewige Stille der Umgebung, als
zuweilen das Gefreifc eines Raubvogels.
Der Aufenthalt in diefer öden Wildniß bat etwas ungemein
Ergreifendes, und wer einmal bier geweien, wirb es leicht bes
greiflich finden, dag ſich Die Sage fo viel mit dieſem See ber
fchäftigt und daß ſchon die Alten ihm den Namen Wunder
fee gegeben. Ich fuchte mir ein Ruheplaͤtzchen am Ufer und
fand es neben einem feifchen Bergquell, der friſch und klar zwi⸗
ſchen dem Geftein herabfprubelte, wo ich mich auf bie ſchwellende
Moosdecke niederließ. Gerade mir gegenüber öffnete ſich Die
hohe Bergwand und in dieſer Deffnung brängt ſich durch Fel⸗
fen hindurd der Abflug des See, der Seebad, und eilt haſtig
in das Thal hinab, fich mit der Ach er zu vereinigen, einem
Heinen Bergwafler, das aber oft zum wilden, reißenden Strome
anſchwillt und verheerend durch die Thäler braußt. Doc meine
Blide hafteten nur auf dem dunkeln Gewäſſer, deſſen Spiegel
ſich fegt bisweilen Teife zu Träufeln begann, und vor meiner
Seele vorüber zogen all Die wunderfamen Sagen, fo ich ſchon
von biefem Bergfee vernommen und wiegten mich in tiefe Träume.
So Tag ich lange, lange, wie lange weiß ich nicht, aber im
Weſten ſank die Sonne hinab, die Schwingen der Dämmerung
flogen über die Erbe, und die Schatten der Berge legten ſich
über den See; der Nachthimmel, mit den ewigen Sternen und
108 Rummelfee
dem bleichen Diondesantlig, fpiegelte fich wieder auf der dunkeln
Fläche, während das Geläute der Abendgloden fanft verhallend
aus den Thälern zu mir herauf Hang. Da war ed mir plög-
lich, als ziehe fich eine Dede von der bisher verfchloffenen Waſ⸗
ferfchlucht, und die unermeßnen Tiefen erihlößen meinen Augen
ihre Geheimniffe. Zauberifhe Hesperidengärten erblühten in
frühlingsherrlicher Wunderpracht auf dem Grunde des fchla-
fenden See’s, wo bie bräutlihe Myrthe und bie buftende
Orangenblüthe, mit hellblinkenden Kriftallblumen und blutrothen
Korallen und taufend andern Blüthen und Blumenkelchen von
niegefehener Geftalt und Farbenpracht, fich zu den wunderfamften
Gruppen, Lauben und Jrrgängen feltfam verwohen. Dazwifchen
aber auf den gewundenen Wegen vom reinften Kriftallfand wan⸗
deiten die lieblichen Bewohnerinnen der Waflerwelt: fchlanfe,
ätherifche Geftalten, fo fein und zart, fo hold und entzüdend,
von ſolch überirdifcher Reizesanmuth, daß fie geſchaffen fchienen
ans dem duftigſten Wellenſchaum, durchwebt mit Lilienfchnee
und Roſenſchmelz. Kofend und fcherzend fchwebten fie zephyr⸗
leicht durch Die Sebüfche und warfen bisweilen Blicke zu mir
empor voll brennender Sehnſucht und wonniger Liebesgluth.
Wie fhauten fie verlodend aus ihren Dunklen Augen zu mir
herauf! — da mit Einemmale trübte fich ber kryſtallhelle Waf-
ferfpiegel; immer farblofer und verworrener wurden die zaus
berifchen Bilder; wogend und wirbeind drehten fih die Waſ⸗
fer im tiefen Grunde durcheinander, und Alles verſchwamm
zu einer wirren chaotifchen Maffe, aus deren dunklem Kerne
jet die feltfamften Mißgeftalten fi zu entinäueln begannen.
Häßlihe Molche, Seedrachen, Waſſerſchlangen, Sforpionen,
Meduſen, Mollusken und allerlei eckelhaftes Gewürm kroch
wimmelnd in unzähliger Menge wild durcheinander, dazwiſchen
aber empor tauchten mißgeſtaltete Kobolde, grinſten aus ihren
verzerrten Geſichtszügen hoͤhnend mich an, oder hoben drohend
ihre zwerghaften Faͤuſte gegen mich. Dort näherte ſich mir
eine rieſige Seeſpinne mit ihren ſcheußlichen Füßen, ätzendes
Gift nach mir ſpeiend; da reckte ein gräßlicher Polyp ſeinen end⸗
loſen Arm nach mir aus, den er immer länger und länger
behnte, bis er mich faffen konnte — ich wollte um Hülfe rufen,
allein jeder Laut war mir in der Bruft feftgebannt.
— r— —
Mummelfee. 109
Der Gutenabendgruß eines Korfigefellen aus der Herren-
wiefe werte mic) aus dem entfeglihen Traume. Haſtig raffte
ih mich auf und fchidte mich fehweigend zum Weiterwandbern
an. Es war ganz Nacht geworben und am tiefblauen Him⸗
mel flammten bie hohen Leuchten in ungetrübtem Glanze und
fireuten ihr filberblühenbes Licht Durch das Dunkel. No einen
Blick warf ich auf den wunderfamen See, dann folgte ich dem
fih mir zum Führer anbietenden Jäger, der eben in das Didicht
bes Waldes hinein fchritt, wo die Tannenzweige dem Mondes
licht noch hinreichend Durchgang geflatteten, dag wir raſch und
ungehindert zwifchen den ſchlanken Baumfäulen hindurchwan⸗
dern fonnten. Noch hatten wir feine weite Strecke zurüdgelegt,
als wir aus dem tiefen Walbesfchatten heraus und ins Freie
traten. Hier aber wartete meiner ein überrafchenber, wahrhaft
zauberifcher Anblick.
Rings im Kreis umzogen die gewaltigen, finftern Berg⸗
riefen den Horizont und reiten ihre Häupter tief hinein in bes
Mondes milden Schein; zwifchen den büftern Baumgruppen an
den Gebirgshängen traten riefige Felsmaſſen heller hervor, ober
einzelne Steingiganten vagten wie Nachtgefpenfter aus bem
Boden; aus den Schluchten und Klüften aber fliegen die alten
Berggeifter auf und zogen als feltfame. Nebelgeftalten über bie
Wipfel der Bäume hin, während glänzende Thauperlen wie
Eifen auf grünem Laub und duftenden Blumenkelchen ſchaukelnd
fih wiegten. Und über die ganze Landſchaft hatte ſich ein Leiche
ter, feiner Nebel gebreitet, der fih mit dem halben Mondeslichte
zu einem buftig durchſichtigen Nebelfchleier verwob und bem
Bilde jene feenhafte Färbung verlieh, die uns bie Bruſt mit
unbegriffener Ahnung erfüllt und unausfprechlicher Sehnſucht.
Nur ungern fchieb ich von dieſer Stelle und von dem zauber-
haften Gemälde, das ſich hier zeigte, aber mein Führer drängte;
fo gehorchte ich feiner Mahnung, und wir folgten dem Pfabe
abwerts, der fich zwifchen Felsſtücken und Gefträuch hinab zieht.
Endlich hatten wir den Thalgrund erreicht, wo ber Weg fortan
längs ber raufihenden Acher hinführt.
„Dort liegt der Bofenftein!” — ſprach jest mein Führer,
indem er nach einem dunfeln Hügel links hinzeigte, deſſen un-
gewöhnliche Geflalt wohl von dem bort befindfichen Gemäuer
4110 Mummelſee.
herrühren mochte, das aber von Bäumen und Geftränd fo
überwachen war, daß man es beim Mondenlicht faum zu uns
terfcheiden vermochte. Das Geſchlecht der Herren von Bofen-
Rein ift fehr alt und war einft reichbegütert und mächtig. Im
Jahre 1773 flach der Lepte dieſes Gefchlechts mit Hinserlaffung
von fieben Töchtern, nachdem er die Burg wieder an fich ge-
bracht, bie faft dritthalb hundert Jahre in fremden Händen ges
weſen. Mein Führer erzählte mir viel von bem großen Um-
fange der Burg und den Gütern, die einft dazu gehört, und
knüpfte daran die befannte Sage von der eingemauerten Burg-
frau von Bofenftein im Gottfchläg.*) Der gute Mann war
nun einmal im Zuge, und nun folgte eine Gefchichte der andern.
Das Meiſte davon war mir ſchon bekannt; Anderes war theils
neu erfunden, theils Außerft fade. Die anziehenbfle von den
mir noch undefannten Sagen war folgende:
„In der Legelsau, einer reizenden Seitenwindung bes
Kapplerthales, wohnte einft ein Körfter der Herren von Bo-
fenftein mit feiner Hausfrau und feinem einzigen Sopne,
einem flattlichen Burfchen von zwanzig Jahren. Friſch und
kerngeſund an Leib und Seele und dabei blühend in Träftiger
Sugenbfülle, war der junge Berwin die Freude und der Stoß
feiner Eltern, und ſchon ging er dem betagten Vater in feinen
beſchwerlichen Berufsgefchäften räftig an die Hand, war ein
raſtloſer, unermüblicher Jäger und ein Schüge, ber feines Gleis
hen fuchte von nah und fern, und Keinen fürdhteten bie Wild⸗
fügen der Umgegend mehr, als ihn. Aufgewachſen unter den
Bäumen des Waldes, gab es für ihn feinen fchönern Aufentyalt,
als in der lieben freien Gotteöwelt und im grünen Schatten
von Berg und Thal, wo bie ſchlanken Tannen und breitäftigen
"Buchen ihm lauter alte-Belannte waren. Bom frühen Mor,
gen an fchweifte Berwin über Höhen und Schluchten und fehrte
meift erfi am fpäten Abend zum heimathlichen Herbe zurüd, wor⸗
über ihm manch freundlichsernfte Zurechtweifung von der Mutter
zu Theil warb, Doch war der funge Waidmann deßhalb nichts
weniger- ald ein Menfchenfeind,, und häufig fand er fih an
Sonn» und Fefttagen in der Schenke zu Seebad ein, wo er
* Siehe ©, 72 dieſes Bandes,
Mummelfee. 114
fi) mit den jungen Burfchen des Thals beluftigte, und auf der
Kirchweihe oder fonft bei laͤndlichen Feſten, war er der ſchmu⸗
defte und flinkeſte Tänzer; manches Mädchenauge blidte vers
ſtohlen nach dem fchönen Jügerömann und mancher Seufjer
ſtahl ſich aus zarter Bruft, wenn er den Tanzplatz wieder ver⸗
ließ. Aber die fhönen Dirnen galten ihm alle glei; er ſcherzte
und tanzte mit allen und feine Tonnte fich eines Borzuges in
feinem Herzen rühmen.
Eines Tages kam Berwin von den Höhen der Hornis⸗
grinde herab; es war ein heißer Tag und der Durft trieb ihn
zu der frifehen, Einren Bergquelle, bie unweit des Munmelſee's
im Schatten grünen Gebüfches entfpringt und nach wenigen
Schritten ihr Waller mit dem bes See's vermiſcht. Er Iabte
fih weiblich an der heilen, ſprudelnden Duelle, und die Heime
lichkeit des Orts verlodte ihn, auf dem blühenden Haidekraut
fih niederzulafien, wo auch alsbald ein leiſer Schlummer feine
Augen umfing. Lange dauerte biefer indeß nicht; er erwachte
bald wieder und richtete fih aufs aber wer befchreibt fein Staus
nen, ald er, fih gerade gegenüber, am jenfeitigen Ufer eine
Maͤdchengeſtalt figen fah, von folch zuuberhafter Schönheit, wie
noch in feinem Traume, gefihweige denn in der Wirklichkeit ein
Frauenbild ihm erfchienen war. Das war kein irdiſches Wefen!
Auf Erben reiften nicht ſolche Himmelsreize! Des blenbendften
Schnee's Schimmer mußte verglimmen vor der Weiße diefes herr⸗
lich geformten Likienantliges, und die Roſen von Päftum erhlei⸗
hen vor dem zarten Hauch ihrer Wangen. In dieſem Ge-
Acht voll unnennbarer Anmuth lag ein ganzer Himmel unende
licher Seligfeit, und dieſe tanbenmilden, Fugen Augen drangen
unmiberftehlicher als bie feurigfien Blicke in des jungen Jägers
Seele, dort eine Flamme wedend, die nur mit feines Athems
letztem Hauche verlöfihen ſollte. Ein füßer Schauer burchbebte
ihn bis ins innerſte Mark und unwillkürliche Seufzer entfliegen
feiner beflommenen Bruſt. Mi dem Binden eines Straußes
von Haideblumen befchäftigt, war dies holde Frauenbild bisher
in forglofer Unbefangenheit im Ufergrafe gefeffen; bei dem un-
gewöhnlichen Ton aber fihaute fie auf und als fie die Geſtalt
des Jaͤgers erblickte, fprang fle raſch empor und ſtürzte ſich kopf⸗
über in die Fluthen des See's, deſſen über ipe zuſammenfchla⸗
112 Mummelfee.
gende Waffer fie alsbald Berwin’s Biden entzogen. — Mit
fih hinab in die Tiefe nahın fie die Ruhe feines Tebens. Mit
Staunen, ja mit Entfegen ftarrte fein Blick nach der Stelle hin,
wo das holde Kind verſchwunden war, fehweifte von bort nach
dem Plate, wo fie gefeffen, und fah etwas fihimmern im grü⸗
nen Geſtrüpp. Er eilte bin und fand bort den Schleier bes
veizenden Wunderfindes, den fie vor Eile vergeffen und ber
von fo feinem Gewebe war, daß er fich leicht in einer Hand
verbergen ließ. Berwin drüdte den glüdtlichen Fund an fein
Herz, an feine Tippen und barg ihn zulegt an feinem Bufen.
Er weilte noh lang am Ufer des Sees, immer hoffend, bie
Erſcheinung werde noch einmal zurüdfehren, um das Vergeffene
zu Holen. Aber vergebens! Als endlich die Sonne hinabge-
funfen und Mond und Sterne am bunfelnden Himmel herauf⸗
zogen, trat er ben Nüdweg an und erreichte halb träumend das
Forſthaus, wo er ſich alsbald unter dem Vorwand yon Ermü-
bung auf feine Kammer begab.
Am andern Morgen frifch geſtärkt erwacht, bäuchte ihm bie
ganze Degebenheit nur ein fchöner Frühlingstraum. Als er
aber auf dem Sige neben feinem Lager den Schleier der See-
jungfrau erblidte, da ward wieder Alles deutlich und lebendig
vor feiner Seele, und Die Sehnfucht nad) dem füßen Wunder⸗
finde lockte ihn unwiberftehlich abermals nach dem See: Und
Tag für Tag trieb es ihn fortan nach dem verhängnißvollen
Gewäffer, ftets in banger Hoffnung dort harrend, ob die holde
Jungfrau fih nicht wieder zeigen werde. Doch fie Fam nicht
wieder. Aber diefe Täufchung, das ungeflillte Sehnen und ber
Schmerz der Liebe zehrten an feinem Herzblut, und ber tiefe
Seelengram bleichte feine Wangen.
Mit unendfihem Kummer fahen die betagten Eltern, wie
der einzige geliebte Sohn in der Blüthe feiner Jahre dem
Grabe zuwankte, wie er täglich bleicher und fliller warb, wie
nichts mehr auf Erben ihn zu erfreuen vermochte. Wohl war
die arme Mutter in ihrem Sammer oft in ihn gebrungen, ihr
zu fagen, was fo fchwer ihn bebrüde, aber nur ausweichende
Worte waren feine Antwort.
In dem benachbarten Dorfe Seebach wohnte damals ein
bersichaftlicher BVeiförfter, ber bei Berwin's Vater einft die Jaͤ⸗
Mummelfee 113
gerei erlernt und ald Waidgefell Iang in defien Dienſt geſtanden
hatte. Edhart, fo hieß er, war nicht nur im Forfihaufe, fon-
bern auch in ber ganzen Umgegend, feines biedern, freundlichen
Weſens wegen gern gefehen, und mit bejonderer Liebe hing von
frühefter Jugend an Berwin an ihm, der ihn mit den Waffen
umzugehen lehrte und ihm den erſten Unterricht in dem edlen
Waidwerk ertheilte., Und auch jetzt noch, nachdem Edhart fchon
Jahre lang den herrfchaftlichen Dienft angetreten, genoß er der
alten Liebe und erfreute fi des unumfchränften Bertrauens
der Familie des Forfthaufes in der Legeldau. An ihn wandte
ſich die betrübte Mutter, und der Biedere verſprach, fein Mögs
Vichfles zu thun, um dem Leid, das am Herzen des Jünglings
nagte, auf die Spur zu kommen, oder ihn felbft zum Geſtändniß
zu bringen.
In Kurzem gelang ed ihm auch, auszufundfchaften, daß Ber⸗
win-tagtäglih den Mummelfee befuche; er beobachtete ihn,
wie er Stunden lang am Ufer in tiefen Gedanken faß, öfters
aus tieffier Bruft auffeufzte und dann und wann etwas Weißes
aus dem Bufen 308, das er an fein Herz drüdte und an feine
tippen. Er wußte nun es einzurichten, daß er eines Tages, wie
zufällig, im Gebirge mit ihm zuſammentraf. Sie begannen ein
gleichgültiges Gefpräch, während deſſen fie fich im fühlen Wal⸗
desfchatten auf fehwellender Moosdecke nieberließen. Edhart
rückte feinem Ziele näher, und feinem treuberzigen, eindringlichen
Zureden vermochte der offene Berwin nicht lange zu wiberftes
ben. Er geftand feine glühende, hoffnungsloſe Liebe zu der
reizenden Wafferfungfrau und zeigte fogar den Schleier vor, den
- er am Ufer gefunden.
Die Jägersleute ftehen eben nicht im Rufe befonderer Fröm⸗
migkeit; doch Eckhart befaß einen frommen Sinn und ein gläu-
biges Gemüth, und in der ganzen Erzählung feines jungen
Freundes fah er nur eine hölfifche Verblendung, den Süngling
ins Verderben zu locken. Er fuchte ihn darum mit aller Kraft
feiner einfachen, natürlichen Beredtſamkeit zu überzeugen, daß
dies verführerifche Gebild aus Dem Wunberfee nichts anders fey,
als ein finfterer Geift des Abgrunds, ben der Böfe heraufgefendet,
feine Seele zu verderben. Sp Iang er das Lügenbild in feinem
Herzen trage, babe die Hölle Theil an ihm; und dieß werde
II. 8
112 Mummelſee.
nicht aus ſeinen Gedanken ſchwinden, ſo lang er den unſeligen
Schleier nicht von ſich werfe, deſſen Zauberkraft ihn zugleich un⸗
fehlbar in ſeiner Verblendung dem Grabe zuführen müſſe. Ber⸗
win wurde nachdenkend; er erinnerte ſich mancher unheimlichen
Erzählung von den Bewohnern des Mummelſee's, und fein
Kleinmuth erwachte, fo daß es zuletzt dem Drängen Edhart’s
gelang, daß er diefem fogar den Schleier übergab, wiewohl nur
mit wiberftrehendem Herzen. Bald darauf trennten fie fich,
denn es war fihon fpät geworben.
Eckhart war nicht wenig erfreut über das Gelingen feines
Auftrags. Aber noch war das Werk nicht ganz vollbracht; noch
blieb ihm ein wichtiger Schritt übrig, um feinen jungen Freund
aus den Schlingen des Böfen und feiner Diener zu befreien,
wie der Glaube jener Zeit wähnte. Und kaum graute in der
andern Frühe der Morgen, als er fih auf den Weg nach den
Horniägrinden machte; am See angelommen, wand er- den
Schleier um einen ſchweren Stein und fehleuberte ihn fo weit
in das Waffer, als er vermochte, dann flieg er Die Höhe bes
Derges vollends hinan, den etwaigen Erfolg dort abzuwarten.
In Berwin’s Augen fam in der Nacht, welche der Unterre⸗
dung mit Edhart folgte, fein Schlaf. Er konnte den Gebanfen
nicht los werben, daß er mit dem Schleier das ganze Glück feis
nes Lebens aus den Händen gegeben und Edhart ihn getäufcht
babe; denn lebendiger, reizender als je, ſtand jest das Bild
der Wafferjungfrau vor feiner Seele und unbezwinglich warb
die Sehnfucht nach ihr. Er. wälzte ſich ruhelos auf feinem La-
ger, und faum dämmerte der erfle Schein im Often, fo trat er
fhon den Weg an nach dem See, wohin es ihn fo unaufhaltfam
309. Träumend fehritt er dort am Ufer hin; da fieht er Eiwas
in der Mitte des Waſſers ſchwimmen; er fieht genauer bin,
und, täufcht ihn nicht Alles, fo iſt es ber verhängnißvolle
Schleier, den er zu feinem großen Leib aus den Händen gege-
ben. Ja, fo war es; er trügte fih nicht. Ein rüfliger Schwim-
mer, befinnt er fich nicht lange, und flürzt fih jählings in ben
See. Sept ift er dem ſchwimmenden Gewebe nahe, ſchon ſtreckt
er bie Hände darnach aus, — da beginnt er unaufhaltfam zu
finfen, tiefer und immer tiefer, bis Die ſchwarzen Gewäffer über
ihm zuſammen fihlagen und ihn bergen in ihrer bobenlofen
Mummelfee, 115
Tiefe. — Nie warb er wieder gefehen. Hatte ein Krampf ihn
erfaßt und im tiefften Grunde des See's fein Grab finden laſſen,
ober haben die Niren ihn hinabgezogen in ihr fehirmendes Reich
— Niemand weiß ed zu fagen. Edhart kam zu fpät von der Höhe
des Berges herab ihm nad, um ihn noch retten zu Fönnen, und
ihm blieb nur die traurige Pflicht, den alten Aeltern die ſchreck⸗
liche Kunde von dem unglüdlihen Ende ihres Sohnes zu
bringen.”
Mein Führer Hatte kaum dieſe Gefchichte geenbet, als wir
vor der erfehnten Herberge im Stäbtchen Kappel-Rodeck an⸗
Iangten, wo mid Labe und Ruhe die Mühfeligfeiten des etwas
befchwerlichen Weges bald vergeflen ließen.
Sypolit Schreiber.
(Aus Lewal d's „Europa.” Mit einigen Abkürzungen.)
Die Braut vom Bergiee.
Meufit erklingt zum Hochzeitſchmauß;
Sie tanzen im erhellten Haus.
Doch draußen trüb im Sternenlicht
Der junge Waldmann zu fich fpricht :
„Ob Manche mir das Herz beflemmt,
Sie thun mir drinnen Alle fremd,
Ob Geig' und Flöte Alle freut,
Mir hat fie den Verdruß erneut.”
Da kommt zu ihm ein Mägblein zart,
Geffeidet nicht nach Landesart.
Wie Silber fließet ihr Gewand,
Wie Gold ihr Haupthaar ohne Band,
Wie fanfte Wellen fehweht ihr Schritt:
„And will du nicht zum Tanze mit?“
Sp redet fie und blidt dazu,
Dem Stern gleih aus der Himmelsruh'. —
Sie ſchwelgen in des Tanzes Luſt,
Sie fihmiegt fich leis an feine Bruſt,
8°
116 Mummelſee.
Wie eine Blume, kaum erwacht,
An ihres Stammes Blättermacht.
Sie ruht ihm müd' und matt im Arm,
Er führt ſie weg vom Tänzerſchwarm;
Er wiegt ſie ſchaukelnd auf den Knie'n,
Doch ſcheu und bebend will ſie fliehn.
Sie eilt zu Wald und Fels hinauf,
Er faßt ſie ſanft in ihrem Lauf.
Sie ſeufzt: „Der ſtrenge Vater droht;
In ſeinem Hauſe wohnt der Tod.
O blieb' ich Bruſt an Bruſt bei dir,
Und Beide liebend ſtürben wir,
Doch weh, mein Herz ſo wach und voll,
Und feine Seele lieben fol!”
„Hab' ich nicht Bühl und Fänger hier?
Nicht fürdten Tod und Hölle wir!” .
— ‚Der Nir im See, mein Vater dort,
Und Menfchenliebe, bringt mir Mord;
Die Morgenröthe trinkt mein Blut,
Bin ich bei ihm nicht in der Fluth.
Es tagt, es tagt — ich flerben muß — —
D gib mir noch den Testen Kuß!“ —
Der Droſſel frober Ton verhallt,
Und zornig braußt der Tannenwald;
Im Halbfreis flarrt die Felſenhöh',
Sn ihrem Kefjel flürmt der See.
Und aus des Jünglings Armen reißt
Die bleihe Braut der greife Geiſt;
Er wirft fie donnernd in die Fluth,
Die blutig dann im Frühglanz ruht.
Der Jäger fist am Wogenfchein
‚Und ſchaut mit flarrem Haupt hinein;
Vom Gipfel blickt der Auerhahn,
Dom Schiff der Hirsch ihn fiher an.
Mummelfee. 117
Der See verfiummt, ber Wald verborrt ‚
Der Jäger figt dort immerfort ;
Dort harrt fein Geift noch heut zu Tag,
Ob Keiner ihn erlöfen mag.
Georg Rapp.
Der Ritter und das Seefränlein.
Ein Ritter fühn im Jagen
Verfolgt ein ſcheues Reh;
Dom ſchnellen Roß getragen
Kommt er zum tiefen See;
Da fleigt er in die fühle Fluth,
Ermattet von der Hige,
Erfrifcht fein junges Blut.
Und wie er ſchaut hinunter
Tief in den See hinein,
Da ſchwebt ein feltfam Wunder
Hervor im Abendſchein:
Ein zartes Fräulein, klar und mild,
Mit waſſerblauem Schleier;
Es war ein rechtes Bild.
Sie ſchwebet immer näher,
Bald fteht fie vor ihm da;
Sein Herz ſchwoll Hoch und höher,
Wußt' nicht, wie ihm geſchah!
Sie blickt' ihn an fo liebevoll;
Sie pflogen füßer Rebe,
Dem Jüngling warb fo wohl.
Die hellen Sterne brennen
Schon lang am Himmelszelt;
Doch Lieb kann Niemand trennen,
Die fih umfangen hält.
AS endlich kam die Mitternacht,
Da warb dem fihönen Ritter
Ein Lebewohl gebracht.
'118 Mummelfee.
Sp oft die Sonn’ jest finfet,
Sigt er an Ufers Rand:
Alsbald die Meerfrau winfet
Und fchwebt zu ihm an's Land;
Sp oft jest fommt die Mitternacht,
Da wird dem fihönen Ritter
Ein Lebewohl gebradit.
„Komm’ mit zum Hochzeitsmahle,
Mein’ Schwefter wird getraut
In meines Schloßes Saale;
Komm’ mit, du füße Braut!“
Sp fprad er. einft, Täßt fie nicht los,
Trotz ihrem Widerfireben,
Und nimmt fie mit aufs Schloß.
Da, bei dem Klang der Saiten
Und bei der Kerzen Glanz,
Da ift fo wohl den Beiden,
Sie fchweben hin im Tanz.
Der Wächter ruft die Mitternacht,
Da wird dem jungen Ritter
Ein Lebewohl gebradt.
Er hält fie feſt umfangen,
Er denft nicht an bie Zeit,
Er fügt die zarten Wangen:
Da weint die fehöne Maid. '
Borbei war lang die Mitternacht
Das hat dem ſchönen Ritter
Nachher groß Leid gebracht.
„Laß mich, mein traut’ Gefelle,
Gib mir das letzt' Geleit’ !
Es naht der Morgen helle,
Ich bin vol Luft und Leid.
Borbei ift lang die Mitternacht —
Ich glaub’, die große Liebe
Hat mir ben Tod gebraht!
Mummelfee 419
„Kommſt morgen bu zur Stelle
Dort an die dunkle Fluth,
Und dringet aus ber Welle
Ein rofenfarbned Blut:
So den: die Weil’ nad Mitternacht,
Und unfer treues Lieben,
Hat mir den Tod gebracht.”
Und wie er fam zur Stelle
Dort an die dunkle Fluth,
Da dringet aus der Welle .
Das rofenfarbne Blut.
Er klaget bis zur Mitternacht;
Dann nahm ihn auf die Welle —
Hat nimmer ihn gebradit.
Karl Zell.
Die guten Seejungfrauen.
Um die Herrenwiefe Tiegen einige Seen auf hohen Ge-
birgen, in Wald und Felfen verftedt. Nicht weit von jenem
Dörflein, am Abhang des Berges Seefopf, und nicht weit
som Heidenberg, liegt der Herrenwiefer See, der au
Hummelfee und ber Eleine Dummelfee heißt, weil
man glaubt, er habe fein Wafler aus dem großen Mum-
melfee, der drei Stunden ſüdwerts liegt und woraus bie
Acher fließt. Der Herrenwiefer See fol unergründlich tief
fegn. Ein Jäger fchoß einmal ein Reh an feinem Ufer, das
ins Waſſer fiel und am dritten Tage ganz zerquetfcht bei
ber Seebahbrüde wieder ausgeflößen wurde, — In dieſem
See wohnten einft wohlthätige Jungfrauen; fie kamen Nachts
ind Thal herab und wuſchen frommen unb reblichen Leuten
bie Wäfche aus, die fie dort in den Zubern fiehen Hatten. Wo
fie den Taig in der Mulde fanden, da buden fie das Brod,
ehe Die Leute wach wurben; fie fegten die Häufer, während
bie Leute fchliefen; im Herbſte fehnitten fie Nachts die reifen
Trauben ab und trugen fie zufammen in die Bütten; bie
ſchlechten aber Tießen fie für die Vögel hängen, darum gab
120 -Mummelfee,
ed auch in alten Zeiten fo guten Wein. Damals waren die
Leute treu und vedlih, deswegen haben ihnen auch die See-
fräulein bei ihrer Arbeit geholfen; wenn es wieder beffere
Menſchen gibt, werben ſie's aud wieder thun.
(Siehe Mone's Anzeiger 2c. v. J. 1834.)
Aus dem „Simpliciſſimus.“
Vom Mummelfee gehen noch verfchiedene Sagen. Wir
theilen bier einige mit, wie fie der befannte alte Kriegsroman:
„bie Abenteuer des Simpliciffimus” anführt, woraus fie
auch die Brüder Grimm in ihre teutfchen Sagen aufgenom-
men haben:
1) Wenn man Erbfen, Steinchen oder fonft was in ungera-
der Zahl in ein Tuch bindet, in den See hinein hängt und
dann wieder heraus zieht, fo findet man biefelbe in gerade
Zahl verändert, und fo auch umgekehrt. So man einen oder
mehrere ſchwere Steine hineinwirft, fo trübt fih der Himmel
darüber, und es erhebt fich ein dumpfes Braufen in ber Luft,
dem oft ein Ungemitter mit Donner und Hagel folgt.
2) Als eines Tages etliche Hirten ihr Vieh nahe beim See
weibeten, fahen fie plöglich einen großen braunen Stier aus
der Fluth ans Ufer fleigen und fich zu ihren Rindern gefel-
len; einen Augenblid darauf aber fam ein graues Männlein
eilig aus dem Waffer nach, und trieb den Stier unter greuli=
den VBerwünfchungen wieder in die Tiefe zurück.
3) Ein Bauer fuhr einft mitten im Winter fammt feinen
Ochſen und einigen gefällten Baumflämmen über den hartges
frorenen See und kam glüdlih ans andere Ufer; fein nach⸗
laufendes Hündlein aber, das nur noch wenige Schritte Davon
war, mußte jämmerlich erfaufen, bieweil die Eisbede plötzlich
unter ihm auseinander borft.
Mummelfee. 121
4) Ein Fägerömann fah im Borübergehen ein Seemännlein
am Ufer figen und mit Golbflüden fpielen, von denen es den
ganzen Schoos voll Hatte. Als er ſchon die Büchſe anlegte
um darauf zu fehießen, bufchte das Männlein blitzſchnell mit
feinem Schatz in die Fluthen und eine Stimme rief daraus :
„Dätteft du mich fchön gebeten,
Hätt’ ich gern Dich reich gemacht,
Doch weil du mid wollteft tödten,
Wirft in's Elend du gebracht.”
Bald darauf verfant auch wirklich der thoͤrichte Schüge in
die bitterfte Armuth, weil feine Büchfe von dieſem Tage an
fein Thierlein mehr traf, und ftarb nach kurzer Zeit ganz hülfs
los und verlaffen.
(Bergl, mit E. Mörike's Didtung, S. 100 dieſes Bandes.)
5) Ein Herzog von Würtemberg ließ einft ein Floß bauen,
um damit auf den See zu fahren, deffen Tiefe zu ergründen.
Als aber die Meffinftrumente fchon neun Faden tief hinunter⸗
gelaffen waren und immer noch Teinen Boden gefunden hat«
ten, fing das Floß auf unerflärtihe Weife an, zu finfen, und
wären bie Leute darauf nicht ſchnell damit ans Ufer gefahren,
fie hätten Alle ihren fichern Ilntergang gefunden.
6) Ein Markgraf von Baden, der mit Geiftlichen und Hof⸗
leuten den See in Augenfchein nahm, ſchoß geweihte Kugeln
und verfenfte heilige Gegenſtaͤnde hinein. Plöglich fprang ein
fürdhterliches Ungeheuer aus dem Waffer, jagte die Verwege⸗
nen in die Flucht, und fieben Tage wütheten Stürme und Uns
gewitter über der ganzen Umgegenb.
(5. auch: „Sagen aus Baden und ber Umgegend.“ Karléruhe 1834.)
Das Mümmelchen.
(In Mundart diefer Gegend.)
Dbe uf de Hornesgrinde ifch e See, de mer de Mums
melfee beißt, denn vor Ziten hen!) Mümmele oder Sees
4) Haben,
122 Mummelfee.
wible dein g'wunht. E junger Hirt het mengmol in ber Näh
fi Küe un Schof g’hüet, un e Liedli g’funge. ’8 iſch e fufrer
Bue gfi, mit gele, genfe Härle un e me G'ſichtle, wie Mitch
un Bluet. Emol, gege Obed, do fummt e Jungfrau zu em,
‚ ime grüne G’wand, un über de Zöpfe het fie en Schleier trage.
D'Jungfrau feet fi guem-Hirte und feit: „sifh do guet
lenze !), 's Moos iſch wei, un 's weiht e küel Luüftli us de
Tanne ber.”
Der Hirt het nit 's Herz, ebbes z'antworte; fo e ſchüns
Frauebild het er fi lebti nit g’fehne, un 's wurd em fafcht
wunderli D’Sinn. Do gudt fie en a mit ihre große, ſchwarze
Aue, und mit ihrem Mündle, wie Griefe 2) fo roth, und
feit: „Mögfcht mer nit e Liedle finge? do hobe hört mer nike
as d’wilde Waldvögel.“
Em Hirt iſch's juſt nit fingeri gfi, aber er het do an-
Hfange: |
Es ſchwimmt e Rösli, fo wiß wie Schnee,
Gar luſti Dort uf em ſchwarze See,
Doc güdelt numme ne Sternle runter,
Sp duckt's au gli fi Köpfle unter.
Witer bet er nit finge Fünne; denn 's Mümmele het en an⸗
g'ſchaut mit eme Paar Aue, der Schnee us de Grinde wär
hu?) im Merze dervun g'ſchmolze. Wenn mer aber Fir *)
zuem Strau thuet, fo brennt’, un mit em Löfche iſch's fo e
Sad. Kurz un guet, der Hirt verplempert 5) fi in's Seewibel,
und fie ifch au nit von Stahl un Ife ?? gfi.
Aber alles in Ehre! Sie ben furzwilt un Narrethei
triebe, un am End ifch der Hirt fe wore, und het em Müm-
mele e Schmüzle 6) gen, un fie bet em ſeldrum ”) d’Aue nit
uskratzt. Bim Abſchied aber Het fie zuem g’feit: „Wenn i
au emol nit fumm, fe blib mer vum See weg, un rief
mer nit."
E Zit lang iſch's fo gange, un ber Hirt het g’meint, ber
Himmel wär jest allewil Hor bliebe, aber hinter em iſch e gar
1) hingeftredt ruhen. 5) verliebt.
2) Kirſchen. 6) Küschen.
3) ſchon. 7) deßhalb.
4) euer.
u
Mummelfee uns Nachbarſee'n. 1233
fhwarze Wolf ufg'ſtiege. Emol loßt fi mi Mümmele zwei
Tag mit keim Au mer fehne, und do iſch's em Hirte winne und
web worre; denn mit der Lieb iſch's, wie mit em Heimweh;
mer kann debei nit ruege noch raſte, un mer ſot glaube,
böfe Lüt hätte's eim angetun. Z’Ietfcht kann's der Hirt nimme
ushalte, un lauft an de See: do gufe en d'Seerösle an, as
wenn fe Mitlivd mit em hätte; er merkt's aber nit, un rieft
d'Jungfrau bim Name. Uf eimol wurd's Waſſer unruebig ?),
un us em See fummt e Zeterg’fchrei, un er färbt fi mit Bluet.
De Hirte wandelt e Grufen an — er lauft in d' Berri ?) nt,
wie wenn en e Geifht?) jage thät, un vun ber Zit an het
me nifd meh vun em g’fehne no g’hört.
Aloys Schreiber.
Der Wildſee.
In ſeinen Tiefen hauſen ebenfalls ſchlimme Geiſter; dieſe
aber ſind bei Tag als ſchwarze Fiſche zu ſehen. Oft auch läßt
ſich in ſeinem Grunde ein Spielmann luſtig muſicirend hoͤren,
worauf ſich dann immer irgend ein Unglück in der Gegend
ereignet.
Auch geht die Sage: es ſey einſtmals ein fremder Herr in
prächtigem Kleide zu Pferd auf dem Moos erſchienen; ber ſey
vor den Augen eines Hirtenmäbchens foornftreichg auf den See
zugeiprengt, Dann und Roß alsbald in deifen Tiefe verſchwun⸗
den und nur der Feberhut des Cavaliers fey noch eine Zeit
lang oben auf dem Waffer geſchwommen.
(Siehe „Sagen aus Baden und der Umgegend.“ Karleruhe, 1834.)
Das Männlein vom See,
(In alemannifher Mundart.)
Uff de Berge, do ifh e See,
Es fahrt nie fei Schiffer druff.
's goht kei Rueder in fini Welle,
1) unruhig.
2) Berge.
3) Geiſt, Geſpenſt.
124
Nummelfee und Nachbarſeen.
Denn er cha ſi gar verſtelle,
Und uff eimol ſtoht er uf —
Es iſch gfehlt, iſch ebber druff.
Bi dem See obe floht e Hug
Im e Thal, fo eng un wild.
Hoch vum Kuppe ſieht me’g Chöpfli
Dert in jedem Waſſertroöpfli,
Wenn der Wind e wenig ſpielt,
Un vu Berge drum umme '»s Bild.
In dem Hus inne het me ſuſt
A e Maͤnnli chönne ſeh;
s iſch fo lei gſi, wie ne Büebli,
Doch nitt luſtig un nitt liebli,
Un het nie kei Antwort ge —
Jezen iſch es nimmimeh.
Un das Männli, ſtumm un fin,
Iſch ſcho art gſt un ſcho grau.
Duß, in Husgang, unter d'Stege,
Iſch es z'Nacht allimol als g'lege,
Uff de Boden un ufPs Strau;
Mengmol het es geſſen au.
Iſch der Morgen allmig chu,
Iſch das Maͤnnli zerſcht verwacht;
Und wag’g ge bet, in Buureg'ſchaͤfte,
Het es ghulfen us alle Chräfte,
Un Het redli au mitgmacht,
Doch nit eimol het es gllacht.
„'s mueß e tiefe Chummer ba,”
Meint der Meifter, „was es will?
Mummelfee und Nahbarfee'n.
Un jez endli feit fi Frau:
„J glaub, i bi uff der Spur!
’8 bet fo alt un verriffe Plunder,
Un drum ifch es au fe Wunder,
Daß es Iuegt allewit fo fuurz;’ —
Sp feit D’Frau zum Seewibuur.
„50, wer weiß, fo chönnt es fi,
Un des choſt't jo nit alles Gelb;
Jeze Ten mer im Männli made
E neu Rödli un fuf no Sache,
Was ed brucht in Hus un Feld.” —
Un bim Schnider wird es b’flellt.
Und der Schnider chunnt un bringt’s,
Wun es ferig jez iſch gſi;
Un fie lege's unter d'Stege,
Un wenn 's Männli dermit biwege,
Daß e8 foll alehrter fi;
's fin au Schüehli no derbi.
Doch wu's Nacht wird, tooft der See,
Und im Huus het's durann g'chracht;
Und wu's Männli fi neu Plunder
Jeze findet, un au no drunter
Neui Schueh; o wie het es gmacht,
Un het's gjomm’ret die ganzi Nacht!
„O mi Meiſter! o weh, o weh!
Jez henn er mi jo abglohnt,
Tuſig Johr lang han i do gwohnt.
O mi Meiſter! o weh, o weh!
O, er henn mer nit ſolle ge!
„O mi Meiſter! o weh, o weh!
Mi Plunder wär jez verheit gli,
Un derno wär i erlöſt gſi.
O mi Meiſter! o weh, o weh!
O, er henn mer nit ſolle ge!
125
126 Mummelfee und NRahbarfeen
„O mi Meifter! o weh, o weh!
Jez mueß i go vu Afang ,
Wieder diene, tufig Johr Yang.
D mi Meifter! o weh, o weh!
D, er henn mer nit fole gel" —
Un jez madt es fi uffe Weg,
Blibe darf es nimmemeh.
Sither fellem iſch's verfchwunde,
Doch in mitternächt’ge Stunde
Irrt e Liechtli ald am See,
Un das fifjget: o web, o weh!
I F. Dorn.
(Aus Pfarrer 2. F. Dorn’s „Memania,” Lörrach, 1843.)
Der Nonnenſee.
Einige Stunden hinter ber Herrenwiefe befindet ſich der
Nonnenfee, der Auch manchmal mit dem Mummelfee ver-
wechjelt wird. Zu beiden Seiten erheben fih der Schwarzkopf
und der Seefopf, auf deren Kuppen einft die Schwarzburg
und die Seeburg flanden. Auf der Seeburg Iebten zwölf
Brüder, die fih vom Raube nährten, mit ihrer einzigen, aber
wunderſchönen Schwefter; auf der Schwarzburg aber wohnten
zwölf Schweftern, eine reizender ald bie andere, mit einem ein=
zigen, aber heldenkühnen Bruder.
Die Seeburger Zwölfe brüteten ſchon längſt über dem
Plane, das Schweftern-Dugend aus der Shwarzburg zu
entführen; der Ritter von der Schwarzburg hingegen beredete
Die Seeburger Jungfrau, deren Brüder ihm fie nicht zur Gattin
verwilligen wollten, zur Slucht, und Die Stunde warb feftgefest,
wo er fie heimlich abholen ſollte. Da beide Theile dieſelbe
Naht zur Ausführung ihrer Anfchläge gewählt hatten, fließen.
fie mitten auf dem Wege, der ins Murgthal führt, aufeinan-
ber. Berzweifelt war ber Widerfland, welchen ber Ritter von
Schwarzburg leiſtete, aber er wurde von der Menge feiner
Gegner überwältigt, gefeffelt und nebft ber Geliebten und feinen
®
Mummelfee und Rachbarſee'n. 127
Schweftern in das feindliche Raubneft gefchleppt, in defien Vers
liege, bei Badelfchein, jeder der zwölf Ritter ihm einen Dolch
in die Bruſt ſtieß. Hierauf töbteten fie ebenfo ihre einzige
Schweſter, nachdem fie den gräßlichen Tod ihres Buhlen hatte
mit anfehen müßen. Die geraubten zwölf Jungfrauen mußten
fih mit den zwölf Seeburger Brüder vermählen, erhoben ſich
aber in der Hochzeitnacht Teife von ihrem Lager und durchbohrs
ten die fchändlichen Mörder ihres Bruders mit benfelben Dols
chen, die fein Dlut vergoflen hatten. Nach Befriedigung ihrer
Rache wollten die zwölf Schweftern wieber auf die Schwarz-
burg zurüdfehren, wurben aber von den Knechten der Seebur⸗
ger überfallen und auf der Stelle getöbtet. Bald darauf brach
in der Seeburg eine Feuersbrunſt aus; dba ſah man unter den
flürgenden Balken und berfienden Mauern zwölf weibliche Ges
falten in weißen Gemwändern durch Die Flammen fchreiten, jeg⸗
ficde ein Kindlein im Arm, binaus zu dem Nonnenfee, und in
deilen Tiefe fich flürzgen. Dumpf braußten die Waffer auf und
von der Zeit an nahmen fie eine Farbe ſchwarz wie Dinte an..
Jeden Tag nun, fobald die Dämmerung herabfinft und bag
Abendglöcklein im nächflen Dorfe geläutet wird, kommen drei⸗
zehn Stüde Rothwild aus dem zerfallenen Thore der Seeburg
hervor und nehmen den Weg nad der Ruine der Schwarzburg.
- Kede Wildfchüsen haben es bisweilen gewagt, auf dieſe Thiere
zu ſchießen; aber wenn auch eines oder Das andere zufammens
flürzte und der Jäger fi der Beute bemächtigen wollte, war
fie plöglich fpurlos vor feinen Blicken verſchwunden; fa, einmal
fol die Kugel zurüdgepralit feyn und den frechen Schügen felbft
getöbtet haben. Blos am Freitage, oder dem fogenannten Jä⸗
gerſabbath, läßt fich der Ing des Wildes nicht ſehen; aber um
Mitternacht wandeln dann zwölf weiße Nonnen aus einem
Thurme der Seeburg und in ihrer Witte wanft ein hoher blei-
her Mann, in deſſen Bruft zwölf Dolche fleden. Während fie
durch den Schloßhof dahinfchreiten, fommt ihnen aus der Haupts
pforte ein Zug von zwölf ſchwarzen Männern entgegen, ihre,
Geſtalten mit brennenden Flecken überfäet. In ihrer Mitte
geht ein weißverfchleiertes Weib. In tiefer Stille fehreiten fie
an ben Nonnen vorüber und verſchwinden, zu gleicher Zeit wie
jene, am Eingang in die alte Begräbnißfapelle.
128 Mummelfee und Nahbarfee’n.
Ein alter Mann, der in der Nähe des Nonnenſee's lebte
und Erucifire aus Holz fehnizte, die er in der Umgegend ver⸗
faufte, hörte manchmal in der Nacht ein Geftöhne, wie von
Sterbenden, das aus den Fluthen zu Tommen fehien. Dann
warf er ſich auf die Kniee und betete für Die Ruhe der Abge⸗
ſchiedenen, welche dort in der Tiefe ihr Grab gefunden. Als
ihm feine Frau flarb, vernahm er in der Kammer, worin fie
auf Streu Tag, eine fanfte Muſik. Leis öffnet er die Thüre
und erblickt dreizehn weiße Jungfrauen, mit Richtlein in den
Händen, um die Teiche flehen und fie bewachen.
(S. A, Schreibers „Sagen aus den Rheingegenden 2c. 2c.”)
Die Nonnen fingen nicht mehr.
Ro der Wildfee liegt, da fiand ehemals ein Nonnen»
Flofter, das ift aber längſt verfunfen und vom Waffer bededt.
Man fieht noch den Fahrweg und das Geleis in den Felfen;
der Pfad führt gerade auf den See und nicht weiter; denn ed
war der einzige Weg zum Kloſter. Die Nonnen faßen noch
oft am See, nachdem ihr Klofter untergegangen war und fangen
Lieder; kam aber Jemand in die Nähe, fo forangen fie alle ins
Waſſer. Es waren allezeit ihrer zwölfe. Sie tanzten fehr gern .
und famen oft zu den Leuten in die benachbarten Thäler, aber .
ftetö nur Eine allein; und nie hat man gejehen, daß Eine
Speiſ oder Trank angenommen hätte. Sie nahmen zwar von
ihrem Tänzer das Glas an, ald wenn fie Beſcheid trinken woll⸗
ten, berührten aber den Rand nur mit ben Tippen, ohne zu
trinfen. Daher fagt man auch, wenn man einen Trunf einer
Jungfer zubringt und fie vom Weine bloß ein Bischen nippt:
„Sie trinkt wie eine Nonne, die an dem See ihr Lieblein fingt.“
Diefe Nonnen trugen weiße Kleider, waren fröhlich und
guter Dinge, gaben aber feine Antwort, wenn man fie nad)
ihrem. geheimnißvollen See fragte. Einen Tänzer, der fol
eine Frage an fie ftellte, verließen fie augenblidlih und waren
nie wieder an dieſem Orte zu fehen. Das Volk hatte fie fehr
gerne als Gäfte bei Hochzeiten, denn fie brachten der Braut
Heil und Segen; daher gingen die Hochzeiterinnen drei Tage
Mummelfee und Nachbarſee'n. 129
vor der Trauung an den See und luden fie ein mit dem lauten
Ruf: „Ih habe Hochzeit, Eommt zum Tanze!“ Wollte nun
eine Nonne der Einladung folgen, fo merkte man e8 an einem
Gepfätfcher im Wafler. Das Brautpaar mußte aber jeder
Nonne, wenn fie beim Feft erfchien, feierlich verfprechen, ihr es
fogleich zu fagen, wenn die Glocke Nachts zwölf ſchlug. Ste
fegnete dann das Brautpaar ein, Tieß fih von ihm bis an bie
Hausthüre begleiten, von den Leutchen die Hand zum Abſchied
füffen und verſchwand dann auf der Stelle,
Diefe Nonnen hatten eine eigene, fittfame Art zu tanzen;
nicht fo wild und roh, wie jett die Leute zu thun pflegen, ſon⸗
bern fie ſchwebten nur in zierlichen Kreifen und mit leifen
Schritten über den Tanzboden hin,
Einmal geihah es, daß ein Brautpaar die Mitternadts
flunde vergaß, und als die Nonne fragte, welche Zeit es fey,
da war es fhon Ein Uhr. Da fanf fie mit einem Schrei zu⸗
fammen und bat den Bräutigam, fie nach ihrem Wohnfig zu
begleiten. Als fie an den See famen, blieb der junge Mann
fiehen, denn fie hatte ihm ihr Schidfal vorausgefagt und ihn
gebeten, daß er es: mit anfehen folle. „Der Mond fcheint hell;“
— fagte fie — „wird der See weiß wie Milch, wenn ich in
die Sluth hinabſinke, fo ift e8 ein gutes Zeichen; wird er aber
roth wie Blut, fo ift es um mich geſchehen!“ — Sie fprang
hinein in das Waffer, aber fogleich ſchoß ihr Blut heraus und
färbte Die ganze Fläche dunkelroth. Der Bräutigam ging trau=
rig nad Forbach ‚beim und ſeitdem fingen die Nonnen nicht
mehr am See, wo. fie fonft im Frühjahr an der Sonne ſich
wärmten,
(Aus den in Mone's „Anzeiger“ ıc. Jahrg. 1834 auszugsweiſe mitgetheilten Sagen
aus ber handſchriftlichen Sammlung des Oberſt Medicus.)
Der Rice Wechfelbalg.
Am Hugebacher See wohnte vor Zeiten ein böſes Weib,
bie befonders den Buben gefährlich war; wagte fich einer in
bie Nähe, fo warb er yon ihr aufgepackt, zum See getragen
und lebendig aufgefreffen. Doch find jest die Knaben yon der
I. 9
139 Mummelfee unv Nachbarſee'n.
Nire verfhont, weil fih eine Geſchichte mit ihr zugetragen hat,
feit welcher fie die Kinder in Ruhe läßt,
Eine Köhlersfrau hatte ein Fleines Knäblein in ber Wiege
daheim, und war in ben Wald gegangen, um Heibelbeeren für
ihren Mann zu ſammeln. Als fie wieder nach Haufe Fam, hörte
fie ſchon von Weiten ihr Kind entfeulich fehreien und fand flatt
ihres Söhnleins einen greulichen Wechfelbalg in der Wiege;
ber hatte einen Kopf wie ein Sefter, Augen wie ein Kalb, war
aber fonft am ganzen Leibe mager und fahl, wälzte ſich in feinem
Kothe und Frächzte wie ein’ Rabe. Die Mutter brach in Tautes
Jammern aus und bat ihren bald darauf heimkehrenden Mann,
ben Unhold mit Ruthen zu hauen. Das that er denn au,
während fein Weib vor dem Haufe ihr Gebet verrichtet. Da
hörte fie auf einmal ihr Söhnlein am See weinen, denn ihre
Hütte ftand nahe daranz fie fprang hin, fand wirklich ihr rech⸗
tes Kind am Ufer Tiegen und trug es freudenvoll heim. hr
Mann fchleppte darauf den tüchtig Durchgepeitfchten Wechfelbalg
an dieſelbe Stelle, wo fein Kind am See gelegen hatte, Als
die Nire dies gewahrte, fuhr fie auf den Werhfelbalg los, zerriß
und fraß ihn, und verſchwand. Der See fing aber fchrerlich
an zu braufen und zu toben und man glaubt, die Nixe habe
fich mit dieſem Fraße den Magen fo-fehr überladen, daß er ge-
borſten, woher es auch komme, daß bie Kinder jebt vor thr
Ruhe haben.
(Aus den in Mone's „Anzeiger“ (1834) auszugsweiſe mitgetheilten Sagen des
Obert Medicus.)
Anmerkungen u den Miunmelfee : Sagen.
Unfern der Kuppe ber Hornisgrinde*), an deren ſüdöſtlichem
Abhange, ungefähr zwei Stunden von ber Herrenmwiefe, liegt ber
Mummelfee, auch Wunderfee (lacus mirabilis) genannt. Deffelben
erwähnen ſchon einige unferer älteren Schriftfteler, u. A. Caspar
Schott in feiner „Physica curiosa,“ lib. I. pag. 123. Mancherlet von
feinen Wundern erzählt auch Greifen ſon (Schleifheim) in feinem Kriegs-
bildervollen Roman: „Der abenteuerliche Simpliciſfimus.“ (5. Bändch.
10. Kap.) ꝛc.
*) @rinde heißen in diefer Gegend die hohen, kahlen, gleichſam verlornen und hei⸗
mathlofen Berggipfel. Diefe Kuppe wird auch der Katzenkopf, der Bierfürftenftein ober,
Grenzſtein genannt, weil hier ehemals die Grenzen von Deſterreich, Baden, Würtemberg und
bem Bisthum Straßburg zuſammen trafen. Die Hornisgrinde ragt 3627 Buß hoch, einer
rieſigen Vorwacht glei), in das Rheinthal hinein. (Siehe F. v. Fahnenb erg ’8 „bie Heil⸗
quelen am Kniebis.“ Karlsruhe, 1838.)
/
Mummelſee und Nachbarſee'n. 131
Es gibt zwei See'n dieſes Namens, die wegen ihrer nachbarlichen
Aehnlichkeit öfters vermechfelt werben. Derienige, welcher unfern Sagen⸗
kreis bildet, ift der obenerwähnte, größere; der Feine Mummel-
fee, richtiger Derrenwiefer- oder Nonnenfee, befinbet fih in
der Gegend der Herrenwiefe, im Bezirkdamt BühL Seekopf
heißen die Berge, in deren Zobel beide eingefchloffen find. Aus dem
größeren Mummelfee fließt die wilde Acher, die eine Strecke weit
den Namen Seebad trägt, hierauf das eigentlihe Acherthal bilvet
und fih in ven Rhein mündet; ver Abfluß des Eleineren Mummel-
ſee's Heißt ebenfalls Seebad, ergießt fih aber in vn Schwars-
senbak.
Mit dem Mummelfee wird auch wohl der wilde See (Wilpfee)
verwechfelt, welcher in der Nähe von Allerheiligen liegt und dur
bie Schönmünzach in die Murg abfließt. Da es ferner noch einen
zweiten Wildfee ſüdweſtlich vom Kniebis bei Rippoltsau und
dem Schappacherthale gibt, fo ift erflärlich, daß bier häufige Berwechs⸗
jungen vorfallen.
Der Name Mummelfee mag eher von dem altteutfchen Worte
„Mummel” (Here, Popanz) oder dem damit verwandten „DM um
meln“, (Mumm machen, brummen hinter einer Vermummung, engliſch
to mumble) als von „Murmeln“ berzuleiten feyn,
(Bergl. Klüber's „Beichreibung von Baden und feiner Umgegend.” II. Theil
©. 140 und 190. — Kolb's „Reriton von Baden.” IL, Br, S. 294. IEE, Bp,
©. 226 und 380. — A. Schreiber’s „Baden mit feinen Heilquellen ⁊c.“
S. 223 und 28 u. A. m.)
dr. von Fahnenberg in feinem Werkchen „Die peilquellen a am
Kniebis“ ꝛc. ſagt S. 167 über dieſen Namensurſprung:
„Mummel, Mummert, Mummart ift im gemeinen Le⸗
ben der Name eines erdichteten Ungeheuerd, womit man Kinder fchredt
und welches durch eine vermummte Perfon dargeftellt wird, während fle
dabei den brummenven Laut Mum, Mum von fih hören läßt. — Al.
Schreiber Ieitet jedoch den Namen des See’! von „mummeln,”
„murmeln” her; Mümmelchen fey gleichbeveutend mit Waffer-
nixe; es Tiege hier der Begriff des Geheimnißvollen zu Grunde. Die
Bedeutung von Larven, als gleichbeveutend mit gefpenftigen Wefen,
fomme nur bei den Römern vor.
„Der große Mummelfee hat eine halbe Stunde im Umfang. Nur
in ber Mitte, wo die Acher entquillt, {fl er von bisher noch unergründ-
licher Tiefe. Sein ſchwärzliches Waffer, durch die nahen Torfgründe fo
ausfehend, nährt bloß den Salamander, nicht aber Fiſche. Nach Angabe
ver Landleute verurfachen die Ausdünſtungen des See's häufig Nebel und
Ungewitter. So foll ven 21. Zunt 1756 aus einem bloßen Wölkchen,
das in der Größe eines runden Hutes aus demſelben emporfieg, fich aber
allmälig Immer weiter auspehnte, eines ber entſeblichfien Blitz ⸗ und
9
132 Mummelfee und Nachbarſee'n.
Hagelgewitter entflanden feyn, das im Umtreife von acht Stunden unbe-
ſchreiblichen Schaden verurfachte.”
(Vergl. v. Fahnenb er gs „Heilquellen am Kniebis 20.” ©. 167 und 168.)
Al. Schreiber ſagt u. A. von ihm:
„Des See's Ufer iſt, wie das Geſtade des Lethefluffes, öde und ab»
geſchieden, die verfümmerten Fithten und Tannen neigen ihre Wipfel zur
Erve und fterben ſchon in ihrer Jugend hin. Kein Laut unterbricht die
ewige Stille, als das Stöhnen der nahen Wälder im Winde oder das
melandolifche Murmeln des Waldbachs tief unten im Thale. Unbeweg⸗
lich ruht bei Windſtille der ſchwarzbeſchattete Waflerfpiegel, auf welchem
die gelbe Seerofe (Nymphea lutea) ihre breiten fetten Blätter entfaltet.
Hier verweilt gerne die Betrachtung, die Wehmuth, die Dichtung.“
„Die Lilien vom Mummelfee,’ © 81 un „Mummel-
fees Rache,“ ©. 83.
Die den „Lilien“ (welche Blumen eigentlich nicht im Mummelfee zu
finden und nur mit poetifcher Licenz bineingezaubert worden find) zu
Grunde Tiegende Sage gab dem Hofmaler Götzenber ger den Stoff
zu einem ver fihönften Freskobilder, womit er die neue Badener Trinkhalle
geziert hat. — „Mummelfer’s Nahe” bezieht fi, andren Berichten
nach, auf den Wildſee bei Allerheiligen.
(Siehe „Sagen aus Baden und Umgegend.“ Karlörufe, 1834.)
Eine fehr gelungene Ueberſetzung ver „Lilien“ theilt die „Edinburgh
Review“ vom Juli 1838, gelegentlich einer Necenfion von Simrock's
„Rheinfagen” mit, unter welchen auch jene Romanze fih befindet. Wir
ie fie bier vergleichsbalber folgen:
THE LILIES OF THE MUMMEL - LAKE.
Along the gloomy Mummel-Lake
The lilies bright are growing,
They stoop their heads, their stalks they shake,
When morning winds are blowing ;
But when the niglıt is in her noon,
And broad and bright the rounded moon,
Uprising from the wave they stand
A group of maidens on the strand,
I
The night-winds wake, the long reeds make
Sad music for their dancing,
As hand in hand is seen the band
Of lily-maids advancing;
In mazy flight careering light,
With faces white and garments white,
Till o’er their pallid cheeks is spread
Once more a blush of living red.
+
Mummelfee und Nachbarſee'n. 133
The load winds groan, the long reeds moan,
The pine-wood pipes in chorus,
The clouds athwart te moon are blown,
The shadows fliker o’er us.
The night-dews stuff the grass full deep,
But up and down the dancers sweep,
And higher, heavier than before
The billows beat along the shore.
Lo! from the wave a giant arm,
A clenched hand intending,
A dripping head with sedge o’erspread,
A fiowing beard depending ;
And thunder-like there comes a sound,
Reecho’d from the rocks around:
„Ye graceles daughters, hark ! give o’er
Back to your watery beds once more |“
The dance is o’er; if pale before,
How paler grow the daughters!:
„Our father calls, the down appals,
Once more then to the waters I!“
The mift from out the valley rise,
The morning streaks anew the skies ;
Once more the lilies with the morrow
„Are waving o’er the lake of sorrow,
„Einkehr.“ ©, 84.
Nicht nur im Odenwald, fondern auch "in manchen Gegenven bes
Schwarzwaldes iſt die Sage vom wüthenden Deere und wilden
Jäger heimiſch.
„Die Waſſerherberge.“ © 8.
Nach A. Schreibers Erzählung in den „Sagen von Baden und
Umgegend.” Karlsruhe, 1834.
„Die Mummelzwerge.“ © 3.
Auf mündliche Sagen ver Landleute von an ihnen verübten Mumm⸗
ler⸗Neckereien gegründet.
„Der fremde Gaſt.“ © 9.
Nach einer in Mone’s „Anzeiger“ x. im Zahrg. 1836, mitgetheil⸗
ten Sage bearbeitet.
„Die Geiſter am Mummelſee.“ ©, 99.
Bruchſtück aus einer unvollendeten Oper von E. Mörike.
„Der Jäger am Mummelſee.“ ©. 100.
Vergleiche mit S. 100 „Der Jägersmann“ und „Die Braut
som Bergſee.“ ©. 115.
134 Mummelfee und Nahbarfer'n.
Eine gang ähnliche Mummelſee⸗ oder Wilpfeefage, wie eine Nixe
einen Hirtenfnaben durch ihr Sattenfplel verlodt, währenn ein Greis ihn
vergeblich warnt, hat den Stoff zu einem der erften Freskogemälde in
der Badener Trinkhalle geliefert.
(Bergi. Klüber'« „VBefchreibung von Baden 1.” Th. U. ©, 193.)
„Mummelfees Geſchenk“ ©. 101.
Bergl. die Sage vom Erpmännlein bei Durlach.
„Das Mümmelchen,“ von AL. Schreiber, ©. 121.
5 Baader in feinen „Sagen der Pfalz, des Nedarsd und bes
Odenwaldes“ hat biefelbe Sage, in Romanzenform, auch von U. Schrei-
ber, irrigermeife für ein altes Bolkslien genommen und mit impfen
am Berg in Verbindung gebracht.
„Das Männleinvom See” ©. 123.
Der Schauplaß biefer rührenden Sage ift am Badiſchen Wild-
fee, welcher am ſüdweſtlichen Abhange des Knie bis, zwiſchen Peters
thal und Ripypoltisau liegt. Aus ihm entfpringt die Wolfach.
— Vergl. mit diefer Sage die vom Seewihof. 1. Bd. ©. 476.
Sagen vom Wildſee. Seite 123.
In dem Gebirge zmwifchen ver Murg und der Enz Liegt ein hoher
fumpfiger Bergrüden, ver ſich in einer Länge von drei Stunden längs
der Enz hinzieht und von den Ummwohnern das Moos genannt wird.
Auf, diefer nur mit Haidekraut und Torfmoos beffeiveten Hochebene be=
findet fih ein ziemlich großer See, um welchen mehr denn fünfzig Hei«
nere Teiche und Wafferbeden herum liegen. Wild ſee heißt ver grö-
Bere See und durch ihm zieht fih die Grenze von Baden und Würtem-
berg. In früheren Zeiten bildeten fie wahrfcheintich alle zufammen nur
einen einzigen großen See, Einft Hielt man ihn für unergründlich; aber
ein Herzog von Würtemberg Tieß ihn meffen und da fand es fi, daß er
nicht mehr als 18 Fuß Tiefe habe.
Bon dieſem See gehen fait viefelben Sagen im Volke, wie von dem
“ Mummelfee, 3 B. die von dem Hirtenknaben und ver Waflerfey.
(Siehe „Sagen aus Baden und der Umgegend.” Karlsruhe, 1834. Velten.)
Ein zweiter See, der obigen Namen führt, Liegt unweit des Mum⸗
melfee’s, in ver Nähe des Klofters Allerheiligen, tief im Gebirge.
Auch diefer Bergfee fol, wie die meiften ähnlichen, unergründlich ſeyn;
die Schwarzen, fihauerlichen Fluthen beherbergen fein lebendes Wefen und
nur zuweilen unterbricht das heißere Gefchrei eines Raubvogels die dü⸗
flere Stile, die beftändig über dieſen unwirthlichen Ufern brütet. Wer
ſich ein treues Bild von den Höllenfläffen ver Akten machen will, der be=
ſuche nur dieſen traurigen See mit feinem todten Gewäſſer.
Mit diefem See, wie mit dem Mummelfee, ift die Sage vom
rothen Diether verknüpft, die wir unter. Nr. 3 mitgetheilt haben.
„Der Nixe Wechſelbalg“ ©.129. Der Hutzebacher See Liegt in
der Nachbarſchaft des Wildſee's, Ichon über der Würtembergifchen Grenze.
——
Bühl
und nachſte Umgebung.
+30€o
Der Hexeuthurm in Bühl.”
Huf dem linken Ufer des Bühlerbaches, in dem Theile des
Städichens Bühl, welcher den Herren von Winded gehörte,
Rand noch vor nicht gar Tanger Zeit ein mächtiger Thurm, ber
Herenthburm genannt. Er mochte wohl urfprünglich mit
dem Taum hundert Schritte son ihm entfernten Schloffe der.
Windeder durch einen unterirdiſchen Gang in Verbindung ge-
weien ſeyn; fpäter aber, zur Zeit der unfeligen Herenproceffe,
benügte man ihn als Gefängniß für diefe unglücklichen Schlacht»
opfer eines finfteren Wahnes.
Damals lebte in Bühl eine wadere, fromme Matrone, die
ein einziges, fehr fhönes und eben fo tugendhaftes Tächterlein
befaß, Gertrud mit Namen. Die Reize bed Maädchens erregten
die Lüfternheit des Schloßvogts, der ein gewaltthätiger Mann
und roher Wüftling war, und er machte der Jungfrau Anträge,
die jedoch mit Abfcheu zurüdgemiefen wurden, Der Burgvogt
ergrimmte und fann von Stund’ an auf Rache.
Zufällig begab es fi, Das Gertrud eines Tages vor Son-
nenaufgang fogenannte Oftertaufe oder Wafler, welches in
den katholiſchen Kirchen auf Oftern geweiht wird, auf einen ihrer
”) Bühl, alte Stadt und Amtsort, Tiegt am weftlihen Abhange des Bergſtriches
Unterbühlot, am Ausgange bes lieblichen, von ver Bühler darchſtrömten Thälchens, in
einer durch trefflihen Wein» und Obfibau reichgefegneten Gegend, Weit berühmt if na⸗
mentlih das Affenthaler Traubenblat.
136 Bähl und Nachbarſchaft.
Mutter gehörigen Acker trug, wie es noch jetzt in jenen Gegen⸗
den Sitte, wodurch man Einwirkungen böfer Geiſter abzuhalten
glaubt. Nun überzogen im folgenden Sommer ganze Heeres-
fhwärme von ſchädlichen Inſekten, welche die Felder verwüſte⸗
ten, die Umgebung von Bühl, und was fie noch verfchont hatten,
Das vernichtete vollends der Hagel, Died brachte den Burg⸗
vogt auf den höllifchen Gedanken, die arme Gertrud als
Here anzuflagen, durch deren Künfte die Inſekten und der
Hagel herbeigezaubert worden feyen, indem fie eine gewiße Flüſ⸗
figfeit über Die Felder ausgegoflen und dabei magifche Sprüde
hergefagt babe; letztere waren aber nur einige Vaterunfer ges
weſen, bie fie Damals zu ihrem frommgläubigen Werfe gebetet.
Keine Anklage fand in jener Zeit leichteren und allgemeines
ren Glauben, als die auf ein Bündniß mit den böfen Geiftern
Yautete. Gertrud wurbe fogleich ald Here eingezogen und, um
ein Geftändniß des ihr zur Lafl gelegten Verbrechens zu erprefs
fen, erfannte der Richter auf Tortur. Gertrud fühlte, fie würde
die Schmerzen der Folter nicht überftehen können, und bat um
einen Beichtvater, Dies Gefuch durfte man ihr nicht abichlas
gen, und der Pfarrer wurde ihr zugefandt. Diefer war ein
- frommer Mann, in deffen Herzen die Sprache der Unſchuld und
Wahrheit immer offenen Eingang fand und welcher Feine Mens
ſchenfurcht kannte. Er überzeugte fih aud alsbald von ber
Unfhuld der Jungfrau, nachdem er ihre Beichte vernommen,
zumal da ihm die Lafterhaftigfeit des Vogtes nicht fremd war.
Sein Zufprud erweckte in Gertrudend Herzen einiges Ver⸗
trauen. „Es lebt ein Gott, welder die Unſchuld beſchützt;“
— fprad er, ihr die Hand zum Segen auflegend, — „verlaß
dich auf Iyn!“ — Mit Hoher Zuverficht erfüllt betrat nun Die
Jungfrau die Folterfammer; kaum fiel aber ihr Blick auf die
Marterinfirumente, als ploͤtzlich alle mit Geraſſel zerfprangen.
Selbſt des Henkers Geſicht überflog Todtenbläffe, und nur ber
anwefende Schloßvogt verlor die Faſſung nicht, fondern rief:
„Da feht die fchlimme Zauberin! If das nicht abermals ein
Werk der Teufels? Was braudt ihr denn jest noch mehr Be⸗
weife? Verdammt die Here nur ohne Weiteres zum Scheiter-
haufen!” — Dies geſchah nun ohne Widerrede.
Der verhängnißvolle Tag brach an; der Scheiterhaufen war
Bähl und Nachbarſchaft. 137
aufgerichtet mit einem hohen Pfahl in der Mitte, an welchen
die Berurtheilte feflgebunden werben follte. Eine unzählbare
Volksmenge war von allen Seiten herbei geftrömt. Der Pfar-
rer geleitete Die Dulderin auf diefem ihrem Testen Gange und
ſprach ihr Muth ein: „Er, fo dich der Qualen der Folter über-
hoben, Tann dich auch vom Tode befreien!” — Gertrud bes
wahrte ihre Heiterkeit und Ruhe.
Sie beftieg jetzt den Holzſtoß und Tieß ſich geduldig an den
Pfahl binden, während ihre Seelforger in ihrer Nähe ftehen
biieb. Xiefe Stile herrſchte rings im weiten Kreife der Zus
fhauer; in vielen Augen zitterten Thränen. Da wurde das
Zeichen gegeben und der Holzſtoß an drei Seiten in Brand
geſetzt.
Aber plötzlich rauſchte aus einer mächtigen ſchwarzen Wols
kenmaſſe, die von Abend beraufgezogen war, ein gewaltiger
Schlagregen nieder, der fogleich die Flammen auslöfchte, und
im nämlichen Augenblide löſten fih die Bande der Jungfrau,
und fie fank auf die Kniee und hob die gefalteten Hände zum
Himmel. Der Pfarrherr aber rief dem verfammelten Volke
zu: „Seht hier das Zeichen vom Himmel! Gott bat gerichtet,
denn die Menfchen haben Feine Macht über die Elemente !”
„Gott bat gerichtet!“ — wiederholte mit Gejubel bie
Menge und flürzte auf den Schloßvogt los, ber nicht weit vom
Scheiterhaufen zu Pferde hielt, nun aber in ber fchleunigften
Flucht Rettung vor der Wuth des Volkes fuchte., Der Herr
von Winde jedoch ließ ihn, als ihm die Gefchichte hinterbracht
wurde, fogleich in denfelben Herenthurm werfen. Einige Zeit
darauf fand man den Verzweifelten darin mit feinem eigenen
Gürtel erbenft.
(A, Schreiber’s „Sagen aus den Nheingegenden ⁊c.“ Heibelberg, 1839.) ;
Der Hexenthurm bei Bühl.
Das Tieblihe Mägdlein, — o Jammer und Graus! —
Führt Hagend die Menge zum Thore hinaus.
- Sie hat fih den Lüften des Vogtes verfagt,
Drob Hat er fie tüdifch als Here verflagt.
138 Bühlund Nachbarſihaft.
Mit Raͤnken umſpann fie der giftige Wurm,
Bald Tag fie gefeflelt zu Bühl in dem Tharm.
Sie trug ed geduldig und betete fromm:
„Maria, du himmliſche Helferin, komm !«
Und als man fie fchleppte ins Foltergemach,
Da klirrte das Martergeräth und zerbrach.
„Erkennt nun, ihr, die von Unſchuld Yogt,
Sie hat ed mit Deelzebub !”’ — brüllte der Vogt.
„Unſelige Dirne, fo trifft Did der Top!" —
Schon flieht fie am Pfahle, von Flammen umloht.
Sie trägt ed gebuldig und betet fo fromm :
„Maria, du himmlische Helferin, komm!“
Da weinen die Engel; vom Regen erfrifcht,
Erholt fih das Mägdlein, das Feuer erlifcht.
Im Bolt nun erhebt fih ein Jubelgeſchrei:
„Der Herr hat gerichtet, Die Jungfrau gebt frei!
„Berberben dem Lügner!" — fie führen im Sturm
Das Mägdlein zur Freiheit, den Bogt in den Thurm.
Dort hat er, entlarvt, zum Bekenntniß gedrängt,
Den Henker noch trügend, fich felber erhängt.
Eduard Bauer,
Die Narrenzunft in Bühl.
| An Buhl Hatte einft eine Narrenzunft ihren Sig und ihre
befondern Gefege und Einrichtungen. Die Mitglieder verfams
melten fi zu gewiſſen Zeiten und fchrieben in ein großes Buch,
welches fie zu dieſem Zwecke hielten, einen Jeden ein, von dem
fie erfuhren, daß er irgend einen lächerlichen oder recht thörich-
ten Streich begangen habe. In dem Buche flieht eine Unzahl
luſtiger Verslein, Sprüche und Gefchichten, 3. 2.
„Wer für Gold nimmt, was nur blendt',
‚Wer Töfcht, wo es nicht brennt,
Bag und Nachbarſchaft. 139
Mer auf dem Pflafter rennt,
Und auf der Brüde fprengt,
Und nimmt ein Weib, das er nicht Fennt:
Der bleibt ein Narr bis an fein End’.”
Das Narrenbuch war in der ganzen Gegend gefürchtet; denn
Niemand war fiher, daß er nicht auch einft fein Pläschen darin
fände, — „Mich folt Ihr gewiß nicht hinein bringen —
fagte einfl ein vornehmer Herr aus der Nachbarſchaft zu dem
Narrenzunft:Schreiber. „Eure Durchlaucht ſtehen ſchon drin!“
— verſetzte Dieſer. — „Ei, wie ſo? warum?“ — „Weil Sie
den letzten Winter ſpazieren gefahren ſind mit Pferden, welche
mit Mückengarnen bekleidet waren, was gar nicht nöthig ge⸗
weſen.“ Der Fürſt lachte und mußte ſich's gefallen laſſen.
2.2.8.
Das Lindenfirchlein.
An der Landſtraße, die nah Bafel führt, nicht weit vom
Hubbade und der Burg Winden, Tiegt eine freundliche Wall⸗
fahrtsfiche, „zur Linden” genannt. Diefen Namen hat fie
von einer uralten Linde, die wenige Schritte von ihr entfernt
flieht. In grauen Zeiten fol das Muttergottesbild, welches
jest auf dem Hauptaltar der Kirche aufgeftelt ift, in einer
Blende des Baumftammes geftanden haben. Es gefhah nun,
dag ruchlofes Kriegsgefindel Die Gegend überſchwemmte und bie
Kirchen nebft ihren Geräthfchaften und Bildern zerflörte; da
wuchs bie Rinde der Linde über Die Blende des Madonnenbil-
des, fo daß es dicht in den Baumſtamm eingefchloffen und jedem
Auge verborgen blieb, bis Frieden und Drbnung im Lande
wieder hergeftellt war.
Ein Hirtenmäbchen, das in der Nähe der Linde feine Heerbe
hütete, vernahm eines Abends einen Tieblihen Gefang, ber
aus dem Baume zu Hingen fihien. Dies wiederholte fih am
zweiten und britten Tage darauf, und nun erzählte fie dieſe
wunderbare Sache ihrem Vater. Diefer meinte, fo was könne
nur ein Zauberwerf feyn, das von einem böfen Geifte herrühre,
und machte ſich mit feiner Holzart auf, um bie Linde zu fällen;
>
140 Büähl und Nachbarſchaft.
als er aber kaum die Rinde berührte, fiel der Theil derſelben
ab, welcher die Blende überwachſen und verborgen hatte, und
das Muttergottesbild lächelte ihm daraus entgegen. Die Wun⸗
dermäre verbreitete ſich raſch in der ganzen Umgegend und
alles Bolt firömte herbei, das Wunder zu ſehen und dem Bilde
feine Gebete barzubringen. Die Edlen von Winde! erbauten
auf diefen Anlaß bin neben der Linde eine Kapelle, in welcher
das Bild aufgeftellt wurde.
(Siehe A, Schreiber’s „Sagen“ ıc, 1839.)
Die Lindenfirche.
Still iſt's ſchon im Waldesraume,
Vöglein alle flogen ein;
Bei der Heerd, am Wieſenſaume
Steht ein Knabe noch allein;
Bläſt in die Schalmei anmuthig,
Daß ſich ſammelt Groß und Klein —
Sieh, da bricht, goldroſengluthig,
Aus der Höh' ein Wunderſchein!
Lichte Sterne ſich geſtalten
Ob ihm, wie zum Strahlenkranz;
Ihn ergreift des Himmels Walten,
Und in Andacht ſinkt er ganz.
Süße Töne niederfhwimmen,
Wie von fel’ger Engel Mund,
Und es thun die Holden Stimmen
Ihm ein nahes Wunder fund.
Auf fpringt Plingend ſchon die Rinde
Bon dem alten Tindenbaum,
Und vor dem entzüdten Kinde
Glänzt ein Bild in heif’gem Raum.
Mit dem Knäblein in den Armen
Steht die Himmelskönigin,
Büählund Nachbarſchaft. 141
Winkt in gnaͤdigem Erbarmen
Nach dem jungen Hirten hin.
Bald verbreitet ſich die Kunde
Des Geſichtes fern und nah,
Und auf dem geweihten Grunde
Steht ein heilig Kirchlein da. —
Kindesreinheit ſchaut erſchloſſen
Manch geheimes Wunderbild,
Himmelsgnade hat ergoſſen
Sich in Herzen fromm und mild.
Auguſt Stober.
Der ausgelieferte Schatz.
Auf einem der Krautenbacher Höfe bei Bühl ſaß in
der Chriſtnacht die Hausfrau in der Stube und las in einem
geiſtlichen Buche, während die übrigen Hausgenoſſen in der
Mette waren. Um zwölf Uhr hörte ſie draußen am Laden
klopfen und rufen: „Mach' auf!“ — Die Frau öffnete das
Fenſter, warb aber Niemanden gewahr, doch hörte fie wieder
die vorige Stimme ihr zurufen: ſie ſolle jetzt hinunter in den
Keller gehen, an einer gewiſſen Stelle der Wand die Steine
herausbrechen und das volle Käſtchen, welches ſie dort finden
werde und wozu hier der Schlüſſel ſey, zu eigen behalten. Hier⸗
mit wurde ihr von unſichtbarer Hand ein Schlüſſel übergeben,
und dann war Alles ſtille. Ungeſäumt begab ſich nun die Frau
mit einem Pickel in den Keller, hieb an dem bezeichneten Orte
die Steine heraus und förderte wirklich ein Käſtchen hervor,
welches fie mit dem Schlüffel aufſchloß und mit eitel Geld an⸗
gefühlt fand.
(Bergl, Mone's „Anzeiger 20.” Jahrg. 1839.)
Hexenbutter.
Ein Schneider zu Kappel unter Windeck, welcher in
einem dortigen Haus arbeitete, hatte bemerkt, daß die Frau,
{42 Buhlund Nachbarſchäft.
vor dem Butterſtampfen, den Stämpel mit einer Salbe beſtrich,
worauf ſie augenblicklich aus nur wenig Rahm eine Menge der
ſchönſten Butter gewann. Als das Weib auf eine Weile aus
der Stube gegangen war, nahm der Schneider aus dem Salb⸗
bühschen, das auf dem Thürgeſims ſtand, etwas von jener
Salbe und hieß feine Frau, nur ein wenig Rahm zu nehmen und
zu buttern. Sogleich fand fie zu ihrem höchſten Erflaunen einen
großen Butterflumpen im Butterfaß. Bon biefem zu genießen
oder wegzugeben, verbot ihr Mann firenge, mit ber Bemerkung,
er habe nur einen Verſuch anftellen wollen. Am nächflen Mor:
gen, als diefer Mann bei Tagesanbruch in den benachbarten
Wald ging, begegnete ihm ein fchmuder Jäger, hielt ihn an
und ſprach: „Du haft geftern meine Kunft geübt und mußt di
daher in mein Buch einſchreiben!“ — wobei er ihm ein ſchwar—⸗
sed Buch nebft einer Hahnenfeder vorhielt. Der Schneider,
fonft ein gottesfürdptiger Dann, ſchrieb in daffelbe nur, flatt
feines Namens, die Buchftaben der Kreuzestafel: J. N. R. J.
Da ließ der Jäger, welcher Niemand anders ald der Teufel
feibft war, das Buch mit Entfegen fallen und verſchwand unter
greufichem Geſtank. Der Schneider hob das Buch auf und
bracht’ es in's Kappler Pfarrhaus, wo es der Pfarrer alsbald
den Flammen übergab.
(Siehe Mone!s „Anzeiger 20.” Jahrg. 1839.)
Des Aifentbalers Urfprung. ”
(Ein Märchenſchwank.)
Als einft von Rom der Siegeswaffenftrahler
Zum erftenmal fam an den Rhein,
Da gab’s noch Feine Spur vom Affenthaler,
Noch anderm Alemann’fchen Wein.
Der brave Raifer Probus war der erfte
Weinpflanzer in der Oos Revier; **)
H Affenthal, Dorf der Pfarrgemeinde Eifenthal, eine halbe Stunde nord«
öftlich vom Amtsorte Bühl, weit berühmt durch feinen rothen, nad) ihm benannten Wein,
der au im Ausland hoch gefhägt wird.
>) Kaiſer Probus pflanzte die erſten Reben bei Aurelia, (Baden).
Bühlund Raybarfgaft. 43
Denn er fand nie Gefhmad am Saft der Gerfte,
Geſchweig' denn an altteutfhem Bier.
Er hätte gern den ganzen Erdenglobus
Mit Einem Weinzelt überranft;
Drum fey dem wadern Nagelprober Probus
Mit Tautem Lebehoch gedankt! —
Der Kaifer hielt ein Dutzend Lieblingsaffen; —
Doch nicht genug in firenger Zucht;
Drum fraßen eines Tages die Schlaraffen
Ihm feine fhönfte Rebenfrucht.
Zur Züchtigung für folder Nafchgier Sünden
Ließ derb er durchkarbatſchen fie;
Fluggs da beichloßen fie, nun ſelbſt zu gründen
ne eigne Weinbaufolonie.
Sie flüchteten mit Seglingen von Reben
Sih in ein fonnig Nachbarthal;
Das ſah man bald verlodend fi durchweben
- Mit Purpurtrauben ohne Zahl.
Dort ſchwelgten fie bei Obſt und ſüßem Moſte
Bon Morgens früh zur tiefen Nacht,
Dis einft von einem teutfhen Winterfrofte
Sie Alle wurden umgebracht. —
Doch ihre Geiſter gehn feitdem im Thale
Und in der Nachbarſchaft umher,
Und führen oft den Zecher vom Pokale
Srrlichterifch die Kreuz und Duer.
Mer ift fo fehr der Kirchenwaffen Meiſter,
Daß ſolchen Spud er bannen fann?
Berfucht hats Mancher ſchon — die Affengeifter,
Sie hielten bald ihn felbft im Bann.
A. Schale.
+ DBoE&>
144
Bühler Gegend — Windeck.
Sagen von der Burg Winde. ?
1) Die Jungfrau auf Burg Windeck.
Es ftehn zwei alte Thürme
Hoch unter Schutt und Graug,
Der Berggeift und die - Stürme
Die ziehn da ein und aus. .
Durch den zerfallnen Bogen
Stieg ih als Knab' hinan;
Die wilden Blumen zogen
Mich wunderbarlich an.
Da trat aus dem Gemäuer
Ein zartes Jungfräulein,
Sie ſah im weißen Schleier
Faſt wie ein Engel drein. »
Sie trug aus grünen Weiden
Ein Körblein in der Hand,
Sie pflückte Moos und Heiden,
Und was ſie ſonſt noch fand.
Da rief es aus dem Boden —
Sie wurde lilienbleich
Und ſprach: „Nur ſtill ihr Todten,
Nur ſtill, ich komme gleich!“
Die weiſe Heideroſe
Die ſteckte ſie ins Haar,
Die Dolden und die Mooſe
Bot freundlich ihm ſie dar.
Mich überlief ein Schauer,
Ich wurde heiß und kalt;
Schnell an der Epheumauer
Verſchwand jetzt die Geſtalt.
v
Büpler Gegenvd. — Windec. 145
Das Bild iſt mir geblieben,
Noch ſeh ich ſie vor mir!
Ach könnt' ein Schatten lieben,
Ich gieng' alsbald zu ihr!
Aloys Schreiber.
* Die Burgruine Altwindeck liegt eine Stunde ſüdöſtlich von ber
Amtsſtadt Bühl auf einem weltlichen Bergvorfprunge des Rheinthals;
Neuwindeck aber im Neuſatzer Thälchen. Der befurhtefte Spaziergang
von ven Bade Hub aus führt nach der Ruine von Altwinded, ge=
wöhnlich Turzweg die Winde’) genannt, die man in einer halben
Stunde, gemädlich den Berg, an dem Dörfihen Wald matt vorbei, hin»
anfteigend, erreicht. Bon Bühl aus führt der Weg zur Burg dur
das fchöne Dorf Rappel-Winded.
Die Gegend gehörte zur Zeit der Karolingiſchen Herrfchaft zur Or=
tenau, als deren reichfler Adel die Freiherren von Geroldseck aufgeführt
werben, ſowohl mächtig durch ihre Befihungen, als auch durch die Vogtei
über die reichen Stifte Ettenheim - Münfter und, Schuttern. Neben die⸗
fen fcheinen auch die uralten Häufer der Dynaften von Windeck und
Schauenburg beftanvden zu haben, obwohl erft im 13. Jahrhundert
ber Name Windeck, aber ſchon fehr verbreitet, vorkommt; ein Name,
der zwar ſchon feit ziemlich langer Zeit erlofchen iſt, deſſen Andenken aber
noch in den Stammtafeln mehrerer Häufer fortlebt, und von dem au
bie Deren von Reinach ihren Urfprung ableiten.
Die Windecker hatten große Befigthümer: Schlöffer, Dörfer und
Städte; fo gehörte ihnen u. A. die Stadt Stollhofen, fie waren au
Schirmvögte der berühmten Abt Schwarzach. Der Hauptſtamm
theilte fih in drei Zweige, die auf Altwindeck, auf Burg Lauf oder
Neu- Windel, und im Bühlerthal faßen. Der befanntefte Name
bes Gefchlechtes if Reinhard von Windel, deſſen in Königshovens
Straßburger Chronik gedacht wird. — Diefer Reinhard war einer ver
Martinsvögel, (Schleglerbunv) die im Jahr 1367 unter Wolfs von
Eberftein Anführung ven Grafen Eberhard von Würtemberg und
feinen Sohn Ulrich im Wilobad fangen wollten.) Drei Jahre darauf
verwidelte fich Reinhard in argen Zwift mit der Stadt Straßburgz.
denn als der Domberhant, Hans von Ochſenſtein, mit dem Domprobfi,
einem von Kyburg, in Streit gerieth, verſchwor fich Letzterer mit dem
Windecker, und fie führten ven Dechant, ven fie in feinem eigenen Haus
überfallen und gefangen, mit Gewalt auf die Winde, worauf die Straße
burger den Probft alsbald in ven Thurm warfen und mit reifigem Zeug
ausrüdten, um den Dechant zu befreien. Doch vermochten fie nicht, Die
ftarfe, von tapfern Männern vertheivigte Burg zu brechen, und mußten
2 1) Nicht zu verwechſeln mit Burg Windeck bei Weinheim.
2) Näheres über dieſen Gegenſtand enthält u. A, auch Wilhelm von Chz y!s Ro⸗
man: „Die Martinsvögel.“ Karlsruhe, 1847. Verlag von Creuzbauer. Vergl. auch Uhlan do'
„Der Ueberfall im Wudbad.“
II. 10
446 Bühler Gegend. — Windel.
fih mit der Verheerung des offenen Landes begnügen. Endlich ward
ein Waffenſtillftand gefchloffen,, nach deſſen Ablauf die vergebliche Bela⸗
gerung und bie Verwüſtung fi wiederholten, und die gegenfeitigen Feind⸗
feligfetten noch ein ganzes Jahr Iang dauerten.
Der Mannsftamm von Winded erloſch im Jahr 1592 mit Jakob,
der im DOefterreichifchen Dienfte ftarb.
Jetzt ftehen von der Burg noch zwei mohlerhaltene, meilenweit kenn⸗
bare Thürme da, in deren einem fich eine Art Rüſtkamm er befindet. An
ven Felfen lehnt fi ein Gebäude, das ſchon feit Menſchengedenken ven
landesherrlichen Förftern zur Wohnung dient, und von dem eine Sage
‚geht, welche Spindler in ver Erzählung: „Die Freileute von der Ber»
renwieſe“ (Bergißmeinnicht, 1834), wiedergegeben hat.
(Bergl. W. v. EHezy8 „Rundgemälbe von Baden 2,7 S. 109 ff.)
2) Der lauge Gang.
In der Burg Winden fieht man eine Höhle im Berg,
von der man behauptet, daß fie bis in das Schlößchen Bad
reiche, das unten bei Bühl Liegt. Oftmals hören die Leute,
die som Bühler Markt nah Neuſatz heimfehren, bei nädht-
Tiher Weile das Knarren fehwerer Thürflügel im Thurme der
Burg, obgleich feine Thüre mehr ſich darin befindet. Auch will
man öfters auf der Mauer einen Knappen auf und ab fchreiten
gefehen haben, fo wie Roſſe weiden im nahen Schußwalb, von
Rittern in voller Rüftung bewacht. |
(5, Mone's „Anzeiger für Kunde der teutfhen Vorzeit.” Jahrg. 1834.)
3) Das Huhn zeigt den Kircheuplatz.
Gin Herr von Winded wollte eine_Rirche bauen; weil
aber der Raum auf Der Burg zu eng war, fo wußte man nicht,
wo man die Kirche binftellen ſollte. Da nahm der Freiherr ein
weißes Huhn und trug ed anf die Zinnen feiner Burg, wo er
es hinaus fliegen ließ. Das Huhn flog den Berg hinab und
ließ fih auf dem Plage nieder, wo jetzt bie Meierei Henne-
graben flieht, weiche davon den Namen hat. Da ließ nun
der Herr von Winded die Kapelle bauen, die aber ſchon
Yängft zerfallen und nur noch in ihren Trümmern zu ſehen if.
(Siehe Mone's „Anzeiger für Kunde der teutfchen Vorzeit.“ Jahrgang 1832.)
Bühler Gegend. — Binded. 147
A) Der Hennegraben.
Unfern der Burg Winden liegt eine Meierei, der Hen-
negraben genannt.*) Zwifchen den fröhlich grünenden Wein-
seben und den hohen bunfeln Kaftanienbäumen find noch bie
Spuren” eines Grabens zu erkennen, welcher ſich um ein Vor⸗
wert des Schlofles berzog.
Zur Zeit, ald der Dechant von der Straßburger Doms
firche auf Windeck gefangen faß (1370) wohnte unten im
Wolfshag, in einer aus Baumrinde und Moos verfertigten
Hütte, eine hochbetagte grau, welde von den Umwohnern nur
das Waldweiblein genannt wurde. Sie kannte viele ver⸗
borgene Dinge und auch die geheimen Heilfräfte der Pflanzen ;
die wilden Thiere des Forſtes thaten ihr nichts zu Leibe, ſon⸗
dern näherten fih ihr demüthig und gehorchten willig ihrer
Stimme. Der ganze Reichthum des grauen Mütterleing beftand
in einigen weißen Hühnern von ungewöhnlicher Größe, bie fi
ſelbſt ihr Futter im Walde fuchten.
Eines Abende faß Die Alte vor ihrer Hütte, da famen zwei
wunderfchöne Knaben des Weges daher. Sie waren müde und
niedergefchlagen und fragten nach dem nächſten Pfade zur Burg
Windeck. Die Alte hieß fie freundlich willkommen und erquidte
fie mit Waldfrüchten und weißen Brode. Der Jüngere, ein
Knabe von dreizehn Jahren, Tief ſich's trefflich munden, allein
ber Aeltere, der ohngefähr fiebenzehn Sommer zählen mochte,
berührte feine der fügen Beeren, fondern fah traurig zu Boden,
ja, nah und nad fehlichen auch Thränen über feine Wangen,
was er jeboch zu verbergen fuchte und deßhalb an einem nahen
Felsbrünnlein fi) die Augen mit dem klaren frifchen Waffer
auswufh. Wie die som Morgenthau beperlte Roſe, fo glänze
ten jest feine Wangen wieder im blühenden Jugendroth und
das Waldweiblein ſchaute ihn wohlgefälig an und fagte: „Ei
bu Feiner Schaf, ficherlich bift du fein Knabe, fondern ein
Mägdelein! Aber habt nur Vertrauen zu mir, ihr Kinblein
Gottes, und fagt mir, wo eure Eltern wohnen und was für
. ein Begehren ihr auf Winde anzubringen habt ?«
*) Siehe die vorige Sage, 10»
148 Büpler Gegend — Windel.
Nun fingen die Kinder beide zu weinen an und das ältere
verfeßte nach einer Weile:
„Wohl bin ich ein Mägdlein und heiße Imma von Erftein,
und Diefer ift mein Bruder. — Unfer Oheim, der Dechant yon
Straßburg, der uns bis jest fo väterlich erzogen, Tiegt nunmehr
gefangen dort oben auf der Winde, und wir wollen den Burg-
herren bitten, daß er ihn freigebe.”'
„Bringt ihr denn Löſegeld?“ frug die Alte.
mAh“ — erwiederte die Jungfrau, ein mit Diamanten
beſetztes Kreuzchen aus dem Bufen ziehend — „ich befiße nichts
als dieſes Kleinod, eine Reliquie von meiner feligen Mutter |
Aber wir wollen den Winbeder bitten, daß er ung Beide als
Geißeln behalte, bis der Ohm fich gelöft haben wird.“
„Seyd nur getroft, meine Lieben " — fagte das Wald—
weiblein, ber Jungfrau Die Toren aus dem Gefichte ſtreichelnd
— „Ich felber will ven Dechant Iosfaufen. Hört mid, Kin-
der! Die Straßburger werben eheſtens anrüden und die Burg
Windeck belagern. Doc die vergangene Nacht hab’ ich es
zweien Kundſchaftern abgelaufcht, die fich hier im Dickicht ver-
fterkt hielten. Sie hatten die Gelegenheit der Burg vollftändig
ausgefpäht und befonders die fchwache Seite bemerft drüben
am Tannenwald, wo das fletnerne Todtenfreuz fteht. Geht nur
hinauf zum Junfer Reinhard, dem Sohne des Windeders, und
fagt ihm, er folle Dort an jener bioßgegebenen Stelle einen tie=
fen Graben aufwerfen laſſen, und dag noch heute fo ſchnell als
möglich, denn ich fürchte, die Feinde möchten ſchon in dieſer
Nacht beranziehen.”
„Aber wird der Ritter auch unfern Ohm freigeben 2” —
fragten die Kinder.
„Ich geb’ euch ja ein Löfegeld mit!“ — erwiederte die Alte
und Flatfchte dreimal in die hageren Hände. Siehe, da famen
von allen Seiten ihre weißen Hühner berbeigeflogen und ges
trippelt. Sie ergriff eine derfelben und gab fie dem Mägdlein
mit den Worten: „Diefe Henne da bring’ dem Nitter Reinhard
auf Winde; dann wird er den Dechant freigeben.‘
Die Kinder fehauten fie verwundert an.
„Thut nur nach meinem Geheiße!“ — fuhr die Alte fort
— „der Ritter fol die Henne, fo bald die Sonne heut? unter-
Bühler Gegend. — Binded, 149
gegangen ift, bei dem Kreuze nieberfegen, wo die Feinde Den
erften Angriff zu machen beabfichtigen. Die Leute auf feiner
Burg find doch nicht ausreichend, den Graben in fo großer
Schnelligkeit tief und breit genug aufwerfen zu Taffen — meine
wadere Henne wird dies aber fihon zu Stande bringen.“ —
Dei dieſen Worten ftreichelte fie das Thier und fang dazu in
Yeifen, Taum vernehmlichen Tönen :
„Dr, was ich dir fag’:
Wenn fich neigt der Tag,
Wenn dag Käuzlein fehreit,
Mußt du graben tief und breit,
Mußt fiharren die Erd’ heraus,
Dis zu des Todten Haus,
Dis zu des Helden Schwert,
Welches Fein Roſt verzehrt.
Geh’, und vor Mitternacht
Sey noch dein Werk vollbracht!“
Imma blickte nicht ganz ohne unheimliches Gefühl auf die
weiße Henne; die Alte war aber Dabei fo freundlich und treu-
herzig, daß Die Jungfrau doch wieder Zutrauen zu ihr faßte.
Ihr Bruder zeigte nicht die mindefle Furcht und freute fich fo=
gar fhon im Voraus auf Das wunderbare Schaufpiel, welches
ihm die Henne gewähren follte. So ſchieden beide Kinder von
der mohlmeinenden Alten.
Sie hatten kaum die Hälfte des Berges erftiegen, auf deſſen
Kuppe Winde Tiegt, als ihnen der junge Ritter entgegen kam.
Er war von hoher edler Geſtalt; ein tiefer Ernft überfchattete
fein wohlgebifdetes Antlis, Doch der milde Ton feiner Stimme
benahm den Gefhwiftern bald ihre Beforgniß.
„Wer feyd ihr, liebe Kinder, und was ſucht ihr auf meiner
Burg — denn dahin geht ja euer Weg, nicht wahr 2“
„3a, geflrenger Herr Ritter |“ — erwieberte Imma mit
hochgerötheten Wangen und zu Boden gefhlagenen Augen —
„Wir wollen Euch geziemend bitten, unfern Oheim, ber bisher
an ung armen elterniofen Waifen Vaterftelle vertrat, frei zu
geben und dafür ung als Geißeln zu behalten, bis er fich löſt.“
Der Ritter Eonnte feine Rührung nicht verbergen. Er bes
trachtete die Kinder eins um das andere, am Tängften die fehöne
Imma, die vol reizender Verlegenheit vor ihm fland; bis fein
150 Bühler Gegend — Bindel
Brick wieder auf die weiße Henne fiel, welche fie trug. Auf
feine Frage, was ed damit für eine Bewandtniß babe, erzählte
fie, was wir bereits wiſſen.
Der Windeder hörte ihr aufmerffam zu. Seine Blide
wurden immer forfihender und fleigerten nur die Verwirrung
der Jungfrau, fo daß ihrer Worte Faden ſelbſt in Verwick⸗
Yung gerieth. Ihr Bruder lächelte und wollte einhelfen: „Ei,
Imma, fo fagte ja die alte Frau nicht |“
Imma's Antlig erglühte bei dieſer Nede, wie mit Flammen
übergoffen, doch der Ritter faßte ihre Hand und ſprach mit
einem Tone bes innigften Gefühld: „Edle Sungfrau, in Orts
tes Geleite feyd ihr hierher gefommen und im Schutze meines
Armes folt ihr auf Burg Winden weilen, fo lang es euch
nicht gelüftet, wieder heimzufehren. Doch kommt nun, meine
Lieben, und bereitet euerm Oheim eine freudige Leberrafchung!”
Mit diefen Worten geleitete der Junker die Gefchwifter auf
feine Burg, wo er fie fogleich zum Dechant führte, ſodann
unverzüglich die Vertheidigungsanftalten traf, Der Welfung
bed Waldweibleins zufolge trug er wirklich die Henne, fobald
bie erſten Sternlein am Himmel blinften, zu dem fleinernen
Kreuze, welches die Nuheftätte feines im Zweikampf gefallenen
Großvaters bezeichnete. Mit dem Schlage der Mitternacht
fiunde begab er ſich abermals dahin und fand, zu feiner höch⸗
lichen Ueberrafhung, einen tiefen und breiten Graben fammt _
fefter Bruftwehr, und im Sternenfhein Teuchtete ihm das Schwert
feines Großvaters entgegen, welches man deſſen Teiche mit ins
Grab gegeben hatte. Die weiße Henne war verſchwunden.
Als gegen Morgen die Straßburger in drei Haufen, wie
die Alte vorausgefagt, zu jener fonft fo fchwachen Seite her
anrüdten und fih zum Sturm rüfteten, feheiterten al’ ihre
Kräfte an der Tiefe des Hennegrabens und fie wurden
son ben Windesdern mit großem Verluſte zurüdgefhlagen.
Einige Wochen darauf Iegte der würdige Dechant, beffen
Freilaffung Imma durch Schenkung ihres Herzens an ben
jungen Ritter von Winde: ausgewirkt hatte, im Straßburger
Münfter die Hände des Tiebenden Paärchens ineinander.
Der Hennegraben hat bis auf heutigen Tag den Na⸗
men beibehalten. - Aloys Schreiber.
Dühler Gegend. — Winded. 451
5) Der treulofe Schreiber.
Seit vielen Jahren gehen im Mondfchein um Mitternacht
von ber Winde fünf Perſonen herunter nah Hennegras
ben, wo bie Kapelle ftand, und kehren um ein Uhr wieder
zurück. Voraus geht ein Mann, ſchwarz gefleivet, mit einem
Schreibzeug, hinter ihm zwei weiße Fräulein, denen zwei Rits
ter folgen. Sie find fehr ernft und danfen auf feinen Gruß,
In die Burg zurüd gekommen, fleigen fie auf den großen
Thurm, drüden ſich dort die Hände und verſchwinden dann
in das Burgverließ unter dem Thurme, und es ift, ald wenn
Jemand von oben herab weinte und jammerte. Es follen dies
bie Töchter des Testen Herrn von Windel feyn, welche ber
Schreiber im Teftament verkürzt bat, weßhalb er im Top
nicht ruhen Tann. *)
(Siehe Mone's „Anzeiger für Kunde der teutfhen Vorzeit,“ Jahrg, 1834.)
6) Das Burgfränlein von Winde,
Einf verfolgte ein Jägersmann ein Stück Hochwild bis
zu den Trümmern der Burg Windel, worin es fi fpur-
los verlor. Es mar ein heißer Tag, der Jäger feste fih -
erfhöpft auf einen Stein, trocknete fih den Schweiß von ber
Stirne und fagte vor fih hin: „Wer mir doch jest einen
Trunk brädte aus dem verfchütteten Keller da drunten, wo
noch fo manches Faß edlen Firneweins liegen fol!
Kaum war das Wort aus feinem Munde, da trat eine
wunderfhöne Jungfrau hinter der Epheumauer hervor; fie
trug ein. ſchneeweißes Gewand, an beffen ſchwarzem Gürtel
ein Gebund Schlüffel hing, und in der Hand einen filbernen
Becher. Dem jungen Waidmann pochte das Herz gewaltig,
zumal als fie gar ihm noch freundlich zunickte und ben Becher
entgegen bielt. Doc überwand er ben etwas unheimlidhen
Eindruck dieſer wunderbaren Erfcheinung, ging vafch darauf
*) Die Windel hat zwei Thärme, unter dem größern iſt das tiefe Verließ. Auch
hatte Jakob von Windel, ver Ichte, zwei Töchter, die an Einen von Hüffel und Einen
Fleckenſtein verehlicht waren.
152 Büpler Gegend — Windeck.
zu, nahm mit fittiger Begrüßung ben Becher aus ihrer Hand
und leerte ihn auf einen Zug. Aber der Wein floß wie Teuer
durch feine Adern und fein Herz entbrannte in wahnfinniger
Tiebe zu dem Burgfräulein. Das mochte fie wohl in feinen
flammenden Biden leſen — fie fah ihn eine Weile weh⸗
müthig lächelnd an und verlor fich fehnell Hinter dem Gemäuer.
Bon diefem Tag an hatte der Jüngling feine Ruhe mehr.
Wo er nur ging und fland, ſchwebte das verführerifche Bild
der Jungfrau mit dem Becher vor ihm, und er irrte vom frü-
ben Morgen bis zum fpäten Abend unter den Ruinen umber,
fiet8 in der Hoffnung, die Holde wieder zu fehen; doch ver-
gebens: fie war und blieb verfhwunden! Aber jener Wein
glühte fort in feinen Adern und verzehrte fein Herz und feine
Jugendblüthe. Eines Tages fanden ihn einige Holzhauer tobt
am Eingange des Schloffes.
(S. Al. Schreibers „Sagen aus den Rheingegenden 2c.”)
7) Hugo von Windeck.
„Sieh, was fteht auf Windecks Thurme,
Da noch faum der Morgen graut?
Faſt erfcheint es wie ein Ritter,
Der ins Thal herniederfchaut.”
Das ift Hugo's Geift, er fehret
Auf die Trümmer oft zurüd,
Nach dem Rheine, nach dem Münfter
Wendet er ven feuchten Blick.
Herrlich hier auf diefen Bergen .
Bfühte lange fein Geſchlecht;
Hugo war von edler Sitte,
Kühn, Doch menſchlich im Gefecht.
Bon den Frauen Straßburg’s reichte
Ihm die Schönfte ihre Hand,
Doch Hilteudens Herz blieb immer
Sehnend nad dem Heimathland.
Büpler Gegend. — Windel. 158:
Manche Stunde fah fie traurig
Nach dem fchönen, hehren Dom,
Welchen Erwind Hand gegründet
An dem väterlichen Strom.
Hugo ſprach mit füßen Worten:
„Komm ins Abendroth hinaus,
Komm und fieh die Rehlein fpringen
In des Waldes grünem Haus.
„Hörft ja gern der Vögel Stimmen,
Wandelft gern im Blumenduft ;
Komm und laß den Falken fleigen
Tröhlich in die blaue Luft !“
Aber Hugo's Worte Tullen
Nicht das Weh der Heimath ein,
Immer ſchaut fie nach dem Münfter,
Immer fohaut fie nach dem Rhein.
Einft fieht fie Des Thurmes Spige
Herrlich fhimmern durch die Nacht;
Neue Sehnſucht wedt im Herzen
Der Beleuchtung hohe Pracht.
Und fie fleht zum Gatten weinend:
„Morgen ift ein heil’ger Tag;
Gönne mir, daß ich ihn drüben
In dem Münfter feiern mag.”
Hugo giebt ihr treue Diener
Auf die Betfahrt zum Geleit,
Und die Mep im Dom zu hören
Kommt fie noch zu rechter Zeit.
Aber als der Priefter fegnet,
Weht fie an ein Falter Hauch,
Als die Kerzen nun erlöfchen,
Da verlifcht ihr Leben auch.
Bühler Gegend — Binved.
In dem Münfter liegt fie Abends,
Eine Blumenkron' im Haar,
Wie am Thurme geflern, brennen
Lampen heut um ihre Bahr’. —
Hugo hört die Trauerfunde,
Doc fein Herz erträgt es nicht,
Nimmermehr fieht man ihn lächeln,
Dis fein Aug’ im Tode bricht.
Auf die Trümmer feiner Befte
Kehrt fein Geift noch oft zurück,
Blickt dahin zum grauen Münfter,
Wo begraben liegt fein Glück.
Mloys Gchreiber.
S) Das Sränlein von Winded, 2
GHoch auf dem granitnen Thurme
Schaut der Jungfrau Geift zu Thal,
Nicht im Dunkel, nit im Sturme:
In des Maitags erfiem Strahl;
Eine Simmelsblume, glänzend
Sn des Frühlings Blüthenrund,
Ihren Goldpokal Fredenzend
Jedem frohen Menfchenmund.
„Weil ein Maitag mich entnommen
In den Mai der Ewigkeit,
Lockt es mich herab zu kommen
Mit der frohen Blumenzeit.
Keiner Engel Hymnen ſchallen,
Keine Palmen lohnen hier,
Aber meine Nachtigallen,
Meine Roſen blieben mir!“
Sinnend ſchaut ſie in die Tiefen:
„Viele kehrten bei mir ein, |
Die mit mir zum Heil entfchliefen,
‚Sangen hell durch Thal und Hain;
Bahler, Gegend. — Windec. 155
Tranken Jubel ſich und Stärke,
Wenn ich mit dem Becher kam,
Lebten nur der Luſt, dem Werke,
Ließen keine Zeit dem Gram.
„Aber einſam ſieh' ich oben
Mit dem alten Grafentranf;
Niemand kommt mehr, ihn zu loben. —
Seyd zu ftolz ihr für den Dank,
Für die Freude ſchon zu weife,
Für den Frühling ſchon zu alt,
Für ein herzlich Lied zu leiſe,
Für die Liebe fhon zu Falt?
„Fahret hin, ihr Freudenloſen,
Dittet ab euch jede Luft,
Ueberfehet meine Rofen,
Meiner Sänger kleine Brufl.
Daß fie nicht vergebeng Teben,
Nicht umfonft ihr Lied erwacht,
Muß ein Geift som Himmel ſchweben,
Huldigen der frommen Pracht.
' Georg Napp-
*) Bergleiche mit dieſer Romanze „Das Burgfräulein von Winde”
von A. Schreiber, Seite 151 ff.
9) Die todte Braut,
Die Burg zu Lauf, eigentlich Neumwinded genannt,
fol ſchon vor ihrer Zerflörung Tange Zeit unbewohnt gewefen
ſeyn, und zwar wegen des Geiſterſpucks, der ſich nicht nur in
bes Nacht, fondern oft fogar bei hellem Tage darin hören ließ.
Zu jener Zeit fuchte ein junger Ritter, der in der Gegend fremd
war, Herberg auf der Burg. Nur mit großer Mühe war es ihm
bei der nächtlichen Dunkelheit gelungen, den Eingang zu finden.
Im Schloßhofe wucherte hohes Gras, Alles war in tiefes
Schweigen begraben, Hallen und Gänge fihienen ausgeftsrben
und bes Ritters Rufen verhallte ſchauerlich zwiſchen den alten,
⸗
156 Bühler Gegend. — Vindeck.
eppichumrankten Mauern, aus deren Ritzen kreiſchend einiges
Nachtgeflügel aufrauſchte. Endlich ward er in einem der Ge⸗
mäcder ein Licht gewahr und ftieg die lange Wenbeltreppe hin⸗
auf, fo gut er fonnte, nach der Richtung dieſes Schimmers feinen
Weg längs der feuchten Wände hin ſich heraustaftend. So ge-
langt’ er in den alten Ritterfaal und fah zu feiner höchlichen
Berwunderung an einem Tifche, worauf eine Lampe fladerte,
ein Mägdlein fisen, das Haupt in die Hand geftügt und fo tief
in Gedanfen verfunfen, daß fie den Eintretenden gar nicht be⸗
merkte. Der Schein der Lampe fiel gerade auf ihr engelfchöneg,
von glänzenden ſchwarzen Toden ummwalltes, aber fehneebleiches
Antlis. Des Ritters fittige Begrüßung wedte fie aus ihren
Träumen, langfam erhob fie das Haupt und erwieberte feine
Anrede blog mit einem wehmüthigen Nicken. Als er feine Bitte
um ein Nachtlager vorgebracht, ftand fie auf, holte Wildbrät
und Geflügel nebft Duftendem Weine herbei und gab dem Fremd⸗
ling durch Zeichen zu verftehen, er folle ſich's wohl munden Taf-
fen. Der junge Ritter, hungrig und müde wie er war, ließ fich
nicht lange zu der Mahlzeit nöthigen, fondern nahm behaglich
Platz auf einem gepolfterten Lehnſtuhle und that den Gerichten
wie dem Becher alle Ehre an, vermißte jedoch Brod und Salz,
ohne den Muth zu haben, darum zu bitten, denn es fam ihm
Alles Doch etwas unheimlich vor, befonders da bisher noch Fein
Laut über die Lippen feiner fchönen Wirthin gegangen war.
Bald regte jedoch der feurige Wein feine Lebensgeifter auf und
er verfuchte nun abermals Die räthfelhafte Sungfrau in ein Ge⸗
ſpräch zu ziehen.
„Ihr feyd wohl Die Tochter dieſes Haufes, mein Fräulein?”
Sie nidte, ſtumm wie zuvor.
„Und Eure werthen Eltern 2“
Sie deutete nad) ein paar alten Bilbniffen in verfchoffenen
Rahmen an der Wand und flüfterte mit tonlofer Stimme: „Ich
bin die Legte meines Stammes.” Das Herz des jungen Nit-
ters, durch deffen Adern der genoffene Wein wie Lava rollte,
entbrannte mehr und mehr yon den reizenden Formen der ges
heimnißvollen Schloßherrin und zugleich flieg der Gedanke in
ihm auf: „Du bift arm, wer weiß, ob du nicht Durch die Hand
biefer reiche Erbin dein Glück machen kannſt?“ Ä
Bühler Gegend — Windeck. 157
Nah einigen zärtlichen Eingangsreden flürzte der Wein:
und Liebestrunfene zu ihren Füßen nieder und befchwor fie mit
fürmifchem Flehen, ihm ihr Herz nicht zu verfagen und ihn
zum glüdlichften Gatten von der Welt zu erheben.
Nach einigem Sinnen, während dem ihr Auge mit Wohl«
gefallen auf dem vor ihr knieenden Jüngling ruhte, und ein Leifer
Roſenſchimmer die Lilien ihrer Wangen überwob, fehritt fie auf
einen alten, grotesfverzierten Schranf in der Ede zu, und holte
aus einem geheimen Sache deflelben zwei Ringe nebft einem
Kranze von Rosmarin, den fie ſich in die ſchwarzen Toden hef-
tete, worauf fie Den Ritter mit vielverheißendem Winfe erfuchte,
ihr zu folgen. Er gehorchte, von füßer Liebeshoffnung getrieben,
obwohl nicht ohne ein gewiffes Grauen, das ihn beinahe wünfchen
ließ, er möchte doc, jenen Heirathsantrag nicht gewagt haben.
In diefem Augenblide traten mit unhörbaren Schritten zwei
ehrwürbige Greife in langen ſchwarzen Talaren aus einer Ta⸗
petenthüre des Saales, nahmen das Paar in die Mitte und
geleiteten eg nach der Burgkapelle. Dort befanden fid) mehrere
Grabmäler, auf deren einem ein Bifchof im kirchlichen Ornate,
aus Erz gegoffen, lag. Die feltfame Braut berührte fein Haupt
und Tangfam erhob fi die eherne Geſtalt und trat vor den
Altar, auf welchem fich die Kerzen von felbft entzündet hatten,
Die flarren Züge des Biſchofs fchienen fich zu beleben, feine
Augen ſtrahlten wie Sterne durch einen leichten Nebelflor und
er fprach mit tiefer hohler Stimme: „Kurt von Stein, ſprecht,
ob es Euer heiliger Ernft, die gegenwärtige Jungfrau, Bertha
von Winded, zu Euerem ehelichen Gefpong zu nehmen %
Der Ritter zitterte wie Espenlaub, fo mannlih er auch
fonft war; Das Wort erflarb auf feinen Lippen, und feine Sinne
begannen fich zu verwirren. Da erfhol auf einmal das Krä⸗
ben des Hahnes von einem benachbarten Meierhofe; mit einem
bangen Schrei verfchwanden Braut, Biſchof und Zeugen; eine
furchtbare Windshraut fuhr durch Die Kapelle, und die ganze
Burg erbebte wie von unterirbifchen Stößen. Der Ritter fant
ohnmächtig auf eine der Grabmalsplatten nieder und als er
wieder zu fih fam, fand er fih im hohen bethauten Grafe des
Schloßhofes Tiegen und neben ihm weidend fein treues Roß.
Er floh fo ſchnell er konnte die heilfofen Räume, und Monde
\
158 Bühler Gegend. — Binded.
vergingen, bis er ſich von den Schreien dieſer abenteuerlichen
Hochzeitnacht erholt hatte,
Aloys Schreiber.
10) Die Jungfrau auf Yurg Lauf,
(Siehe die vorige Sage.)
Der Ritter Eginhard fand auf der Burg zu Lauf,
Verirrt in fpäter Nacht, die Thore alle auf.
Wie ausgeftorben war es, wo er fein Auge wandi',
Bis endlich er im Saale ein Mägdlein einfam fand;
Geſtützt auf einen Tiſch, vor einem matten Licht,
Sah fie vor Yauter Gedanfen den Ritter anfangs nicht.
Auf ihr Geſicht gar Tieblich fielen die Locken Yeicht,
Die Roſen ihrer Wangen fchienen von Kummer gebleidht.
Der Ritter, fi tief verbeugend, begrüßt die einfame Maid,
Sie nidte mit dem Haupte ihm einen ſtummen Beſcheid.
Er bat fie drauf um Lager und Herberg für die Nacht,
Da hat fie Wein und Speife ihm freundlich dargebracht.
Nur Eines fehlt dem Mahle, daß es ihm hätte behagt —
Das Wort, das Alles würzetz er hätt? es ihr gerne geklagt.
Drum war e8 auch dem Ritter unheimlich nur zu Muth,
Bis dag des Weines Geifter aufregten ihm das Blut.
„Seid Ihr des Scloßes Fräulein?” — frug er fie voll
Bester.
Sie nickte leiſe lispelnd: „Ich bin die Leute hier!‘
Darauf ermuthigt Tüßt er bes Fräuleins zarte Dand,
Und bat von ihrer Liebe fih aus ein Unterpfand.
Da warb ihr Antlig heiter, ihr Auge Har und heil,
Sie ſchmückt die ſchwarzen Locken mit Rosmarin fih ſchnell,
Nimmt dann zwei güldne Ninge und faßt den Ritter an,
Daß er, von Grau'n ergriffen, nur mühfam folgen Tann.
Drauf traten ganz ehrwürdig zwei ©reife hin zum Paar,
Uub führten fromm bebächtig daſſelbe zum Altar.
Dort lag auf einem Grabe im fehönen Kirchenornat,
Gegoſſen aus Erz ein Biſchof; zu ihm das Fräulein trat,
Der Todte wird lebendig; der Biſchof fieht fie an,
Bühler Gegend — Windec. 159
Und wendet mit hohler Stimme fih an den Ritter dann:
„Habt Ihr, o Ritter Eginharb, Euch zum Geſpons erfeh'n
Den letzten Sproß von Windech, die Roſe zart und ſchön?“ —
Der Ritter bebte Inabenhaft vor ſolchem Abenteu’r,
Was er dort hat erfahren, dag war zu ungehen’r.
Doch kaum hört man den Hahnſchrei aus einem Nachbarort,
Da waren die Gefpenfter alle wie weggezaubert fort.
Die Windshraut flürmte mächtig im weiten Kirchenraum,
Berwundert war ber Ritter des Morgens ob dem Traum.
Zubwig Wihl.
11) Sarlinde,
Es irrt bei Dunkelheit und Regen
Ein Ritter durch die Wilbniß hin,
Er muß auf unbelannten Wegen
Zu einem frommen Opfer ziehn.
Sein Ro will ihn nicht weiter tragen,
Ein Sturm erhebt fi rufh mit Macht;
- Da hört er eine Glocke fchlagen,
Sie fündet ſchon die Mitternacht.
Und vor ihm ragen hoch bie Zinnen
Bon einem alten feften Schloß,
Und fchnell, das Obdach zu gewinnen,
Spornt er aufd Neu’ das müde Roß.
Dog in der Burg ift tiefes Schweigen,
Wie um ein graues Hünengrab,
Hoch über Thor und Brüden neigen
Uralte Ruſtern ſich herab.
Der Nitter geht, nicht. ohne Schauer,
Hin durch des Hofes öden Raum,
An einem Ring an einer Mauer
Defeftigt er des Pferdes Zaum.
160
Bühler Gegend. — Windeck.
Und plöglich fieht er an den Fenftern
Ein Tichtlein wandern hin und ber;
„Ha!“ — ruft er — „bin ich bei Gefpenftern,
Sp ſchütze mich des Kreuzes Wehr!”
- Und ohne Furcht, mit Tedem Schritte
Steigt er die Wendeltrepp’ hinan
Und fommt in eines Ganges Mitte,
Ein Söller lehnet ſich daran.
Zwölf weiße Marmorbilder flehen
Ringsum in Blenden, Geiftern gleich,
Und dumpfe, kalte Lüfte wehen
Als kämen fie vom Schattenreich.
Er öffnet ein Gemach; am Tiſche,
Bei einer Lampe mattem Schein,
Bleich wie der Marmor in der Niſche,
Sitzt eine Jungfrau zart und fein.
Der Schwermuth ſtille Trauer waltet
Auf ihrem holden Angeſicht,
Sie hält die Hände fromm gefaltet,
Es glüht ihr Aug' von Himmelslicht.
Sie neigt ſich freundlich vor dem Ritter,
Und ſcheint gerührt von ſeiner Noth;
Sie geht und holt aus einem Gitter
Zu ſeiner Labung Wein und Brot.
Doch, was der Gaſt auch immer ſage,
Sie gibt mit keinem Wort ſich kund,
Sie ſieht ihn an bei jeder Frage
Und legt den Finger auf den Mund.
Jetzt führt ſie ihn, noch immer ſchweigend,
Zur Ruhe in ein Schlafgemach,
Und geht zurück, ſich ſtill verneigend;
Der Ritter ſchaut ihr ſtaunend nach.
=
Bühler Gegend — Winded. 161
Dann wirft er fi) aufs Lager nieber,
Ihm ift gar feltfamlich zu Muth;
Doch bald umſtrickt der Schlaf die Glieder,
Beihwichtigend fein wildes Blut.
Und als ihn nun das rege Leben
Des Forſtes wert im Morgenfchein,
Sieht er mit Grauen ſich umgeben
Bon wildbewachfenem Geftein.
Die alterdgrauen Warten Tiegen
Zerfallen da, in Schutt und Graus,
In des Gemäuers Riten fliegen
Die Weih’n und Sperber ein und aus.
Er fieht ein Grab, tief eingefunfen,
Aus dem herauf der Moder weht,
Es haufen Molche drin und Unten
Und auf dem Stein des Grabes fleht:
„Bier ruht Sarlindeng Leib; geſprochen
Hat fie ein Wort in ſchnödem Trug;
Das Wort, e8 hat ein Herz gebrochen,
Wie feins fo treu auf Erden fchlug.
„Die Tobten wollen fie nicht dulden,
Darum fie auch nicht raften mag:
Umirrend büßt für ihr Verfchulden
Sie bis zum großen Sühnungstag.”
AHloys Schreiber,
12) Der nächtliche Tanz.
Es irret ein Waidmann, keck und jung,
Sn des Bergwalds ſchaurigen Gängen,
Er ruft die Gefährten vom Felfenfprung
Mit des Hornes fohmetternden Klängen.
I. 11
162
Bühler Gegend. — Windeck.
Die Nacht ift da, das Gefolge fern,
Rings berrfchet Sraufen und Schweigen,
Durch die Wipfel lächelt Fein milder Stern,
Kein Pfad will dem Auge fich zeigen.
Bisweilen nur hört man, tief im Forft,
Der Wildnig ächzende Stimmen ;
Die Trümmer der Burg im Tannenhorft,
Kühn wagt er fie nun zu erflimmen.
Bald fleht er im öden Ritterfaal,
Die Furcht, Die weiß er zu höhnen,
Und Yuftig Taßt er hinab ins Thal
Noch einmal fein Hüfthorn ertönen.
Da trippeln zur Thür zwölf Tichtlein herein,
Der Waidmann fieht fie mit Grauen;
Es wallen hinter den Lichtlein drein
Zwölf flattlihe Nitter und Frauen.
Der Borderftie winkt dem Waidmann zu,
Ein luſtiges Stüdlein zu blafen,
Der Waidmann gehordht und e8 ſchweben im Nu
Die Geftalten dahin auf dem Rafen.
Auch die Lichtlein fangen zu hüpfen an,
Und folgen in zierlichen Schritten —
Da plöglich höret man krähen den Hahn
Sn des Thales fhlummmernden Hütten.
Und Alles Hält ſtill und fchaut empor,
Die Nacht fie will ſchon zerrinnen;
Bor dem Waibmann neigt ſich der rauen Chor,
Und zieht mit den Rittern von binnen.
Der Süngling fteht, wie im fchweren Traum,
Und kann die Furcht nicht bezwingen,
Bis in des Saales verwachlenem Raum
Die Vögel erwachen und fingen.
Aloys Schreiber.
Büähler Umgegend. 163
Die Hub,”
D Thal, mit deinen Bäumen,
Mit deiner Waldkapell',
Mit deinen Kindesträumen,
Mit deinem Heilungsquell !
Kein Sturm erreicht den Müden
An deines Bächleins Rand,
Und Ruh’ und Stille bieten
Bertraulih ihm die Hand.
Der Windeck Thürme ſchauen
So ernft vom Berg herab,
Die Ritter und die Frauen
Dedt ein verfunfnes Grab, -
Das Schwert, das hier geflungen,
Liegt unter Moos und Dorn;
Wo Harfner einft gefungen,
Schalt nun des Waidmannd Horn.
Der Menſch und feine Werfe
Sie find des Tages Raub,
Die Schönheit und die Stärfe
Zerfallen bald in Staub;
Jedoch Die Sterne glimmen
Und walten immerbar,
Und Lenz und Liebesſtimmen
Bringt jedes neue Sahr.
Die freundliche Najade
In ihrem Felfenhaus
Gießt immer noch zum Babe
Die lauen Fluthen aus.
Die Parzen felbft gewinnen
Kann ihr vertrauted Wort;
Sie werden weich und fpinnen
Den Faden emfig fort.
*) Binfen und Badeort mit einer Tauen Therme, drei Biertelftunden von Buüͤhl.
11*
164
Bühler Umgegend.
Berborgne Kräfte legen
Den Schlag ins Menfchenherz,
Berborgne Kräfte regen
Sich felbft im flarren Erz; |
Der Forſcher fucht vergebens,
Woher der Born entquillt;
Der Urfprung alles Lebens
Sf tief in Nacht verhüllt.
Wer läßt geheime Schauer
Hier unter Eichen wehn?
Warum die flille Trauer,
Wo Windes Thürme ſtehn?
Was foricht im Waldesichweigen
Uns fo bedeutend an?
Mer macht, daß von den Zweigen
Uns Ruhe fänfeln kann?
Die Welt des Unſichtbaren
Thut ſich hier leiſe kund;
Kannſt du das Wort bewahren,
So tritt in ihren Bund!
Dein und der Duelle Leben
Entftrömen Einer Hand,
Die Kräfte, die hier weben
Berfnüpft mit dir Ein Band.
Aloys Schreiber.
Erwin von Steinbach.”
Per mag der ftille Knabe feyn?
Er flieht die Spiele der Genoffen
Und bleibt am Viebften ganz allein
Tief im Gebirge, walbumfchlofien ;
Am Duellenufer hingeftredt,
Wo niemand feine Träume wedt,
*) Siehe die Anmerkungen, ©. 169.
Bühler Umgegend. 165
Von Fels und Bäumen rings umgeben;
Dort iſt ihm wohl, dort iſt ſein Leben.
Er baut aus Kieſeln, Rinden, Gras,
Sich kleine Kirchen und Kapellen
Mit Kunſtgefühl und ſicherm Maaß.
Die wundervollſten Bilder ſchwellen
Sein glühend Herz; wohin er ſchaut,
Sieht Alles er ſo ſchön gebaut!
Den dunkeln Hain, die kühle Grotte,
Weiht er zu Tempeln ſeinem Gotte.
Der Buchen Wölbung zieht ihn an,
Die Tannen, ſo darüber ſteigen,
Der Epheu, der ſich rankt hinan,
Der Himmel zwiſchen grünen Zweigen;
Die Felſen, buſchig oder ſchroff,
Die Blumen, — Alles gibt ihm Stoff,
Da zeichnet er auf Schieferplaͤttchen
Die Formen bis aufs kleinſte Blättchen. —
Einft lag, am fohwülen Sommertag
Er in des Forftes kühler Tiefe,
Da ward ihm, wie er träumend lag,
Als ob man ihn beim Namen riefe;
Und ſieh! vor einer Selfenwand
Ein Greis mit Silberlocken ftand;
Die Sonne war fehon tief gefunfen,
Der ganze Wald voll grüner Funken.
: Der Alte ruft: „Steh? auf, mein Sohn!
Wagſt du, mit mir hinabzufleigen,
Will ich zu deines Fleißes Lohn
Dir wunderbare Dinge zeigen:
Du Tennft das obre Baumwerf nur,
Doch nicht das innre der Natur,
Nicht die Paläſte, deren Duabdern
Entflrömen taufend Lebensadern.”
Keck folgt der Knabe dem Geheiß,
Die Wißbegier laͤßt ihn nicht zagen,
166
Büpleriimgegend.
Und plöglich theilt fi, wo ber Greis
Mit feinem Stabe hingefchlagen,
Mit einem Riß die Felſenwand,
Und Beide gehen Hand in Hand
Durch weitverfchlungne Gänge fehweigend,
Biel Hundert Stufen niederfleigend.
Da zeigen Wunder überall
Sich dem erflaunten Blick des Knaben:
Er fieht, wie Pfeiler von Kriftall
Und von Granit geformt fi haben;
Nach innerem Gefes, genau,
Entwidelt jeden Erdenbau,
Die Säulen, Wölbungen und Bogen
Bon feſter Meifterhand gezogen.
Kein leeres Bild der Fantaſie,
Nur einem eitlen Zwede fröhnend,
Nein, jede Form vol Harmonie
Mit anderen zufammentönend.
Sp muß auch ein Gebild aus Stein
Zuvor im Geift vollendet feyn,
Bevor der Meifter es kann wagen,
Ins Wirfliche zu übertragen.
Noch einmal fpaltet eine Wand
Sich vor des Greifen Zauberflabe —
Auf einem grünen Anger fland
Sn hellem Sonnenlicht der Knabe;
Und hoch hinauf ins dunkle Blau
Wölbt ſich vor ihm ein Rieſenbau,
Sich in zwei Pyramiden endend,
Mit taufendfacher Zierde blendend.
Es war ein Bau, der fehnfuchtsvoll
Die Arme nach dem Himmel ftredte
Und feiner Gloden Klang erjcholl,
Daß er die tieffle Sehnſucht wedte;
Bühler Umgegend.
Es war ein fleingeworbner Baum,
Mit ungeheuerm Schattenraum,
Ein Schiff, deß Maften nimmer wanfen,
Durchwirkt mit Laub und Rofenranfen.
Die beiden Wandrer treten ein,
Dom heiligften Gefühl durchfloſſen.
Ein bunter Sarbendämmerfchein
Hat durch die Hallen ſich ergoſſen;
Die Heilgenbilder rings umher
Getauchet in ein Rofenmeer,
Bon Regenbogenglanz umwoben,
Der Dulder an dem Kreuze broben.
Der fromme Knabe finkt aufs Knie,
Bon Himmelsahnungen durchzücket,
Und ſpricht: „Nein, ruben will ich nie,
Bis einft ein folder Dom mir glüder !"'
Der Alte ruft; „Leb' wohl, Erwin!
Was hier dir nur im Bild erfchien,
Wirft du bald wieder neu gebären,
Und ewig dich Dadurch verklären.” —
Und an ber alten Stelle fieht
Der Knabe fih im Walde wieder;
Durchs heimlich flüfternde Gebiet
Ziehn wieder Nachtigallenlieder ;
Und Erwin trägt nun felig fort
Den Traum mit fi von Ort zu Ort,
Beſucht viel Meifter in der Ferne,
Daß er die ganze Baufunft lerne. —
Es hebt der Niefen-Dom fich jebt
Längft über unfers Erwin Grabe;
Solch Denkmal hat der Mann gelebt
Dem, was im Traume fah der Knabe.
Beglückt, o Straßburg, deſſen Ruhm
Stets blüht in dieſem Heiligthum!
Heil, Steinbach, dir, aus deſſen Schooße
Snervorgegangen ift der Große!
U. Schale. -
167
168
Bühler Umgegend.
Huf Steinbachs Rebgelände
Thront Meifter Erwin’s Bild,
Des Künftlers freie Spende
Begrüßt das Nheingefild.
Des Meifters Blicke fchweifen
Nah Straßburgs fernem Dom,
Um den die Wolfen ftreifen,
Ein farbenreiher Strom.
Er fuchet den Bekannten
Aus alter, guter Zeit,
Da noch die Herzen brannten
Bol Glaubensfreudigkeit.
Da Münfter neu fih hoben
Am Rheine, hoch und fehlanf,
Aus denen fromm nad oben
Erftieg der Ehriften Dank.
Nun weilt der Blick zufrieden
Auf feinem Riefenbau, |
Wird ihm auch nicht befchieden
Des zweiten Thurmes Schau;
Den ſchwindelnd er erhößet
Im Urplan fi gedacht —
Sein Münfter dennoch fiehet
In unerreichter Pracht.
- Stadt Straßburgs Dom befinget
Noch manches Flammenwort,
Und Erwin’s Name dringet
Durch alle Zeiten fort!
Rheinthäler ſchließen heute
Wohl um ſein Bild den Kreis,
Und Jubel klingt und Freude:
„Dem Meiſter Ruhm und Preis!
Büpler Umgegend. 169
„Dem Meifter, ber als Knabe
Befpielt in Steinbachs Schoß, )
Und dann am Wanberftabe
Gedanken hegte groß!" —
Auch unferm Friedrich?) hohen
Und lauten Jubelruf,
Der aus dem Block, dem rohen,
Dies Meifterwerk erſchuf!
Geformt aus felbem Steine
Aus dem das Münfter ward,
In Tieblihem Vereine
Sich Ernſt mit Anmuth paart.
Er weihrs zum Friedenszeichen
Dem heimathlichen Thal,
Daß wir die Hände reichen
Uns liebend allzumal.
Auf, Brüder! laßt ertönen
Ein donnernd Lebehoch
Des Rheinthals edlen Soͤhnen:
Erwin und Friedrich hoch!
Und hoch der Fürſt der Gauen,
Drin Erwin's Denkmal thront,
Dem Liebe, Volksvertrauen,
Sein mildes Herrſchen lohnt!
Daniel Sirtz.
( Drechslermeiſter in Straßburg.)
Das Städtchen Steinbach, am Eingange des Neumeterer Thales
gelegen, ift offenbar uralt. Es bildete früher ein weit bedeutenderes Ge⸗
meindeweſen, als gegenwärtig. Welt umber befannt waren feine Stein-
bräde, und ein ziemlicher Theil feiner Bewohner mag von der Stein⸗
hauerei gelebt Haben. Es konnte nicht fehlen, daß bei dem allgemeinen
Aufblügen der teutfchen Baufunft unter den Hohenftaufenfchen Katfern, die⸗
fer Ort in Beziehung mit einer jener Hütten kam, moraus bie Meifter
170 Bühlerliimgegend.
und Gefellen hervorgingen,. venen wir fo manche herrliche Bauten unferer
Städte verbanfen. Und was iſt wahrfcheinlicher, als dag der Sohn eines
der Steinbachiſchen Steinmeßen unfer Erwin fey? Noch vor Kurzem
fannte man nichts als deſſen Namen, aber weber vie Geburtd- und Gra⸗
besftätte, noch auch den geringftien Lebensumfland Meiſter Ermwin’s.
Dank fey alfo ven edlen Bemühungen, die und über den Helden ver
teutfhen Baukunſt das erfte Licht gegeben. Beſonders ift bier zu nennen
Dr. Heine. Schretber, durch feine Abhandlung über den Straßburger
Münfter und Meifter Erwin.
Bergleiche auch Göthe's Jugendaufſatz über diefen Gegenftand.
Im fogenannten Frauenhaus zu Straßburg liegen noch die Plane
des Münfterthurmbaues auf Pergament, wovon einer als das Original
von Erwin's eigener Hand bezeichnet wird.
Man kann annehmen, daß der junge Erwin von feinem Baterorte
nad Freiburg gezogen, wo fich damals eine der bedeutendſten Bauhüt⸗
ten des Landes befand. Die Herzoge von Zähringen hatten den bortigen
Münfterbau begonnen ; die Grafen von Urach, ihre Erben, vereint mit
dem Adel, mit ver Geiftlichkeit und Bürgerfchaft ver freudig aufblühenden
Stadt, vollenveten ihn. Als Erwin erfchien, mochte der Thurm fchon be=
gonnen feyn, und fomit half er ein Werk ausführen, welches von allen
Thurmbauten des teutfihen Mittelalters anerkannt das gelungenfte ifl.
Den Meifter veffelben kennt man Leider nicht mehr; wir wollen ihn aber
in feinem Schüler verehren, denn gewiß war Erwin fein Liebling und
fein Stolz.
Als Meifter Erwin nah Straßburg fam, wurde der Bau bed
Münfters bald wieder Iebhaft betrieben. Alles trug zu deſſen einftiger
Bollendung bet, und Bauherr und Baumeifter entwidelten bie erfreulichfte
Thätigfeit.
Nachdem ver alte Duerbau ergänzt und das Langhaus aufgeführt war,
ward endlich am St. Urbanstage des Jahres 1277 der Grundſtein zum
Thurmbau gelegt. (Wie folgende alte Infchrift bezeugt: „Anno Domini
MCCLXXVII in die beati Urbani hoc gloriosum opus inchoavit Magister
Erwinus de Steinbach.) — Und nun arbeitete Erwin mit feinen Ge—
fellen und Lehrlingen, mit feinem fleißigen Sohne Johannes nnd feiner
funftfinnigen Tochter Sabina, in unermüdlichem Eifer an dem heiligen
Bau, welcher feinen Namen auf die fernfle Nachwelt bringen follte. Man
hatte ihm auch das Amt des Hüttenherrn übertragen und fomit fland
er, neben dem Biſchof, an der Spitze des ganzen dortigen Bauwefens.
Leider ward es aber dem ehrwürbigen Meifter nicht vergönnt, fein
Werk zur Vollendung zu bringen. Erwin farb 1308 als hochbetagter
Greis, vierzig Jahre nach jener Grundfleinlegung. (Wie die Inſchrift
feines Grabfteines meldet, ven man bei der St. Zohannistapelle im
Münfter entvedt Hat. Sie lautet ganz einfach: „Anno Domini NCCCVIII.
Bühler Umgegend. 171
XVI. Kal. Februarii obiit Magister Erwinus, Gubernator Fabricae Ecclesiae
Argentinensis.*) Er hinterließ vie weitere Ausführung feinen Kindern.
Allein auch diefe erlebten die Vollendung des zweiten Thurmes nicht; er
blieb für immer unausgeführt. Und fo denn raget der Straßburgifche
Münfter als großartiges Bruchſtück einer großen Vorzeit in die Gegen-
wart herein und ruft ung zu, daß und Zeutfchen, die wir in aller nationalen
Entwidlung lange ber unterbrochen worben, deren heiligen Bau nun zu
vollenden, endlich die Zeit gekommen !”
(Aus dem Auffag „Erwin von Steinbach“ in Dr. Joſeph Bader's
„Herda.“ Neue Folge erfter Band. Freiburg, 1841. ©. 241, u. ff.)
2) Der Straßburger Bilvhauer Friederich fertigte das ſchöne
Standbild Erwin's, es mit edler Uneigennüpigkeit als Denkmal für
Steinbach fliftend, wo es im Jahr 1844 auf einem nahen Hügel auf-
geftelit und unter volfsfefklicher Feier enthüllt wurde.
Die Kröte.
Zwei Schweftern aus Steinbach, welche noch zur Betzeit
Frucht fehnitten, fanden unter dieſer einen Korb, worin eine
ungeheure Kröte ſaß. Da fagte die Eine: „das ifl ein Schatz;
ich will rücklings meinen Schurz darüber deden!” — die An⸗
dere jedoch rieth ihr davon ab mit den Worten: „Nein, das
ift Teufelsſpuck!“ Bei Nennung des Teufels fprang die Kröte,
klingend wie ein ſchwerer Geldfad, aus dem Korbe heraus und
verfanf in den Erdboden. Das dadurch verurfachte Loch hat
bis heute nicht zugeworfen werden können, und ber Korb, ben
die Mädchen mit nad Haufe genommen, wird noch jett bort
vorgezeigt.
(Nach mündlicher Ueberlieferung mitgetheilt von Bernd. Baader in Mone's „An-
zeiger ꝛc.“ Jahrg. 1839. ©. 311.)
Luftritt.
Ein Mann aus Steinbach, der Nachts von Bühl
heimkehrte, traf in dem verrufenen Hohlweg ein junges Pferd,
welches auch von vielen Anderen dort geſehen worden iſt. In
der Meinung, es habe ſich verlaufen, wollt' er es nach Hauſe
reiten, war aber kaum aufgeſeſſen, als es ſich in die Luft erhob
und ihn darin ſo lange forttrug, bis die Frühglocke zu läuten
172 Bühler imgegend.
anfing. Da fest’ es ihn ab und er befand fich jenfeit des Rheins
und zwar fo weit von Steinbad, daß er bis zu feiner
Rückkehr dahin zwei volle Tage brauchte, ”)
*) Das ift ein zauberhafter Ritt, wie er oft im Hexenweſen vor⸗
fommt, wobei aber telten Pferde gebraucht werben. Der Ritt auf dem.
geifterhaften Roffe ift eigentlich die Zahrt zum Tode, daher auch folches
Pferd im Rordifihen helhestr, Todesroß, Heißt und fi noch in der Hel⸗
denfage findet. Siehe Grimm's „Heldenſage 10.” S. 39.).
Mone
(Siehe Mone’& Anzeiger ꝛc. v. 3, 1839.)
— DD —
Oosgan.
D0
- Stadt Boden und nächſte Umgebung.”
Baden: Baden.
Umweht mich in Badens Thale,
Ihr Schauer der Vergangenheit!
Ich weile finnend um die Maale
Der hingefunfnen Helbenzeit,
Als von den heimatblichen Auen
Der tapfre Markmann Abſchied nahm,
Und nun in die verlaßnen Gauen
Das Bolf der Welterobrer fam.
Die lange diefen Boden ſchützten,
Sie fuchten fern ein Vaterland,
Und Roma’s goldne Adler blisten
Zum erfienmal an unferm Strand.
Die Götter von der Tiber zogen
In Hertha's unentweihten Hain,
Und unter folgen Säulenbogen
Floß jet der fremde Opferwein.
Wo fonft die Eiche Wodan's grünte,
Stand Hermes mit dem Schlangenftab;
*) Die Anmerkungen gu dieſer Sagenreiße folgen am Echluffe der gangen Abtheilung.
174
Stadt Baden und Umgebung.
Der Kaufmann nahte fi und fühnte
Mit Waffer, das der Berg ihm gab.
Der Marmor überzog die Schwelle,
Wo fih der Heilungsborn ergoß,
Und traurig murmelte die Duelle,
Da fie der falte Stein umfchloß.
Do unfern alten Namen fchirmte
Die teutfche Treu, der teutfhe Sinn;
Das Bollwerk, fo der Römer thürmte,
Stiel wie vom Blitz die Tanne hin,
Und feiner Tempel Hallen ſanken
Und feines Donnrers Riefenbild,
Und um die Trümmer wob die Nanfen
Gebüſch und Epheu fihaurig wild.
Das teutfche Recht, ed galt nun wieder
Mit teutfhem Brauch im teutfchen Land,
Der Mann, er reichte feft und bieder
An Eidesftatt Die treue Hand.
Geſchmückt mit jungen Eichenfränzen
Erhob fich neu der Felsaltar;
Das Horn, es rief zu Waffentänzen
Der Jugend gelbgelodte Schaar.
Und in dee Markwalds Thäler famen
Bon Irlands Küfte Pilger ber,
Und einen neuen, großen Namen
Derfündete der Männer Lehr’;
Es bog der troß’ge. Alemanne
Bor ihnen demuthvoll dag Knie,
Er kannt' in ihrem Friedensbanne
Den Frieden ihrer Botfchaft nie.
Des Götterhaines graue Eichen,
Sie flürzten von des Täuflings Beil;
Am Wege fleht des Kreuzes Zeichen,
Und deutet ihm fein ewig Heil,
Stadt Baden und Umgebung. 175
Das Feuer brennt auf feinem Herde,
Er ſchafft das Schwert zur Pflugfchar um,
Denn mit dem Himmel wird die Erbe
Zugleich fein ſchoͤnes Heiligthum.
Jetzt bauen am Genefungsquelle
Die Jünger Ratfried’s einen Dom,
Und fromme Klausner ihre Zelle
Im Bührenthal, am wilden Strom;*)
Es thürmen ſich auf Felfenhöhen
Die Ritterburgen ftolz und fühn,
Noch kann man ihre Trümmer fehen
Bedeckt mit Moos und MWaldesgrün.
Ach! wie in dunkeln Traumgefichten,
Blickt Die Vergangenheit mich an;
Die Zeit will freventlich zernichten,
Was fie nicht trotzig meiftern fann.
Bon fremder Sitte warb verbrungen
Die fromme Scheu, die ſtrenge Zudt,
Kein fremdes Schwert hat ung bezwungen,
Doch Ueppigfeit, von Gott verfludt.
Bergiftet hat fie felbft die Scale,
Aus der dem Kranfen Heilung floß;
Ha, fiehe! wo beim Friedensmahle
Des Himmels Frieden ſich ergoß :
Da walten jest der Hölle Schauer,
Da fteht des Goldes Trugaltar,
Und Engel wenden ſich mit Trauer
Bom Ort, der einft fo heilig war.*)
Wie frech jedoch fie fich erheben,
Die Mächte aus des Orkus Schoos,
Sie reißen nimmermehr das Leben
Bon feiner flarfen Wurzel Iog.
*) Die Einſiedelei und Kapelle zu St. Wolfgang. Beide wurden 1816 abgetragen.
**) Die ehemalige Lyceumslirche wunde abgetragen bis auf den Chor, mo dann bie
erfie Spielbank Hinfam,
176
Stadt Baden und Umgebung.
Das Schlechte muß fich felbft zerftören,
Sein Sieg ift auch fein Untergang;
Der muß dem Tode angehören,
Den das Sirenenlied bezwang.
Noch leuchtet ja der Abendſchimmer
Wie ſonſt in Badens Thal herein,
Der junge Lenz, er kehrt noch immer
Mit ſeinen Blumen bei uns ein.
Liegt auch der Duell in Schutt gebunden,
Er fehnt ſich dennoch nach dem Licht,
Und hat er erfi den Weg gefunden,
So hält die Erd’ ihn länger nicht.
Aloys Schreiber.
Die Sage von Baden’3 Uriprung.
1L.
Es reiten drei Recken durch Waldung und Moor,
Am Borne da hüpfen drei Fräulein hervor:
„Zieht mit ung, ihr Brüder, wir kennen den Pfad!” —
Die Wandrer mißtrauten dem weiblichen Rath.
„Steht mit ung, ihr Brüder, zu duftigen Höhn !”
Sie blickten fo freundlich, fie nidten fo fchön.
Bald zogen drei Pärlein im eiligen Lauf
Mit Singen und Springen den Hügel hinauf.
Hoch oben empfing fie ein lachender Grund,
Durchflochten mit Blumen gar wunderlich bunt.
Es blinkte die Lilie fo bräutlich und lind,
Liebflammend die Roſe, der Sehnſucht Kind.
„Herbei, ihr Geſellen, wir ſtehen am Ziel,
Nun ruft uns des Tanzes ergötzliches Spiel!“
In Lüften erhob ſich ein Harfengekling,
Sie ſangen und ſprangen, und ſchloſſen den Ring.
Stadt Baden und Umgebung. 177
„Herbet, ihr Gefellen, nicht lange bebadıt !«
„Juchheiſa!“ e8 trieb fie zum Tanze mit Macht.
„Juchheiſa!“ doch mitten im taumelnden Reih'n
Brach jählings der Boden ind Feuchte hinein.
Aufbraufte die Wiefe, ein fihauriger See —
„Ude, ihr Betrognen, auf ewig Ade!“
2.
Tief unter den Wogen da figt auf dem Thron
Der König des See's mit Friftallener Kron'.
Mit grünfichen Toden, im Silbergewand,
Die Lilie fhwingt er ald Stab in der Hand,
Und um ihn da tanzen wie Schwäne fo weiß
Die perlenumgürteten Nymphen im Kreis.
Nings blinken die Wände wie fchwärzlidher Stahl,
Demantene Säulen erhellen den Saal.
Korall' und Karfunfel bezaubert den Blid;
Die Ohren, der fingenden Duellen Muſik.
‚Ber. wagt ed, zu nahen dem Waflerpalaft,
Den nimmer betreten ein irdifcher Gaft?:
„Rothwangige Knaben, erbleichet im Tod!
Sp will ed des Waſſers uraltes Gebot.” —
„> König der Fluthen, entlaß ung ber Schuld!
Uns täufchten drei Mägdlein mit tüdifcher Huld.“
Da ſchwenkte der König ben Lilienftab,
Nicht blieb ihm verborgen, was jüngft fich begab.
„Wohlan, ihr Berführten, fo geb’ ich euch frei,
Doc treffe mein Zorn die verführenden Drei.”
Er ſchwenkte die Lilie. — „O König, halt ein!
Wir flehen, du mörhteft auch ihnen verzeihn.”'
I. 12
178 Stadt Baden und Umgebung.
Der König befann fih — er blidte verföhnt:
„Nicht bin ih um Großmuth zu markten gewöhnt.
„Den Groll der Unfterblichen mildert und ſtillt
Die Liebe, die Leides mit Liebem vergilt.
„She habt es erbeten, fo fey es gewährt, '
Dazu noch ein Gnadengefchent euch bejcheert.
„Empfangt hier drei Kiefel, unfcheinbar und fchlecht,
Doc werther, als Kronen, benützt ihr fie recht.
„Schlägt klingend ein folcher den ſtarrenden Fels,
So wird er die Wirge heilfräftigen Quells.“
Er ſchwenket die Lilie; auf thut fih das Thor,
Schnell wirbelt ein Strudel die Wandrer empor.
3.
roch flehn die Gefellen am fehilfigen Strand,
Sie wiegen das Königsgeſchenk in der Hand.
„D ärmliche Gabe, du fehlechtes Geftein, J
Dich werf ich zum Spott in die Wogen hinein!”
So höhnte der Züngfte mit frevelndem Mund,
Und fehleudert den Kiefel hinab in den Schlund.
Da ſcholl aus der Tiefe ein Hägliches Weh',
Da krachte die Erde, da kochte der See.
Und fhwärzlihe Wolfen eniftiegen ber Fluth,
Draus Hagel und Donner und Blitz ſich entlud.
Wie Koboldsgepolter durchtoſt' es die Luft,
Und Schaaren von Schlangen entkrochen der Kluft.
Da rannten bie Wandrer, wie Rehe verzagt,
Umgeiffelt von Bligen, von Schlangen gejagt,
Bergüber, bergunter, waldein und waldaus,
Sie blickten nicht um fich, fie ruhten nicht aus.
Stadt Baden und Umgebung. 179
Doch endlich, ald mälig der Sturm fich gelegt,
Am Fuße des Berges warb Ruhe gepflegt.
Dort Tagen fie müde, des Odems beraubt,
Und neigten zum Schlummer ihr fchwindelndes Haupt.
. Und wie fie fo liegen und fchlafen im Moos,
Erweckt fie ein neuer, gewaltiger Stoß.
Der zweite der Steine, ein fpigiger Kies,
Entfchlüpfte des Sades gefprengtem Berlies,
Und kollerte luſtig den Selfen hinab;
Kaum glaubt ihr der Sage, was nun ſich begab:
Mo tönend am Felfen ber Kiefel gepraltt,
Entfeſſeln fih Duellen mit Sprudelgewalt.
Nun ringt fih zu Tag, was Jahrtauſende fchlief
Im Buſen des Felſens gewaltig und tief.
Es murmelt und riefelt, e8 plätfehert und fprüht
Dad Wafler, von magifchen Kräften durchglüht.
Ein reicheres Leben mit mächtigem Strahl
Durchlodert des Oosbachs glüdfjeliges Thal.
D Wunder! des Bächleins beſcheidnes Geſtad
Hat Baden geboren, das herrliche Bad.
Und als die Gefellen dies Wunder erfahn,
Erfannten fie erft, welch Geſchenk fie empfahn.
Den dritten der Steine befaflen fie noch,
Sie wahrten ihn forglich und hielten ihn hoch.
Bald kehrten fie wieder zum heimifchen Herd,
Dort hat fih der Zauber bes Kiefeld bewährt.
Durch heilende Quellen gefegnet hinfort
Ward reich und gepriefen ihr Heimathort.
Eduard Brauer.
(Siehe deffen „Sagen und Geſchichten ber Stadt Baden 2.” Karlsruhe, 1845,
Braun’ Berlag. 8. 5— 9.)
12*
480
Stadt Baden und Umgebung.
Das alte Schloft zu Baden,
Oft, wenn im wunderbaren Schimmer
Des Schloffes Trümmer vor mir ftehn
Im Sonnenfchein, glaub’ ich noch immer
In feiner Jugend es zu fehn.
Mit feinen Mauern, feinen Zinnen,
Gern leuchtend in das freie Thal;
Der Helden ſtarke Kraft von innen
Sich labend bei dem Rittermahl.
Dann klingts um mich wie ferne Stimmen,
Ich fühl’ ein geifterhaftes Wehn,
Hort treibt ed mich hinanzuklimmen
Einfam zu jenen Felfenhöhn.
Doch oben Alles ganz zerfallen,
Der Epheu ſchlingt fih um den Stein,
Und in den offnen. Fürftenhallen
Spielt Waldesgrün mit Sonnenfoein.
Das nehm’ ih an zum guten Zeichen,
Zum Troſt in diefer Gegenwart,
Daß auf den Trümmern, auf den Leichen
Sich Himmel noch und Erde paart.
Ein beßres Haus fol ſich erheben,
Gebaut auf alten, feften Grund,
Und frifche Liebe, frifches Leben
Gedeihn im freien teutfchen Bund !
Mar v. Schenkenborf.
(1814.)
Die graue Frau von Hobenbaden.
Habt ihr gehört von der grauen Frau
Im Bergſchloß Hohenbaden ?
Bethört von finftrer Macht, dem Gau
War fie zu Schred und Schaden;
Stadt Baden und Umgebung.
Ließ ſchwingen zur Frohn
Die Geißel mit Hohn
Aufs Volk, ach! mit Bürden beladen.
Der Herrſchaft Zügel hielt fie ſtraff
In freier Willfür Launen;
Mit ihr zu Rathe faß der Pfaff,
Ihr Unrecht zuzuraunen.
Wie wetternder Strahl,
Sp fihmettern ins Thal
Defehle zu Bangen und Staunen.
Wer gab hier Troft dem armen Dann,
Wo fanden Schuß Bedrängte?
Der Büttel nur auf Dualen fan,
Der in den Blod fie zwängte.
Recht fordert der Knecht?
Kaum Gnade für Recht
Bergönnt fie, fürs ſchmaͤhlich gefränfte,
Ihr Herz, fo Tiebeleer und kalt,
Wenn Schmerzensthränen floffen,
Der Mutterliebe Allgewalt
Nur blieb es nicht verfchloffen ;
Ihr einziges Kind
Nur liebte fie blind,
Den blühenden, fürftlichen Sproffen
Einfimal, im Abendfonnenglanz
Sid wieder frifch zu laben,
Der Warte höchften Zinnenfranz -
Erftieg fie mit dem Knaben.
Sie zeigt ihm das Land
Im Segensgewand
Bol prangender, köſtlicher Gaben.
„Mein Kind, mein adlig Fleifch und Blut,
Herr du von Gottes Gnaden!
In deſſen Händen einſtens ruht
181.
182 |
N
Stadt Baden und Umgebung.
Mein reiches Wittthum Baden :
Dort kocht dir der Wein
Am firahlenden Rhein,
Hier die Duelle mit heilendem Schwaben,
„Und Alles ift dir unterthan,
Sp weit du blidfl von dannen;
Dein Winf gebeut; im Staube nah’n
Bafallen dir und Mannen,
Die niedere Brut
Mit eiferner Ruth?
Sn fcheue Verehrung zu bannen.
„Regiere ſtark, dem flarren Trug
Des Bolfes zum Entſetzen!
Nie fol fein ſchnöder Eigennug
Am Kronengut ſich legen!
Dein göttliches Necht
Durch Geburt und Geſchlecht,
Das reiße dir Keiner in Fetzen!
„Siehſt du den Falken ſiegeskühn?“
— Sie hob empor den Knaben —
„Aus ihren Purpurrändern glühn
Die Augen ſtolz; erhaben
Beherrſcht er das Blau!
Wie ducken zur Au
Die Schufte, die Häher und Raben!
„Die Macht verleiht wohl Kraft und Muth
Dem fcharfen Krallenfchläger,
Wie fühlt er fein altadlig Blut,
Der hohe Schwingenträger !
Ho huſſa zur Heß’!
Ihm gilt nur Geſetz
Sein eigener Wille, dem Jäger.
„So herrſch' auch Du!“ ... da faſſet fa
Ein Schwindel ihre Sinnen,
Aus ihrem Arm entſtürzet, ach!
Stadt Baden und Umgebung. 183
Das Knäblein von den Zinnen ;
Zerfchmettert im Fall
Am felfigen Wall... ..
Da fühlt fie das Blut ſich gerinnen.
O qualenvoller Augenblid,
D graufenhafte Stunde!
Wem flug des Himmels Strafgefchid
Se tiefre Herzenswunde ?
Bon Schmerzen durchraft,
Die Augen verglaft,
Sp ftarrt fie zum fchaurigen Grunde.
So flarrt die Aermſte, fprachberaubt,
Hinunter auf die Klippen,
Die Finger krampfhaft eingefchraubt,
Berzerrt die fahlen Lippen.
ie malmendes Erz,
So ſchallt ihr das Herz
Und hämmert und pocht an die Rippen.
Berzweiflung gibt ihr endlich Kraft
Und Worte ihrem Jammern,
Das bricht in wirrer Leidenfchaft
Aus ihres Herzens Kammern.
' Woran, ah woran
Sol nun fid fortan
Ihr mütterlih Hoffen noch Hammern ?
Sie rafft ſich auf, fie fliegt hinab
Der Treppe Steingewinde,
Zu fpähn nach ihres Lieblings Grab;
Nach eilt das Hofgefinde.
Umfonft fie durchſucht
Die waldige Schlucht,
Nie fand fie die Spur von dem Kinde. —
Noch heut entfleigt, ein Bild von Eis,
Sie Nachts des Schloffes Hallen
Im grauen Kleid, bie Haare weiß,
184 Stadt Baden und Umgegend.
Die Wangen eingefallen.
Im klagenden Wind
Ach! wähnt ſie das Kind
Zu hören, ſein Wimmern und Lallen.
*
%
Das iſt die Mähr von ber grauen Frau
Im Bergſchloß Hohenbaden;
Sp buͤßt fie ſchwer, was fie dem Gau
Verübt zu Schred und Schaden.
Nicht findet fie Ruh
In marmorner Truh, —
Gott wolle der Seele genaden !
JIgnaz Dub.
(Driginalmittheilung.)
Das Behmgericht in Baden.
Unter dem neuen Schloß in Baden ziehen in faſt labyrin⸗
tifhen Windungen und Richtungen eine Menge unterirbifcher
Gewölbe hin. Sie beftehen theils aus engen, Iangen Gängen,
theild aus Gemächern von verfchlebener Größe und Form. Meh-
rere Diefer Gänge und Kammern konnten durch dide, fleinerne
Thüren von Innen geöffnet und gefchloffen werben.
Wie die Sage berichtet, fol einft hier der Sitz ber hei-
ligen Behme gewefen feyn. Das größte Gemach wird als
dasfenige bezeichnet, in welchem die Freifchöffen Gericht hielten,
und noch fieht man die fleinernen Site an den Wänden. Hier
fagen fie und fprachen Recht über Frevler und geheime Verbre⸗
her; bier meldeten ihnen die Sreifrohnen den Vollzug der auf-
getragenen Strafen mit Strid und Dolch, oder ed wurden
Klagen erhoben über neue Unthaten, oder die Borgeladenen, die
fi nicht geftellt vor den Schranfen des heiligen ‚Gerichts, wur⸗
den verurtheilt und ihre Beftrafung den heimlichen Rädern
übertragen. Andere Gemächer waren zum Aufenthalt für bie
©eladenen, während den Beraihungen des Gerichts, beftimmt.
In einem großen Gewölbe, welches die Kolterfammer
genannt wird, ſieht man noch die Ringe und Hafen in ben
Stabi Baden und Umgebung. 185 >»
Mauern, woran bie fehredlichen Solterwerkzeuge befefligt, oder
die Berbrecher gefeffelt wurden. Aus dieſer Kammer tritt man
in einen Heinen Gang mit unterhöhltem, hölzernen Boden. Hier
befand fich einft eine Fallthür,, durch die man zu dem vielberu⸗
fenen Sungfernfuß gelangte. Unter diefer Thür war nämlich,
ber Bolfsfage nach, in der Tiefe ein eifernes Frauenbild und an
beffen Leib und Armen Stacheln, Meifer, Dolche und-andere Mord⸗
inftrumente, angebracht, durch einen Fünfllihen Mechanismus
fonnte das Bild feine Arme fchließen und gegen die Bruft drüfs
fen, wenn e8 berührt ward. Betrat nun ber Berurtheilte die
verhängnißvolle Thüre, fo ſank er plöslich hinab in die Tiefe
und in die ſchaudervolle Umarmung der eifernen Jungfrau, bie
mächtig ihn an ihr Herz preßte, bis er unter qualvoller Marter
verblutet hatte. Bor etwa dreißig Jahren fiel das vorwigige
Schooshündchen einer Dame, die das Gewölbe befah, in diefes
Berlied. Das Thierchen wurde wieder heraufgeholt, und bei
biefer Gelegenheit entdeckte man noch Reſte von Gewändern,
Meflern und einem Rade. Die Deffnung wurbe hierauf zu⸗
geworfen.
(Siehe „Sagen aus Baden und Umgegend.“ (arlerııhe, 1834.)
Chriſtoph von Baden.
Zu Baden auf dem Schloffe einft Markgraf Chriftoph ſaß,
Und Kurt, fein Rampfgenoffe, beim hochgefüllten Glas,
Das Tießen fie wader kreiſen
Und fangen gar muntere Weifen.
Bon guten alten Tagen erzählten fie mancherlei,
Bon Ritterfpiel und Jagen und Kämpfen fühn und frei;
Da ſtoͤret ein fernes Schallen
Die Zecher in den Hallen.
Trommetienſchall erklinget und muthiger Roſſe Huf,
Und durch die Lüfte dringet des treuen Wächters Ruf.
Das iſt ein liebliches Tönen
Des Krieges tapferen Söhnen.
. 186 Stadt Bavden und Umgebung.
„Was wollen die Klänge fagen, ihr Knaben? Wohlauf im
Flug“ —
Nief Chriſtoph, — „ſucht's zu erfragen, und meldet's fonder
Berzug !"
Und wie fie fih rüftig rühren
Da öffnen fi die Thüren.
Es treten über die Schwellen drei Ritter feierlich,
Drei hohe, flolze Gefellen, die nahten dem Fürften fich
Und neigten fich big zur Erde
Mit höfiſcher Geberde.
Zu Chriſtoph hingewendet, begann der Eine ſtracks:
„Es grüßt Euch, der uns ſendet, der mächtige Kaiſer Max.
Wie vormals baut er auf's Neue
Auf Eure Kraft und Treue.
„Die mit dem Kaiſer gerechtet, der Kurfürſt und ſein Sohn,
Die Pfaͤlzer, ſie ſind geächtet, zum wohlverdienten Lohn;
Schon ſchwebt ob ihrem Haupte
Die Rache, die fern geglaubte.
Bon Norden und Süden brechen bie Unſern hervor mit
Madt,
Die helfen euch blutig rächen die Seckenheimer Schlacht,
Und was Ihr verlort an Rechten,
Und mehr noch, wieder erfechten.
„Bedenket, wie hart in Banden einft Euer Vater Tag,
Getrennt von Leut und Landen, am Nedar manden Tag;
Bedenkt's, und neu erwade
Im Herzen die alte Rachel” —
Herr Kurt vernimmt mit Sreuden, was Kaifer Mar begehrt,
Und zieht aus feiner Scheiden fein Fampfbewährtes Schwert :
„„Nun kommſt du wieder zu Ehre,
Du vielgetreue Wehre!
„„Zu lang fchon mußteft du Tiegen in deiner Scheide träg,
Nun folft du zu neuen Siegen mir bahnen blutigen Weg,
Stadt Baden und Umgebung. 187
Und manchen fühnen Reden
Auf ewig, barnieder ſtrecken.“
Der Markgraf fprach dagegen: „Mit nichten, wadrer Kurt!
Laßt nur den guten Degen noch friedlich ruh'n am Gurt !”
Und drauf zu den Gefandten,
Die vol Erwartung flanden:
„Wohl ſchätzen Wir das Bertrauen, das. unfer Kaifer Ins
ſchenkt,
Der Teutſchlands glückliche Gauen mit weiſem Scepter lenkt;
Und werben Uns ftets befleißen,
Uns deffen werth zu erweifen.
„Treu werden Wir bis zum Grabe ihm dienen mit Wort
und That,
Doch wißt, Herr Ritter, ein Schwabe übt nicht am Freunde
Verrath.
Daß ihn die Erde verſchlinge,
Der ſolche That begienge!
„Wohl lag mein Vater gebunden im Kerker fo manche Stund',
Wohl biuten die alten Wunden noch tief in Herzens Grund;
Und werden noch lange quillen,
Kein Balfam Fann fie ftillen.
„Wohl Lieben Wir Kampf und Ringen und Schlachten flurm-
bewegt, |
Wohl iſt's ein herrliches Klingen, wenn Degen auf Degen
| ſchlaͤgt,
Berauſchend Herz und Sinne
Wie Sang beglückter Minne.
„Wohl winkt Uns reiche Beute und Sieg nach leichtem
Streit;
Doch mehr als Land und Leute bei Uns gilt Ehr' und Eid.
Was iſt noch feſt auf Erden,
Wenn die nicht geachtet werden?“ —
188 Stadt Banden und Umgebung.
Sp Hang des Fürften Rebe, fie war fein leeres Wort:
Stets blieb er in Fried’ und Fehde des Freundes getreufler
| Hort;
Und Chriſtoph's Kraft und Treue
Ward hoch geprieſen auf's Neue.
Eduard Brauer,
Ludwig von Vaden.
Spielend mit des Sohnes Locken,
Seinen Arm um ihren Leib,
In dem Schall der Abendglocken
Sitzt er neben ſeinem Weib.
„In dem ſüßen Abendfrieden
Blickſt du düſter auf dein Land,
Dem du dieſes Glück beſchieden,
Hat es ſich von dir gewandt ?“ —
„Nimmer meine Seele weiſe
Nach dem kleinlichen Gebiet,
Das im engen Zauberkreiſe
Meine Kraft zuſammenzieht.
Was ein Auge überblicket,
Stillet mein Verlangen nicht,
In die Geiſterwelt entrücket,
Träum' ich mich in Luſt und Licht.
„Und auf hoben Thron erhoben,
Als den Herrn im Heitigthum,
Dem die Helden ſich geloben,
Schau ich fehnend nur den Ruhm.
Sud’ ich Luft in deinen Armen,
Frieden in des Knaben Blid,
Ach! ein Armer unter Armen,
End ich ruhmlos mein Geſchick!“ —
Und die Gattin geht in Zähren,
Nimmt den Knaben ſchweigend mit;
Stadt Baden und Umgebung.
Doc er fieht fie wiederkehren
Mit der Freude leichtem Schritt.
Seinen goldnen Fürflendegen
Bringt fie ihrer Tiebe Mann,
Und der Sohn jauchzt ihm entgegen,
Trägt den Harnifch ihm heran.
„Was, mein Herz! du dir erwählet,
Gilt als ein Gebot für mid;
Lieb’ und Ehre find vermählet,
Und die Liebe waffnet dich.
Meine Ehre du, ich warte
Deiner mit der Siegerfron’,
Wenn ich, ach! vergebens harrte,
Wahr’ ich fie für deinen Sohn.”
Und fie gürtet ihm ben Degen,
Panzert ihn mit flinfer Hand;
Unter hellen Trommelfchlägen
Zieht fein Häuflein aus dem Land.
Nach des Sultans falfchen Grenzen
Flattert ihrer Fahne Flug,
Als der hellfte Stern zu glänzen
In dem teutfchen Heereszug.
Seines Eifenarmes Schwere
Furchet tief im Leichenfeld.
Sieh, da fpeit die wilden Deere
Flammend aus die Heidenwelt !
Des Propheten Fahne mähet
Wie ein Sturm die Schaaren hin;
Den Bezir, von Stolz geblähet,
Lüſtet's wiederum nad Wien.
Mer beftehet feine Streiche ?
Schwache Schaar, wer fehirmt dich noch ?
Siehft du nicht die junge Eiche?
Ueber Trümmern fleht fie hoch.
189
i90
Stadt Baden und Umgebung.
Der von Baden wird dich reiten,
Er, dein neuer Feldmarſchall;
Schüttle weg des Schreckens Ketten !
Er ift dir ein Hort und Wall.
Bor des Lagers bunten Streden,
In der fremden Maffentracht,
Seht ihr fie die Felder decken?
An des Zelted Seidenpradt
Schwingt nun der Bezir den Säbel:
Seine Haufen ohne Zahl,
Wie die dichten Winternebel,
Braußen lärmend aus dem Thal.
Kleine Schaar du, frifch entgegen !
Ordne deine Glieder dicht !
Du ſollſt fie zu Boden legen,
Wie der Strahl den Nebel bricht.
Deine weißen Reihen rollen
In ded Heeres Niefenball,
Langfam erfl, dann ſchnell im vollen
Fluge, wie des Felſen Tall.
Wie Die Feinde morbend drüden,
Immer fefter wird dein Gang,
Denn dein Marfchall in dem Rüden
Treibt fie wie des Sturmed Drang.
Und er bricht durch ihre Glieder,
Mie aus feinem Bett das Meer,
Tritt wie Halme Alles nieder,
- Mit dem Heinen Reiterheer.
Und er fteht auf Waffentrümmern
Sm erftürmten Feldherrnzelt;
Gerne Todtenflagen wimmern
Vom erſiegten Waffenfeld ;
Blutige Geftalten wanken
Zu den Feuern vor der Wacht;
Stadt Baden und Umgebung.
Veber den Gefangnen ſchwanken
Blanke Flinten durch die Nacht.
Wie die Filienhäupter ſchauen
Nach des jungen Tages Stern,
Blühn des Harems fehönfte Frauen
Knieend um den neuen Herrn;
Harren, wer ihn fol umfchlingen
Sn des Lagers weicher Ruh;
Pfeifen und Trompeten Klingen
Ihm den March des Sieges zu.
Was die Wunderblumen bieten,
Feſſelt nicht den den edlen Sinn;
Schmachtend nach der Ferne Blüthen
Träumt fich feine Seele hin:
Seines Knaben blonde Loden,
Seined Weibes treue Bruft
Moöͤcht' er faſſen mit Srohloden
In des Wiederſehens Luft.
Und der Sultan bietet Frieden.
Bon dem mondelangen Strauß
Hat der Sieger fi) gefchieden,
Kehrt zu feiner Väter Haus.
Staunend hält er auf der Brüde
Seiner Stabt mit feiner Schaar,
Nimmer ftellt fi ihrem Blicke
Seiner Väter Wohnung dar.
Wie des Ruhmes Tempel breitet
Eich umher ein hohes Schloß;
Seine Priefterin, fie ſchreitet
Liebend auf den Helten los,
Krönt ihn mit dem Siegerfrange,
Sinft ihm fröhlich in den Arm,
Bei der Schladhttrophäen Glanze
In des Volkes Zubelfchwarm.
191
192 Stadt Baden und Umgebung.
„Sieh, Herr, wag wir dir bereitet!
Zeuch' in deiner Väter Haus |
Treu von Lieb’ und Ruhm begleitet
Tächle in dein Land hinaus!” —
„Ja, der Sieger ift bezwungen
Bon ber Liebe treuer Hand;
Was er fuchte, ift errungen,
Nimm mich auf, mein Vaterland!“
Georg Rapp.
Noch einige Sagen vom alten Schloffe zu
Baden.
2. Auf diefer verfallenen Burg hielt fich früher eine außer⸗
ordentliche Menge riefenhafter Schlangen auf, deren Köpfe fo
groß wie die von Raten waren. Bor 60 — 70 Jahren rottete
man fie dadurch aus, daß man förmlich Jagd auf fie machte,
wobei man deren fo viel erlegte, daß man fie wagenweife fort-
ſchaffen mußte.
2. Zu Anfang diefes Jahrhunderts zog ein Einfiebler,
welcher feine bisherige Klaufe auf der Yburg wegen des über-
handnehmenden Geifterfpudes Hatte verlaffen müffen, in ben
Altbadener Schloßfeller. Zwar fam auch dahin jede Nacht ein
Geſpenſt mit einem flammenden Keffel, worin es eine Stunde
lang rührte, Doch ging es dann wieber fort, ohne fih um den Ein-
fiedler zu befümmern, welcher alfo ruhig auf feinem Mooslager
liegen bleiben fonnte. Diefer Mann war von großer Frömmig⸗
feit, und feine ganze Nahrung beftand nur aus fo wenig Wur-
zeln und Kräutern, daß er felbft einmal fagte, er lebe von den
drei Elementen, Feuer, Waffer und Luft. Auf feinem Hute
trug er einen gläfernen Knopf, der die Eigenfchaft hatte, feinem
jeweiligen Befiger großes Glück zu bringen. Trog alles Deffen
duldete die Herrfchaft den Einfiebler nicht Tänger im Schloffe
und ließ ihn fogar nah Mannheim in Verwahrung bringen.”)
Dort ift er Tängft geftorben und begraben; fein Leichnam aber
bis heute noch ohne Spur von Verweſung.
H Heutzutage würbe man biefen Menſchen, der wahrſcheinlich ein Berrüdter war, ben
nur die Sage apotbeofirt hat, nad FJllenau fchaffen.
Arnm. bed Herausg.
Stapt Baden und Umgebung. 193
3. Zur Winterszeit kam einft ein Bauer aus Eberflein-
burg an drei von einander entfernten Tagen auf das alte
Schloß, wo er fletd im Hauptgang einen alten Mann mit weis
ßem Barte fisen fand, welcher Brodftüdlein verlas. Jedesmal
bat er den Bauern, ihm in den Keller zu folgen, was berfelbe.
die beiden erfien Male zwar that, allein, kaum hineingefommen,
aus Furcht wieder davon fprang, das dritte Mal aber fi gar
nicht mehr hinein wagte, worauf ein fo fürchterliches Gekrach
entfland, daß er über Hals und Kopf davon rannte.
A. Eine Kräuterfrau von Baden fah eines Mittags um
zwölf Uhr auf den Felſen hinter dem Schloffe ein weißes Frauen-
bild mit einem Gebund Schlüffel figen, welches ihr winfte, zu
ihr herauf zu. fommen. Erfchroden Tief die Frau hinunter in
bie Stadt und erzählte was fie gefehen, worauf fogleich mehrere
Leute fi hinauf machten, aber die Geftalt nicht mehr antrafen.
5. In der Nacht vom Faſtnachtdienſtag auf Afchermittwoch
ſahen einft einige Bewohner der Dolle die Burg ganz in Feuer
ftehen, von welchem aber Morgens darauf, als fie nachforſchten,
feine Spur zu entdeden war.
(Nach mündlicher Ueberlieferung mitgetheilt von Bernhard Baader in Mone's
„Anzeiger für die Kunde der teutfchen Vorzeit.” Jahrg. 1839. S. 174 u. ff.)
Silbergrube.
Dieſen Namen führt eine Stelle am ſüdweſtlichen Hange
des Berges, auf welchem die Ruinen des alten Schloſſes liegen.
Früher ging der Weg zur Burg dort vorüber.
Einſt ſoll hier auf Silber gebaut worden ſeyn und der
Stollen bisweilen reiche Ausbeute gegeben, bisweilen aber auch
lange gar kein Erz zu Tage gefördert haben, weßhalb der Herr
der Grube die Arbeiter hart anließ. Als ſie nun wieder ein⸗
mal eine reiche Silberader erſchürft hatten, legte der Steiger
einige ſchwere Stücke bei Seite, in der wohlmeinenden Abſicht,
den Herrn damit zu einer Zeit zufrieden zu ſtellen, wo die
Grube nicht fo ergiebig ſeyn würbe. Aber einige übelwollende
Arbeiter hatien es gefehen und verflagten ihn, als feyen bie
reihen Erzftufen aus dem Stollen yon ihm entwendet und un?
I. | 13
194 Stadt Baden und Umgebung.
terfchlagen worden. Man fuchte bei ihm nad) und das Silber
wurbe gefunden. Der Steiger wurbe verhaftet und ihm ber
Prozeß gemacht. Er mochte feine Unfchuld betheuern, fo viel
er wollte — alle Bemühungen, feine löbliche Abſicht darzu-
thun, halfen nichte. Der Schein war nun einmal wider ihn
und man glaubte ihm nit. Er ward zum Tode verdammt
und das Urtheil an ihm auf öffentlichem Plate vollzogen. Bevor
er feinen Hals dem Scharfrichter darbot, rief er noch einmal
den Himmel als Zeugen feiner Unfhuld an und ſprach: „So
gewiß der Himmel über meinen Tod weinen wird, fo gewiß
wird die unfelige Silbergrube binnen Jahr und Tag eingehn,
fo dag Niemand mehr den Eingang dazu finden mag. — Und
faum hatte der Scharfrichter dad Haupt vom Rumpfe getrennt,
fo fiel vom hellen blauen Himmel ein Himmel ein Regen herab.
Aber ein Jahr nachher, gerad’ am Todestag des Unglüdlichen,
flürzte die Erzgrube ein und verſchüttete die drei Bergleute,
welche ihren Kameraden verrathen hatten. Tros aller ange-
wandten Mühe vermochte man den Stollen nicht mehr aufzu-
finden, und fo liegt er verfchüttet bis auf den heutigen Tag.
Aloys Schreiber.
(Vergl. „Sagen aus Baden und ber Umgegend.” Karlsruhe, 1834.)
Der Hungerberg.
Hinter dem Schloßgarten in Baden, oberhalb des Tür-
kenwegs, zieht ſich der Abhang eines Hügels hin, welcher ge-
wöhnlih der Hungerberg genannt wird. Den Namen bat er in
Bezug auf einen frifchen Haren Bergqueli erhalten, der zwifchen
ben Tannen und Buchen des Waldes herabrauſcht. Fließt
biefe Duelle in der Adventszeit ſtark und voll, fo foll e8 ein
gefegnetes und fruchtbares Jahr anzeigen, ift fie aber um dieſe
Zeit ſchwach und hat wenig Waller, fo bedeutet ed Mißwachs
im nächſten Jahr, Theuerung und Hungersnoth. Bor Zeiten
glaubte man feft an die Vorzeichen diefer Duelle, der man den
Namen Hungerquelle gab, und Mande richteten ſich mit ihren
Verkäufen und Vorräthen darnadh. est hat ſich dieſer Glauben
Stadt Baden und Umgebung. 195
ziemlich verloren und nur fehr bejahrte Leute der Gegend wiffen
noch davon zu erzählen.
(Siehe „Sagen aus Baden und ber Umgegend. Karlsruhe, 1834.)
Das Kreuz auf dem Friedhofe.
Markgraf Kart hatte um bas Jahr 1462 mit einigen geift«
lihen und weltlichen Fürften einen. Bund gefchloffen gegen die
heilichen weftphälifchen Gerichte, obgleich unter feinen eigenen Rä⸗
then fih einige Wiffende befanden, wovon er jedoch nichts ahnte.
Da fand man eines Morgens an dem Thore des Schloffes zu Ba⸗
ben einen Brief angefchlagen, worin Markgraf Karl vor ben
heimlichen Richterftuhl zu Walldorf vorgeladen wurbe. Darob
entfiund bei Hof und in der Stadt große Bewegung und man
forfchte fireng nach dem Thäter. Unter Andern wurde auch ein
Fremder eingezogen, der fich des Nachts aus feiner Herberge
heimlich entfernt hatte und erft gegen Morgen wieder dahin
zurüdgefehrt war. Diefer fagte im Verhör aus, er fey ein
reifender Bildhauer, Meiſter Niklas mit Namen, und es
wandle ihn manchmal des Nachts die Luft an, im Freien um⸗
ber zu fehweifen und feinen Gedanken nachzuhängen. Diesmal
fey er, ohne zu wiflen wie, auf den Kirchhof gefommen, wo er
unter dem Oelberg eine Slamme in Geftalt eines Kreuzes vom
Boden auffteigen gefehn, worauf er alsbald gelobt habe, ein
fleinernes Kreuz zu verfertigen und ed an diefem Plate auf-
zurichten.
Der Markgraf maß diefer Ausjage wenig Olauben bei; ba
er aber im Begriff fland, zu dem unglüdlichen Zuge gegen den
Pfalzgrafen Friedrich V. abzureifen, fo befahl er, dem Gefan⸗
genen einen Stein, wie er ihn verlangen werde, und Werkzeuge
zu geben, damit er das Kreuz beginnen und vollenden könne.
Sollte derfelbe aber damit nicht zu Stande kommen, ſo erwarte
ihn der Tod durch den Strick.
Der Mann legte Hand an das Werk und es gelang ihm
wunderbar. AS der Markgraf ſpäter aus feiner Gefangen⸗
haft zurüdfehrte und das herrliche Werk fah, fand er an dem⸗
felden großen Wohlgefallen und ließ es auf dem Friedhof aur-
13°
196 Stadt Baden und Umgebung.
ftellen; dem Meiſter Niklas aber: fchenfte er die Freiheit und
behielt ihn in feinen Dienften, obgleich er ſich niemals überzeus
gen mochte, daß derfelbe nicht als Frohn im Dienfte der heili⸗
gen Behme geftanden. Wahrfcheinlich Hatte man den Darfgrafen
nur abfchreden wollen, noch ferner gegen jene ©erichte mit
Ernft einzufchreiten.
Noch jest ift Diefes Kreuz eine Zierde des Badener Fried-
Hofes und erregt durch feine funftvolle Arbeit die Bewunderung
des Kenners. Es trägt die Infchrift: Nikolaus von Leyden,
mit der Jahrzahl 1462; auch ein Wappen iſt Dabei angebracht.
(Siehe „Sagen aus Baden und ber Umgegend.” Karlsruhe, 1894.)
Das Kreuz auf dem Friedhofe.
(Andere Berfion.)
Auflodert des Gewiſſens Dual —
Die Jungfrau fanf getöbtet !
Es hat die Eiferfucht den Stahl
In ihrem Blut geröthet!
Da fehleift der Henker fchon das Schwert,
Der Künftler ringt die Hände:
„Des Lebens bin ich nimmer werth,
Wenn ich nur Frieden fände!”
Sein Blut ift flarr, die Stimme bricht,
Nicht Thränen können rinnenz —
Sieh — plöglich zuckt ein ſeltnes Licht
Durch gräßlich düſtres Sinnen;
Wie milder Thau ihm aufs Herz
Der Ruhe füße Labe,
Getröftet blickt er himmelwerts,
Lächelnd nach feinem Grabe.
Und ale des andern Morgens fam
Der Kerfermeifter frühe,
Des Mannes Hand der Jüngling nahm:
„Gott lohnt Euch einft die Mühe!
Stapt Baden und Umgebung,
Ind Schloß Hin zu dem Fürſten geht!
Hat er mic) einft geehret,
Sein edler Sinn, der ftetö befteht,
Die Bitte mir gewähret.
„Ich fordre ja mein Leben nicht,
Nur meiner Seele Frieden;
Bevor mein fterbend Auge bricht,
Sey mir die Friſt befchieden,
Ein Bild zu fchaffen noch, — mir if,
Als ſollt's mein beftes werben;
Das hehre Bild, wie Jeſus Chriſt
Einft flarb fürs Heil der Erden.”
Der alte Schließer weinend geht,
Der Fürſt erhört die Bitte,
Ein hohes Felfenftüde ſteht
Bald in des Kerfers Mitte;
Am Stein der Meifter nieberfniet
Mit Meißel und mit Hammer,
Ein heil'ger Drang die Bruft durchglüht,
Zum Tempel wird die Kammer.
Drauf täglich bis zum Dämmerfchein
Sieht frifch man ihn ſich regen,
Der Meißel brennt, ed klirrt der Stein
Bon feinen Fräft’gen Schlägen ;
„O friebenfel’ges Wunderbild,
Im Felſen hier verborgen,
Bald ſtehſt du da, verkläreſt mild
Dann meinen letzten Morgen!“
Wie rinnt der Schweiß die Stirn herab!
Da ſinken Schuld und Fehle,
Als trieb auch ſie ſein Meißel ab,
Gleich Schlacken von der Seele;
Was unerkannt im Buſen lag,
Fühlt mächtig er erſtehen,
197
198
Stadt Baden und Umgebung.
Des höchſten Friedens Weihetag
Erbluͤht in Chrifti Nähen. —
Und als nad raſchen Monden war
Das Bild der Schmerzen fertig,
Froh Füßt er’s, aller Sünde baar,
Des nahen Tods gewärtig.
Jetzt drängt ſich's durch die Kerferthür,
Ss, ihn zum Grab zu leiten?
Da fieht an feinem Werk herfür
Den Fürften felbft er ſchreiten.
Wohl alle Blide find gewandt
Dewundernd nad) dem Bilde,
Doch Markgraf Karl reicht feine Hand
Dem Künftler voller Milde:
„Der jüngft verübt die blut'ge That,
Lag fhon in Todesbanden,
Dod Der folh Bild gefchaffen bat,
Den heiß' ich auferflanden.
„Drum wo in foldhes Himmelslicht
Ein Geift ſich durft' erheben,
Tödt' ich den ird'ſchen Leib auch nit, —
Nimm frei zurüd dein Leben !«
Lang ſchweigt der Jüngling, es entquillt
Dem Aug’ der Rührung Zähre,
Dann blidt voll Demuth er zum Bild:
„Dem Mittler dort die Ehre!“
Weit drang des großen Meifters Ruf;
Sn nah und ferne Gauen
Manch herrlich Werk der Künftler fchuf,
Das heute noch zu fihauen;
Doc Feines hebt fich bis zu bir,
Umfpielt von heil’gem Strahle,
D Kreuz, du ernfte Friedhofszier,
In Badens Wunderthale!
Buftao Muhl.
(3u Straßburg.)
Stadt Baden und Umgebung. 198
Keller’3 Bild und Kreuz.
Gegen Ende des 15. Jahrhunderts verließ Markgraf Chri⸗
ftoph bie alte Stammburg feiner Ahnen und bezog das neue
Schloß, welches er auf dem Hügel, dicht über der Stadt Ba-
den, ſich erbaut hatte. Auf der alten Burg aber, deren Trüms
mer wir hoch aus dem Bergwalde ragen ſehen, blieb feine
Mutter zurüd mit zwei Hoffräulein, einem jungen Edelmann
. and der nöthigen Dienerfchaft und Schloßwadhe. Der Junker,
aus dem Gefchlechte der Freiberen von Keller, befaß alle
Vorzüge, um fich Teicht die Gunft.der Frauen zu erwerben,
wenn gleich feine Sitten ziemlich Iocder waren. Bor allen Da⸗
men aber hatte die reigende Klara von Tiefenau fein Herz mit
den fefteften Banden umftridt; im Haufe ihres Vaters, der ald
marfgräflicher Bogt in Ruppenheim lebte, weldhes damals
noch eine Stadt mit Gräben, Mauern und Thürmen war, hatte
fih diefe Befanntfchaft entfponnen. in bequemer Weg, von
dem jest noch die Spuren fichtbar find, führte vom alten Ba⸗
dener Schloffe nach Ruppenheim Durch einen dichten Wald und
unfer Junfer machte täglich, unter dem Vorwande ber Jagd,
in den Morgen = oder fpäten Abendftunden diefen Spaziergang,
um die Dame feines Herzens wenigftend auf Augenblide zu
feben.
AS er einft beim hellen Bollmondfchein von dort zurüd
wieder hbeimwanbelte und das Horn bes Burgwächters eben
Mitternacht verfündete, kam es ihm plöglich vor, ale fige, we⸗
nige Schritte nur von ihm, am Wege eine weibliche Geftalt, in
einen Schleier gehült. Wie gewöhnlich abenteuerluftig, fchritt
der innge Mann fe auf die Erfcheinung zu. Allein je näher
er derfelben Fam, defto unbeflimmter wurden ihre Umriffe, mehr
und. mehr in Nebelduft verfhwimmend und endlich ganz vers
fhwindend, ale er die Hand nad ihr ausftredte. Jetzt wandelte
ihn doch ein leifes Grauen an; da er aber beherzt und leicht»
finnig genug war, ging er, vor der Hand die Sache nur ale
ein Trugbild feiner Fantafie betracdhtend, am folgenden Abend
wieder an berfelben Stelle vorbei, um barüber ganz ins Klare
zu fommen. Die Geftalt faß, wie geflern, wieder auf dem
nämlichen Rafenpläschen, nur hatte fie jegt den Schleier zurück⸗
900 Stadt Baden und Umgebung.
geichlagen und das von einer Fülle dunkler Loden ummwallte
Haupt auf die Hand geftüßt. Der Junker ftuste einen Augen-
blick, trat aber dann, über feine Bedenklichkeit fich felbft inner-
lich ſcheltend, mit ritterfihem Gruße auf die Dame zu, doch
fiehe da! fie zerfloß, wie geftern, in einen lichten Nebelftreif.
Tags darauf theilte der Junker von Keller das Abenteuer
dem Burgfaftellan, einem klugen bejahrten Manne, mit und
erfuhr von ihm: auf der Stelle, wo das Bilb ſich gezeigt, habe
vor alter Zeit ein heibnifcher Tempel geflanden, daher dieſe
Stätte beim Bolfe verrufen fey' und Niemand aus der Umge⸗
gend es wage, Nachts dort vorüber zu gehen.
Der Junker gehörte weder zu den Leicht- noch zu den Aber⸗
gläubigen; was ihm ber Kaſtellan mitgetheilt hatte, reizte jedoch
feine Neugier auf eine andere Weife. Gleich des andern Tages
ließ er an der geheimnißvollen Stelle nachgraben und bald fand
man einen Fleinen, zierlihen, noch wohlerhaltenen altrömifchen
Altar, der, nach feiner Iateinifchen Infchrift, der Nymphe dieſes
Hains geheiligt war, und einige Schuh tiefer eine Marmorbüfte,
Die Arme und der Theil des Körpers von der Bruſt abwerts
fehlten und fchienen einft abfichtlih abgefchlagen worden zu
feyn; dagegen fonnte man feinen vollendet ſchöneren Mädchen-
fopf und Naden fehen. Der erfle Frühlingstraum des Lebens
fhien um Stirn und Augen zu fpielenz; ein Schleier umhüllte
nur einen Fleinen Theil der üppigen Locken, die zum jugendlich
fchwellenden Bufen niederringelten. Der Junker ließ den Altar,
fo wie das Marmorbild, auf dem Platz aufftelen, wo fie aus⸗
gegraben worden, und fo entfland der Name: Kellers Bilb.
In der Bruft des Jünglings hatte jedoch bie reizende Mar-
mornymphe wahnfinniger Liebe Flammen angefhürt und er
vermochte trotz alles Unheimlichen und Gefpenfterhaften, welches
die Erfeheinung im Walde ummwoben, fein Herz nimmer länger
zu meiftern, fondern wandelte bald darauf um die Mitternadht-
flunde, als gerade der Mond jene Stelle wieder beleuchtete, zu
dem Bildniffe. Da faß die jungfräuliche Geftalt am Fuße des
Altar, biefelbe, die er ſchon zweimal gefehen. Aber diesmal
Löfte fie fi nicht, wie fonft, in Nebel auf; ihre Umriffe traten
vielmehr immer deutlicher ins Licht, je näher ihr unſer Aben⸗
teurer kam.
Stadt Baden und Umgebung. 290
Ein beherzter Knecht aus der Burg war ihm aus Neugier
insgeheim nachgeſchlichen und blieb nun in einiger Entfernung
fiehen. Er ſah und hörte, wie der Junker mit der Jungfrau
ein Geſpräch anfnüpfte, aber als fie derſelbe gar nun in feine
Arme fchloß, da wandelte den Lauſcher ein ſolches Grauen an,
daß er eiligft nach der Burg zurüdflop.
Am Morgen darauf fand man den Junker von Keller tobt
am: Fuße des Altared liegen; das Marmorbild felbft war und
blieb verſchwunden. Kellers Bruder lieg den Altar in Trüm-
mer fohlagen und an deſſen Stelle einen Bildflod mit den Sym⸗
bolen der Erlöfung aufrichten; auf dem Punfte aber, wo der
Leichnam des unglüclichen Bethörten gefunden worden, ein
fteinernes Kreuz. Beide Denfmale ftehen noch am alten Wege,
der vom alten Schloß Baden nach Kuppenheim führt.
(Bergl. A. Schreibers „Sagen aus ten Nheingegenden und dem Schwarz⸗
walde.” Neue Sammlung. Heidelberg, 1839.)
Keller’3 Bild.
(Metrifhe Faſſung derſelben Sage.)
Es Tag ein altes Nymphenbild
Im Tannenforft begraben,
Wo vormals Heiden grimm und wilb
Mit Blut geopfert haben.
Es Tag in feinem Waldverfted
Wohl taufend Jahr vergeflen,
Bis diefen Schag ein Junfer Ted
Zu beben ſich vermeffen.
Einft ritt Herr Keller dur den Wald
Sn fpäter Nacht alleine;
Da winkt ihm eine Srau’ngeftalt
Am Weg im Mondenfcheine.
hr Auge fühn und minneflar
Hat ſchnell fein Herz umfponnen,
Doch bot er Hand und Gruß ihr dar, —
Schnell war das Bild zerronnen.
202
Stadt Baden und Umgebung.
Durdforfchen Tieß er prob den Pas,
Wo ihn der Schein betrogen,
Biel Klafter tief, fo warb der Schatz
Zum Licht emporgezogen.
Und als das fhöne Nymphenbild
Nun prang! an jener Stätte,
Da ſchien fein Sehnfuchtstraum geſtillt,
Als ob es Odem hätte.
Man fah ihn ſtill um Mitternacht
Das holde Weib umfangen,
Es hielt, vom Marmortob erwacht,
Ihn feſt mit Gluthverlangen.
Das hat kein ſterblich Ohr belauſcht,
Was Die zuſammen koſ'ten,
Die Tannen krachten ſturmdurchrauſcht,
Des Berges Duellen toſ'ten.
Und als des Frühthau’s erſtes Naß
Den Jäger rief zum Haine,
Da lag Herr Keller marmorblaß,
Ein Leichnam, bei dem Steine.
Drob war im Thal der Dos und Murg
Biel Leids und ängſtlich Wefen, -
Man ließ zu Baden auf der Burg
Dem Junker Meffen Iefen.
Zerfhlagen war dad Marmorweib,
Der Höllenfpud vernichtet,
Und an dem Ort zum Fluchvertreib
Ein Kreuzbild aufgerichtet.
Eduarb Brauer.
Stadt Baden und Imgebung. 203
Der Lindenfchmidt.
Es iſt nicht lange, feit ed geſchah,
Daß man den Lindenſchmidt reiten ſah
Auf einem hohen Roſſe.
Er reitet den Rheinſtrom auf und ab,
Hat ſein gar wohl genoſſen, ja genoſſen.
„Friſch her, ihr lieben Geſellen mein!
Es muß ſich nur gewaget ſeyn,
Wagen das thut gewinnen.
Wir wollen reiten Tag und Nacht,
Bis wir die Beut gewinnen.“
Dem Markgrafen von Baden kam neue Mähr',
Wie man ihm ins Geleit gefallen wär,
Das thät ihn ſehr verdrießen,
Wie bald er Junkern Kaspar ſchrieb:
Er ſollt ihm ein Reislein dienen.
Junker Kaſpar zog dem Bäuerlein ein Kappen an,
Er ſchickt ihn allezeit vorne dran,
Wohl auf die freie Straßen,
Ob er den edlen Lindenſchmidt fand,
Denſelben ſollt' er verrathen.
Das Bäuerlein ſchiffet über den Rhein,
Es kehrt zu Frankenthal im Wirthshaus ein:
„Wirth, haben wir nichts zu eſſen?
Es kommen drei Wagen, ſind wohl beladen,
Von Frankfurt aus der Meſſen.“
Der Wirth, der ſprach dem Bäuerlein zu:
„Ja Wein und Brod hab' ich genug!
Im Stalle da ſtehn drei Roſſe,
Die ſind des edlen Lindenſchmidts,
Er nährt ſich auf freier Straßen.”
Das Bäuerlein gedacht in feinem Muth:
Die Sache wird noch werden gut,
Den Feind hab’ ich vernommen.
204
Stadt Baden und Umgebung.
Wie bald er Junkern Kaspar fchrieb,
Daß er follt’ eilends fommen.
Der Lindenfchmidt, der hätt’ einen Sohn,
Der follt’ den Roffen das Futter thun,
Den Haber thät’ er fehwingen:
„Steht auf, berzliebfter Vater mein!
Sch hör’ die Harniſch' Klingen!“
Der Lindenfohmidt lag hinterm Tiſch und fehlief,
Der Sohn, der thät fo manchen Rief, (Ruf)
Der Schlaf hat ihn bezwungen;
„Steht auf, herzliebfter Vater mein!
Der Berräther ift fchon gekommen.”
Junker Kaspar zu der Stuben eintrat,
Der Lindenfchmidt von Herzen fehr erſchrack:
„Lindenſchmidt, gib Dich gefangen!
Zu Baden an dem Galgen hoch
Daran fo folft du bangen.”
Der Lindenfchmidt war ein freier Reiterömann,
Wie bald er zu der Klingen fprang:
„Bir wollen erft ritterlich fechten!“
Es waren der Bluthund’ al fo viel,
Sie fihlugen ihn zu der Erben.
„Kann und mag es dann nicht anders feyn,
Sp bit? ih um den Tiebften Sohne mein,
Auch um meinen Neiterdjungen;
Haben fie Jemanden Leids gethan,
Dazu hab’ ich fie gezwungen.‘
Junker Kaspar, der fprach nein dazu:
„Das Kalb mnß entgelten der Kub,
Es foll dir nicht gelingen!
Zu Baden, in der werthen Stadt,
Muß ihm fein Haupt abfpringen.
®
Stadt Baden und Umgebung. 205
Sie wurden alle Drei nad Baden gebracht,
Sie faßen nicht länger denn eine Nacht;
Wohl zu derfelbigen Stunde,
Da warb der Lindenſchmidt gericht,
Sein Sohn und der Reitersiunge, ja Junge.
(Altes Volkslied.)
Der verfunktene Wagen.
An der Badener Antiquitätenhalle ift unter Anderen ein
römifcher Grabftein aufgeftellt, dem Andenken des Lucius
Aemilius Crescens geweiht; auf der untern Hälfte des
Steines ift ein Wagen mit Pferden eingehauen. Diefe Platte
war früher in einer Mauer des ehemaligen Kapuzinerflofters
(des jegigen Gafthaufes zum Badifchen Hof) angebradt, und
die Auslegungsfunft irgend eines Mönches belehrte das Teicht-
gläubige Volk mit folgender Gefchichte: Die Bewohner des
alten Badener Schloffes führten einft vor Zeiten ein gar hof⸗
färtiges und ärgerliches Leben, indem fie flets in Saus und
Braus von ihrem Reichthum ſchwelgten. In ihrem Ueber⸗
muthe hatten fie von der Burg bie zum Kapuzinerflofter herab
mit großen Koften einen unterirbifhen Gang bauen laſſen,.
fo hoch und breit, daß man mit Pferden und Wagen darin
bequem zu Thale fahren konnte. inftmald waren mehrere
Ritter auch auf diefem Wege zur Stadt herunter gelommen und
fuhren an der offenen Kirchenthüre vorbei, als eben der Priefter
bei einem feierlichen Hochamt das hochwürbigfte Gut des Abend»
mahles austheilte. Unbefümmert darum Tiefen die Edelherren
ihren Wagen vorüberrollen, ohne nur einen Augenblid anzuhal-
ten, um dem Allerheiligften ihre Verehrung zu bezeugen. Allein
die Strafe folgte diefem Vergehen auf dem Fuße nad. Plötzlich
öffnete fih die Erde, Roß und Wagen mit fammt den Frevlern in
ihre Tiefe verfeälingend, und zum warnenden Gedächtniß dieſes
Borfalls ward der Wagen an einer Mauer des Kloſters abgebildet.
Nicht fehr abweichend von obiger Sage iſt die folgende, de⸗
ren Stoff aus Mone's „Anzeiger“ gezogen ifl.
®
206 Stadt Baden und Umgebung.
Sp fährt man zum Teufel.
Alldort bei der Kirche der Kapuziner
Fahrt der Graf in der Kutfche mit feinem Diener.
Das Glöcklein zur heiligen Wandlung fehallt,
Der fromme Knecht ruft: „Rutfcher halt!
„Halt' an zu Ehren Jefu Chrift,
Bis die heilige Wandlung vorüber ift !”
Da fchreit der Graf: „Schweig, Efel du!
Kutfcher, fahr? zu, fahr? dem Teufel zu!“
Dem Grafen faum dies Wort entwich,
Sp öffnet der Kutſche Boden fi,
Und unter ihr der Erde Grund
Und fchlingt hinab den Läftermund.
u A. Schale.
Ein Sefpenft lieſt Meſſe.
In die Stiftskirche zu Baden war ein Mann, den ber
Schlaf während des Abendgottesdienftes überwältigt Hatte, ein-
geichloffen worden. Er erwachte erfi um Mitternacht und fah,
beim Schimmer der ewigen Lampe, wie ein gefpenftiger Priefter
im Meßgewand aus der Safriftet an den Altar trat und ſich
anſchickte, Meffe zu leſen. Als das Gefpenft fich umwendete,
die heilige Handlung zu beginnen, ward es den Mann gewahr
und winkte ihm, zum Meßdienen herbei zu kommen. Diefer
aber, voll Angft, ging nicht von feinem Plage, worauf der Geift
die Mefie ohne einen Diener hielt und nach deren Beendigung
in die Safriftei zurüdfehrte. Am andern Tag erzählte ber
Mann das Gefchehene feinem Dienftherren, der ihm rieth, die
folgende Nacht abermals in der Kirche zu bleiben und dem
etwaigen Begehren des Gefpenftes zu willfahren. Der Mann
folgte dem Rath und ging, nachdem ihm um Mitternacht ders
felbe Priefter wieder gewinkt hatte, getroft zum Altar und bes
Stapt Baden und Umgebung. 207
diente die Meffe, wie es fich gehört. Als diefe zu Ende war,
ſprach der Geift: „Gott und dir fey Dank für meine Erlöfung,
worauf ich fehon viele Jahre harre! Weil ich bei meinen Leb⸗
zeiten einmal in biefer Kirche ohne einen Diener Meſſe gelefen,
warb ich nach meinem Tode verurtheilt, fo Tange bier umzuges
ben, bis Jemand mir Meſſe dienen würde, Du haft diefes nun
gethan und ich gehe jet ein in bes Heren Freude, wo ich deiner
nicht vergeffen werde !”
Hierauf verfchwand der Priefter, der Mann aber Hard nah
drei Tagen,
(Siehe Mone's „Anzeiger 20,” 3, Jahrg. S. 35.)
Das Neh im Steinwäldchen.
Ein SYüngling ging zu jagen
Mit feinem Hund allein,
Als es begann zu tagen,
Tief in den Wald hinein,
Da rafchelt’s in den Eichen,
Borüber fliegt ein Reh,
An Weiße zu vergleichen
Dem frifchgefallnen Schnee.
Und Hufh! mit Windesfchnelle
Folgt Jägersmann und Hund,
Dis es an einer Duelle
Saft trugig ſtille ſtund.
Doch, wie gelähmt die Glieder,
Der Jäger inne hält,
Und auf den Boden nieder
Ihm Pfeil und Bogen fällt.
Denn an des Brünnleing Rande
Im friſchen, fühlen Gras,
Im filbernen Gewande,
Die fhönfte Jungfrau faß.
208 Stadt Baden und Umgebung.
Die fchlanfe Hindin firedet
Sich ihr zur Seite hin,
Und fchmeichelt ihr und Yedet
Die Hand der Schüberin.
Die Dogge fihmiegt füch zitternd
An ihres Herren Fuß,
Ein höhres Wefen witternd,
Dem fie fih beugen muß.
Die Maid, mit fanfter Frage
‚Sieht nun den Jäger an:
„Was hat, o SJüngling, fage,
Dir diefes Thier gethan ?”
Der Waidmann bebt und wendet
Beſchämt die Blide ab,
Bom Sonnenglanz geblendet
Der ihr Geſicht umgab.
Und als er wieder fehauet,
Da ift Die Stätte leer;
Der Süngling flieht, ihm grauet,
Er jaget niemald mehr.
Doch immer zieht's ihn, immer
An diefen Ort zurüd,
Die Jungfrau fieht er nimmer, —
Verſchwunden ift fein Glück.
A. Schale.
Die Sage vom Baldreit,
Der Name Baldreit rührt von einem erlauchten Kurgafte
ber, der einft, gichtbrüchig in einer Sänfte ins Bad gefommen,
unvermuthet bald von dannen geritten ifl. Früh Morgens vor
Sonnenaufgang ift der Fürft (ein Pfälzer) friſch und fröhlich
erwacht, ohne Schmerz und Weh; da hat er feine, gleichfam
- neugebornen Gliedmaßen in fein Feſtgewand gehüllt, iſt leiſen
Stapt Baden und Umgebung. 209
Tritted in den Stall gegangen, um fein Lieblingsroß zu fatteln,
und wie er, dem Knechte rufend, das vor Luft laut wiehernde
und ftampfende Thier in den Hof zieht, um aufzufigen, da er-
wachen Wirthsleute und Gäfte. Schon hat der Fürft, der geftern
noch am Krüdenftod einberhinkte, den linken Fuß im Bügel:
der Wirth macht am Fenſter in feiner Schlafftube ein fo ver-
bfüfftes Geſicht, ald nur je einer feines Gleichen gemacht haben
mag; die Wirthin bezeigt ihm von hinterrüds ihren Unwillen,
daß er das Auffiehen des hohen Gaſtes verſchlief; der Haus⸗
knecht aber kann nicht fehnell genug die Thorflügel aufreißen,
denn im nächſten Augenblid wird der freifame Reitersmann in
rafhem Schwung auf dem muthigen Roß fisen, und dann ift
fein Halt mehr, fondern fort geht es, und des Herrn fräftige
Stimme gehört dazu, daß nicht unter dem Getöfe fein Tachendes
Wort: „Wie bald reit' ich doch!” verhalle. Nur die erfte und
bie zwei legten Silben wurden nicht gehört, und bie Herberge
heißt ſeitdem zum Baldreit; doch Fehren Tängft ſchon feine Für-
fien und Herren mehr darinnen ein, und von allem Glanz blieb
nur der Namen übrig, der, nebenbei bemerkt, im Munde bes
Bolfes fehr häufig „Baldreich” Yautet, was für ein Armenbab
fpaßhaft genug Hingt, Wenn jedes Gafthaus in Baden den
Namen davon führte, daß ein Gaſt unvermuthet ſchnell fih auf
und davon gemacht hat, dann gäb’ es feinen Hof und feinen
Schild mehr, fondern überall die Auffchrift: zum Baldfahr oder
Baldlauf; aber beim Baldreit war eben das Wunderbare, daß
der Gaft durchgegangen ift, und dennoch feine Zeche bezahlt Hat.
(Karlsruher Zeitungs-Eorrefp, vom 1. Juli 1845.)
Fremersberg.
Der Teufel iſt ein eigner Degen;
Einſt wollt’ er auch, wie große Herrn,
Der füßen Frühlingsruhe pflegen
Auf einem Berg, der Hölle fern.
Bald war der Luſtſitz auserforen :
Ein fhmudes Schloß mit Thurm und Schanz',
I. 14
210
Stadt Baden und Umgebung.
Das ſah mit feinen hohen Thoren
So recht in's Herz des Schwahenlandg,
Und rings ein Wall von grünen Bäumen,
Durchſchallt von friſchem Droſſelſchlag, —
Biel? tauſend Blumen in den Räumen —
Es war ein Pläschen, wies in Träumen
Das Herz fih gern erichaffen mag.
Bald war der Hofftaat ganz bequemlich
Im alten Schloffe einquartiert.
Dem Teufelspad gefiels vornehmlich,
Und Jeder lebte ungenirt.
Mer nennt fie Alle, die da Tamen,
Die Herren mit und ohne Namen?.
Die Fürftlein und die Excellenzen,
Die Hochgeöhrten mit den Schwänzen,
Die Dirnen mit entlaubten Kränzen,
Die Herrin Magifter und Dipiomaten,
Die Herrn Minifter und Magiftraten,
Und al den under von Teufelägnaden?
Wer kennt fie alle die Fleinen Fräckchen,
Wer kennt fie alle die kleinen Geckchen,
Die Dummen und die Schlauffugen,
Sammt Denen, bie ald Sündenfledchen
Noch die Tonfur zur Schau trugen?
Da war ein Jubel fonder Ende,
Und jede Nacht zum Tag erhellt;
Es war, als hätten Geifterhände
Des alten Broden Felfenwände
Im Schwabentande aufgeftellt.
Die rothen Feuergarben flogen
Derfengend in das Thal hinein,
Die Sterne felbit am Himmelsbogen
Erglühten in dem Höllenfchein.
Schwarzgraue Katzenweiber boden
Miauend an der dunfeln Glut,
Des Teufels Mutter dreht am Rocken
Stadt Baden und Umgebung.
Die glüh’nden Fäden mit Frohlocken
Und fingt ein Sprüchlein wohlgemuth.
Rothaugige Tenfelsbivnen Tefon
Im dichten Walde Reifig auf,
Die Einen binden sen zu Befen,
Die Andern ſchneiden Fragen drauf;
Denn auf dem Befen, wie ‚befannt,
Macht gern der Herr den Ritt in’s Land.
Hui, welche Luft, wenn ſolch ein Pferd
Mit Pruhſten in die Lüfte fährt,
Did es, von einem Stern entzündet,
Als glüh'nde Aſch' im AL verfchwindet,
Und man den Reiter mit tollen Fragen
Kopfüber fieht zur Erde plagen!
So geht es, bis der Morgenftrahl
Ein Ziel dem tollen Spuke ſetzt.
Was Wunder, dag das Volk im Thal
Ob folhem Graus, ob folder Dual,
Im tiefften Herzen fich entſetzt?
Da ward berathen und gefonnen:
„Wie wenden wir’s zu diefer Frift ?
Derfieget ift der Segensbronnen,
Was wir gewonnen, iſt zerronnen,
Die Hölle hält ung ringe umfponneu,
Hilf ung, Marie! Hilf, Jeſu Chriſt!“
Und fieh! da warb zu guter Stunde
Ein gutes Wort in’d Werk gefest:
Ein FKirchlein bau'n fie auf dem Grunde,
Wo ſich die Hölle müd' gehebt;
Ha, wie die Kuppel glänzt und loht
Im Morgen- und im Abendroth !
Und aus dem Thale ziehn die Schaaren
Mit baarem Haupt den Berg hinan,
Boran ein Greis mit Silberhaaren,
Ein Priefier, feſtlich angethan;
Zwei Knaben, Kreuze tragend, fihreiten
Sm weißen Shorhemd ihm zur Seiten. —
14*
211
212 Stadt Baden und Umgebung.
Der Teufel lauſcht im nahen Hag,
Und eh’ er ahnt, was fommen mag,
Iſt er, durch Kreuzeöfraft, zu Hand
Tief in die Thalfchlucht ſchon gebannt.
Horch, wie er ächzt! ihn drückt die Laſt,
Ihn drückt der Fluch zu Boden fa. —
Und fieh’! da kehrt zur felben Stunde
Ein neuer, fehöner Frühling ein;
Es Tenzt und ſchwillt in jedem Grunde,
Die Blumen wuchern in die Runde,
Und Nachtigallen ſchlagen drein.
Und ſteht ihr auf des Schloffes Wall
Und fpäht hinab ing grüne Thal,
Wo fih, in hoher Berge Mitten,
Die Bänme ihrer Frucht entfchütten,
Sp hört ihr wohl ein ängftlih Klagen
Dumpf an bie Selfenwände fohlagen;
Den Sturmwind, meint ihr? — Wollt erlauben:
Das ift des Teufels Racefchnauben.
| Friedrich Dtte (Zetter)
(zu Mühlhauſen im Elfaß).
Der Ahornbaum.
Am Abhange des Fremersberges bei Baden lag einſt die
Altenburg, von welcher Alles verſchwunden iſt bis auf ihren
Namen. Zur Zeit, als noch einige Ruinen vorhanden waren,
kam ein junger Bauer dahin, um einen auſſerordentlich dicken
Ahorn zu fällen, der zwiſchen dem Gemäuer ſtand. Mit kräfti⸗
gem Axtſchwung hieb er auf den Stamm los, allein die Schärfe
des Eiſens glitt ſpurlos an der glatten Rinde ab. Da trat
eine ſchwarzgekleidete Jungfrau zu ihm aus den Trümmern her⸗
vor und fragte, was er mit dem Holze zu machen gedenke?
„Ei!“ — antwortete der junge Landmann — „Tiſch, Stühle
und anderes Hausgeräth möcht' ich mir daraus verfertigen,
denn auf den St. Martinstag werde ich heirathen.“
„Dieſer Ahorn widerſteht auch dem beſten Stahlbeile, ſo
Stadt Baden und Umgebung. 213
Yang ihn meine Hand nicht berührte” — fagte die Jungfrau
— „doch will ich gerne dein Werk fördern, wenn du mir gelobft,
aus den Brettern auch eine Wiege zu zimmern und dein erfiges
bornes Kind hinein zu legen.“
Nach kurzem Ermwägen, dag in Erfüllung diefer Bitte nichts
Gefährliches Liegen könne, gelobte der Züngling, fo zu thun.
Die Jungfrau berührte nun den Stamm und nad wenig
Minuten fiel er unter den Streichen der Art zu Boden, aber in
demſelben Augenblide war auch die Erfcheinung verſchwunden.
Der Bauer hielt fein VBerfprechen und legte, als ihm fein
Weibchen nach einem Jahr ein Knäblein geboren, das Kind in
die aus ben Brettern des Ahorns gezimmerte Wiege. Als feine
Frau eined Tages bei derfelben faß und den Knaben darin
ſchaukelte, trat auf einmal die Jungfrau in die Kammer herein,
ein dürres Zweiglein in der Hand tragend. Sie betrachtete
das Kind eine Weile und faltete dann die Hände zum flillen
Gebet. Hierauf reichte fie der erflaunten Mutter das Zweiglein
und fagte: „Bewahret forgfam, was ich Euch bier übergebe.
Sobald Euer Sohn das fünfzehnte Jahr zurückgelegt hat, fol
er den Zweig in reines, frifches Waffer ſtellen, und wenn biefer
dann Blätter und Blüthen treibt, hinaufgehen auf die Alten-
burg und mit bemfelben den gegen Morgen ftehenden runden
Thurm berühren, deſſen Eingang verfhüttet ifl. Dies wird
fowohl zu feinem Lebensglüde, als zu meiner Erlöfung dienen.“
Die Mutter des Knaben, eine fromme gottesfürdtige Frau,
war frob darüber, daß ihr Kind beftimmt feyn follte, einem
irrenden Geifte zur ewigen Ruhe zu verhelfen. Der Knabe
wuchs heran in Zucht und Ehrbarkeit, und als er das fünfzehnte
Jahr erreicht hatte, flieg er hinauf zu den Ruinen und berührte
den Thurm mit dem nun von Blättern und Blüthen prangen-
den Zweige. Da öffnete fich alsbald der verfchüttete Eingang
und die ſchwarzgekleidete Jungfrau fland vor ihm. „Wohl dir
und mir!” — rief fie aus — „daß endlich diefe Stunde ges
fommen! Ich war einft jung und ſchön, die einzige Erbin
meines Gefchlechtes und einem jungen Ritter verlobt, an bem
ih mit abgöttifcher Liebe hing. Allein er brach bie mir ge,
fhworene Treue und gab feine Hand einer Anderen. Bald
aber fand er den Tod auf dem Schlachtfelde, feine Burg wurbe
714 Stadt Baven und Umgebung
zarftört und ſeine Wittwe flüchtete ſich mit ihrem Säugling auf
Dem Arme. Bon bes Tages’ Gluth und dem weiime Weg er-
ſchöpft, ſuchte fie eines: Abende Ruhe im Schatten des Ahorns,
der an der Mauer der Altenburg finad. Ich aber, noch. immer
vachbegiarig, ließ fie durch meine Knechte mit Schinepf und
Spots hinwegtreiben, aber ihre lebten Kräfte manen geſchwun⸗
den, ihre Siane verwirrten fi, fie ſprach einen gräßlichen
Huch über mich aus und flürgte frh mit dem Kinde ind Wafı
ſer. Der Fluch der Sterbenden ging im Erfüllung. Cine
Krankheit zerriß fehmell den, Faden meines- Lebens: und- meine
Burg warb: ein. Raub der Flammen; mein Geil aber follte
ruhlos umberisven , bie aus den Breitern des Ahorns eine
Wiege gezimmert und Das Kind barin- fchlummera würde, wel
ches mich zu: exlöfen. beftimmt if: Die Gebeine ber. unglücklichen
Mutter und ihres Knäbleins- liegen bort unter dem Hügel, wo
ein bemoofter Grabſtein die Stätte bezeichnet: Geh bin, grabe
fie aus und fege fie bei in geweihter Erbe! Der Segen bes
Himmels: wird dafür in deinem Haufe blühen und auf beine
ganze Samilie übergehen.”
Der Süngling. folgte getveulich der Jungfrau Geheiß und
Süd und Ehre frönten noch feine ſpäteſten Lebenstage.
(Siehe U, Schreiber’s „Sagen aus der Rheingegenden ⁊c. 2c.”)
Die Altenburg.
Anderthalb Stunden von Baden-Baden, an dev Heer-
firaße, wo die Ebene gegen das Gebirg anzufleigen beginnt, lag;
vor Zeiten. die Altenburg, von weicher nichts mehr vorhanden
ift, als ihr Name, den jegt. ein Hofgut trägt, welches wahr-
fheinlih aus den ehemals zue Burg gehörigen Ländereien: ent⸗
fanden. Das Geſchlecht der Edeln von: Altenburg, die hier
ihren. Wohnſitz hatten, mag. bald nach dem. dreißigfährigen Krieg,
erlofchen feyn. Kaspar von Altenburg, ber Letzte feines:
Namens, verlobte fi noch als Jüngling mit einem frhönen,,
aber armen: Fräulein aus dee Gegend, brach jedoch fpäter fein
ihr verpfänbeies Wort und ehelichte flatt ihrer eine junge vor»
nehme und reiche Wittwe., Darüber grämte fih Die arme, um—
Stadt Baden und Imgedung. 215
ihr ganzes Lebensgluck Betrogene fo tief, daß fie in eine. ſchwere
Krankheit fiel, von der fie zwar wieder fo ziemlich genas, aber
num, um dem Grabe defto langſamer entgegen zw geben.
Kaspar's Ehe ſchien deſſen ungenchtet eine glückliche: feine
Frau gebar ihm vier Söhne und eine Tochter; er war mit
Gutern aller Art gefegnet und die Vergangenheit flörte nicht
im: Seringften die Ruhe feines: Gewiſſens. Nur eines Tages
ſchwebte plötzlich das Bild feiner verlaffenen Geliebten vor. ſei⸗
ner Seele, ohne daß er ſich zu erflären: wußte, wie e& im feine
Gedankenreihe gefommen. Da meldete man ihm einen Franziska⸗
nermönd, ber ſodann mit ernfler, faft trauriger Miene in das Ges
nad trat, „Herr Ritter!” begann er — „ich komme als Bote
von einem Sterbelager, wo ich zum legten ſchweren Gang eine
Jungfrau eingefegnet habe. Sie war ehemald Eure Braut und
Ihr habt fie um einer reicheren Heirath willen fehnöde verlaf-
fen und mit den: Blüthen ihres Herzens auch die ihres Lebens.
geknickt. Doch ich bringe Euch die Verzeihung der Sterbenden,
ober auch ihre fromme Bitte: Euch mit Eueren Gebanten von
ben: weltlichen Dingen ab und zu Gott zu wenben, benn Eurer
warten nunmehr große Trübjale und Ihr werdet ber Lebte
Eures Namens feyn.”
„Wohl bin. ich mir bewußt,” — erwieberte ber Ritter mit
zu Boden gefenkten. Blicken — „unrecht an der Jungfrau ge-
handelt zu haben, die meiner noch fo liebevoll verzeihend im
ihrem legten Ständlein gedachte, allein,“ — fuhr er, mit er⸗
zwungenem Lächeln wieder zu dem Mönche auffehend, fort —
„ihre Prophezeihung vermag mich nicht zu ſchrecken; blühen
mir ja doch vier lebensfrohe, gefunde Knaben.”
„Die Sterbenden fehen oft belle!” — verfegte ber Mönch
in feierlichem- Tone und. beabfchiedete fich.
Der Ritter Fonnte ſich Teineswegs einer bangen Ahnung er-
wehren, doch er fuchte fle mit dem Trofte von fich zu verfcheu-
chen: Wenn mir auch. der Himmel zwei ober drei meiner Söhne
binwegnimmt, fo wird er boch fo gnädig feyn, mir noch Einen
zu Kaffen, auf daß in ihm der Name der Altenburger fich forts
erbe. Noch Bing er dieſem Gedanfen nad, als ein Diener
mid bey Schreckenspoſt eintrat: der jüngfte Knabe fey im Schloß
garten in ben Teich. gefallen, da habe ihm der drittälteſte Bruder
216 Stapt Baden und Imgebung.
Hülfe Teiften wollen, fey aber auch In das Waffer geſtürzt und.
fo hätten Beide ihren Tod darin gefunden.
Am Morgen darauf fand man die beiden Altern Brüder
zerichmettert in ihren neben einander flehenden Zeiten Liegen.
Ein Theil der Zimmerbede war über ihnen eingeftürzt.
Sept erſt bohrten ſich die Stacheln des Gewiffens tief in
das Herz des fchwergeprüften Vaters. Er legte ſich die härteften
Bußübungen auf, theilte reichliche Almofen aus und verfagte
fi die unfchuldigften Freuden des Lebens. Nur Eine Hoffnung
war ihm noch geblieben : fein Töchterlein, welches auch wirklich
frifch und gefund heranwuchs. Sein und feiner auch bußfertig
gewordenen Gattin tägliches Gebet war nun: „Gerechter Gott
im Himmel! nur diefes noch einzige Kind la’ ung!" — Ihr
Gebet ſchien auch erhört zu werden. Bertha — fo hieß das
Mädchen — überlebte fie Beide; fie war achtzehn Jahre alt,
als ihre Eltern flarben, aber das Schiefal ihres Haufes hatte
eine ſolche Schwermuth in ihrem Herzens erzeugt, daß ihre Le⸗
benskraft fih darunter allmählig verzehrt. Sie warf fi in
die Arme der Religion und wählte zum Beichtvater einen
Mönch aus Baden. Diefer berevete fie, ehelos zu bleiben und
die Güter von Altenburg feinem Kloſter zu vermachen. So ge-
Shah es auch und nach ihrem bald darauf erfolgten Tode traten
die Väter der Gefellfehaft Sefu in den Befiß der reichen Län-
bereien.
(Siehe A, Schreiber’s „Sagen aus den Rheingegenden“ 2c.)
Schlage Deine Mutter nicht!
Auf dem Kirchhofe zu Sinzheim bei Baden fpufte frü-
her der Geift eined Bürgermeifters in einem weißen Mantel.
Damals fam an einem Winterabend ein Bauernburfch in die
Spinnftube und fragte, wer wohl Muth genug babe, jest auf
den Kirchhof zu gehen und dem Gefpenft ven Mantel abzuneh-
men? Eine herzhafte Magd, in der Meinung, die Burſche
hätten dort, um ben Leuten Furcht einzufagen, einen Schnee:
mann errichtet und ihm ein Bettuch umgehängt, erklärte ſich zu
dem Wageftüd bereit, ergriff einen Stock und ging allein auf
Stadt Baden und Umgebung. 217
den Kirchhof. Als fie mitten darin war, ſtand das Gefpenft
unbeweglich da; fie riß ihm aber den Mantel ab und fchlug
mit ihrem Knüttel fo lange auf ihn los, bis er ausrief: „Halt
ein, ich babe nun genug gebüßt! Gib mir fegt meinen Mantel
wieber 1” — Die Magd ſprang aber mit dem Mantel davon,
und brachte ihn in Die Spinnftube, wo er beim Anfühlen wie
didder Nebel befunden wurde. Am näcftlen Tage fiund ber
Geift noch auf demfelben Plage; worauf man bem Pfarrer
Anzeige davon machte, welcher die Magd nun vergebens ers
mahnte, dem Gefpenfte den Mantel wieder umzuhängen. Erſt
auf Befehl des Richters verftand fie fih dazu, worauf der Geift
augenblicklich verfehwand und dann aus der Erde die Worte
hören ließ: „Du haft mich erlöſt; ich Hatte einft meine Mutter
gefchlagen und mußte nun dafür eben fo viele Streidhe von
einer Perfon erhalten, welcher ich feinen Anlaß dazu gegeben.“
(Siehe Mone’6 „Anzeiger 20.” Jahrg. 1838.)
Kloſter Lichtenthal,
Miofter, in dem lichten Thal,
Edier Frauen heilig Mat!
Nimm mich auf in deine Hallen,
Wo die Himmeldbräute wallen |
Sn dem Kirchlein, ſchwach erhellt,
Iſt's, man ſcheide aus der Welt;
Heil’genbilder, Engelsſtimmen,
Herzen, die von Andacht glimmen.
Orabesfteine, fromm geweiht,
Drauf Geftalten ferner Zeit,
Welche mit gefaltnen Händen
Ihren Blick zum Himmel wenden.
An dem Kirchlein — Gottes Flur
In dem Frieden der Natur,
Wo fie harren, bie da ftarben,
Auf den großen Tag der Garben, —
218
Stadt Baden une Umgebumg.
All die Gräber, RER und grün).
Bäume, Die darüber Hahn!
Rieden möcht? ich hier mic Yegen,
Sohlummern unter Bfüthenrogen.
Nur ein Kranz auf jedem Grab
Und bie Teste Liebesgab’,
Eine welfe Blumenfrome —
Schöner wird fie Dort zum Lohne,
Da des Berges grüne Wand,
Hier ber Todten ſtilles Land,
Und des’ nahen Waldes Schauer
Und der Nachtigallen Trauer !
In dem Kirchlein ver Gefang
Zu der Orgel hehrem Klang,
Engel, die hernieder fleigen
Und den Weg zum Himmel zeigen.
AH! ins Weltgewühl zurüd
Kehr' ich nun mit. feuchten Blick:
Ketten werd’ ich wieder finden,
Die mih an die Erde binden.
Moys Schreiber.
Aus Lichtentbal,
Frag nicht: Warum war beine Wahl
Das ferngelegne Lichtenthal,
Statt Badens ſtolzer Quelle?
Fliehſt Du nicht gern ins Mondenlicht,
Mein Freund! wenn Gram dein Herz zerbricht,
Vom Markte zur Kapelle?
Die Sonne biſt, o Baden, du;
Europa's Menſchenmarkt ohn' Rudi,
Glanzvoll und: werth zu ſchauen.
Stadt Badeen und Umgebung. 21%
Doch du, mein fies Licheenthah!
Du bih des Mondes milder Strahl,
Mit frommen Kloſterfrauen.
Mit tauſend Waſſern friſch und rein,
Melodiſch quellend aus dem Stein,
Den Moos und Sinngrün decket,
Mir Wäldern, wo bie Nachtigall,
Statt der Mufifen lauter Schall,
Den müden Schläfer wedet.
Glanzreiche Sonne, dir fey Preis!
Doch wen du bift zu Licht, zu Heiß,
Der flich mit feinen Wunden
Ins lichte Thal, vom Zauberftrahl
Des Monde verflärt, nach Lichtenthal —
Gewiß, er wird gefunden!
Juſtinus Kerner.
Lichtenthal.
Wie! dies wäre der Weg, der ben ſtaunenden Wandever
leitet
Zu: dem Aſyle, wo Ruh finder das ſchmachtende Herz?
Wiel dies wäre der Weg in die friedlichen Räume des Kloſters,
Hier, wo das laute Gewuͤhl bunter Geſtalten fi drängt?
Hier, wo mit Flügeln des Windes, in Amazonen verwandelt,
Durch den umwirbelnden Staub Albions Töchter entfliehn!
Ha! wie flatterr Die Loden, die Schleier, wie pochen Die
Bufen |
Mancher verberbliche Pfeil züdt aus: den Augen herab.
Sieh nur, wie Heibet fo hübſch das ſchwarze Barett Die Blon⸗
bine,
Welchen der flüchtige Strauß hat das Geſieder geliehn!
Sieh, wie die Grazie leicht auf dem ſchäumenden Zelter ſich
ſchaulelt
Und wie bie Wangen. ihr: glühn, — Mädchen, wie biſt du fo
| ſchön!
220 Stadt Baden und Umgebung.
Aber fie faufen vorbei durch den Gang altprädhtiger Eichen,
Deren erquidendes Dach üppig fich über ung wölbt. —
Sonntag ſcheint es hier immer zu feyn; in ben bunteften
Oruppen
Wandeln im glänzenden Zug Herren und Damen vorbei.
Neugier findet und Lachluft immer Befriedigung reichlich,
Heiteres Wechfelgefpräch, eiteles Geckengezier;
Hier auch flittert Die Mode vorbei in unzähligen Farben,
Und aus dem neueften Heft hüpfen die Bilder heraus. —
Dort auf dem fihlängelnden Pfade, der hinläuft neben dem
Hauptweg,
Sitzt auf der moofigen Bank flüfternd ein zärtliches Paar;
Wohl Fam, Heilung zu fuchen, fhon Dancer zur reizenden
Badſtadt,
Doch ein verwundetes Herz bracht' er nach Hauſe zurück.
Aber es fand auch Mancher ſchon hier, was er lange vermißte,
Ein gleichfühlendes Herz, innigen Liebesgenuß.
Keinerlei Heilquell kann ſo Wunder vollbringen, wie Liebe,
In das verödete Herz ruft ſie den Frühling zurück.
Wandle nur, glückliches Paar, kein Lauſchender möge dich
ſtören!
Feire den vollen Triumph, Liebe, der Liebenden ſtill!
Aber nun folgt mir wieder zurück auf den Weg zu dem
Kloſter,
Miſcht euch wieder mit mir dort ind Gewühle des Zugs!
Amor verlocket uns fonft in unendliche Waldlabyrintbe,
Und in das klopfend Herz zifchet der fichere Pfeil. —
Seht hier! nieblihe Kinder auf forgfam trabendem Maulthier,
Und mit dem fpornenden Stod fchreitet der Führer zur Seit’;
Dort am Duell im Gebüfche, da bieten die Knaben gefchäftig
Köftliches Waffer dir an gegen ein Feines Gefchenf;
Haft du getrunfen genug von den ſiedenden Thermen der Badftabt,
Sehnft du mit wahrer Begier dich nad) dem fühlenden Born. —
Dies die Allee zum Klofter alſo, dies wären die Pilger,
Deren unendlicher Zug plaudernd bie Vögel verfheucht ?
Wallen fie hin zum Gebet? Doch nein, bei dem Thore bes
Kloſters,
Stadt Baden und Umgebung. 221
Kehren die Schmwärmenden um, oder zerſtreu'n ſich im Thal,
Oder befteigen Cäcilienberg und die heitere Seelach,
Oder bei Wein und Kaffee ſcherzen den Abend fie weg.
Gern doch weil’ ich im Klofter am Ufer des fchäumenden
Waldbachs,
Hinten von dunkeler Wand träumriſcher Tannen begrenzt:
Wenige folgen mir nur in den Frieden der ſtillen Kapelle,
Wo das gemeiſelte Bild Rudolfs des Langen ſich ſtreckt,
Auf dem Paradebette, von rieſigen Löwen bewachet;
Manch ein Gedenkmal noch dämmert aus Niſchen hervor.
Und nun tret' ich von da in die hallenden Raͤume der Kirche,
Wo mit der Orgel vermählt klinget der Nonnen Choral.
Seltfamer Wechfel! — Verſtummt iſt der Welt Inutraufchendes
Wogen,
Und in das fromme Gebiet fenft fih der Himmel herab.
Aus dem Gewirbel der Fluth in der Andacht Hafen gerettet,
Fühlt das beflommene Herz neu fi) gehoben und frei;
Sehnſucht ſchwellt ed empor nad) einer beglückteren Heimath,
Bon dem Altare hinan winken die Engel des Lichts;
Ah! und der Kindheit Blumen, des fchuldlos frommen Ge-
müthes,
Von dem gekreuzigten Chriſt blühen mir wieder empor.
Heilige Maͤrtyrer nah'n, mit den leuchtenden Wunden ge⸗
ſchmücket,
Frieden im Antlitz, das Haupt ſtrahlend im goldenen Schein. —
„Amen!“ — der Priefter verläßt den Altar und die Stimmen
ber Schweitern
Sind wie ein feliger Schmerz Tiebender Seelen verhallt.
Stilfe verliert fi das Volk; nur ich noch zögere träumend,
Ganz allein, und es fehlt Dennoch Fein theueres Bild;
Scheidend firahlt noch die Sonne herein durch die farbigen
Scheiben,
Und die zerftochene Bruft küßt fie des Dulders am Kreuz;
Nur ein ſchwankendes Licht noch fällt von ber ewigen Lampe
Auf der Madonna Geficht, daß es erglüht und erbleicht. —
Aber die Sonne verfinft und mahnet mich wieder zur Heimfehr,
Tief aus ber inneren Welt ruft mich Die äußre zurüd,
222 Stadt Baden und Umgebung.
Daͤmmernd empfangen mich draußen bie ſtille gewordenen
Straßen,
Deber dem fehmärzlichen Berg bebt fich der blühende Mond;
Geierlich halten die Wacht ringsum die raufchenden Wälder,
Ueber die Wiefen dahin gleiten Die Nixen des Thals.
Murmelnd geleitet der Delbadı mich in die dampfende Badſtadt,
Fern von dem Dorfe noch ſchallt Ländlicher Mädchen Gefang.
Freunbliches Thal, Teb’ wohl! Dein Frieden erquidt mich im
| Schlummer,
Webt mir zum lieblichſten Traum reizende Bilder von dir.
U, Schale.
‚Die Wettung des Kloſters Lichtenthal,
Die Trommeln und Trommeten ſchallen
In wildem Lärmen durch das Land,
Die weißen Yilienbanner wallen
Und hinter ihnen wogt der Brand.
Schon wälzt hinan die düſtre Lohe
Zur Duellenftadt des Krieges Sturm,
In Trümmer fällt dag Schloß, das hohe,
Zufammen krachen Kirch’ und Thurm.
Die Flamme hüpft durch alle Gaffen
Und leckt zum Himmel hoch empor,
Es hüllt der Rauch in Wolfenmaffen
Den Sommertag in bunfeln Flor.
Wie brüllen der Verheerer Schaaren
Wild fauchzend in die rothe Gluth!
Sie mag dem Land e8 offenbaren,
Daß ihre Arbeit noch nicht ruht.
Es fteht ein Gotteshaus, gelehnet
Au tannengrüne Bergeöwand,
Wo heif’gen Frieden, längſt erfehnet,
Mand Herz in ftiller Zelle fand.
Dort ſchallt zu frommer Befte Feier
Der Chorgefang bei Weihrauchbuft 5
Stadt Baden und Umgebung.
Dort hüten Frau'n im ſchwarzen Schleier
Die Todten in ber Fürftengruft.
Dieibfi du dem Feindesgrimm verborgen,
Du heil’ge Stätte Lichtenthal?
Dringt dir nit fihon der nächſte Morgen
Der Mordbrand⸗Fackel Loderſtrahl?
Ehrt Der das Gotteshaus, das reine,
Der nie ein Heiligthum geſcheut,
Der Todten Ruh, der die Gebeine
Der Kaiſer in den Staub geſtreut?
Kein Hoffen mehr, nur ein Ergeben
In Gottes Rathſchluß, undurchſchaut,
So ſtehn ſie da, in ſtillem Beben,
Manch himmelblickend Auge thaut;
Doch in der reinen Frauen Mitte
Tritt jetzt des Kloſters treue Magd:
„Gewährt, zu handeln, mir bie Bitte!“
Spricht freudig ſie und unverzagt.
„Vertraut dem Herrn, der in dem Schwachen
Zur rechten Stunde mächtig iſt;
Nach meiner Weiſe laßt mich machen,
Rath ſchaff' ich euch nach kurzer Friſt!“ —
Und wohl verſehn mit frommer Gabe
Verläßt ſie bald das Gotteshaus,
Und pilgert raſch mit Korb und Stabe
In das verheerte Land hinaus.
Nichts ſtört ſie auf der frommen Reiſe,
Es irrt ſie kein durchkreuzter Weg,
Sie braucht des Trankes kaum, der Speiſe,
Nicht müde wird ihr Fuß, ſo reg;
Rückſchauend auf die Schwarzwaldberge
Steht ſie am fluthenhellen Rhein,
Und wie gerufen nimmt der Ferge
Sie in den ſchwanken Nachen ein.
224 Stadt Baden und Umgebung.
Und fort in unerfhöpfter Schnelle
Eilt fie dem Ziel der Reife zu,
Nur eine heilige Kapelle
Deut zum Gebet ihr kurze Ruh.
Jetzt iſt der Reife Ziel erfchritten,
Es fteht Die Magd in Hagenau,
Mit Thränen und berebten Bitten,
Bor einem Kriegsmann fol; und rauh.
Den mahnt fie an vergangne Stunden,
Wo er nah fhwülem Kampfestag,
Bedeckt von brennend heißen Wunden,
Hilflos im Kranfenbette lag;
Er denft der Zeit, wo fein gepfleget
Die zarte, jungfräuliche Hand;
Sein Herz, zum Danfe fanft beweget,
Die erfte ftille Lieb’ empfand.
Bon frommen Händen groß gezogen,
Bringt fie ihm Blumen duftig zart,
Buntfarbig wie der Regenbogen,
Zu füllereihem Strauß gepaart;
Der Jungfrau Bildnig, fi) entringend
Aus Erdennacht ins Meer des Lichts,
Ins Reich der Himmel auf fi ſchwingend
Verklärten, fel’gen Angeſichts:
„Du durfteſt nicht umſonſt verpfänden
Der Pflegerin dein Ritterwort;
Nun ſchütze vor den Mörderhänden
Dein Dank des Friedens ſtillen Port!
Die Gottesblumen zu bewahren,
Beeile dich im Sturmgebraus,
Die dich gerettet in Gefahren,
Der rette du ihr heilig Haus!“
Kann er dem Sturme Halt gebieten,
Der brauſt auf höheres Gebot?
Stadt Baden und Umgeburg. 2335
Kann ſchützen ev bes Kloſters Frieden,
Das feines Herrfhers Grimm bedroht? —
Wohl fleht er da, in büfterm Sinnen,
Bis halb es in Der Seele tagt,
Und rafch entfendet er von binnen
Mit Rath und Troft die treue Magd. — —
No find die Brenner nicht gekommen;
Wer fam den Wuthenden zuoor ?
Was Yärmt und tobt im Haus der Frommen?
Warum verftummt der Sang im Chor? -
Es flirren Fenſter, Ziegeln raſſeln,
Der Dachſtuhl fällt, wie ausgebrannt,
Färbt ſchwarz fich bei der Fackeln Praſſeln
Des Klofters helle Mauerwand.
Nicht trägt, des Uebermuthes Beute,
Das flille Haus des Brandes Spur |
Es find des Klofters eigne Leute,
Ihr Werk if fromme Lüge nur;
Denn Hug befolgten ohne Säumen
Die Frauen, was ber Freund gelehrt,
Und in den unverfehrten Räumen
Sind fie verborgen, unverfehrt.
Da rollen Trommeln, gelfen Pfeifen
Die Oos hinan mit wildem Klang: .
Der Feinde trunfne Schaaren flreifen
In tollem Muth das Thal entlang.
Doch wie im Kloſterhof fie fliehen,
Da biendet fie der Täufchung Wahr,
Was fie gewollt, ift ſchon geſchehen:
Graus der Verwüſtung flarrt fie an!
Und wie bei wirbeindem Gefchmeiter
Die wilden Feinde weiter ziehn,
Im Danfgebet zu Gott, dem Retter,
Die frommen Kiofterfrauen knie'n.
I. 15
226 Stadt Baden und Umgebung.
Geſichert ift der Tobten Frieden,
Gewahrt der Gottesbräute Schaar;
Manch obdachloſem Flüchtling bieten
Sich gern des Kloſters Räume dar.
Gerhard Helfrich.
Die Stiftung des Waiſenhauſes in
L ichtenth al.
Ein Wanderer begrüßte froh die Flur
Der unvergeßlich theuern Heimath wieder;
Im Roſenglanz erglühte die Natur,
Die Abendſonne glitt am Berge nieder;
Es ruht ſein Blick auf Thal und Höhen trunken,
In Bilder ſeiner Knabenzeit verſunken. |
Mit Wonneftrahlen fein Geſicht verflärt
Der Anblick feiner heimathlichen Bauen :
„Hab' Dank, o Gott! dag du mir noch gewährt,
Dich wieder, theured Jugendland, zu fehauen |
Hängt doch, mit feinen innigflen Geweben
An dir, o Heimath, meined Herzens Leben!"
Und in begeiftertem Gebete wallt,
Dem lichten Himmel fein Gemüth entgegen;
Horch, da mit einem Mal ein Glöckchen ſchallt,
Vom Wege ber zum frommen Abendfegen;
Er naht, und vor ihm fteht, erleuchtet helle
Vom letzten Sonnenglanz, die Waldkapelle.
Und drinnen kniet ein Knaͤblein wunderhold,
Gefaltet zum Gebet die zarten Hände;
Sein thränend Aug' erglänzt im Abendgold,
„Was will das Kind? Vom Himmel eine Spende?
Ach! finden Sorgen, Leiden, Noth und Schmerzen
Schon Raum im ahnungsloſen Kinderherzen?“
Der Wanderer zum Kinde tritt heran |
Und fpricht mit fanftem Wort: „Hör auf zu weinen!
Stadt Baden und Umgebung 297
Was hat man, armer Knabe, dir gethan?
Quaͤlt dich ſchon Unglück? Sprich, wer find die Deinen ?
Sag’ mir dein Leid, ich helfe gern den Armen,
Gott hat mich hergefandt, er hat Erbarmen!“
„Ach!““ — fprad das Kind, und Thränen bel und Mar
Eniftrömen feinen Augen — „Ah! fie haben
Den guten Bater ſchon vor einem Jahr,
Die arme Mutter heute ſchon begraben !
Wer lehrt mich nun, gibt Kleider mir und Speife?
Kein Menſch erbarmt fi mehr ver armen Waife !”
Und wie ein Blitzſtrahl, welcher zündet fchnell,
Durchzückt es plötzlich unſres Wandrers Seele,
Bor feinen Augen fand e8 Kar und heil,
Was noch dem theuern Heimathlande fehle
Zu feinem Heil; was er ihm könnt' befcheeren,
Das mußte ihn der Waiſenknabe lehren.
Kaum iſt's gedacht, fo führt er auch es aus,
Und auf der That ruht Gottes reichſter Segen,
In Beuern ftiftet er ein gaftlih Haus,
Um Waifen bier zu ehren und zu pflegen;
Dort aus viel hundert dankerfüllten Herzen
Wird feine Zeit fein Angebenfen merzen.
Emilie Scoynionsty.
Der Waſſerfall von Geroldsau.
Sin alten grauen Heidenzeiten,
Da lebt' in Freud’ und Herrlichkeiten
Ein Heer von Feyen ohne Zahl
In Badens wunderfhönem Thal.
Dft wanden Blumen fie zum Kranz
Und ſchmückten fih damit zum Tanz;
Dann fohwangen fie den muntern Reigen
Nachts unter Dunkeln Tannenzweigen.
15*
228
Stadt Baden und Umgebung.
Da fielen, wie ein braufend Meer,
Die Römer über Teutſchland her,
Eroberten das Land am Rhein,
Bermania’s Sohn mußt Sclave ſeyn. .
Sie raubten ihm fein Vaterland,
Zerriffen jedes heil'ge Band.
Dennoch gefiel's im fihönen Baden, R
War auch mit Ketten es beladen,
Dem Römerfeldherrn Barus bald,
Er wählte ſich's zum Aufenthalt.
Gekroͤnt vom Sieg, voll Sinnenluft,
Schwoll ihm die ehrne Kriegerbruft.
Er badete im warmen Duell,
Der aus dem Felfen fprudelt Hell,
Er jug das Wild in Baden’s Wäldern
Und nahm die Frucht von feinen Feldern,
Und baute feinem Rom zum Ruhme
Biel Tempel hier und Heiligthume.
Da fah er Nachts mit einem Male .
Sm Geroldsauer Wiefenthale
Der Feyen Yeichten Jugendreihn
Sich ſchwingen in dem Mondenſchein.
Ellene war bie ſchönſte Fee,
Wie Roſengluth und Lilienfchnee;;
Er fah, er Tiebte fie zur Stunde,
Sein Herrfcherwort erflarb im Munde,
Er nahte fi mit fheuem Bangen,
Die Bruſt vol Sehnfucht und Verlangen,
Und bat in füßer Minnebrunft:
„O ſchenk mir, Holde, deine Gunft!
Nimm diefen Ring, der Treue Zeichen,
Und eher fol mein Stern erbleichen, |
Als daß ich breche meinen Schwur,
Dir zu gehören einzig nur;
Ich ſchwör' es bir beim Gott Merkur!" —
Sein Liebesſchmerz, fein heißes Sehnen
Wert bald ein Echo in Ellenen,
Sie reicht gerührt die feine Hand
Stadt Baden und Umgebung. 239
Ihm als der Liebe Unterpfand.
Wie laufcht fie gern der Worte Koſen,
Die füß von feinen Lippen floßen!
Und jede Nacht fand dort im Hain
Das Paar im zärtlichfien Verein. —
Drei Monden waren fo verſchwommen,
Da war bed Roͤmers Gluth verglommen;
Er wurde lau, er wurbe falt,
Ihm lockten Reize mannigfalt.
Stets feltener zur Fee fam er,
Stets Fühler, endlich — gar nicht mehr.
In neuer Freuden Ueberfluß
Bergaß er bald Ellenens Kup.
Wohl Taufchte fie noch manchesmal
Im Eichenhain, im Mondesſtrahl,
Und raufchte nur ein Blättchen leis,
Sp wähnte fie, der Liebſte fey’s.
Wie manche goldne Sommernadt
Ward fo vergebens zugebradt !
Dis endlich ihr fein Zweifel blieb,
Daß er vergeflen Schwur und Lieb,
Und auch die letzte Hoffnung aus
Ihr loſch in der Verzweiflung Graus.
Da preßt fie feft im wilden Schmerz
Den flarren Felfen an ihr Herz,
Und ruft: „D würde mein Gebein
Gleich diefem Felfen bier zu Stein!” —
Und wie fie bat, ift ihr gefchehn:
Ein Oott erhört ihr heißes Flehn,
Sie wird verfleinert auf der Stel’
Und ihrer Bruft entfpringt ein Duell.
Das find der Liebe herbe Thränen,
Des Herzens ungeftilltes Sehnen |
Die Duelle fprudelt heut noch fort
Am Rubeplag, fo heißt der Ort,
230 Stadt Baden und Umgebung.
Ergiegt fih in den Haren Bad)
Und ſtürzt mit ihm vom Felſendach,
Das laut erbraußt im Widerhall
Der Geroldsauer Wafferfall.
Emilie Scoyniousty.
Die Hütte zu Eberfteinburg.
.. An der Nähe der Burg Alt-Eberftein, des Stammes
figes der Grafen von Eberftein, ftand in alter Zeit ein Non
nenkloſter, welches wahrfcheinlich gelegentlich der Belagerung
biefer Burg zerflört wurde. An diefer Stelle follen noch manch⸗
mal in beiteren Nächten weiße Geftalten fihtbar feyn und die
Umwohner wollen noch bisweilen eine Tiebliche Muſik dort ver-
nehmen.
Ein armer Mann hatte auf dem Plage, wo das Kofler ge-
flanden, ſich ein Kleines Haus erbaut und da er fein Geld befaß,
ben Maurer und Zimmermann zu bezahlen, Alles felhft gear;
beitet, fo daß das Häuslein bei feinem Entftehen ſchon baufällig
war. Nach feinem Tode blieb feine Wittwe darin, eine fromme,
fleißige Frau, die fih mühfam genug ernährte. Einft in einer
flürmifchen Nacht faß fie noch fpät am Spinnrade und fang ein
geiftliches Lied. Da klopft' es am Fenſterlein und fie hörte
dreimal ihren Namen rufen. In der Meinung, ein verirrter
Wandersmann ſuche ein Obdach bei ihr, ftand fie auf, befreuzte
fi$ und ging vor die Thüre. Da fie aber Niemanden davor
erblidte, ging fie noch einige Schritte weiter auf dem Wege
hin und rief: „Sft Jemand da, ber ein Obdach fuhrt?” In
bemjelben Augenblide wichen die fehlecdhtgefügten Balken und
Steine ihres Häuschend auseinander, und es ſtürzte krachend
aufammen.
Die gute Frau dankte Gott inbrünftig, der fie Durch jenes
warnende Klopfen fo wunderbar errettet. Menſchenfreunde lie⸗
Ben ihre Hütte, und zwar auf Dauerhafte Weiſe, wieder auf-
bauen und fie lebte noch Yange darin.
(Siehe A. Schreibers „Sagen aus den Rheingegenden 2c.”)
— — — · — —
Stadt Baden und Umgebung. 231
Sagen von der Burg Alt: Eberftein.
Vor ohngefähr fechzig Jahren träumte einem armen Manne
im Dorf Eberfteinburg drei Nächte hinter einander: er
folle in dem nahen verfallenen Schloß an einem gewiffen Plag
in der Wanb Elopfen, worauf er Gelb genug erhalten werbe.
Auf den Rath eines guten Freundes, dem er ben Traum ers
zählt Hatte, ging er auf das Schloß und klopfte an die bezeich-
nete Stelle. Da öffnete ſich diefelbe und er fah vor ſich ein
Gewölbe, worin brei große Kiften ſtanden, auf deren jeder ein
fhwarzer Hund lag. Die Furcht vor den Hunden Tieß ihn
jedoch nicht den Muth faffen, näher zu treten, fondern trieb ihn
zur fchleunigen Flucht. Nachdem er Tags darauf die Sade
feinem Freunde berichtet und biefer ihm gefagt hatte, daß er
durch einen einzigen Winf die Hunde von ben Kiften entfernen
fönne, ging er abermals auf das Schloß und klopfte an bie
bewußte Stelle. Allein biefelbe öffnete fi nun nicht mehr und
er mußte mit leeren Händen abziehen.
Huf der Burg Alt-Eberftein liegen fünf Kiften voll
Geld, ein filbernes Kegelfpiel (auch auf der Yburg) und ein
goldenes Kalb unter der Erde verborgen. Dieß hat eine Frau
vom Ueberrhein offenbart, welche viel dergleichen Geheimniſſe
mußte.
or einigen Jahren haben mehrere Leute, worunter ein in
der Schatgräberei erfahrener Förfter, in der Adventszeit, fünf⸗
zehn Mondnächte hintereinander, nach diefen Schägen gegraben.
Schon waren fie mit der Hade auf eine eiferne Kifte geflogen,
als eine Menfchengeflalt auf einem ſchwarzen Bode aus ber
zerfallenen Halle hervorgeritten fam. „Seht, da fommt Einer
auf einem Geisbock Daher!“ rief einer ber Grabenden. Bet
diefen Worten verſank die Kifte ftrade in die Tiefe, und Bod
und Reiter waren und blieben verfchwunden.
(Siehe Mone’s „Anzeiger für Kunde der teutfchen Vorzeit.) .
232 Stadt Baden und Umgebung.
Die Belagermg von Mit: Eperftein.”
&rufius erzähkt in feiner Schwähifchen Ehronif:
„Es gab unter der Regierung Kaifer Othonis in Teutſch⸗
land um’s Jahr 938 viele und große Kriege in Teutfchland,
barinnen aber doch Otho über alle feine Feinde, fonderlich die
Sranzofen, ſiegte. Nachdem er Straßburg belagert und zur
raiſon gebracht hatte, ruckte er mit feiner Armee vor Ebers
fein, weldes vor dem Schwartwald Tiegt, weil man gefagt
hatte, biefelbige Grafen hätten es mit feinen Feinden gehalten.
Er belagerte die Feſtung dritthalb Jahr nnd war manchmal
felbft dabei, konnte aber Doch nicht Meifter von dem Ort wer-
den, weil er fehr fe war und die Belagerten fi ritterlich
wehrten. Darauf gab ihm ein Huger Ritter den Rath, er
follte die großen Herren nach Speyer zufammen berufen, darzu
jedermann ohne Gefahr kommen dürffte, um ein Turnier zu
halten. Er wolle gut dafür feyn, die Grafen von Eberftein
würden auch dahin fommen, um ihre Tapferkeit bei folchen
Nitterfpielen zu zeigen. Unterbeffen aber folle der Kaifer dahin
bedacht feyn, wie er das Schloß durch tapfere Soldaten, fo ſich
die Sache angelegen feyn Yießen, einnehmen möchte. Otho fahe
biefen Rath vor gut an und ließ nun zu diefem End’ ein Tur⸗
nier-Spiel anftellen. Der. Kaifer fam felbft darzu, es famen
auch drei Grafen von Eberftein und noch viele andere Fürften,
Herren, tapfere Ritter und Evelfeute, und zeigten alle ihre
Tapferkeit, Nachdem der Tag mit denen Ritter: Spielen zuges
bracht war, wurde bei Nacht ein anfehnlicher Tanz gehalten.
Der Kaifer war in eigener Perfon dabei, auch die Grafen von
Eherftein fanden ſich hierzu ein. Einem davon, ber noch jung
war, wurde die Ehre aufgetragen, den erften Tanz mit einer
sornehmen Dame zu thun, maßen er ein großer, tapferer, an-
fehnlicher Herr war, Traufe Haare hatte und fehön von Ange:
fiht war. Nach dem Tanz trat ein fehönes Frauenzimmer von
Adel herzu und fagte ihm mitten unter feinen Herren Brüdern
heimlich ind Ohr, er follte ſich ſammt feinen Herren Brüdern
in Acht nehmen, der Kaifer hätte dieſe Lift wider fie erbacht,
*) Eberſteinburg.
nu
Stadt Baden un Umgebung. 233
ihr Schloß in ihrer Abweſenheit befleigen und einnehmen zu
laſſen. Sie follten alfo eilen, noch dieſe Nacht abzureifen. Die
drei Herren Brüder gingen mit einander zu Rath und ent-
fchloffen ſich, eilends naher Haus zu gehen, kehrten aber doch
wieder um zum Tanz und fpracdhen : Sie wollten den Tag dar⸗
auf einen Kampff mit denen Rittern und Edelleuten halten und
hundert Gold = Gulden fegen und daffelbige Geld wollten fie
denen Edeldamen zur Verehrung zurüdlaffen. Die Anweſen⸗
den nahmen die Bedingung an; fie aber waren beffen ohnge-
acht bedacht, wie fie dieſe Nacht noch über den Rhein fommen
möchten; welches auch gefchehen. Den andern Tag Morgens
famen fie in ihr Schloß zurüd, der Kaiſer aber und die Ritter:
ſchaft warteten lange Zeit, daß das Zurnierfpiel angeben follte.
Nachdem er aber Wind befommen, daß fie von jemand gewars
net worben und darauf abgereift wären, gab Otho capablen
Männern Ordre, zu verfudhen, ob fie nicht das Schloß erobern
fönnten, ehe die Herren zurüd kämen. Allein fie waren fchon
wieder in ihrem Schloß und empfingen die Kaiferlichen Stür-
mer mit Steinwäürffen und andern Kriegs» Inftrumenten fehr
übel, trieben fie auch endlich wieder ab. Auf dieſes gebachte
der Kaifer mit denen Grafen zu accordiren und ſchickte in fol-
. er Abficht drei Ritter an fie ab. Solche Tiefen die Grafen
in den Weinkeller und in das Kornhaus führen, ließen ihnen
weißen und rothen Wein zapfen, zeigten ihnen große Hauffen
Früchte und den reichen Vorrath an Mehl. Hierüber verwun⸗
derten fich die Gefandten dergeftalt, daß fie glaubten, es feye
nicht möglich, über fie Meifter zu werben. Allein die Fäffer
waren in zwei Fächer abgetheilt und die unteren mit Waffer
angefüllt. Unter der Frucht aber Tagen alt Zu, Spreu und
Hülfen. Und war es alfo nur ein eitled Prahlen, daß fie noch
einen fo großen Ueberfluß hätten. Als nun die Gefandten zum
Kaifer zurüd kehrten und gefragt worden: wie ed in ber Veftung
fiehe ? gaben fie zur Antwort, man bemühe ſich vergebens , daß
man fie Yänger belagere, fie haben noch auf britthalb Jahr
Früchte und Wein genug. Darauf gab man dem Kaiſer den
Rath, er follte eine von feinen füngern Schweflern an den
jüngften Herrn von Eberftein, Namens Eberhard, vermählen,
weil es tapfere und kluge Herren wären, welde Seiner Mas
351 Stadt Baden und Umgebung.
jeftät in wichtigen Gefchäften könnten gute Dienfte leiſten. Otho
ließ ſich ſolchen Rath gefallen, gab dieſem jungen Herrn ſeine
füngere Schweſter zur Ehe und hielt ihnen ein prächtiges Hochs
zeitfeft in Sachſen.“
(Berg. mit diefer Sage die Davon etwas abweichende, folgende Romanze Uhlandes.)
Graf Eberſtein.
Zu Speyer im Saale, da hebt ſich ein Klingen,
Mit Fackeln und Kerzen, ein Tanzen und Springen:
Graf Eberftein
Sühret den Reih’n
Mit des Kaifers holdſeligem Töchterlein.
Und als er fie ſchwingt nun im luftigen Reigen,
Da flüftert fie leiſe, fie kann's nicht verſchweigen:
„Graf Eberftein,
Hüte dich fein!
Heut Nacht wird dein Schlößlein gefährdet feyn.“
Ei! — denfet der Graf, — Euer Kaiferlih Gnaden,
Sp habt ihr mih Darum zum Tanze geladen? —
Er ſucht fein Roß,
Läßt feinen Troß,
Und jagt nad feinem gefährdeten Schloß. —
- Um Cberſteins Veſte, da wimmelts von Streitern,
Sie fchleihen im Nebel mit Haden nnd Leitern.
Graf Eberſtein
Grüßt fie fein:
Er wirft fie vom Wall in die Gräben hinein.
As nun der Herr Kaifer am Morgen gefommen,
Da meint er, es feye die Burg fohon genommen.
Doch auf vem Wall
Zanzen mit Schall
Der Graf und feine Gewappneten all.
Stadt Baden und Umgebung. 235
„Herr Kaifer, befchleicht Ihr ein andermal Schlöffer,
Thut's Noth, Ihr verftehet aufs Zanzen Euch beffer !
Eu'r Töchterlein
Tanzet fo fein,
Dem foll meine Veſte geöffnet ſeyn!“ —
Im Schloffe des Grafen, da hebt fih ein Klingen,
Mit Fadeln und Kerzen, ein Tanzen und Springen.
Graf Eberftein '
Führet den Reih'n
Mit des Kaifers Holdfeligem Töchterlein;
Und als er fie fchwingt nun im bräutlichen Reigen,
Da flüftert er leiſe, nicht kann er's verfchweigen;
„Schön Jungfräulein,
Hüte dich fein!
Heut Nacht wird ein Schlößchen gefährdet ſeyn!“
Ludwig Uhland.
Das Kloſter bei Eberſtein.
Anderhalb Stunden von Baden liegt das Dorf Hauen⸗
eberftein, in deſſen Nähe noch die wenigen Ueberrefte eines
zerfallenen Nonnenklofters fihtbar find. Bon ber Entftehung
diefes Gotteshaufes geht folgende Sage um.
Ein junger Ritter, der auf einer benachbarten Burg, deren
Namen mit ihren Mauern verfehwunden ift, feinen Sig hatte,
fehrte eines Abends von einem Bankette nach Haufe. Der Wein
hatte feine Lebensgeifter mehr als gewöhnlich aufgeregt und in
feinem leichten Jugendſinne den Wunfch hervorgerufen, irgend
ein Yufliges Abenteuer zu beſtehen. Sein Weg führte ihn an
einem fleinernen Kreuze vorbei, das zum Gedächtniß und für's
Seelenheil eines an diefem Ort erfchlagenen Wanderer aufge-
richtet worden war. An feinem Fuße faß eine weibliche Ge⸗
flalt, die, fo weit der Ritter in der Dunkelheit unterjcheiden
fonnte, jung und von angenehmen Formen fehlen. Er redete
fie munter an: „Wer bift du, fehönes Kind, und was bindet
dich noch fo fpät an dieſe traurige Stätte ?“
236 Stadt Baden und Umgebung.
-
„Ich pflege bier öfters zu weilen;“ — erwieberte Die Ges
flalt; — „‚unter diefem Kreuze fchlummert mein einftiger Ver⸗
lobter, welcher Durch die Hand eines Nebenbublers fiel.”
Der Ritter ſprach ihr fo tröftend zu, daß die Jungfrau
leicht eine mehr als gewöhnliche Theilnahme aus dem Tone
feiner Worte heraushörte und ſich bald in ein lebhaftes, nichts
weniger ald wehmüthiges Gefpräc mit ihm verflocht; ja, fie
nahm fogar ohne langes Sträuben den Antrag an, den er ihr
zulegt machte, ihm auf feine Burg zu folgen. Das Abenddun⸗
kel hatte feine Blicke nicht getäufcht, denn bei näherer Betrach⸗
tung blühten ihm aus dem düſteren Trauerflore, in den fie
gehült war, die berrlichften Formen entgegen, und je länger
er an ihrer Seite wandelte, defto Tiebenswürdiger fchien ihm
feine neue Bekanntſchaft. Doc als fie erft, auf feiner Burg
angelangt, im Gemache beim hellen Kerzenfchein ihren Schleier
gänzlich zurückſchlug, da entbrannte fein Herz in fafl wahn-
finniger Liebesgluth, denn ein wundervolleres Antlig hatte fein
Auge noch nie gefchaut.
Es war fihon fpät Abends und im Laufe ihrer zärtlichen
Unterredung hatte die Schöne bereits mehrmals etwas ängftlich
geäußert, fie müfje pünftlih um Mitternacht wieder zu Haufe
feyn. Der Ritter verhehlte ihr die rechte Stunde und fuchte
fie auf alle Weife zu zerftreuen. Auch fpielte fie nichts weniger
als die Spröde gegen feine glühenden Tiebfofungen. Als bie
Uhr in der Nebenfammer Mitternacht verfündigte, ſchloß er
fein Liebchen, damit es die Glockenſchläge überhören follte, noch
fefter in feine Arme und hebedte ihren Mund mit ftürmifchen
Küſſen. Aber kaum waren die Schläge der Uhr verflungen,
als plötzlich des Mädchens Lippen unter den feinigen eisfalt
wurden, die Rofen ihrer Wangen einer töbtlichen Bläffe wichen,
die leuchtenden Tiebesfterne verloſchen und tief in ihre Höhlen
fanfen. — Der Ritter bielt eine falte, ftarre Leiche in feinen
Armen.
Außer fih vor Entſetzen bringt er fie auf fein Tager und
wendet alle Mittel an, fie mit Hülfe feiner berbeigerufenen
Dienerfehaft ind Leben zurüd zu rufen. Vergebens! Es bleibt
ihm nichts übrig, als die Anftalten zu ihrem Begräbniffe trefs
fen zu laſſen, das auf den Abend des nächſten Tages feſtgeſetzt
Stadt Baden und Umgebung. 237
wurbe. Als die Zeit heran fam und der Sarg in die Burgka⸗
pelle getragen werben follte, fand man das Mädchen, aufs
Neue von friſchem kräftigem- Leben durchglüht und in al ihrer
Schönheit Reizen blühend, aufgerichtet auf der Bahre fiben.
Kaum vermochte der Ritter, bei diefem unheimlichen Anblick,
die Bitte hervorzuſtammeln, ihm bies wunderbare Räthfel zu
loͤſen.
„Ih gehöre ſchon längſt dem Reiche der Todten an;“ —
erwiederte das geheimnißvolle Weſen, — „aber der Spruch des
ewigen Richters hat mich verurtheilt, keine Ruhe zu finden im
ftillen Grabe, zur Strafe, daß mein grenzenlofer Reichtfinn, — der
mid ſtets dazu trieb, die Eiferfucht meines Berlobten zu er-
regen, um mich daran zu weiden, — feinen Tod durch die Hand
eines Nebenbuhlers verurfachte. Seglichen Abend, ſobald die
Sonne hinter die Vogheſen gefunfen ift, erwache ich in meiner
fühlen engen Behaufung, die fih dann zu öffnen pflegt, und ich
muß hinaus und mich im Geftlde herumtreiben bie Mitternacht,
um welche Zeit ih in das Grab zurüdfehren darf, das fi
alsbald wieder über mir ſchließt. Wollt Ihr meiner irrenden
Seele die ewige Ruhe verfhaffen, Herr Ritter, fo baut ein
Klofter auf der Stelle, wo Ihr mich zuerſt beim fleinernen
Kreuze gefunden, und wendet Euch ſelbſt von den eitlen Freus
den dieſer Erbenwelt zum Reiche Gottes !“
AL, Schreibers „Sagen aus den Rheingegenben ıc.”)
Die Haueneberfteiner Glocke,
In der Nähe des Dorfes Haueneberftein warb vor
Zeiten von Wildebern eine Glocke am Ufer des Eberbaches aus
dem Boden gewühlt. Die Dorfbewohner fanden fie und hänge
ten fie in ihren Kirchenthurm. Als fie geläutet wurde, war ihr
Klang fo heil und flarf, dag man ihn zwölf Stunden weit, in
Straßburg, hörte. Nun wollten die Straßburger gerne biefelbe
haben und boten dafür fo viele Thaler, als fi von der Glocke
oben im Thurme bis an die Banngrenze des Dorfes, in
einer zufammenhängenden Reihe, würden legen Iaffen. Die
Haueneberſteiner gingen jedoch den Handel nicht ein, und um
238 Stadt Baden und Umgebung.
ihre Glocke befto fiherer zu behalten, dämpften fie durch einen
hineingefchlagenen Nagel deren Klang. So blieb ihnen dieſelbe
noch lange, bis ſolche zuletzt im Kriege durch bie Franzoſen
zerflört wurde. ”)
(S. Mone's „Anzeiger für Kunde der teutſchen Vorzeit.” Jahrg. 1835.)
Tiefen im WBafler.
Unter einem Brüdlein, zwifchen Baden und Scheuern,
hatten bie Darübergebenden zu Zeiten niefen gehört, und ale
einmal ein betrunfener Bauer von Scheuern ed auch hörte, rief
: „helf Gott!” Sogleich fand eine ſchöne, glänzend weiße
Frau vor ihm und dankte ihm, daß er fie buch fein „Helf
Gott”, worauf fie ſchon viele Jahre geharrt, erlöft habe. Hier⸗
auf bat fie ihn, feine Hand, mit dem Schnupftuche darin, her⸗
zureichen, was er auch that. Die Frau Yegte ihre Hand auf
das Tuch und verſchwand. Wo ihre Hand gelegen, war deren
Abbild Schwarz in dad Tuch gebrannt.
(Siehe Mone's „Anzeiger für Kunde der teutfhen Vorzeit.” Jahrg. 1835.)
Die Geifter führen irre.
Bor etwa fünfzig Jahren war ein Schulmeifter zu Eberftein-
burg, ein Greis von 75 Jahren, reblich und fromm, der auf
Allerfeelentag (2. Nov.) nah Rothenfels herab ging mit
feinem Pfarrherrn, um feine Andacht bei der Bruderſchaft zu
verrichten. Da der Pfarrer nicht mit nach Haufe gehen wollte,
fo kehrte der Schulmeifter allein zurüd, denn der Weg war ihm
yon Kindheit an wohl bekannt. Aber es war ſchon Nacht und
die Geifter führten ihn auf Srrgängen herum. Er lief die
ganze lange Nacht und konnte den Heimmeg nicht finden. Am
andern Morgen lag er ganz nahe bei dem Dorfe auf dem Feld
in ben legten Zügen; die Leute, die ihn fahen, brachten ihn ſo⸗
* Diefe Sage kommt einigemal vor, denn ich erinnere mid, fie auch von einer
Glocke des Domes zu Speier gehört zu haben, bie von Schweinen aus der Erbe gewühlt
wurde. Bielleiht hat ber Name Haueneberftein bazu beigetragen, fie auch an biefen
Dirt zu Inlpfen. Mone.
Stadt Baden und Umgebung. 239
gleich nach Haus, wo er feinen Geift aufgab. Er hatte Schin-
dein in der Taſche ‚ftedden, feine Schuhe waren ganz durch⸗
gelaufen und mit Weiden gebunden, aber an feinem ganzen
Körper war'gar nichts verleut und auch fein einziger Ritz zu
bemerfen. °)
(Siehe Mone!8 „Anzeiger für Kunde der teutfchen Vorzeit.“ Jahrgang 1834.)
Die Drei: Eichenkapelle.
Gegen das Ende des 15. Jahrhunderts zog die Peft mit
ihrem ganzen Gefolge von Schrediniifen und Plagen verheerend
durch Teutfchland. Die Felder Tagen öde und unbebaut, bie
Städte wurben entoölfert, Sterbende fchleppten die Todten zum
Grabe, vor den nächſten Anverwanbten verfchloß man bie Thüre;
alle gefelligen Bande waren gelöfl. Schon in den nädften
Städten und Dörfern um Baden hatte diefe furdtbare Geißel
ber Menfchheit ihre Berwüftungen begonnen. In letzterer Stadt
hatte man die Thore geſchloſſen und die Behälter der warmen
Duellen geöffnet, daß fie qualmend und dampfenb durch die
Straßen hin firömten. Und immer näher rüdte die Seuche;
ſchon waren in dem Weller Scheuern die Bewohner des
Außerftien Haufes gegen Dos zu davon ergriffen; der Haus⸗
vater hatte nacheinander fein Weib und vier Kinder jämmerlich
dahin fterben fehen und fie auf dem nächſten Felde verſcharrt
und erwartete jest, hülflos, von aller Welt gemieden und ge⸗
flohen, fein gleichfalld herannahendes Ende,
Wenige Schritte von dem Berlaffenen wohnte fein erfter
Nachbar, Diether, mit Weib und Kindern. Bol Schreden
und Zagen hatten diefe gefehen, wie ber unglüdliche Vater alle
die Seinigen hinaustrug zum Begräbniß und wie er felbft mit
wanfendem Schritt und blaffem, bleifahlen Antlig im Haus
umherſchlich. Zulegt mußte ihm auch hierzu die Kraft gefehlt
haben, denn fo oft fie auch nad) dem Haufe hinüber fohauten,
fo vermochten fie doch feine Spur von einem Iebenden Weſen
mehr zu erblicken; das ganze Haus ſchien ausgeftorben zu feyn,
oder ber letzte Bewohner deffelben mochte wohl ſchon mit dem
Tode ringen. Endlich zeigte fich doch der Kranfe wieder am
2) Die Erzählung ift wahr, bie Erflärung Sage. Monte.
240 Stadt Baden und Umgebung.
Fenſter, das er öffnete, und rief mit ſchwacher, flerbeuber
Stimme berüber, indem er die Hände flehenb empor hob, man
möchte ihm doch, um der himmlifchen Barmherzigkeit willen, ein
Gefäß mit Waffer vor die Thüre flellen, damit er den brennen-
den, verzehrenden Durft Yöfchen könne. Diefer rührenden Bitte
vermochte Diether nicht zu widerfiehen. Er füllte ein großes
Gefäß mit friſchem Wafler und flellte es vor die Thüre des
Peſtkranken, worauf er ſich eiligen Schrittes wieder entfernte.
Bald darauf ſah er den Alten fih mühfam vor die Thüre
fehleppen und das Waſſer zu fih in das Haus ziehen. Es war
das Teste Mal, dag er ihn erblidte.
Bol Furcht und Angft mufterte Diether, bevor er fi
Abends zur Ruhe niederlegte, feine Hausgenoffen, ob ſich noch
an Keinem die Spuren ber entfeglichen Krankheit zeigten. Aber
obgleich fie Alle gefund und munter waren, fo Tieß ihn Doch bie
Beforgniß für die kommenden Tage lange nicht einfchlummern.
Wie er nun fo ſchlaflos im Bette Tag und inbrünftig zur heilt-
gen Jungfrau betete, ihn und die Seinigen vor der fehredlichen
Seuche zu bewahren, da vernahm er auf einmal ein feltfames
Tönen und Klingen. Bald Fam es ihm wie ein Ieifer, Tieblicher
Geſang vor, bald wie fern verflingende Orgeltöne. Er Taufchte
lange den wunderbaren Lauten, die feine aufgeregte Seele be-
fänftigten und ungemeine Beruhigung ihm einflößten, fo daß
bald ein erquidender Schlaf feine müden Augen fehloß.
‚ Der nädjfte Tag ging abermals glücklich vorüber, aber die
Nacht darauf vernahm er wieberum das Tiebliche Klingen. Er
ſtand auf und oͤffnete das Fenſter. Ihn däuchte jebt, als kämen
die Töne aus der alten Eiche, die bei feinem Haufe fland. Er
weckte fogleich feinen älteften Sohn und Beide gingen mit einer
Leuchte hinaus, die Sache näher zu unterfuchen. Diether hatte
fih nicht getäufcht. Ye näher fie dem alten Baume kamen,
befto deutlicher hörten fie den wunderbaren Klang. Sie befahen
den Baum von allen Seiten, aber nirgends war etwas Auffal-
lendes daran zu bemerfen. Es war nicht anderd möglich: der
Schal fam doch aus dem Stamme der Eiche. Sie hielten ihr
Ohr an bie rauhe harte Rinde, da brang das Getöne ganz
nahe und Taut hervor. Lange blieben fie Taufchend ſtehen und
wußten nicht, was fie davon benfen ober was fie beginnen foll-
Stadt Baden und Umgebung. Ai:
ten. Endlich Fam Diether zu einem Entſchluß. Ex hieß feinen
Sohn eine Art herbei holen und fing damit an, die Rinde an
jener Stelle weg zu bauen, wo bad Tönen am beutlichften zu
vernehmen war. Kaum aber waren einige Hiche in den Baum
getban, fo fprang ein großes Stück Rinde heraus und beim
Schein ihrer Lampen erblidten fie jegt in dem Eichenſtamm eine
Dlende und darin ein Marienbild mit dem Sefusfnaben, von
welchem dies wunderbare Klingen ausging. Unwillfürlich flieg
bei diefem Anblick in Diether der Gebanfen auf, der Himmel
babe durch diefes Wunder ein Zeichen geben wollen, daß an
dieſer Stelle die Per ihr Ende gefunden habe. Dankend und
in frommer Demuth Tnieeten jet Vater und Sohn vor dem
Dilde nieder und verrichteten ihre Andacht.
Bald verbreitete fi) das Gerücht von dem wundervollen
Gnadenbild in dem Dorfe und bis in die Stadt, und da zu
gleicher Zeit aus den umliegenden Orten die Nachricht einlief,
bag die Per überall plötzlich nachgelaffen habe, fo befam die
Sage noch mehr Gewicht und die gläubige Menge firömte
fhaarenweis herbei, das Wunder zu ſchauen. Sogar in das
gerpeftete Haus wagten fi einige herzhafte Männer. Sie
fanden deſſen Bewohner entfeelt auf dem Boden liegen und
neben ihm das Waflergefäß. Der Leichnam warb zur Erde
beftattet, das Haus aber niedergeriffen.
Als im Jahr 1650 die alte Eiche abzufterben anfing, Tieß
die damalige Markgräfin, Maria Magdalena, zweite Gemahlin
Ludwig Georgs, eine geborne Gräfin von Dettingen, den
Baum von den Xeften an abnehmen und über dem Stamm eine
Kapelle bauen. Mariatroft nannte fie bie fromme Stifterin,
aber der Namen ift außer Gebrauch gefommen und fie wirb alls
gemein die Drei-Eichenfapelle genannt von den drei Eichen,
bie Daneben gepflanzt wurden. |
Noch jest flieht der Eichenftamm hinter dem Hochaltar und
in feiner Blende das Marienbild. Das Gemälde an der Dede
der Kapelle bezieht fih auf die Sage von der Entftehung bes
Kirchleins: es ſtellt die heilige Jungfrau vor, zu welcher bie
Peftfranfen ihre Zuflucht nehmen. | AL. Schreiber.
(Vergl. „Sagen aus Baden und der Umgegend.“ Karlsruhe 1834.)
39€
II. | 16
238 Stabi Baden und umgrbung.
Sagen von der Yburg.
Die Aburg.
Zwei Stunden von der Stadt Baden, auf einem in bie
Ebene vorſpringenden Bergkegel, erheben fich die grauen Thürme
ber Burg Yburg. Der eine davon iſt von oben bis unten
som Blite gefpakten. Bon dem übrigen Mauerwerk Tiegt,
ander dem allmälig auch einflärzenden vorderen Thorbogen,
Alles in Trümmern. Das Gefchlecht, welches hier wohnte, ift
längſt erfof Gen. Der lebte Befiger der Burg führte, wie die
Sage geht, ein wüſtes Leben, woburd er in manderlei Bes
draͤngniffe gerieth. ”) Seine Güter wurden verpfändet und er
mußte fih eine Zeitlang feinen Unterhalt raubritterlich mit dem
Schwert erkaͤmpfen, bis er in einem Gefechte den rechten Arm
verlor und ihn der größte Theil feiner Knechte verlieh. Jetzt
faß er vol finftern Unmuths auf feiner einfamen Burg unb
Brütete über allerlei fehlimmen Anfchlägen. Da kehrte eines
Abends ein Pilger bei ihm ein, der vorgab, er wiffe verborgene
Schäge zu finden und wolle ihn von aller Noth befreien. Der
Ritter war darob voͤchlich erfreut und vertraute ihm: „Ich
habe mehrmals von meinen Eltern gehört, daß mein Urgroß⸗
vater, als einſt dieſes Schloß von einer ſchweren Belagerung
bedroht war, einen großen Reichthum an Gold und Edelſteinen
darin vergraben, gleich beim erften Anfturm des Feinbes aber
das Leben eingebüßt habe. Könnt Ihr mir zu dieſem Schade
verhelfen, fo ſollt Ihr auf fürftliche Weife belohnt werben.
„Das Tann mir nicht ſchwer fallen;“ — erwicderte ber Srembe.
— „„war ich doch felbft dabei, als Euer Ahne, den man nur ben
Iſegrimm nannte, feine Kleinodien in Sicherheit brachte.
„Ihr war dabei?“ fragte der Yburger und ſah ihn mit -
großen Augen an, „Mein Urgroßvater ift ja ſchon feit mehr
ats hundert Jahren todt!“
9) Dies erinnert “ van Markgrafen Eduard Fortunat. Siehe das 3 betreffende
Gniät, von J. dub, © :
Stadt Baden und Umgebung. 243
„Und dennoch““ — fuhr ber Pilger fort — „hab' ich mehr
als Einmal mit ihm gezecht. Indeffen laßt ab, nach Dingen zu
forfhen, die Euch unbegreiflich vorkommen und folgt meinem
Rathe. Heute ift Walpurgisnacht. Sobald die Glode Mit-
ternacht fchlägt, begebt Euch Hinunter in bie Rapellengruft,
worin Eure Väter beigefegt find, öffnet Ihre Särge und tragt
die Gebeine hinaus in das Freie, Damit der Mond fie befcheine.
Während fie nun draußen liegen, Tehrt Ihr ſodann in die Gruft
zurück und holt die Koftbarfeiten aus den Särgen, was fein
Hinderniß feyn Tann, fobald die Tobten davon entfernt find.
Nachher mögt Ihr die Gerippe wieder in ihren Särgen zur
Ruhe bringen.”
Den Ritter überlief es ganz Falt bei dieſem Borfchlage,
aber feine Begier nad Reichthum und Lebensgenüflen war fo
groß, daß fie bald alle feine Furcht überwog. Um Mitternacht
begab er ſich in die Kapelle, bis zu deren Eingang ber Pilger
ihn begleitete, dort ſtehen blieb und ſich beharrlich weigerte,
das Innere derfelben zu betreten.
Der Ritter öffnete die Säage, einen nad) dem andern, unb
trug, wie geheißen, fänmtliche Gebeine hinaus auf einen heil
vom Vollmond befchienenen Raſenplatz. In dem Sarg aber,
den er zulegt auffchloß, fand er den noch unverweften Leichnam
eines Kindes Tiegen. Als er auch diefes binaustrug und zu
den übrigen Todten gefellen wollte, richteten fich Alle mit einem
Mal empor und riefen mit hohler Stimme: „Augenblicklich
trag ung in unfre Nubheftätten,.zurüd, damit wir nicht umgehen
müffen auf Diefer Burg!”
Kaum war die Schredfensmahnung ergangen, als der Fremde
vor dem Ritter fland. Das Pilgergewand raufchte von feinem
Leibe nieder und er wuchs empor, höher und immer höher, big
fein Haupt, deffen Haare wie Flammen Ioberten, den Mond zu
berühren ſchien. Schon firedte die furchtbare Riefengeftalt ihre
gefpreisten Krallen nach dem Ritter aus, deſſen Blut zu Eis
gerann, da regte fich ber Leichnam bes Kindes, das er noch auf
feinen Armen trug, eine Glorie umfloß das feine Geſichtchen
und yon feinen Tippen ertönten bie Worte: „Fliehe, verworfe⸗
ner Geift des Abgrunds! Diefer Berblendete hier ſoll nicht
16°”
244 Stadt Baden und Umgebung.
dein Opfer werden, ſondern den Reſt ſeines Lebens der Reue
und Buße widmen!“
Mit wildem Gebrülle verſank die Rieſengeſtalt in den ſich
unter ihr ſpaltenden Felſenboden. Der Ritter aber eilte, das
wieder zur ſtarren Leiche geworbene Kind und die Gerippe ſei⸗
ner Ahnen nebſt allen geraubten Koſtbarkeiten von Neuem in
die Särge zu verſchließen, und verließ gleich am nächſten Mor⸗
gen, im härenen Gewand und Mufchelhute, feine Burg. Er
wallfahrtete von einer heiligen Stätte zur andern unter beftän-
digen Gebeten und Bußübungen, bis man ihn einft an den
Stufen eined Altar tobt liegen fand. Seine Burg verfiel, fein
Geiſt aber ſoll noch jeßt unter den Trümmern umbherirren.
(Siehe A, Schreiber!8 „Sagen vom- Rhein And Schwarzwald 2c.”)
Das goldene Kegelfpiel.
Bon der Yhurg fagt man, daß fie von Tempelherren er⸗
baut fey. Aber diefe Chorherren wurden einmal alle in Einer
Nacht umgebracht und ihr Haus zerſtört. Seitdem gehen bie
Geifter auf diefem Berge, Rieſen und Zwerge find auf ber
Burg, man hört darin Kriegsgefhrei, und Leute, die dann in
die Nähe kommen, werben mit Steinen geworfen. Dan hört
darin auch lachen, jammern und weinen. Diele Geifter find
ſchon hinauf gebracht worden. Die Geifterbanner ſtecken fie
zuerft in Säde und tragen fie um Mitternacht aus den Häu⸗
fern. Diefe vielen Geifter auf der alten Burg fpielen oftmals
mit Kegeln. Ein Knabe, der Holz fammelte, hörte das und
ging aus Neugierde an das Schloßthor, da. fand ein alter
Mann und führte ihn zu dem Wohnhaus. Da waren zwölf
Männer mit fohwarzen Kleidern und weißen Bärten und einer
winfte dem Sinaben, die gelben Kegel aufzufegen. Das that er
auch, ihm fam aber die Kugel gar zu ſchwer vor. Da ſchlug
es zu Steinbach zwölf Uhr, die Männer hörten auf und gaben
ihm zum Lohn einen gelben Kegel in feinen Holzforb, worauf
Alles mit dem letzten Glockenſchlag vor feinen Augen ver-
ſchwand. Der Kegel war dem Knaben zu fchwer und als er
bei einem Stamme einen fhönen Haufen Lesholz fand, da warf
Stadt Baden und Umgebung. 245
er den gelben Kegel hin und füllte feinen Rückkorb mit dem
Holz. — Das trug er denn nah Fahrenhalt und erzählte
feinem Bater, was ihm begegnet war. Diefer aber ſchalt den
Sohn, daß er den ſchweren gelben Kegel nicht behalten habe,
denn er müfle von Gold gewefen feyn. Da Tief der Knabe fei-
nem Vater zu Lieb wieder in den Wald und fam auch an den
Stamm, wo er bad Lesholz gefunden, aber der gelbe Kegel
war fort, ed lag da nur ein Stüd dürres Holz. — Wenn die
Leute im Walde zu thun haben, fo bleiben fie gern beifammen
oder warten am Wege auf einander, um gemeinfchaftlich nach
Haufe zu gehen. Denn einzeln werben fie oft ihre geführt und
an die Burg gebracht» Dort muß fich Jeder dreimal im Ring
herumwenden, bevor er weggeht, und wenn er weiß, wie er fich
zu wenden hat, dann findet er wieder den rechten Weg.
(Berg, Mone’& „Anzeiger 20.” Jahrg. 1834.)
Yhurg’3 Ya.”
Stolz blickt von Bergeszinnen
Die Aburg in das Thal,
Doch wüſt und leer ifld innen,
Und außen dd’ und fahl.
Des Haufes letzter Sproffe
Hat all fein Gut verpraflt,
Sitzt einfam nun im Schloffe,
Der Ratt’ und Eulen Gaft.
Er fchwingt nicht mehr mit Ehren
Sein Schwert in Fehd' und Spiel;
Des Wandrers Gurt zu leeren,
Iſt nun fein einzig Ziel.
Sein Weib und Kind erlegen
Sind Tängft dem tiefen Weh;
Sp fagten Lieb’ und Segen
Der Trauerburg Ade!
*) Bergl, die erfie Sage, S. 242 u. ff.
Stadt Baden und Umgebung.
Die Beten feiner Mannen
Erſchlug ein blut'ger Strauß,
Die Schlechten flohn von dannen,
Da ſchlich die Noth ins Haus. —
Stolz blickt von Bergeszinnen
Die Yhurg in das Thal,
Beim erfien Nachtbeginnen,
Deglänzt vom Mondenſtrahl.
Ein Pilgrim fommt gegangen,
Traͤgt rabenſchwarzes Haar,
Uns über finſtern Wangen *
Ein bligend Augenpaar.
Er pocht wohl an die Pforte —
„Was ſuchſt du, Srembling, bier?
Du trifft an diefem Orte
Nicht Labſal noch Quartier.
„Denn leer ift Küch' und Keller, -
Die Kammer fpinnenvoll,
Im Schrein fein rother Heller
Zu frommem Pilgerzoll.” —
„Macht auf dem Reifemüden !
Bin hergewallt zur Buß’
Aus ferner Stadt im Süden,
Bom Pilgern hinkt mein Fuß.
„Macht auf, macht auf die Thüre |
So's Euch an Troft gebricht,
In meinem Ranzen führe
Ich mand ein fein Gerigt.
„Ein Krüglein edlen Weines. . .' —
„Herein, du fremder Saft!
Laß fehen, was du eines
In deinem Ränzlein haft!’
Start Baden und Umgebung, 247
Auf thut ſich unvergüglich
Das Thor, der Gaſt tritt ein;
Bald ſaßen hochvergnüglich
Die Zwei bei Mahl und Wein.
Ein Vorrath leckrer Speiſe
Stieg aus des Pilgrims Sack,
Gewürzt auf feinſte Weiſe,
Vortrefflich von Geſchmack.
Im Römer perli' und glühte
Der Wein karfunkelklar,
Als ob dr Flammen ſprühte,
So feurig wunderbar.
Deß tranken ſie ſelbander
Beim Schmauß manch wackern Zug,
Wettbechernd mit einander,
Und nie verfiegt ber Krug.
Bald wurden fie vertrauter,
Der Strom der Rede fchwoll,
Daß lauter, immer lauter
Der Lärm die Burg durchſcholl.
Die alten, Ahnenbilder
Am Söller wurden wad,
Es klangen die roftigen Schilder
Im nahen Rüftgemad,
„Ich mögt viel baß es haben,
Herr Ritter, fo Ihr wollt!
In Eurer Burg begraben
Liegt Evelftein und Gold,
malt unter ber Kapelle
Bermobert reicher Schag,
In dumpfer. Todtenzelle;
»s fänd' aber beffern Play." —
Stadit Baden und Umgebung.
„Biel Soll ich frevelnd fchänden
Erlauchter Ahnen Staub —
„Der Bäter Gut verwenden,
Nur Pfaffen nennen’s Raub.
„Hinweg mit eiteln Sorgen !
Nur frifh und flinf daran,
Sp iſt der Hort geborgen,
Eh? wieder Träht der Hahn.
„Trinkt aus bis an den Boden
Den Kelch aufs Wohlergehn —
Aufs Wohlergehn der Todten,
Die niemals auferfteßn "' —
Zwölf Schläge zittern helle:
Das Werk ift fhon im Gang,
Tief unter der Kapelle
Tönt ungewohnter Klang.
Die alten Ahnenbilder
Im Söller wurden wach,
Es klangen die roſtigen Schilder
Sm nahen Ruſtgemach.
Geſprengt beim Fadeljcheine
Erſchließt fi Sarg um Sarg,
Die morſchen Todtengebeine
Sie werben gerüttelt arg..
Entfleifchte Schädel ſchauen
Den Frevler firafend an:
„Laß ab!" — Unnennbar Grauen
Win innerft ihn umfahn.
„geil macht dich Furcht erbleichen 2“
Höhnt fein Kumpan von fern.
Drauf an ben Ietten Leichen
Will keck der Ritter zerr'n.
Stadt Baden und Umgebung. 249
„Laß ab!” — Tönt aus dem Grabe
Ein Stimmlein, engellind,
Aufſtreckt ein lichter Knabe
Die Hand, — fein einzig Kind,
Zu Boden finft der Ritter:
„Bergib, Herr Jeſus Chriſt!“ —
Ein furchtbar Ungewitter
Brach aus der ſelben Friſt.
Es wankt die Burgkapelle
Und ſtürzt mit Sturmgebraus. —
Der Frembling an der Schwelle
Berfhwand in Nacht und raus.
Ebuarb Brauer.
Die böfe Müllerin von Zell.
Bu Zeit im Abts-Stab lebte vor Zeiten eine reiche und
böfe Müllerin. Sie gab den Armen fein Stüdlein Brot und
brachte manche Leute durch Proceffe um Hab und Gut; fie
haßte die Geiftlichen, befuchte niemals die Kirche und flarb eines
plöglihen Todes. Da ging fie nun als Geift um in ihrer
Mühle, bis die Leute zulest einen Pater kommen Yießen, der
bes Geifterbefhwörens kundig war. Der bannte die Müllerin
in einen Sad und trug ihn auf die Ybhurg. Lange Zeit hörte
man dort ihre Klage; fie rief Tag und Naht: „Ich bin die
Müherin von Zell!" — Seitdem aber der Blig in die Burg _
gefchlagen und den einen Thurm gefpalten hat, iſt ber Geift
verftummt, wie die anderen auch, die dort oben ihr Wefen trieben.
(Siehe Mone's Anzeiger 20. v. 3. 1834.)
Sortunat von Baden,
Seht dort auf fleilem Bergesgrat
Die Yburg, waldumfchlofen !
Da hauſte Markgraf Fortunat
Mit feinen Nachtgenoffen.
250
Stadt Baden und Umgebung.
Er hatte mit verrucdhter Hand
Dem Teufel zum verfluchten Pfand,
Für ſchwarzer Kunft Befehle
Berfchrieben Leib und Seele.
Entfegen rief im Land umher
Sein wüſtes Sattelleben;
Zu Straßenraub und Morbbegehr
Erniedrigt war fein Streben.
Er ſchmückte mit dem Raub fein Schloß
Und hielt mit feinem wilden Troß
Oft Nächte Yang und Tage
Hölliſche Saufgelage.
Bon Durlach war's Fürft Friederid,
Den er zu meucheln trachtete,
Weil der den Better Lieberlich
Aus Herzensgrund verachtete.
„Du zwingft ihn nicht im offnen Streit,
Drum fhaff ihn heimlich anf die Seit’ “
Sp nahm des Markgrafs Buhle
Ihn fchmeichelnd in die Schule.
Und im Laboratorium
Der Yburg hört man ſtampfen
Die großen Mörfer mit Gefumm,
Und fieht die Eſſen dampfen.
Hier braut ein furchtbar Giftrecept
Mit wälfchen Stroichen der Adept,
Ein Salz für Belters Kühe, —
Nicht fehlen Zauberſprüche.
Der Himmel ſchützte wunderbar
Davor den arg Bedrohten,
Doch mand unfchuldig Opfer war
Gegangen zu den Todten.
Das kümmert nicht Herrn Kortunat,
Ihn fpornt, durch feiner Buhle Rath
Und wälfche Lit, der Satan
Aufs Neu’ zur finftern That an.
Stadt Baden und Umgebung. 251
Und im Gewölb', in fpäter Nacht,
Wo fonft fie Geld nachfaͤlſchen,
Wird jest ein Bild auch nachgemacht
Bon ihm und feinen Wälfchen,
Aus Jungfernwachs zumal und Leim
Und Zauberftoffen insgeheim:
Friedrich's, zur Rad’ erkoren,
Dem er den Tod gejchworen.
Behängt mit Fratzen allerlei,
Verflucht mit freolen Worten,
Starrt Iebensgroß das Konterfei
Auf Tiegel und Retorten.
Im Miderfchein der Koblengluth
Sein Antlig vöthet fih zu Blut;
Sogar das Glas der Augen
Scheint Leben einzufaugen.
Die ſchmalen Lippenränder weit
Gefperret, bleckts bie Zähne,
— Aus Mörderfchädeln eingereiht —
Mit grinfendem Gegähne.
Sol das der edle Friedrich feyn?
Die Hölle borgt ihm nur den Schein,
Daß fie des Frevlerd Sinne
Nur fefter noch umfpinne.
„Beim Trismegiſt!“ rief Fortunat,
„Der Zauber wirft, Gefellen!
Der Schelm ift Iuftig, in der That!
Ob ihm die Ohren ſchellen?
Gewiß, es ſchläft fein Urbild ſchlecht!
So macht die Ladung ihm zurecht
Mit ſchwarzem Todesſamen!
Wohlan, ins Teufels Namen!“
Aus Todtenköpfen mannigfalt
Buntfarbne Lichter brannten,
In deren Kreis die Zerrgeſtalt
Nun ziehn die Nekromanten.
252
Stadt Baden und Umgebung.
Ste Iefen den Beſchwörungs-Pſalm,
Rings füllt die Wölbung NRäucherquaim,
Da tönt aus ehrnem Munde
Die mitternäcdt’ge Stunde.
Zum Schuß nun feine Creatur
Der Meiſter faßt ins Auge:
„Der Zauberkugel Erzmirtur,
Laß fehn, ob fie was tauge?“
Und los nun drückt er das Piftor,
Hei, pfeift der Ball durchs Bild fo Hohl!
Doch auch ein Schrei, o Graufen!
Gellt vor der Thüre draußen.
Er reißt fie auf in blinder Wuth,
— ‚Bar das Berräthers Stimme?" —
Da wälzt verathmend ſich im Blut
Die Buhle fein, die fehlimme.
Dep hatte fo die Lauſcherin
Für fhwarzen Rath den Strafgewinn.
Zu Durlach, ohne Sorgen
Schläft Friedrich, wohlgeborgen.
Doch Fortunat, von Angſt erfaßt,
Mit feiner Schuld Genoſſen,
Gedrüdt von des Gewiſſens Laft,
Entflieht auf fohnellen Roſſen;
Fort lagt er über Stock und Zaun
Zum fernen Schloß nach Kaſtelaun,
Um vor der Hölle Schergen
Vielleicht ſich dort zu bergen.
Die Opfer laſſen ihm nicht Ruh;
In immer wildrem Praſſen
Stürzt taumelnd er dem Abgrund zu,
Bon Gott und Welt verlaffen.
Und einft bei tollem Schwelgermahl
Lodt ihn der Böfe aus dem Saal,
Und ſchleudert ihn Eopfunter
Die Marmortrepp’ hinunter. —
Stadt Baden und Umgebung. 253
Doch auf der Yburg jede Nacht
Der Hölle Beifter rafen.
CH Da waltet flets des Teufels Macht,
Wo fhlimme Fürften faßen.
2 Der Bau zerfiel in Schutt und Staub,
Ein Thurm noch ragt aus Waldeslaub,
Das flüſtert felbft am Tage
Wie eine bange Klage.
. Ignaz Bub.
(Driginalmittheilung.)
Da8 Blutfeld.
Mach dem Tode des Markgrafen Eduard Fortunatus
von Baden-Baden wollte der Markgraf Georg Friedrich
von Baden-Durlad defien Kinder nicht für fucceffionsfähig
anerfennen, die aus feiner Ehe mit Maria von Eiden ent-
fproffen waren. Die Bormünder der Kinder gaben ſich vergeb⸗
liche Mühe, und der Kaifer zögerte, ein Urtheil in diefer Sache
-zu fällen, bis nach der für den Durladder Markgrafen fo un-
glüdlichen Schlacht bei Wimpfen (1622) der Faiferliche Reichs⸗
bofrath einen Spruch that, nad welchem Markgraf Wilhelm
in den Beſitz aller feiner Länder eingefegt wurde.
Als in Folge des Sieges bei Leipzig die Schweden unauf⸗
haltſam gegen den Rhein vorrüdten, führte Markgraf Wilhelm
ben Befehl über die Fatferlihen Truppen am Oberrhein. Er
warb in mehreren Treffen von den Schweden gefchlagen und
fein Land von diefen befeut und dem Markgrafen von Baden⸗
Durlach übergeben, während Wilhelm fih nad Innspruck flüch⸗
Bald darauf Fam er mit einem Eleinen Deere zurüd, um
te Schweden aus feinen Landen zu vertreiben. Allein er gerieth
in einen Hinterhalt, wobei ein großer Theil feines Heeres nie
dergemacht wurde, und nur mit genauer Noth entging er der
Gefangenſchaft. Schon hatte ihn ein fhwebifcher Reiter am
Arm ergriffen, aber weil er nur in gewöhnlicher Solbatentracht
war, und ber Schwede in demſelben Augenblid einen reich ge-
kleideten Offizier fah, ſo ließ er Jenen los, und jagte Dies
fem nad).
254 Stadt Baden und Umgebung.
Eilig und nur mit wenig Begleitern floh Markgraf Wilhelm
feiner Refivenz zu, immer feine Feinde dicht hinter fi. So
fam er allein bis in das Thal von Dberbeuern, wo fein
Pferd tobt unter ihm niederflürzte. Zum Tode müde, vermochte
er feine Flucht nicht weiter fortzufegen. Er trat jezt in ein am
Wege flehendes Haus, gab fih zu erfennen und forderte bie
Bewohner deſſelben auf, ihm zu feiner Rettung behülflich zu
feyn. Der Haugeigenthümer war der. Stabhalter das Thals,
und alsbald forglich bereit, feinen Fürften von der Gefangen-
fhaft zu reiten. Während fie noch über bie zweckdienlichſten
Mittel fi) beriethen, Fam ein Junge nad) Haus mit der Nach⸗
richt, daß ein Trupp ſchwediſcher Reiter das Thal herauf Fame
und alle Wohnungen unterſuche. Jetzt galt fein Säumen mehr;
doch während der Landmann beforgt nad) einem Ausgang um⸗
her fpähte, warb er einen ſchmutzigen, flummen Wagenfchmierer
gewahr, den er zuweilen bei ſich vaften ließ. Schnell flieg jetzt
ein Bedanfe in ihm auf, den er eben fo fchnell zur Ausfifrung
brachte. Der arme Stumme mußte fich fogleich entkleiden und
in der Tracht eines der Söhne aus dem Haufe fich entfernen,
aber fein Fäßchen zurüdlaffen. Hierauf wurden dem Marfgra-
fen die fchmusigen Kleider deffelben angelegt, fein Geſicht ge-
fhwärzt und ihm die Ofenbanf zum Lager angewiefen, wo er
die Rolle des Stummen ſpielen follte. Kaum waren die An⸗
ordnungen getroffen, fo flürmten auch ſchon die feindlichen
Reiter herein. Sie durchſuchten das ganze Haus bis in Die
hinterfien Winkel; auch den Schlafenden auf der Ofenbanf
riffen fie herum und fragten, wer und was er fey. Man fagte
ihnen, daß er ein armer Stummer fei, der mit Wagenſchmiere
handle, und bier aus Barmherzigkeit eine Schlafftelle finde;
feine Heimath fey das Murgthal. Damit gaben ſich bie Reiter
zufrieden, holten aber aus dem Stalle noch ein Kalb, welches
fie am Feuer zurecht machten und verzehrten.
Am andern Morgen zeigte der Bauer dem Fürften den Weg
übers Gebirge nah Forbach, und geleitete ihn bi am bie
Leimenlöcher. Glücklich entfam der Markgraf abermals nad
Snnsprud, von wo aus er fogleich Durch ein reiches Geldgeſchenk
fih dankbar gegen feinen Retter bewies. Nachdem er wieder
in den ungeftörten Beſitz feiner Markgrafichaft gekommen war,
Stapt Baden und Umgebung. 255
gab er ihm noch überdies eine große Befigung von Wald und
Seid zur Belohnung. Graf hieß der wadere Mann und noch
lebt eine zahlreiche Nachkommenſchaft von ihm.
Im Jahr 1634 war Markgraf Wilhelm abermals in feine
Reſidenz Baden zurüdgefehrt, deren Beſitz ihm aber noch nicht
ungeflört vergönnt wurde. Der Marfgraf von Baden-Durlach
zog mit einem Heere gegen ihn, und die Waffen follten ent-
fcheiden, wer, über bie obere Markgraffchaft herrfchen ſolle. Au
Markgraf Wilhelm. hatte ein Heer gefammelt, und 309 an deſſen
Spite aus, für fein gutes Recht zu fechten. In der Ebene,
zwifchen den Dörfern Dos und Sinsheim und dem Fremers⸗
berge, trafen die beiden Heere auf einander. Qapfer und hart-
nädig wurbe auf beiden Seiten gefämpft, und zwei Tage ſchon
hatte der Kampf mit großer Erbitterung gewüthet, ohne daß
einer oder der andere der Fürften fi) des geringften Vortheils
rühmen fonnte. Als am Abend des zweiten Tages die Schlacht
ruhte, ritt Markgraf Wilhelm, der wohl einſah, daß er ohne
Verſtaͤrkung ſchwerlich einen gänzlichen Sieg erfechten werde
tönnen, in Begleitung eines einzigen Dieners nad) dem Beuer-
ner Thale. Hier Tieß er die Vorfteher der Gemeinde zufam-
menrufen und ftellte ihnen vor, wie er wahrjcheinlich bei dem
obwaltenden Rampfe der Uebermacht erliegen werde müflen,
wenn er feine Hülfe bekaͤme; er habe jedoch von den Bewohnern
dieſes Thals von jeher fo viel Beweife ihrer Ergebenheit gegen
ihr Fürftenhaus erhalten, daß er es fett getroft wage, fie zu
bitten, ihm aus ihrer Mitte Verftärfung an Mannfchaft zu
ſchicken. Gern und freudigen Muthes verfprachen Die bieberen
Thalbewohner ihrem Fürften die verlangte Hülfe. Er folle nur
getroft, fagten fie, am andern Tage die Schlacht beginnen, fie
würden ficherlich zur rechten Zeit da feyn. Und alsbald fchie-
ten fie durch das ganze Thal und Tießen alle waffenfähige
Mannfchaft entbieten, um zum Heere des Markgrafen zu floßen.
Und als der Morgen erfchien, ba verfammelte fich eine gewal-
tige Schaar; nicht allein Sünglinge und Männer, fondern auch
Srauen und Kinder zogen mit aus, für ben verehrten Fürften
zu fireiten. Und mit Fahnen und Musfeten, mit Piden und
Senfen, mit Miftgabeln und Knütteln, eilten fie durch& Gebirge
nach der Seite des Fremersherges, wo fie, durch das Dickicht
256 Stadt Baden und Umgebung.
verborgen, das ganze Schlachtfeld überbliden fonnten. Und als
ber Kampf am beftigfien entbrannt war, brachen fie aus ihrem
Hinterhalte hervor und fielen dem Feind in den Rüden. Da⸗
durch entfland in deſſen Reihen Verwirrung, die bald in allge-
meine Flucht ausartete. Markgraf Wilhelm verfolgte mit feiner
Reiterei die Flüchtigen, und bei Bühl gerieth der Durlacher
Fürft in feine Hände. Wilhelm begnügte fih, ihn verfprechen
zu Yaffen, daß er künftig allen Anfprücden auf das Baden - Bas
denſche Land entfage, und ſchenkte ihm gegen diefe Verzichtlei⸗
flung die Freiheit.
Sp wird dies Ereigniß von den Bewohnern des Beuerner
Thales erzählt; freilich etwas abweichend von der Geſchichte.
Noch aber heißt das Feld, wo die Schlacht geliefert worden:
das Blutfeld.
Aloys Schreiber.
(Siehe „Sagen aus Baden und Umgegend.“ Carlsruhe, 1834.)
Die Teufelskanzel.
Du ſchauerſt, Wandrer, ob dem Graus
Rings hier in Thal und Wald umher;
Du fiehft nur Felfen, grau und ſchwer,
Kein freundfih Blümlein ragt heraus.
Da fragft, woher das Schreden kam?
Das weiß die Sage wunderſam
Und treulich Dir zu deuten.
Es war in alten, fernen Zeiten;
Der Teufel hergezogen kam,
Auffteigend aus den heißen Fluthen,
Aus Badens tiefverborgnem Duell.
Noch flammend von der Hölle Gluthen,
Den Blid von rothem Lichte hell.
So bricht er auf, erflimmt Die Höhn
Und heißt umher die Diener gehn,
Daß fie verfammelten um ihn
Der Bäuerlein und Ritter viele.
Stadt Baden und Umgebung.
Man ſah's von Schloß und Hütte ziehn,
Als ging's zu Tanz und Waffenfpiele.
Der Böfe ftellt fih drauf mit Neigen
Gar fittfam auf den höchften Stein,
Und als die Hörer alle ſchweigen,
Beginnt er Ieife, mild und fein,
Die Rebe fü und Hug erfonnen,
Und fpricht von feines Reiches Wonnen,
Bon ewigem Glanz und Herrlichkeit,
Die feinen Dienern flehn bereit.
Er weiß mit Iofem Trug und Spott
Die Geifter Tiftig zu bethören,
Daß ſchon in mander ſchwachen Bruft
Sich hebt und regt die fündige Luft,
Und fpöttelnd über den lieben Gott
Man kann viel leidige Worte hören. —
Da fällt's, wie lichter Wetrerfchein,
Tief in den finftern Wald herein;
Benüber des Böfen Höllenthron
Erflingt ein goldner Harfenton;
Ein Engellnabe niederraufchet
In filberleuchtendem Gewand,
Die Palme tragend in der Hand,
Und ſtill bewegt die Menge Taufchet.
Und wie er fpricht, beginnt’ zu tagen
Wie Himmelsroth in jeder Bruftz
Sie fühlen mädtig, unbewußt,
Sich zu dem Engel hingetragen.
Der Böſe wüthet bald allein
Auf dem verlaffnen Kanzelftein;
Er bricht empor im wilden Grimme,
Doch füßer tönt des Engeld Stimme,
Und immer heißer wird der Drang;
Bon allen Lippen feftlich Elingt,
Aus allen Herzen gläubig ſchwingt
Empor fi heiliger Bußgefang. —
II. 17
257
258: Stadt Baden und Umgebung. -
Der Böfe mit dem Dienerdjor
Bricht in der letzten Wuth hervor;
Mit den Riefenfrallen gewaltig faßt
Er, niederbonnernd, der Felfen Laſt,
Und fehleudert die Bäume, groß und ſchwer,
Wie Brüthenfloden im Thal umher,
Und öffnet der Erde Naht und Graus,
Daß fhwarze Quellen fluthen heraus;
Und fluchend ſchlägt er den foharfen Huf
Zum ewigen Zeichen tief in den Stein,
Und flürzt ſich dröhnend, mit wildem Auf
Sn der Erde klaffenden Schlund hinein. —
Zieh ſchnell vorüber, o Wandersmann !
Noch fiht der Böfe die Menfchen an,
Und will er Dich locken zur fündigen Luft,
Sp öffne dem guten Engel die Bruft!
Anguft Stöber.
Die Tenfelsfanzel und Klofter Engelöburg.
or uralten Zeiten, als Satan noch Iehrte,
Durch fehmeihelnde Worte die Menfchen bethörte,
Da find fie von nahe und ferne gezögen
Zur Kanzel ded Teufels wie braufende Wogen,
Und Manchen, der hörte die Predigten an,
Befiel wie ein Zauber der trügrifche Wahn:
Er dünfte, geblendet vom hölliſchen Schein,
Sich glüflich, ein Kind feines Reiches zu feyn.
Nur Einer hielt gänzlich vom Wahne fich frei
Und blieb feinem Gott und den Heiligen treu;
Graf Eberſtein war es, der biebere Held,
Ergraut in den Waffen auf ehrlichem Feld.
Mit Unmuth erfüllt ihn, was Satan verühte
Zum Unheil der Menfhen, was fo ihn betrübte,
Daß gern er gefämpfet auf Leben und Tod
Mit ihm, fie zu retten aus Schmad und aus Noth.
Doch hielt ihn die Schwäche bes Alters zurüd,
Stadt Baden und Umgebung, 259
Auch fenkt auf fein einziges Kind er den Blick.
Ein Töchterlein war es, fo lieblich und hold,
Mit Augen wie Beilhen, mit Haaren wie Gold;
So fromm wie ein Engel, fo fittig und ſchön,
Es mußte fie lieben, wer je fie gefehn. —
Drum flellten der Ritter gar viele ſich ein
3m Schloß, um die Minne des Fräuleins zu frein;
. Sie waren von Liebe fat Alle von Sinnen,
Doch konnt' ihre Neigung fih Keiner gewinnen.
Da ſprach nun ber Vater; „Dem reich’ fie die Hand,
Der mir von dem Böſen befreiet das Land!“ —
Da wollte die Palme fi Jeder erringen
Und Satan im freißfichen Kampfe bezwingen ;
Doch Keinen befrönte der Sieg und das Glück,
Nicht Einer Fam heil aus dem Streite zurüd.
Da jauchzte das Volk dem DVerführer aufs Neu:
„Heil unferem Herrfcher, wir bleiben ihm treu!“
Doc fiehe! nun ſchwebet vom Himmel herab
Ein Engel des Friedens mit goldenem Stab,
Derühret mit diefem in heiliger Hand
Den Teufel, daß brüllend er ferne verſchwand!
Da wendet Die Menge ſich wieder zu Gott
Und fieht, daß die Lehren des Satans nur Spott.
Zum Himmel erhob fi nun freudig empor
Der Engel, da trat aus dem Kreife hervor
Graf Eberftein feierlich, führend zu Hand
Die Tochter im fchneeigen Nonnengewand,
Und ſprach: „Nur dem Steger verfpradh ich die Braut —
Der Himmel ward Sieger, ihm fey fie getraut |“
Beharrend im Glauben und Gottesvertrau’n.
Ließ er nun das Klofter : „die Engelsburg“ bau'n.
Emilie Scosniovsty.
Die Wolfsſchlucht.
Bei der Teufelskanzel, dicht am Wege nach Gernsbach,
zieht ſich links ein Fußpfad in eine mit Felsblöcken überſäte
Schlucht hinab, welcher man obigen Namen gegeben hat. Einſt
17 *
260 Stapt Baden und Umgebung.
verirrie fich in einer mondhellen Nacht ein armer Fiedler dahin,
der von einer Bauernhochzeit heimkehrte und fi dabei etwas
zu gütlich im Weine getban hatte. Die Gegend erfchien ihm
ſo ganz fremd, daß er gar nicht mehr wußte, in welcher Rich⸗
tung feine Heimath lag. Müde lehnt er fih an eine Felfen-
wand, allmälig fallen ihm die Augen zu, — da hört er auf
einmal ein Iebhaftes Rafcheln im Gebüſch und fieht zu feinem
höchſten Entfegen einen mächtigen Wolf, die rothglühenden
Augen auf ihn gerichtet, hervorfommen. In der Angft feines
Herzens fängt der arme Teufel an, auf feiner Geige alle die
Tänze aufzufpielen, deren er fih nur entfinnen kann. Der
Wolf Hut anfangs, Täßt ſich aber Doch nicht weiter abſchrecken
und geht wieder auf ihn los; als aber der Fiedler in Verzweif⸗
Yung immer wilder und wilder auf den Saiten herumftreicht,
wird ed dem Meifter Iſegrimm ganz unheimlich zu Muth; plötz⸗
lich macht er rechtsum und ift mit einem gewaltigen Sat zur
Schlucht hinaus, als ob die wilde Jagd hinter ihm ber wäre.
Die ausgeftandene Todesangſt aber hatte den Geiger nüch⸗
tern gemacht; an allen Gliedern zitternd, doch noch immer auf
feinem Inſtrumente fortfiedelnd, fhritt er behutfam aus der
Wolfsſchlucht wieder hinauf und fand fih bald auf dem rechten
Heimwege, den ihn blos der vorige Nebel vor feinen Bliden
nicht hatte gewahren laſſen.
(Aus A, Shreiber’s „Sagen aus dem Rheinthale 20.“ ©, 26.)
Die Wolfsſchlucht.
(Metriſche Verfion der vorftehennen Sage.)
Ein Pfeifer, gar ein flotter Gauch,
Zog einft vom Kirchweihſchmauße
Bom Bühlerthal mit rundem Bau
Um Mitternacht nach Haufe.
Sein Taumelfchritt befagte,
Wie baß ihm der Trunf behagte.
Herr Mond fand Teider nicht für gut,
Wie fonft, ihm heimzuzünden,
Stadt Baden und Umgebung. 261
Drob ward dem Zecher bang zu Muth
In dichten Waldesgründen;
Hub lallend an zu fingen,
Die Angft zu überflingen.
Noch kaum begonnen hat das Lied
Des wanfelfüßigen Knaben,
Da flürzt er, ch’ er ſichs verſieht,
In einen tiefen Graben.
Wohin er firedt Die Hände,
Rührt er an Felſenwaͤnde.
Doch, Höll' und Himmel! — wie erfchridt
Der ächzende Gefelle,
Als er genüber ſich erblickt
Zwei Augen, fchaurig helle,
Die ihm mit grimmem Leuchten
Den Tod zu fünden deuchten.
Da gießt der Mond ein Tröpflein Licht
Herab durchs Laub der Eichen,
Und zeigt ihm eines Wolfs Geficht,
Mordgierig fonder Gleichen.
„O Tobesfampf vol Grauen
In eines Wolfes Klauen !“
Der Pfeifer hat in höchſter Noth
Sein Slötenfpiel ergriffen,
Und gleich, geängftigt bie zum Tod,
Ein ſchmetternd Lied gepfiffen;
Wild Hang der Hochzeitsreigen
Durchs mitternächtige Schweigen.
Die Bögel fliegen ſcheu empor,
Da fol ein Ton fie weckte;
Erbärmlich quadt im nahen Moor
Der Froſch, der aufgefchredte;
Ja ſelbſt die Eichen bebten,
Die manchen Graus erlebten.
262
Stadt Baden und Umgebung.
Dem Wolf au ſchien die Melodei
Nicht fonders zu behagen,
Er trat zurüc mit bangem Schrei,
Troß feinem leeren Magen;
Doch wie der Pfeifer ruhte,
Kam er mit neuem Muthe.
Da bat der Pfeifer abermals
Sein Flötenfpiel ergriffen
Und lauter noch aus vollem Hals
Sein fehmetternd Lied gepfiffen.
Wild Hang der Hochzeitreigen
Durchs mitternächtige Schweigen.
Der Spielmann bläßt fo lang er fann,
Sein Gaumen wird ihm troden,
Er bläßt und bläßt, doch bald begann
Der Odem ihm zu floden.
„O Todesfampf voll Grauen
In eines Wolfes Klauen !“
Da plöglich ruft e8 von den Höhn:
„Vermaledeiter Bube!
Was ſoll dein Höllentanzgetön
Zu Nacht in dieſer Grube?
Willſt du den Reh'n und Haſen
Allhier ein Ständchen blafen ?“ —
„Ach, Herzenswaidmann, helft mir doch
Aus dieſes Wolfes Krallen!
Schon pfeif' ich auf dem letzten Loch, —
Laßt Euch mein Flehn gefallen!“
Der Jäger unverbroffen
Hat ſchnell den Wolf erfchoflen.
Drauf flieg der Pilger ſchreckensbleich
Hervor aus feinem Grabe: .
„Habt Dank, Herr Schütz! Wie bin ich reich,
Stadt Baden und Umgebung - 268
Daß ich dies Pfeiflein habe!
In Silber will ichs faffen
Und nimmer von ihm Laffen !”
Chnarb Baner.
Anmerkungen zu den Sagen von Baden.
Kurze Ueberſicht ver Geſchichte der Stadt Baden.
Der Stadt Baden Urfprung ift vom Dunkel des graueflen Alter»
thums ummoben, und nur mühfam vermag dad Auge des Geſchichtsfor⸗
ſchers die Rebel zu durchdringen, welche fi) über pie erfien Anfievelungen
in dieſer Gegend gelagert haben. Eine Sage meldet, daß fchon zu Zei⸗
ten des Römerkönigs Tarquinius Priscus eine Keltifche Kolonie
fih Hier niedergelaffen habe; aus Gallien über ven Rhein geprungene
beuteluftige Schaaren ſetzten fich theils in den Thälern des Schwarz⸗
walds feft, theils wagten fie fich tiefer in das Herz Teutſchlands hinein.
Hierauf entfpannen fih im Laufe der Fahre blutige Kriege; bie Teutfchen
warfen bie fremden Einbringlinge nach und nach wieder zurüd, bis end⸗
lich die verbrüderten fchwäbifchen Stämme, — Marlomannen genannt,
weil fie die Marken (Grenzen) mannlich ſchirmten, — das Land von den
ungebetenen Gäſten fäuberten und fogar ſelbſt über ven Rhein drangen,
wo fie bis zu ven Voghefen und dem Harbigebirge bin die Thalebene
befeßten.
Die dunfle Gebirgstette, welche fi von ver nörblichen Grenze ber
Schweiz, gleichlaufend mit dem Rheine, bis nah Pforzheim (Porta
Hercyniz, die Pforte des Schwarzwalds) hinabzog, hieß der Mark⸗ ober
Grenzwald; die Römer nannten ihn silva Martiana oder Hercynia,
die Zeutfchen fpäter Schwarzwald, von dem finftern Bilde feiner Na⸗
delwälder.
Als Cäſar über den Oberrhein kam, wohnten hier die Triboken,
die zu einer Heeresabtheilung gehörten, welche mit Arioviſt, (Ehren⸗
feſt) Herzog der Markomannen, über den Rhein gezogen waren; doch
mußten fie dem kaiſerlichen Adlerfluge weichen und wieder über ven Rhein
fliehen. Als die Römer unter Ziberius und Drufus in Teutſchland
einfielen, zogen die Marlomannen nah Böhmen und gründeten vafelbft
ein neues Reih. Rah der großen Befreiungsichlacht im Teutoburger
Walde ſah fih Zeutfchland endlich von dem Joche der Römer befreit,
denen nur noch das fogenannte römifche Zentland (agri decumates) übrig
blieb, nemlich der Strich, welcher fi vom Rhein bis an den Nedar und
die Donau erfiredt, wovon Baden einen Theil ver Grenze bildete.
Baden wurde nun der Hauptort des Landes; nach den älteften
aufgefundenen Dentmalen zu folgern, find die Kaiſer Hadrian und
Antonin die Gründer ver Stadt gewefen und fehlugen zuweilen bier
ihren Hofpalt auf. Trajan that Bieles für ven Flor der jungen Thales⸗
264 Stadt Baden und Umgebung.
Konigin, brachte ihre Heilquellen in Aufnahme und erhob fie zur Stadt;
vom Kaiſer Baffianus Earacalla, nah Andern erft fpäter vom
Kaifer Alexander Severus, welde beide den Zunamen Aurelius
führten, erhielt fie ven Ramen Aurelia, civitas aquensis. Bon ihren da⸗
maligen Glanze fprechen noch die ausgegrabenen Mauertrümmer, Stein-
bilder, Altäre, Meilenzeiger, Gefäße u f. w. Mit Argentoratum (Gtraß-
burg), Saletio (Selz) und Pforzheim war es durch Heerfiraßen verbun- -
den, von denen, außer der DBergflraße, die eine geradaus nah dem
Rheine, die andere Über die Höhen in den tieferen Schwarzwald zog.
Die erfte, fünfte, achte und vierzehnte Legion hatte in dieſen Mauern ihr
Standquartier. Unter Kaiſer Probus wurden hier die erflen Weinreben
gepflanzt.
Aber nicht Iange mochte die Herrlichfeit Aurelia’8 gewährt haben;
fie verfanf vor dem Andrange ver teutfchen Völker, die mit gemaffneter
Sand ihre Freipeit von den Fremblingen zurüdforberten, deren Zwing⸗
burgen, Kaftelle und Wartthürme brachen und die Brandfadel in die
zierlichen Tempel und Billen ſchleuderten; damals verſchwand auch, mit
noch viel anderen ähnlichen Anfievelungen, unfre heitre Quellenftabt faft
fpurlos, als wäre fie nie da geweſen.
Die Alemannen wohnten nun, etwa vom Jahr 237 nach Chriſti
Geb., in diefer Gegend, und die Oos und die Murg bildeten bie nörb-
liche Grenze ihres Gebietes. An Aurelia’s Stelle fehen wir im Laufe
der Zeit einen Ort fich erheben, ven wir zuerft in einer Urkunde Dago-
bert’s II. vom Jahr 675 als eine Oſtfränkiſche Beſitzung unter dem
. Namen „Badin” erwähnt finden; fpäterhin begegnet er unferm Blid
als der Hauptort des Oosgau's (auch Uffgau, Ußgau), fogenannt von
dem Bergwafler, das bei feinem Urfprung Beinnersbach, weiter Oosbach
und zulebt Delbach heißt. Das über den Trümmern ver Römerherrſchaft
gegründete Herzogthum Alemannien hatte ſich nämlich nicht allzulange
behaupten können, ohne an die mächtigen Nachbarn, die Franken, wenig-
ſtens den Schein der Selbſtſtändigkeit zu verlieren. Die Oberberrlichteit
der Merovinger verbrängte die uralten Götter, die Anbetung bes
Kreuzes griff fiegend Plab und veränderte allmälig Gefinnung' und Sitten.
Der bezeichnende Punkt in ver Uebergangsperiode von ver Barbaret
zum Mittelalter ift die Regierung Karls des Großen, unter deſſen
Nachfolgern das von ihm gegründete Reich fich trennte. In viefen Zei⸗
ten der Verwirrung flund Fein Befig feft, und wir fehen die Duellenftabt,
wie andere Orte auch, ihre Herren öfters mechfeln. Ludwig der
Teutſche gab Baden wieder an die Mönche von Weißenburg, denen
es voreinft König Dagobert gefchentt hatte.
Unter Otto dem Großen kam der Oosgau an das Herzogthum
Schwaben; im Jahr 1036 verlieh Heinrich II. bei der kaiſerlichen
Pfalz zu Baden, bie wahrfcheinlih auf dem Balzenberg geftanden,
ein Erbgut an das Stift Speyer.
Eine Urkunde Otto's II if} von Baden aus ausgeftellt.
m — s ——
Stadt Baden und Umgebung. | 265
Als das Land an das erlaubte Haus ver Zähringer gelommen,
brachte eine Tochter diefes Stammes das Schloß zu Baden au Hein-
rich den Löwen, von dem es Friedrich der Rothbart durch Zaufch er»
warb. Bon Kaifer Friedrich aber erhielt Schloß und Ortſchaft zu Lehen
aufgetragen Markgraf Hermann III, deſſen Rachlommen hier ihren
Wohnſitz auffehlugen und fortan von der Befigung den Namen Baden
führten, der fpäterhin von dem Regentenhaus auch auf das ganze Land
überging.
Unter ven Martgrafen bob fih Baden wieder aus Schutt und
Aſche neu verjüngt empor und behauptete bald den eine Zeitlang an
Kuppenheim verlorenen Rang des Hauptortes im Oosſsgau; «8
wurde wieder mit Mauern umgeben, gegen welche im Jahr 1330 ver
Straßburger Bilchaf vergebens Sturm Tief. Sonft wiflen_ wir wenig von
den Scidfalen der Stapt und ihrer Heilquellen, bis zum Ende des
15. Jahrhunderts, da Markgraf Chriſtoph die alte Burg auf der
Höhe verließ und das von ihm erbaute neue Schloß bezog (1479).
Doch wurde jenes Stammhaus in baulidem Stand erhalten und erlag
erft im Jahr 1689 bei der allgemeinen Berwüflung des Landes durch die
Franzoſen.
Markgraf Chriſtoph brachte ſeine geliebte Badeſtadt wieder zu
dem hohen Ruhme, deſſen fie zur Römerzeit fich erfreut hatte. Kaiſer
und Reich, fo wie der Landesherr felbft, hatten ihr große Freiheiten ver⸗
liehen, und eine firenge, weife Badeordnung ficherte und zahmte die zahle
reichen Säfte, welche ſich alljährlich im Greiffen, Baldreit und Leuen
zuſammenfanden. Zank, Hader und blutige Händel waren bei Geldbuße,
Stadtverweiſung und Todesſtrafe unterſagt; eben fo ſcharf wurden Fre⸗
vel gegen Frauen und Jungfrauen geahndet; ausgemachte Trunkenbolde,
Taugenichtſe und Grobtane wurden gewaltſam entfernt. Dafür ſah man
aber auch Fürſten, Grafen und Herren die Menge jeden Sommer in das
Dad ziehen. Schon damals zählte man oft bei 3000 Badegäſte, worun⸗
ter viele der vornehmften Fremden; Pfalzgraf Otto Heinrich ver
Oropmüthige baute neben dem Gaft- und Badehaus „zum Vogel Greiff”
ein neues Badehaus; „zum Trompeter”. Auch reiche Bürger flrömten
von nah und ferne herbei; gelehrte Männer und Dichter fchrieben und
fangen das Lob ver unfchäßbaren Heilquellen. ꝛc. — Siehe das Weitere im
Univerfalleriton von Baden ꝛc. — v. Che zy's Rundgemälde von Baden ır.
Zu „Badens Entſtehung“, und „Die Sagevon Badens
Urfprung”. (Seite 173 und 176.)
Ueber den Urfprung Badens und des Wildbapdes findet fi
in AL Schreiber’s „Sagen aus den Rheingegenven u. |. w.“ (Beidel-
. berg, 1839) ©. 146 folgende Sage:
Einft Hüteten Hirten ihr Vieh in der Nähe des Derrenmwiefer- ober
Mummelſee's. Da flieg ein ſchwarzer Stier aus demſelben hervor und
gefellte fich zu den andern Rindern. Aber alsbald kam ein Feines
266 Stadt Baden und Umgebung.
Männlein aus dem See nach, in Rattenpelz gekleidet, um den Stier
zurück zu holen. Da diefer jedoch nicht gehorchen wollte; bat das Maͤnn⸗
Iein zwei von den Hirten, fie möchten ihm behülflich feyn, den Stier
wieder einzufangen und in ven See zurüd zu treiben. Diefe waren ſo⸗
gleich dazu bereit und es gelang ihnen, ven wilden Stier bis an ven
Rand des See's zu treiben, wo er fih augenblidlich in die Fluthen
flürzte und nicht mehr zum Borfchein fam. Das Männlein im Ratten-
pelz aber fagte zu den Hirtentnaben: „Bier ſchenke ich Jedem von euch
ald Zeichen meiner Dankbarkeit einen Stein; wohn ihr ihn merfen
mögt, da wird auf der Stelle ein warmer Quell entfpringen,, der heil-
fame Kräfte befißt gegen mancherlei Krankheiten.” — Die Knaben nah«
men vertrauensvoll die Steine und bewahrten fie Iange Zeit auf, ohne
davon Gebrauh zu machen. Zufällig kam fpäter einer diefer Hirten in
das Thal, wo jeßt Baden Liegt und ruhte fih auf dem Hügel aus, in
defien Innern die meiften Heilquellen ver Stadt kochen. Da gedachte er
plöglich des Steines, ven er vom Seemännlein erhalten hatte, nahm ihn
aus der Tafıhe und ließ ihn den Felſen, auf dem er faß, binabfollern,
und ſiehe va! wo der Stein aufflel, öffnete fih ein Spalt im Felſen,
aus welchem heißes Wafler berausfprubelte. So entftanden der „Ur«
fprung“, die „Höllenquelle“ und die „Klofterquelle” in
Baden-Baden. Der andere Hirt aber warf feinen Stein im oberen
Enzthale nieder, worauf die Quellen entfprangen, welche jet das
Wildbad bilden.
(Obige Sage gehört zum Theil zum Märchentreife des Mummelfee’d. Sie
wird u. A, auch erzählt in Lud. Klüber's „Befchreibung von Baden
bei Raftatt u. f. m.” (Tübingen, 1810. Bd. 2. Seite 194.)
Zuden „Sagen vom alten Schloß.“ Bon Seite 180 an.
Hier fihauten vor mehr als einem halben Zahrtaufend hinaus die
Dermanne, die Gründer des Haufed Baden, die mit den Katfern aus
dem Helvenflamm der Hohenftaufen in die Kriege nach Wälfchland
und als Kreuzritter nach Paläſtina zogen; Antiochia in Syrien ifl
Hermanns IV. Grabflätte. Seine Gemahlin Irmentraud, Hein-
rich des Schönen Zorhter, Ieitete von hier aus den Bau des Jungfrauen⸗
. Hofters Tihtenthal. Bon hier aus zog Dermann V., um Gemahl
der Erbtochter von Defterreich zu werben; verfelbe, deſſen unglüdlicher
Sopn Friedrich mit feinem Jugendfreunde Konrapin unter bem
franzöfifchen Mordbeil fiel (1248). Markgraf Rudolf I. befämpfte von
hier aus den großen König Rudolf von Habsburg, wehrte fid
sitterlich gegen deſſen drückende Uebermacht und ward ein neuer Stamm⸗
vater feines Hauſes. Inter feinen Nachkommen friegte der tapfere Mark⸗
graf Bernhard in zahlreichen Fehden, befonders mit ven Städten
Straßburg, Freiburg und Breifah, und ward ein wahrer Mehrer
feines Landes. Markgraf Jacob ver Friedfertige, Gründer des Stifte
Baden (1453), hielt fireng auf ven Landfrieden, fäuberte das Rand von
Stadt Baden und Umgebung. 267
den Straßenräubern und erfeßte aus feinem eigenen Beutel jeden Ber-
{uft, ven Iemand durch fie in feinem Gebiet erlitt; den Lindenſchmidt
ven berüchtigten Raubritter, ließ ohne Zweifel Er einfangen und in ver
Stadt Baden an einen hohen Galgen hängen, wie das alte Volkslied
befagt, das wir Seite 203 mitgetheilt haben. Unglüdlich im Kriege war
Karl: bei Seckenheim madhte ihn Friedrich ver Steg
reihe von der Pfalz zum Gefangenen und entließ ihn erſt gegen ein
fchweres Löſegeld; doch war er ein glüdlicher Gemahl und Later. Seine
Gemahlin Catharina, Kaifer Friedrichs II. Schwefter, munterte ihren
Sohn in einem noch vorhandenen Brief auf: „er folle mit andern jungen
Evelleuten ſich ven NRitterfchlag erwerben durch tapferes Berhalten im
Turnier; Jedem, der dies thue, wolle fie ein feines Hemd und goldge-
ſtickt Wamms zur Ritterweihe verehren und Hoffe, als eine treue
Mutter mit Spinnen wohl fo viel zu gewinnen, daß
ihr Sohn möge ritterlich beftehen.” Und diefer ihr Sopn,
Markgraf Chriſtoph, war auch einer folhen Mutter würdig. Als
Kurfürft Philipp von der Pfalz vom Kaiſer und andern Fürften hoch⸗
bedrängt und Markgraf Chriſtoph aufgefordert wurde, fich veffen
Untervrüdern anzufchließen, um das von feinem Bater an die Pfalz
Eingebüßte wieder zu gewinnen, fo wie auch Bayern und Würtemberg
damald Stüde von der Pfalz an ſich riffen, fo ſprach er: „Nein, mein
Bater hat dem Philipp von ver Pfalz Treue verfprochen auch in meinem
Namen, und nichts wäre eines teutfchen Fürften unwürbiger, als die=
fes Wort zu brechen, jet da Philipp ins Unglück gelommen if. Ehr
und Eid gilt bei Uns mehr, denn Land und Teut!”*)
Alfo waren die Fürften, die bier ihren Sitz hatten, vie Stammväter
des Haufes, das jeßt Baden beherrſcht. Chriſtoph war ber Letzte, der
das alte Schloß bewohnte. Er baute gegen Ende des 15. Jahrhunderts
das neue, dicht Über der Stadt Baden gelegene. Nach ihm theilten feine
Söhne das Land. Der Aelteſte und deſſen Nachkommen blieben oder
Herrfhten zu Baden, daher die Linie der Markgrafen von Baden-
Baden, bie fpäter zu Raftatt ihren Sig nahmen; der jüngere Sopn
Markgraf Chriſtophs und feine Erben wohnten zu Pforzheim und ſpä—
ter in Durlach, daher die Linie Baden-Durlad, die nun feit
mehr als einem Jahrhundert Karlsruhe zu ihrer Reſidenz gemacht hat.
Zu „Die graue frau von Hohenbapden.” Seite 180.
Außer der grauen Frau in ven alten Burgtrümmern von Ba-
den läßt die Sage auch eine weiße Frau im neueren Schlofle
fpuden.
. Wenige unferer Vollsfagen waren fo allgemein verbreitet, als bie
von der weißen $rau, und an Feine andere hat fih ver Glaube fo
*) Siehe das Gedicht von Ed. Brauer: „Chriſtoph von Baden.“ ©. 187.
268 Stadt Baden und Umgebung.
lange, felbft unter den gebildeten Ständen zum Theil noch, bis auf die
Gegenwart erhalten. Dinfichtlich der Abkunft dieſer räthſelhaften Dame
weichen die Erzähler von einander ab. Einige Iaffen fie aus dem be-
rühmten Haufe Meran in Südtyrol abflammen und machen fie zur Ge-
mahlin des Grafen Heinrich oder Dito von Orlamünde, die, als
Wittwe, und einem Buhlen zu Gefallen, ihre beiven Kinder gemorvet
haben toll. Andere verfihern, auf dem Schloffe Neuhaus in Böhmen
fey ihr Bildniß vorhanden, ganz in verfelben Tracht, in der fie zu er-
fiheinen pflege. Diefes Bild fielte aber die gegen Ende des 15. Jahr⸗
hunderts verfiorbene Bertha von Rofenberg vor, welche an Johann
von Kichtenftein perheirathet geweſen.
Es iſt bekannt, daß diefe weiße Frau noch jetzt in den Refivenz-
fchlöffern von Berlin, Bayreuth, Darmfladt, Mannheim, Karlsruhe, Ba⸗
den⸗Baden u. f. w. umgehen fol, und immer will man fie kurze Zeit
vor dem Hinfcheiden einer Perfon aus ven ihr verwandten fürftlichen
Familien gefehen haben. Jung Stilling führt in feiner „Theorie
der Geiftertunde” das Zeugniß eines Regenten dafür an, ben er zwar
nicht nennt, deſſen Unbefangenpeit und firenge Redlichkeit aber verbürgt
werden.
Da jedoch die weiße Frau nur in ihr verwandten Fürftenhäufern er⸗
feheint, fo {ft anzunehmen, daß die Gräfin von Orlamünde und bie Gräfin
von Rofenberg in der Tradition zu Einer und derſelben Perfon ger
macht wurden. Wahrſcheinlich aber ift es die Erftere, welche in Berlin und
Weimar, die Zmeite hingegen die, melde in Karlsruhe und früher in
Baden - Baden fich zeigte. Das Haus Baden tft nicht mit Orlamünde,
wohl aber mit ven Grafen von Rofenberg verwandt, da die jüngfle
Tochter des Markgrafen Philtbert von Baden an einen Grafen von
Roſenberg vermählt war.
Bertha von Rofenberg, oder die weiße Frau, von welcher wir
hier erzählen, wurde im Jahr 1449 mit Johann von Lichtenſtein
in Steiermark verheirathet. Die Ehe war höchſt unglüdlich, und Bertha
trennte fich von dem ausfchweifenden Gatten, gegen den fie einen unaus⸗
Löfchlichen Haß. im Bufen trug. Später Iebte fie zu Reuhaus in Böh—
men, wo fie ein Schloß erbaute, wobei ihre Anterthanen lange und
fihwere Srohnarbeit verriihten mußten, fo daß fie oft Verwünſchungen ge—
gen die graufame Gebieterin ausftießen, bis fie endlich verfprach, ſobald
das Schloß vollendet feyn würde, ihnen „einen füßen Brei” aufzutifchen,
was damals fo viel hieß, als: ein reichlihes Gaftmahl. Ste hielt
Wort und verorbnete, daß künftig alljährlich ein folches Gaftgebot gehal-
ten werben folle, eine Anorbnung, der noch bis auf unfere Zeiten treulich
nachgelommen worden tft.
Der Geiſt der Gräfin Bertha erfiheint meift bei Nacht, bisweilen
auch am Lichten Tag. Ste trägt ein fihneeweißes Gewand nach dem
Schnitt ihrer Zeitz; ihr Antlitz ummwallt ein feiner durchſichtiger Schleier,
der gewöhnlich von einem matten Strahl beleuchtet ifl. Befonders grauen-
—
Stadt Baden und Umgebung. 269
voll — verfihern Alle, die fie geiehen haben wollen — foll der ftarre
ſtechende Blick ihrer großen ſchwarzen Augen feyn, melde fie fef und
unbeweglich auf Diejenigen richtet, denen fie begegnet. indem fie Tangfam
und ſchweigend, nur von ihren feivenen Gewändern umraufcht, an ihnen
vorüber fchreitet. Bis ind innerfte Mark bohre fich dieſer eifige Blick
und erfülle die Seele mit Entfeßen. Wer einmal in piefe Augen ge=
biidt, dem werve fein Lebenlang ver ſchreckliche Einprud bleiben, —
Manchmal wird fie auch mit einem Kind an der Dand gefehen.
Ihr Erfiheinen beveutet immer den Tod eines Gliedes der fürftlichen
Familie oder fonft ein ſchweres Unglück, welches verfelben droht. Kurz
vor dem Tode von Kindern aus dem regierenden Stamme will man fie
vor dem Lager berfelben ſtehend und über die Schlummernden hinge-
beugt erblidt Haben. Sie zeigt fih bald in den Gemädern und Gängen,
bald in der Kapelle, ia felbfk in dem Garten des Schloßes.
(Bergl. „Sagen aus Baden und der Umgegend.” Karlsruhe, 1834. ©. ı u. ff. —
Ferner Gebrüder Grimm's „teutihe Sagen.”)
Eine Sage von einer weißen Frau, welche bei dem Babort Lan
genſteinbach, zwei Stunden von Ettlingen, in ven Trümmern einer
gothifchen Kapelle umgehen fol, theilt Wilhelm von Epecy in fei«
nem „Rundgemälde von Baden-Baden“, (Karlsruhe, 1839, Ereugbauer)
©, 119 u. ff. mit. Wir werden diefelbe am gehörigen Orte einreihen.
Zu: „Das Kreuz aufdem Friedhofe.“ ©. 195 u. ff.
Dies Kreuz trägt die Infchrift: „Nicolaus von Leyen“ mit der
Jahreszahl 1462, und zeugt durch Tunftfinnige Acheit von der Meifterfchaft
feines Bildners. Weber die Entſtehung dieſes Kunftwerls gehen mehrere,
von einander ziemlich abweichende Sagen, von benen wir zwei verfchie-
dene Berfionen mitgetheilt haben.
Veber dieſen Meifter Nicolaus fagt Strobel in feiner „Gefchichte
des Elſaßes,“ Thl. IT. ©. 460:
„Ein fehr ausgezeichneter Künftler war der Steinmeg Nilolaus
von Leyen, der auch von Lepden heißt, und feinem Familiennamen
nach Lerch hieß. Als er in den Jahren 1463 und 1464 die fpäter ſo-
genannte alte Kanzlei vollenbet hatte, fah die Straßburger Bürgerſchaft
mit großem Behagen oberhalb einer im Hof befindlichen, fehr ſchönen
Thüre, außer vem Staptwappen noch die von Ihm verfertigten Büften
des letzten Grafen von Lichtenberg und der ſchönen Barbara von Otten⸗
beim, vie beide damals fehr häufig nach Straßburg kamen. CDiefe bei«
den herrlichen Bilder befinden fich jet in der Vorhalle der vortigen
Bibliothek.) Bon feiner Hand ift auch ver trefflich in Stein ausgeführte
Chriſtus am Kreuz auf dem Kirchhofe ver Stadt Baden; die dabei be=
findliche Jahrzahl 1467 CD tft zugleich das Datum, an welchem dee
Künftler Straßburg verließ. Friedrich IT. berief ihn nach Wien, um den
berühmten Sarkophag diefes Kaifers (Siehe Morgenblatt, 1833, Kunſt⸗
blatt Ar, 14, ©, 55 und 56) zu verfertigen, ver in ber dortigen Ste⸗
270 Stadt Baden und Umgebung.
phanskirche aufgeftellt if, aber erft fpäterhin, nämlich im Sahr 1518,
fünfundzwanzig Sahre nad unfers Künfllerd Tod, vollendet wurde.”
Ein anderer Elfäfifher Gelehrter, Bibliothekar Lud. Schneegans
in Strasburg, ift gegenwärtig mit einer größeren literarifchen Arbeit
über den Künſtler beichäftigt.
Als ein würdiges Gegenſtück des kunſtreichen Friedhofskreuzes mag
auch Das Denkmal des Markgrafen Leopold Wilhelm (welcher 1671
in Ungarn im Türfenkrieg gefallen, und nicht mit dem berühmten Tür-
Benbezwinger Ludwig Wilhelm zu verwechſeln if) in der Stifte:
firdhe zu Baden angeführt werden. Jedes diefer Runftwerfe hat
A. 2. Maltiz in einem Sonette gefeiert,
(Bergl. E. Brauer’s „Bogen und Geſchichten der Stadt Baden 1." Karls,
ruhe u. f. w.“ S. + fi.)
Zu „Chriſtoph von Baden” © 41.
Er regierte von 1475 bis 1526 und wohnte auf dem von ihm vol»
Iendeten neuen Schloffe zu Baden. (Siehe die Note zum alten Schloß
S. 266.)
Er war ein ausgezeichneter Fürft im Kriege wie im $rieden, hoch»
geachtet von feinen Zeitgenoffen und befonders von Kaifer Mar I, dem
er weſentliche Dienfte leiftete.
(Berge, A. Schreiber’s „Babifhe Geſchichte,“ S. 168, yet Bader’
„Babifche Landesgeſchichte,“ S. 385 u. ff. und S. 390
Zu „Rudwigvon Baden.“ ©. 188.
Markgraf Ludwig Wilhelm von Baden, gewöhnlich Prinz
Louis von Baden genannt (geb. 1654, gef. 1707), ausgezeichnet als
Seldherr neben einem Prinz; Eugen und Malborough, if der Drittießte
in der Reihe der Fürften der Baden» Badenfchen (Bernhardiniichen) Li⸗
nie, welche mit feinem jüngern Sohne im Sahr 1771 ausſtarb. Geine
fiegreichen Keldzüge gegen die Türken fihern ihm einen glänzenden Nach»
ruhm, fo lang eine Geſchichte beftehen wird. Er nahm Theil an der
glorreihen Entfegung Wiens i. J. 1683, und gewann im treuen Dienfte
feines nicht immer dankbaren Kaifers viele wichtige Schlachten, worun⸗
ter namentlich die Bernichtungsfhlacht bei Salanfemen (S;lanfament)
i. 3. 1691 hervorzuheben ift. Als Erinnerungsmaale an jene drangvolle
Zeit, in welcher die Osmanen auf dem Höhenpunft ihrer Macht, aufe
gehekt von Ludwig XIV., bis zur Hauptſtadt des teutichen Reiches vor⸗
drangen, verdienen der Türfenweg bei Baden (angelegt, wie behaup-
tet wird, von gefangenen Türken) und die reihe Sammlung türkiicher
Trophäen im Raſtatter Schloß Ctürfifches Kriegs - und Lagergeräth
mannigfacher Art) bier Erwähnung.
Das Bertrauen der Stände des teutfchen Reiches führte den Tür⸗
kenbezwinger zur Hülfe gegen ben weflichen Erbfeind an ben Ober«
Stadt Baden und Umgebung, : 271
shein. Wegen Mangel an kräftiger Unterſtützung mußte er ſich zwar
auf weile Bertpeidigungsmaßregeln beſchränken, entwidelte aber au
hierin feine feltene Heerführergabe. Noch find vie Ueberbleibſel ver
verſchanzten Linie, die er vom Rhein aus am Schwarzwald gegen
Heilbronn zu anlegte, Zeugen feiner Thätigkeit. Die Anlegung Raftabts
zu einer Feſtung, welche unlängft durch Bundesbeſchluß zur Ausführung
kam, war fchon fein Gedanke. Niemals war Markgraf Ludwig in
einer Schlaht überwunten worden; wenige ber berühniteften Feldher⸗
ren fiehen ihm hierin gleich; darin aber viele, daß ihm, neben hoher
Auszeihnung, Undank in reihem Maße zu Theil wurde.
(Bergl. „Der durchl. Fürften und Markgrafen von Baden Leben, Regierung,
Großthaten und Abfterben.“ Frankfurt und Leipzig, 1695, Thl. II. 3. Bas
der „Badiſche Landesgefhichte,” ©. 529, 530. — Frhr. Phil. Röder
son Diersburg: „Des Markgrafen Ludwig von Baden Feldzüge wider
die Türken,” Bd. L, ©. 62, 91 ff.; Bo. IT. ©. 154 ff., 193. Urfund,
Anh. ©. 433.)
Schon oben ward erwähnt, das Markgraf Ludwig feinen Zürftenfig
von Baden nach Raftadt verlegte. Es geſchah dies im Jahr 1706,
Der Bau des prächtigen Schloßes hatte ſchon im Jahr 1697 begonnen.
Daß dies Schloß im Jahr 1714 und 1797 — 1799 Sit einer für das
teutfhe Reich verhängnißvollen Friedensunterhandlung wurde, ift alle
gemein befannt.
Markgraf Ludwigs Gemahlin war die firengfromme Markgräfin
Sibylle, Tochter des Iehten Herzogs von Sarhfen-Fauenburg. Das
im Jahr 1725 erbaute Luſtſchloß Kavorite, eine Stunde von Raſtatt
gelegen, ein fehenswerthes Mufterwerf des altväterifchen Geſchmacks (der
in neueflex Zeit als Rococo wieder zu Ehren kam) zeugt von ihrem
Kunftfinn, die dabei angelegte Einfiedelei von ihrer firengen Frömmigkeit.
Wär’ es nah ihrem Sinne gegangen, fo würde nicht ver heibnifche
Donnergott mit den kriegeriſchen Blitzen, fondern irgend ein friebfa«
mer Schußheiliger auf der Kuppel des Naflatter Schloßes prangen.
(Bergl. Klüber's „Befhreibung von Baden, “Thl. IL S. 100—117. — Kol bis
„Lexikon von Baden“, Br. J. S. 289, Bd. I. ©. 81. — Ed. Brauers
„Sagen und Geſchichten ver Stadt Baden u, f. m,” S. 179 und 180.)
Zu „Kellers Bild und Kreuz" S. 199 und 201.
Der Urfprung diefer Sage mag in der Zeit der Ausgrabung und
Aufftellung der römifchen Alterthümer,, woran der Boden der Badener
Gegend fo reich war, zu fuchen feyn. Diefe, der heidnifhen Götterwelt
erwiefene Ehre mußte dem Volke, nach den damals herrfchenden Be:
griffen, als ein frevelhaftes Beginnen erfheinen.
Zu „Der Lindenfhmidt.” ©. 203.
Dies alte Volkslied aus dem Ende des 15. Sahrhunderts findet
ſich in Uhland' s „Alte deutſche Bolfslieder-, Th. 1, G. 358, darin
non ein zweites Volkslied som Lindenfchmidt mitgeteilt iſt; ferner in
ML Stadt Baden und Umgebung.
Sr. v. Erlachs „Volkslieder der Teutfhen” Caus dem "Knaben Wun-
derhorn“ entiehnt). Die Begebenheit fällt in "die Zeit des Kaifers
Marimilian],, als durch den ewigen Fandfrieden vom Jahr 1495
dem Unweſen der Privatfehden und dem Fauftrecht gefteuert werden
follte. Lindenfhmidt war der Name, unter welchem ein durch Kraft
und Tapferkeit, Gewandtheit und Lift ausgezeichneter Raubritter in den
Gegenden der Nheinpfalz berüchtigt war. Der im Lied erwähnte Sun
fer Kaspar it Kaspar von Frondsberg, der Bruder des berühm:
ten Georgs, Anführer der Heere des ſchwäbiſchen Bundes.
Zu „Fremersberg.“ ©. 209,
Der Sremersberg zieht fih von dem Thälchen bei Baden, durch
welches der Mühlbach fließt, bis an die Heerfiraße von Sinsheim
nach Steinbad hin. An der Waldſpitze, wo fich eine ſchöne Ausficht
in das Elſaß öffnet, baute im Jahr 1411 ein Einftedler, Bruder Heine
rich genannt, eine Klaufe und eine Kapelle. Im Jahr 1415 gefellten
fih noch einige Brüder zu ihm und die Klaufe wurde vergrößert. Als
ber berühmte Johann von Gapiftran in Zeutfchland einen Kreuzzug
gegen die Türken predigte, hielt ex fich eine Zeitlang bei diefen Ein«
fiedlern auf, und feine Zelle wurde fpäter in eine Kapelle verwandelt.
Ein Zufall gab Veranlaffung zur Umwandlung der Einfiedelei in ein
Klofter. Markgraf Jakob verirrte fich einft, wenige Jahre vor feinem
Tode, auf der Jagd und wußte in der nächtlichen Finfterniß keinen
Pfad und Feine Richtung mehr zu finden. Er fließ in fein Hüfthorn
und feine Hunde huben ein lautes Gebell an. Das hörten die Eremi⸗
ten, gingen ihm mit Sadeln entgegen, führten ihn in ihre Wohnung
und bereiteten ihm ein Nachtlager. Aus Dankbarkeit verwandelte der
Markgraf die Klaufe in ein Kloſter und befegte daflelbe mit Franzis»
fanern aus dem Oberland, um 1451. Diefes Klofter entging glüdtich
ben fürchterlichen Zerflörungen von Melac's Morbbrennerbanden. In
der lebten Zeit farben die Mönche aus bis auf drei, und als au
von dieſen noch zwei den Zoll der Natur bezahlten, wurde das Klofter
aufgehoben und das Gebäude auf den Abbruch verfteigert.
(Siehe „Freiburger Wochenblatt”. Jahrgang 1827. ©. 4.)
(Die Seite 64 mitgetheilte Sage fpielt, was die Hauptfcene, nämlich den Teu⸗
felsfpud betrifft, in dem fogenannten „Klopfengraben“ bei der
Aburg. Siche die Note zu „Aburgs Fall“ S. 157.) ,
Zu „Die Rettung des Klofters Lichtenthal.“ ©. 222
Klüber im mehrerwähnten Werke, Thl. II. S.20. — Schreiber
in dem Buch: „Baden im Großherzogtbum mit feinen Heilquellen«
u. f. w. ©. 166, und Kolb im „Lerikon von Baden,“ Bd. II, S. 214
theilen dieſe Erzählung mit.
Auf welch barbariihe Weife die Franzoſen unter Marſchall Dur
ras auf Befehl des allerchriſtlichſten Königs Ludwig XIV. und feines
Stadt Baben und Umgebung. 973
Kriegsminifters Louvois im Jahr 1689 auch in Baden und der. Um⸗
gegend hausten, ift ausführlich befchrieben in dem Werke: „Der durch⸗
lauchtigſten Fürſten und Markgrafen von Baden Leben, Regierung,
Großthaten und Abfterben u. f. w., Frankfurt und Seipzig 1895,”
©. 54 — 77. (Died weniger gelannte Bud, und nidt Sachs’ Ba-
diſche Geſchichte, wie neulich in öffentlichen Blättern hervorgehoben
wurde, ift wohl die aͤlteſte in teutfcher Sprache erſchienene badiſche
Geſchichte.)
„Alle Gotteshäuſer“ — heißt es darin — „ſtunden in vollem
Brand, und die Glocken mußten in den Flammen gleichfam in Tpränen
zerſchmelzen, und in biefem Feuer alle kranke, elende und mühfelige
Leute, die nit von der Stelle fliegen Tonnten und ſich noch mit eini«
ger Hoffnung auf des Königs Gnade fpeisten, elendiglich begraben wer-
den. Es war ein folches graufames Spektakel, dergleichen wohl nie»
mals laum gefehen worden : der Himmel war Mar und heiter und
wurde in Kurzem mit einer ſchwarzdicken Rauchwolke als mit einem
Trauerkleide verfinftert und die helle Sonne verbarg ihren Glanz. —
Das arme Chriſtenvolk war gezwungen, aus biefem Sammer in bie
Wälder zu fliehen und fich in den Höhlen und Wohnungen ber wilden
Thiere zu verbergen“ ꝛc.
Das Klofter Lichtenthal wurde 1245 von Irmengard, SBittwe
des Markgrafen Hermann V. von Baden, einer gebornen Pfalzgräfin
bei Rhein, Zochter Herzogs Heinrich des Schönen und Enkelin Hein.
richs des Löwen von Braunfhweig, dem Sinn und Vorhaben ihres
verftorbenen Gatten gemäß, gefiftet. Ihre Gebeine nebf denen vieler
Fürſten und Zürftinnen des Badiſchen Haufes ruhen an diefer Friedens⸗
ſtätte. So manden Gefahren glüdiich entgangen, fiel das Klofter zu
Anfang unferes Jahrhunderts dem allgemeinen Loofe der Secularifirung
anheim, aber der hochherzige Fürſt Karl Friedrich fliftete es „wegen
ſtets bezeugter dankbarer Treue und Anhänglichkeit an das Haus Ba⸗
den, und weil das Erbbegräbniß der badifchen Ahnen fi darin befin-
det, bald darauf von Neuem, und fo Tonnte baflelbe denn am 1. Mat
1845 das Zeft feines 600jährigen Beftehens feiern.
(Bergl. Klüber und Kolb am angeführten Orte. — I. Bader, „Badiſche Landes“
geſchichte,“ S. 157, fo wie deſſen Schriftchen: „Die Stifter des Kloſters Lich
tenthal find auch Gründer der Markgrafſchaft Baden.” — M.v. Schenken⸗
dorf um F. F. v. Maltiz u. 9. haben das liebliche Lichtenthal befungen.)
Im Hofe des Klofters befindet ſich auch feit mehreren Jahren bie
9. Stulzifhe Waifenanftalt, hervorgerufen durch bie Stiftung eines
wadern Mannes, der in Kippenheim (Bezirksamt Eitenheim) von mit«
tellofen Eltern geboren, fich in der Fremde durch Fleiß und Betrieb⸗
ſamkeit ein glänzendes Bermögen erwarb und feines alten Heimath⸗
landes mit freigebiger Dankbarkeit gedachte.
(Siehe Ed. Brauer's „Sagen und Geſchichten“ ꝛc. S. 103.)
I. 18
274 Stadt Baden und Umgebung.
In Mone’s „Anzeiger“ 1889 ꝛc. heißt es unter der Nieberfchrift:
„Todesdorzeichen“ vom Kloker Lichtenthal:
Das Klofter Lichtenthal iſt von dem badifchen Fürftenhaufe ge⸗
ſtiftet und viele Mitglieder deſſelben liegen in der alten Kirche begra⸗
ben. Steht einem Gliede dieſes Haufes ein Todesfall bevor, fo erlöſcht
in der Kapelle jedesmal bie ewige Lampe.”
Zu „Der Bafferfallvon Geroldsau.“ ©. 297,
Ich glaubte diefe Romanze, ald aus der Feder einer talentbegab⸗
ten einheimiſchen Dilettantin, hier füglich einreihen zu bürfen,
Tonnte mir aber eben fo wenig verfagen, in Bezug auf Form und
Deteum, bedeutende Beränderungen mittelft der Seile darin zu treffen,
was mir hoffentlich die Fran Berfaflerin nicht als ungalantes Verfah⸗
zen auslegen wird.
Der Herausg.
Zu „Die Hütte bei Eberſtein.« ©. 230.
Der alten Sage nach fol an der Stelle jener Hütte ein Kiofter
errichtet worben feyn, welches Kloſter Engelberg genannt wurde.
Die Geſchichte berichtet weder das Jahr ihrer Entfiefung, noch das
feiner Zerflörung. Mit dem Gebäude ſcheint auch alle Kunde von fei-
ner Geſchichte untergegangen zu feyn, und wie von jenem keine Spur
mehr zu finden ift, fo fucht man auch vergebens in den alten Chroni⸗
fen nach einer Erwähnung diefes Frauenkloſters. Nur im Munde bes
Volkes hat fih no Weniges erhalten. Weiße Geftalten follen an der
Etelle, wo das Gebäude fland, in ber Mitternachtfiunde umherwanbeln,
und lieblicher Sefang auf der Höhe fi hören Yaffen.
(Siehe „Sagen aus Baden und der Umgegend,” Karlsruhe, 1834.)
Zu den „Sagenvonder Jburg.” ©. 242.
Der Weg zu diefen Schloßtrümmern führt von Baden aus über
ben Beitig, hinter dem Selighof, von der Fahrſtraße ab, links empor
Im Walde , dann durch eine Schlucht, ber Klopfengraben genannt,
und endlich in gemaͤchlicher Bindung aufwerts bis zur Ruine, von
welcher, außer dem noch wohl erhalterten Thurme, zu deflen Zinne eine
hölzerne Treppe Teitet, wenig mehr übrig if; den andern Thurm zer⸗
Rörte ein Blitzſtrahl zur größeren Hälfte, und das übrige Gemäuer,
mit einem Portal, zeugt noch von dem nicht unbebeutenden Umfange
ber Burg. Die Ausfichtfuon der Plattform des Thurmeg, öſtlich über
das Gebirg und weſtlich in das weite lachende Rpeinthal, iſt durch
ihren Eontraft überraſchend und außerordentlich reich. Der Urſprung
dieſer Veſte tft ein bisher ungelöstes Räthſel; kaum Vermuthungen
wagt die Geſchichte darüber. Die feſte Bauart und die Lage auf einem
Stadt Baden und Umgebung. 275
in die Nheinebene ziemlich weit vorfpringenden und fie weithin be-
herrſchenden Bergkegel, fpredhen von hohem Alterthum. Viellei ht fund
bier ebenfalls fhon ein römifcher Wartthurm, oder ein treuer Wächter
der alemamnifhen Marken fandte von bier aus den forgfamen Blick
in die Ferne. Wir finden den Berg nicht früher erwähnt als im
Zahr 1382, und zwar nur nebenbei in dem Lehensbriefe, den Katfer
Wenzel dem Markgrafen Bernhard von Baden ertheilte. Marke
araf Georg Friedrich foll die Iburg auf’s Neue hergefiellt und
befeftigt haben. Im Jahr 1689 war fie jedoch wieder gänzlich unbe»
wohnbar gemacht worden.
Auf dem Badener alten Schloffe haust, dem Boltsglauben nad,
kein Befpenft mehr als die weiße Frau; die Eberfteinburg ift ganz
frei von allem Spude, aber die Iburg ift der Platz, wo Geifter
und Kobolde ihr Wefen treiben, und alle bie böfen Teufel, welche vor
Zeiten, in Säde gebunden, von Mönden heraufgefchleppt und in dieſe
Mauern gebannt wurden. (Siehe Spindlers Mährchennovelle »Der
Tenfel im Sad. in feinem Taſchenbuch „Bergißmeinnicht für 1946.)
— Ein einzelner Kobold pflegt im Klopfengraben zu fpuden; aber
er tft von ziemlich friedlicher Gefinnung und hat ed nur, gleich dem
Gefpenft an ver Kanderner Straße, auf Weinbenebelte abgefehen,
bie er gerne vom Wege feitab in daB Bärhlein führt.
Mertwürbig ift der Umſtand, daß der Urfprung von noch zwei
alten Schloͤſſern, welche den gleichen Namen führen, und beren eine in
der Schweiz, die andere in Weftphalen Tiegt, eben fo vom Dunkel der
Zeit verhüllt if, als der unfrer Yburg.
(Bergl, W. v. Che zy „Rundgemälde von Baden“ 20. S. 73,
In Bezug auf 3. Hubs Ballade „Fortunat von Baden (Siehe
©. 249 dieſes Buches) führen wir hier noch an, was Al. Schrei⸗
ber in feinen „Sagen aus den Nheingegenten 20.» über Fortunats
Leben und Treiben auf der Aburg erzäplt :
„Segen das Ende des 16. Jahrhunderts wurde fie von einem Kar
fielan bewohnt, und der unglüdliche Markgraf Eduard Fortunat,
ein Sohn der fihönen Cäcilie von Schweden und Enkel Guftav Wafa’s,
hatte darin fein alchymiftifches und magifches Laboratorium aufgeſchla⸗
gen, wo er unter Beihülfe zweier Italiener, des Paolo Peſtalozzi
von Chiavenna und des Muscatello von Chio den Stein ber Weis
fen hervor zu bringen, Tag und Nacht, wiewohl vergebens, fih ab⸗
mühte und allerfei andere Verſuche anftellte. Unter Anderm verfertigte
Peſtalozzi aus Wachs ein Bild des Markgrafen Ernft Friedrich von
Durlach, des geſchwornen Feindes Eduard Fortunats. Dabei wurden
die gewaltigften Zauberformeln gefprochen, welche bewirken follten, daß
eine Kugel oder ein Pfeil, vie auf das Bildniß abgefchoflen würden,
auch zugleich das Bildnis ſelbſt, fey es noch fo weit entfernt, träfen.
Als das Wachögebilde fertig war, heftete man es an eine Tpüre und
ein Piftol wurde darauf abgedrückt. Die Kugel er nit allein
276 Stadt Baden und Umgebung.
durch die Bruft des Bildes, fondern auch durch die bünnen Bretter
ber Thüre, und in diefem Augenblick erfcholl ein markerſchütternder
Geſchrei im Nebengemarhe. Die ſchöne achtzehnjährige Tochter des Ka=
Rellang, die Buplgenoffin des Markgrafen, lag, von der Kugel mitten
burch das Herz getroffen, in ihrem Blute zu Boden geftredt, und feit
biefer Zeit trieb allnächtlich ein folcher Geifterfpud auf der Yburg fein
Wefen, daß ihre Bewohner fie verlaflen mußten. Die Burg felbfi ver-
fan? ollmälig in Trümmer. Mehrere Zuhre fpäter — berichtet bie
Sage — befhworen bie Kapuziner in Baden alle Kobolde und Haus⸗
geipenfter aus der Gegend in einen ‚großen Sad und trugen fie darin
auf die burg, wo fie Iosgelaffen und in den Ruinen feſtgebannt wur⸗
den, weßhalb fih noch jeßt nur felten ein Menfch bei nächtlicher Weile
in die unheimlichen Räume der alten Burg hinaufwagt.“
In der Zeitfhrift »Curtofitäten der Bor- und Mitwelt 20.”
8. Bd. ©. 397 u. ff. leſen wir Nachfolgendes über Fortunat:
„Da ber mörderifhe Anfchlag auf das Leben des Markgrafen
Ernſt Friedrich zu Baden weltbefannt wurde und berfelbe fi
genöthigt fah, was er gegen das Benehmen, XZreiben und Thun des
Markgrafen Eduard Fortunatus zu fagen hatte, Öffentlich aus⸗
zufprechen, fo erfchien nachfolgende merkwürdige Schrift im Drucke:
„Gründlicher, Waprhafter uud Beftendiger Bericht: Was fi zwi⸗
fhen dem Markgrafen Ernft Friedrich zu Baden 2c. und zwifchen Mark⸗
graf Eduardi Zortunati Dienerfhaft und von ihm feldft verloffen« ıc.
1595. 4.«
Sn diefer Schrift Heißt es:
‚Nicht allein welttundig muß es, fondern bewieſen foll es auch
werben, daß Markgraf Eduard Fortunatus zweimal dem Markgrafen
Ernft Friedrich nach dem Leben geftanden , zuletzt auch noch den Burg-
voigt zu Norbug, Franz Löcher, anreisen wollen, die That zu voll⸗
bringen. Es ſah ſich daher der Markgraf Ernft Friedrich genöthigt,
Raiferl. Majeftät Alles zu berichten und zum Beweiſe fortzufahren, ber
Unterfuhung Pla und Ranm zu laffen. Da ergab fi dann, dag, als
der Markgraf Ernſt Friedrich, nah Recht, den obern Theil des Marf-
grafenthums in Befit nahm, fein Better, der Markgraf Eduard For⸗
tunatus, fogleih Mordanſchläge gegen ihn und feinen Bruder, den
Markgraf Georg Friedrich, mit böfem Sinne faßte. Aber der Himmel
verhinderte die Ausführung der Mordanfchläge und es wurben als
Verbrecher eingezogen die Enuard’fchen Diener: Paul Peſtalotzi
aus Chiavenna und Franz Muscatello aus Pirenza, nah
Durlach geführt und denfelben ver Prozeß gemacht.
„Es lebte aber diefer unfelige Markgraf Eduard Fortunga-
tus ein ſolch diffolutes Sattelleben,*) daß er ſich felbft nicht fcheuete,
*) Ein Sattelfeben, ein Stegreifleben führen, hieß im Mittelalter bei ven Edelleuten;
vom Raube leben.
Stadt Baden und Umgebung. 277
den Plasereien in eigener Perfon beizuwohnen, feiner Zürftfichkeit
ganz vergeflend. Er ritt zur Rauberei mit feinen Dienern anf bie
Straßen, verftedte ſich in die Kornfelver, fiel heraus und beraubte die
Keifenden ohne Scheu und Scham; warf die Fuhrleute nieder, bes
zaubte die Kaufleute und nahm was er befommen konnte. Das that
er Alles frei und öffentlich, Ließ die Beraubten binden und zählte in
ihrer Gegenwart das ihnen abgenommene Geld, was er alsdann nad
Wohlgefallen mit feinen Raubgefellen theilte. Dabei fam es auch zu
Mordtpaten, wie an einem wälfchen Krämer gefchehen, der erſchoſſen
wurde. Mit den ibm abgenommenen Sachen fehmüdte der Markgraf
fein Schloß aus.
„Wie nun immer eine fihlehie Handlung die andere nach fi
zieht, fo bat Markgraf Ednard auch ſich des Falſchmünzens unterfan-
"gen, welches in den Rechten fowohl als in der Kaiferl. Peintichen
Halsgrrichtsordnung hoch verboten iſt Aus einer fonderbaren Wirtur
von Metallen, welche der Malefikant Franz Muscatello zu be
reiten wußte, wurden Ferdinandifche Thaler, Klippenthaler, Portuga⸗
Iefer von 10 Dufaten Werth, ıc. geprägt, diefelben auf der Frankfurter
Mefle ausgegeben und die Leute damit betrogen. Er, der Marfgraf
feldft, war zugegen, wenn gemünzt wurde, und 308 das zu Augsburg
erlaufte Preßwerk mit eigener Hand. Die Stempelfchneider zu be«
fommen, braudte er Gewalt und bielt fi Alles für erlaubt.
„Ja, er ließ fih von dem leidigen Satan ſo weit treiben, führen
und einnehmen, daß er einem feiner Bettern durch ein von Muscatello
zubereitetes Giftwaſſer, als er fie zu Gaſte bat, das Leben nehmen
wollte. Eben das war er zu thun gefonnen, ald Markgraf Ernſt
Friedrich nah Ettlingen fam, um dort ein Paffionsichaufpiel vor⸗
ftellen zu fehen. Diefes Giftwafler, deſſen noch eine gute Portion
auf dem Schloffe zu Baden gefunden worden, hat feinen wirkfichen
Effert an vielen Perfonen gethan, wie die urzichtlihen Ausfagen sub
Rubrica de Veneno beweifen und darthun. So war auch noch ein ans
deres Gift vorhanden und gebraucht worden in Geftalt eines unfchäb-
lich fcheinenden, weißen Salzes.
„Dabei iſt es aber micht geblieben. Sondern es hat Marfgraf
Fortunatus auch ein teuflifch-zauberifches Mittel zur Hand genommen,
weiches ver Malefilant Peftalo st vollführen follte, den Markgraf
Ernſt Friedrich gu tödten; Siehe die urfihtlichen Auslagen sub Ru-
brica de Imagine. Das follte gefhehen durch ein fonderlich Dazu ge:
formtes Bildniß, welches des Markgrafen Ernſt Friedrichs Perfon
repräfentiren und nach Ausweiſung feiner negromantifchen und zau⸗
berifhen, bei im gefundenen Bücher, mit Befhwörungen und anderen
teufelifihen Zierkichleiten und Solennitäten hat zugerichtet werden fol-
Ien. Zu dem Ende fandte der Markgraf Fortunatus feinen eigenen
Hofkaplan und Meßpriefler, Marko del Furno, nah Trarbach
mit feinem eigenhändigen, mit feinem Wappen verpetfchirten Brief an
278 Stadt Baden und Umgebung.
den Malefitanten Peſtalotzi; der Hoffaplan aber, als er des Briefes
Juhalt erfahren, mißbilligte Alles und mochte nicht einwilligen. Ja,
es if gewiß, daß die erichrediiche und verflucdhte Sünde der Regro-
mantie und Zauberei bei dem Markgrafen Sortunato und feinen Com⸗
plicibus im Schwange ging und für feine Sünde gehalten wurde;
wie auch der Prob Born von Madrigal zu Baden ausgelagt
und bekräftigt hat. Es hatte auch Fortunatus einen Eid von Peſta⸗
lotzi genommen und fih mit ihm zu dem greulichen Bubenftüd ver-
bunden, und mit dem Verluſt ihrer Seelen, ihres Heils und iprer
Seligkeit dem leidigen Satan ſich felbf zum ewig verfluchten Pfande
geſetzt.“ |
Es folgen nun bie Beilagen und Beweife, die Berrechnungen und
Ausfagen, nah welchen Peſtalotz i und Muscatello nach recht⸗
lichem Ausſpruch geviertheilt werden follten. Der Markgraf Ernſt
Friedrich begnadigte fie aber dahin, daß fie enthauptet wurden. Jedoch
wurden ihre Leichname geviertheilt und an den Gtraßeneden aufge-
hangen.
„Pefalopi hatte gar fonderbare Eramina auszuhalten, in benen
er u. 9. ausfagte: „Er fey verheiratpet und fein Weib heiße Lagora.
Die mit ihm umberziehende Dirne, Madama genannt, fey mehr des
Markgrafen Hortunati Eoncubine als feine eigene. Er müfle aber auf
Befehl diefelbe mit fih führen auf feinen Namen. Er wiffe nicht, ob
er oder der Markgraf des Kindes Bater fey. Die magifrhen Bücher
habe fein Herr aus Löwen erhalten. Die Falſchmünzerei fey gut ge-
gangen. Das Bergiften fey verunglüdt. Das Bildniß fey gefertigt
worden von Leim und Jungfernwachs, dann angezündet und ber
108, Pfalm darüber gefprochen worden. Es habe biefe Incantation
aber nichts gefruchtet.” Uebrigens agnoseirte Peſtalotzi das ihm vor:
gezeigte Siftpulver, die Bildform und die Muͤnzformen.
Muscatello belannte gleichfalls, was er getban. Er hatte Cald
geübter Staliener in dieſen Münz⸗ und Giftkünſten) das Metall zur
falfhen Münze verfertigt, das Gift gemifcht ꝛc. und gravirt einen
gewifien Eapitain Paul gar fehr. Diefer wollte das Bergiften über⸗
nehmen, wie er fagte. Ein gewiflee Bernardo Compofini gab
die Bereitung des Giftes an, welche man jedoch vorfichtigermweife nisht
mitgetheilt hat.“
ne —
Murgthal.
D0
Die Wolfsſchlucht und die Waldkapelle bei
Selbach.
Kommſt etwa du einmal der Wolfsſchlucht nah,
Dann, Wanderer, nimm bich in Acht!
Unheimliche Wefen nur treiben fih da
Im düfteren Schleier der Nacht.
Dort fucht eine Here ſich allerlei Kraut
Zufammen bei mondlichem Strahl,
Draus Liebesbethörende Tränfe fie braut
Im Keffel im einfamen Thal.
Sie ſchwingt um den Herd fih im luftigen Tanz,
Dualm wälzt fi betäubend Heraus, E
Bon ferne ſchon ſiehſt du den hölliſchen Glanz,
Dann kreuz' dich und flüchte nah Haus!
Jetzt aber gefihieht Died nur Einmal im Jahr,
Sn Andreas’ geheiligter Nacht:
Dann kochen im Keffel die Gifte fih gar,
Die rühret die Here mit Macht.
Bor Zeiten, da war fie ein reizendes Weib,
Bezaubernd durch Satanas' Kuuſt,
Doch ihm war verfallen mit Seele und Leib,
Wer je ſich erfreut ihrer Gunſt.
280 Murgtpal.
Einf führte die Jagd einen Ritter daher,
Berirrt in dem einfamen Wald;
Ihn quälte der Durft und bie Hite gar fehr,
Die Kräfte verfagten ihm bald.
Er wantte fo müde das Thälchen entlang,
Zu forfchen nach labendem Duell,
Da plöglich vernimmt er, o himnliſcher Klang!
Ein Rieſeln aus heimlicher Stell'.
Er bricht durchs Geftrüppe ſich eilige Bahn,
Doch bleibt wie gebannt er bald ſtehn:
Dort lachelt das reizendſte Maͤgdlein ihn an,
Die je noch ſein Auge geſehn.
Am Borne dort ſitzt es, auf mooſigem Rand,
Und ſchöpft aus den Wellen ſo klar
Ein goldenes Schälchen mit zierlicher Hand,
Und bietet dem Ritter es dar.
Der ſchlürfet mit gierigen Zügen den Trank,
Doch kaum iſt der Becher geleert,
So fühlt er im innerſten Herzen ſich krank,
Von glühender Liebe verzehrt.
Nicht ſpielt ſie die Spröde, nicht bebt ſie zurück,
Da koſend ſein Arm ſie umſchließt,
Die Minne verheißt ihm das ſeligſte Glück,
Das ſehnenden Herzen erſprießt.
„O Liebchen! und liebſt du mich innig und wahr,
So reich' mir als Gattin die Hand,
Auf ewig vereinige uns am Altar
Der Kirche geheiligtes Band!“
Ein Klausnerkapellchen iſt nahe dem Ort,
Da führt er die Straͤubende hin;
Wohl flüchtete gerne ſie wieder ſich fort,
Doch laͤßt er fie nimmer entfliehn.
Murgthal. 21
Schon kniet vor dem Prieſter das bräutliche Paar,
Schon hebt er zum Segen die Hand, —
Da fhmettert der Donner, ed wanft der Altar,
Sturz drohet dad Dach und die Wand.
Noch einmal ein Schlag — mit betäubendem Krach
Der Boden ſich fpaltet zum Grab,
Und fihlingt vor den Augen des Ritters jach
Das fehreiende Bräutchen hinab. —
Und ale er der Sinne fih wieder bewußt,
Da war ihm entfremdet die Welt:
Statt von irbifcher Luft, ihm nun einzig die Bruſt
Bon himmlifchem Drange gefchwellt.
Das Kirchlein erbaut er nun wieberum neu,
Der heiligen Jungfrau geweiht ;
Dort lebt er noch lange in Büßung und Reu,
Dis Ruhe der Herr ihm verleiht. —
Bei Selbach im Walde, da winkt es dir zu,
Das Kirchlein, fo traulih und Führt,
Dort wieget die heilige Mutter in Ruh
Des ftürmifchen Herzens Gewühl.
A. Schale.
Bei der Teufelskanzel, diht am Wege nah Gernsbach,
zieht ſich links ein Fußpfad in die Tiefe hinab, der zu einer Zelfen-
mafle führt, welche insgemein die Wolfsſchlucht genannt wird.
Rah H. Schreiber in feinem Taſchenbuch „Baden = Baden,
bie Stadt ꝛc., S. 187, wäre der Name Wolfsſchlucht der allbekann⸗
ten Oper »Breifhüß- entlehnt, alfo neuehen Urfprungs ; jedenfalls
dürfte unfere Sage in der Nähe Badens ebenfalls heimiſch geworben
feyn. Mocte fie auch nicht gerade an jene Stätte fich knüpfen, fo if
doch die Stelle fehr geeignet, den Schauplaß der Sage darzuftellen.
Es ift diefelbe Schlucht, in welcher der arme Geiger (Siehe S. 185)
fein Abenteuer mit dem Wolfe befand. — Das Dorf Selbach Liegt
in einem Seitenthälchen des Murgthals.
—
282 Murgtpet.
Die Hölle.
Am Murgthal, zwifhen Langenbrand und Gausbad,
wo die Murg zwifchen Felfen fich krümmt, iſt die finftere
Klinge; die Stuhläder ziehen fih von da bis an bie ſo⸗
genaate Hölle. Das ift eine ungeheure Oeffnung, welche
tief in den Berg hinein geht, und deren Ende und Beichaffen-
heit Niemand ergründet hat. Denn das Gewürm und Unge⸗
ziefer verwehrt den Eingang, und die böfen Geifter treiben dort
ihr Weſen und huſchen aus und ein. Bor der Hölle flehen
zwei mächtigen Felſen mit vielen zadigen Spigen fafl grad in
die Höhe, die man nicht erfteigen kann; der eine ift ganz ſchwarz
als wenn er angebrannt wäre. Es mag wohl einige und fiebzig
Sabre feyn, da war zu Forb ach ein fehr braver Schulmeißter,
der aber an feine Geifter glaubte. Da ging er einmal nad
Gernsbach hinunter, um erwas einzufaufen, das gab er feiner
Tochter mit, die er voraus heimgehen Tieß, denn er wollte ſpä⸗
ter zurüdfehren. Da er noch mehr Gefchäfte auf dem Wege
beforgte, fo hatte ſchon die Betglocke geläutet, ald er von Wei⸗
Benbad nach Langenbrand wollte. So kam er bis an den
Tangenbrander Berg, ber auf die breite Wiefe hinabführt, die
ſich an die Felfen vor der Hölle hinzieht. Da verließ ihn aber
fein Schugengel ; er kam auf der Wiefe aus dem Pfade, und
ed war ihm, als würd’ er ſchwebend in Die Höhe gehoben und
fortgebradht. So fam er durch Gebüfch und Berghänge, behielt
aber feinen Stod und Hut; er wollte fohreien und fonnte nicht;
er meinte manchmal zu fiten, und rutfchte wieder fort; aber
wie fihmerzlich es ihm auch war, fo fah man nachher doch Feine
Verlegung an feinem Leibe. Zulest fand er fih auf einem
fpigen Steine, wo er nicht fiten Tonnte und die ganze Nacht
ſtehen mußte. Am Morgen fah er zu feinem Schreden, daß
er auf dem hohen Felfen vor der Hölle fland und nicht mehr
herab konnte. Da bat er Gott um Erlöfung und fah Flößer
auf der Murg herablommen, denen er um Rettung zurief. Sie
erftaunten ob diefem Wunder, holten Leitern herbei und brach⸗
ten mit großer Mühe und Gefahr den Schulmeifter glüdlich
Murgthbal. W3
gerab. Er wurde aber nachher gefährlich krank, dech nach ſei⸗
ner Geneſung ſprach er nicht mehr gegen die Geifter. *)
(Siehe Mone'd „Anzeiger 2c.” 1834.)
Die Teufelsmühle.
Einft hatte ſich ein Müller, der fehr eigenfinnig und hefti⸗
ger Gemüthsart war, an der Murg eine Mühle gebaut; allein
die Stelle war ſchlecht gewählt, das Waſſer trat bafelbft oft
aus, und der Gang der Mühle wurde gehemmt. Dies verdroß
den Müller gewaltig und als einft das Waffer von allen Sei-
ten in feine Mühle eingedrungen war, rief er in vollem Grimm;
„Ss wollt’ ich, dag mir der Teufel eine Mühle auf dem Steins
berg erbaute, Die nie weder zu viel noch zu wenig Waſſer
hätte!” Kaum war Died Wort aus feinem Munde, als auch
fhon der Teufel vor ihm ftand und ſich bereit erklärte, feinen
Wunſch zu erfüllen, Doc nur unter der Bedingung, daß er ihm
feine Seele auf ewig verfchreibe. Lange fämpfte der Müller
mit fich felbft, bis er endlich einwilligte; doch mußte ihm der
Teufel noch überdies vierzig forgenlofe Lebensjahre und den
Bau einer fehlerfreien Mühle auf dem Steinberg zufihern, die
aber in der erften Nacht, noch vor dem Hahnenfchrei, fertig
feyn müfle. Der Teufel hielt Wort und holte nach Mitternacht
den Müller ab, die neue Mühle in Augenfchein zu nehmen.
Der Müller fand Alles in Ordnung; das Gebäude war fefl
und zwedmäßig eingerichtet und ein ſtarker Waldbach trieb ein
oberfchlächtiges Rad für ſechs Gänge. Zulegt bemerkte ber
Müller doch, daß noch ein unentbehrlicher Stein in dem Bau
fehle. Er machte den Teufel darauf aufmerkfam, der auch als-
bald forteilte, den Stein herbei zu holen. Schon ſchwebte Sa⸗
tanas mit demfelben in den Lüften, gerade über der Mühle, da
fing der Hahn im nahen Dorfe Toffenau zu krähen an. Er-
grimmt darüber, fehleuderte der Böfe den Duaderftein auf die
Mühle herab, flürzte ihm nad und riß brüllend dieſelbe aus⸗
einander, fo daß nichts übrig blieb, als ein Haufe Trümmer,
*) Die Geſchichte Hat fih wirklich zugetragen, die Erklärung gehbet ber Sagt.
284 Murgthal.
die zum Theil jetzt noch den Steinberg bedecken, der davon den
Namen „Teufelsmühle” bekam. In der Nähe ſieht man ſieben
Telfenfammern, ringe umher grotesfe Felfenblöde.
(Aus U. Schreiber’s „Sagen aus den Rheingegenden ac. ıc.”)
Etwa dreiviertel Stunden vom Dorfe Loffenau an der Murg
erhebt fich einer ter höchften Berge der Imgegend, die „Teufels⸗
mühle- genannt, an deffen fleilem Hange fich fieben Gewölbe befin-
den, wohin der „Neue Weg“ über den euchelwald“ führt.
Bon den Gewölben ſtehen drei in einer Reihe, durch natürliche Pfeiler
geftügt und verbunden, ebenfo zwei andere über biefen, und bie bei⸗
den übrigen feitwerts, fo daß man nur mit Gefahr hingelangen kann.
Diefe Hallen frheinen durch Auswaſchungen der Gebirgswaſſer entflan-
den zu feyn. Eine Biertelftunde weiter oben findet man die Teufels⸗
müble: ein Chaos von Sandfteinblöden, deren einer mehrere Schuh
tief wie mit einem Inftrument eingefägt ift, welche Arbeit die Lands
leute für ein Werk des Teufels halten. Etwas weiter abwerts gelangt
man an das Tenfelsbett, einen großen, wahrſcheinlich ebenfalls
durch das Waſſer ausgehölten Stein, den ein überhängender Blod zu
bedecken ſcheint.
(Vergl. „das Murgthal“ sc. von Jägerſchmid. Nürnberg, 1800. S. 200.)
Der Klingel.
Dieſen Namen führt eine kleine Kapelle, die hinter Gerns⸗
bach am hohen Murgufer ſteht, wo der Weg auf das Schloß
Neu-Eberſtein führt. Vor alter Zeit rauſchten hier dunkel⸗
bemooste Rieſeneichen, unter deren weitſchattigem Dache eine
heidniſche Wahrſagerin hauſte; als ſpäter das Chriſtenthum ſich
in der Gegend ausbreitete, baute ſich an dieſer Stelle ein Ein⸗
ſiedler eine Klauſe und richtete daneben ein großes Kreuz auf.
Einmal in tiefer Nacht vernahm er eine wehklagende Stimme.
Alsbald zündete er eine Kienfackel an und eilte hinaus. Da
fab er unter einem Baume ein junges ſchönes Weib in einem
fo fein gewobenen Gewand, daß es ihre Reize nur halb ver-
fehleierte. Die Tangen dunkeln Loden fielen über den blendend⸗
weißen Naren und Bufen bis an die Hüften und in der Hand
hielt fie einen Stab, in den allerlei Zeichen und Schriftzüge
eingeferbt waren. „Die Nacht ift kalt;“ — fagte fie zum Ein-
ſiedler — „gewähre mir ein Obdach in deiner Hütte!” — Der
Murgthal. 285
mitleidige Klausner war gern dazu bereit, aber ſie weigerte
ſich, ihm eher zu folgen, als bis er das hölzerne Kreuz neben
der Thüre hinweggeſchafft hätte. Der Gottesmann erſchrack
anfangs ob ſolchen Begehrens, aber die wunderbare Schönheit
des Weibes begann ſein Herz mit Gluthen zu füllen, und im
Kampfe dagegen ſprach er leis ein inniges Gebet um Rettung
aus der Verſuchung und Gefahr. Da erklang auf einmal ein
Glöckchen mit hellem Silberſchall und im Nu war das ver-
führeriſche Bild verſchwunden. Das Glöcklein tönte noch lange
fort und der Einſiedler, der verwundert darnach forſchte, fand
es an einem Zweige im Gebüſche hinter ſeiner Klauſe hängen
und ſich von ſelbſt bewegen. Er baute ſogleich eine Kapelle aus
Baumſtämmen und Rinden, und hing das Silberglöckchen
hinein, dem ſpäter viele andächtige Pilger zuſtrömten. Davon
hat die Stelle den Namen „Klingel“ erhalten.
(Aus Al. Schreiber’s „Sagen aus den Rheingegenden 20.” — Einige Sagen
vom „Klingel“ finden fih in Kriegs von Hodfelden „Geſchichte der
Grafen von Eherftein« ⁊c. S. 255 u. ff. Wir laſſen fie hier in getreuem
Abdrurk folgen.‘
Sagen von der Klingelfapelle und vom
Schlof Eberftein.
Als Eherflain In dem Murgenthal vf einem hochen Felfen
gelegen, bat es hund (unten) im thal allernechfl an der Murg
ein Capell am weg, haift der Glingel, darbey ain Kleine be=
Haufung, darin vil Jar ein Claufnerin, oder aber fonft ein alte
Erbare fram gewonet, fo die Gapellen tags geöffnet, vnd
nachts befchloßen hat, vnd fagt man das graf . . . . von
Eberftain fo die von . . . . gehapt, ſolche Capellen von erfien
erbawen hab, Iſt vor vil Jaren befchehen, die vrſach aber das ber
graf die Capell gebawen, ift die, das zu felbiger Zeit vnd auch
deruor, ein folh8 groß gewurm vnd vnziffers vmb Eberftain
vnd Im Mürgenthal ſich enthalten, vnd infonnderhait ain gro⸗
Ber drach oder wurm, das ed dem grafen od der ganzen Landt⸗
fhafft ein beſchwerdt, alfo hat der graf daruber Rath gehapt,
vnd If Im gerathen worden, Er foll der Enden ein Capell
bawen, das Iſt befchehen, vnd haben die burger von Gerſpach
286 Murgthal.
ſampt mertails Inwoner des tals Ir handtreichung vnd hilf
darzu gethon, Bald darnach Iſt das gewurm verſtrichen. Es
haben die alten Grafen von Eberſtain vnd Ire weiber vil an⸗
dachtz vnd willen dahin gehapt, Iſt nur zu vnſer fraw zur
Aich genennt worden, dann bie Piltnuß in den Aichbaum ge⸗
fehniten, Aber wurt Jezo nun zum Clingel gehaifen.
Bey Zeiten deß frommen Grafen Bernharten von Eber⸗
ſtains, Iſt gar Ain Andechtige Erbare fraw Im Elingel gewe⸗
fen, die der Capellen gewart mit befchließen vnd Ampeln anzün-
den. Im Far 1517 hat ſich begeben, Als die guet fraw fchlaf
gangen, ft gar nahe umb miternaht was an Jr behaufung
fommen vnd Anklopfft, Sie Iſt offgeftanden und an das fenfter
gangen, vnd gefragt, wer da feye. do hat fie ein alten man wie
ein ordensman In einem langen weifen Rockh geſehen, der hat
ein weifen part bis vf die gürtel gehapt, vmb In und hünder
Im feyen bei acht oder zehen Perfonen geweſen, Eleine kurze
feühte, Ires erachtens weibsbilder, haben ſchwarze Claider an⸗
getragen, wie die Cloſterfrawen, vnd Ir Jedes ein Laternen In
der handt mit einem brinenden liecht. Der alt man hat die
rawen gebetten, das ſie vnbeſchwert Inen die Capellen öffnen,
deß wellen ſie Ir lonen, Die fraw hat ſich angelegt, Iſt herab
zu Inen gangen vnd die Capellen geöffnet, do hat ſie mit dem
alten man geredt, der hat Ir auch widerumb Antwurt geben,
Aber die kleinen weiblin haben nichts geredt, der alt man Iſt
vor Inen allen In die Capellen gangen, darin hat er in eim
buch, ſo er mit Im dargebracht vnd vnder dem Arm gehapt,
geleſen vnd gebetet, die Andern ſein Im alle nachgegangen, Je
Par vnd Par, vnd alldieweil der Alt man In dem Buch ge⸗
bettet, haben ſich die andern alle Creuzweiß als In einer Venia
in der Kirchen gelegt, die alt fraw hat Inen ernſtlich zugeſehen,
was doch zuletzt darauß werden, vnd als ſollichs bey einer ſtund
ungefarlich gewert, do ſein ſie wieder auß der Capellen gangen,
der alt man vor, die anndn gepart hernach. Alſo hat der alt
man der frawen für Ir muhe Ain goldguldin geſchenkt, vnd
ſein damit abgeſchaiden, das die alt fraw nit ſagen künden wo
ſie hinkommen, Allein das ſie geſehen, das ſie mit ain andern
den Karren⸗weg am Eberſtainer perg hinauf gangen, Alß ob
ſie In das Schloß welten, vnd das hat die fraw weiter geſagt,
Murgthal. 287
was der alt man mit Ir geredt, das hab er alles zway mal
geſagt. Hiebey kan Ich nit vnderlaſſen zu uermelden, Als der
Alt man der frawen den goldguldin geſchenkt, Hat er geſagt,
Liebe fraw, laſen euch diſen guldin lieb ſein, vnd behalt in wol,
dann Ir werden ſein noch ganz Notturftig werden, das hat die
fraw gethon, vnd Im ſelbigen Jar Iſt eine ſolche gehe theurung
Im Murgenthal vnd deren enden eingefallen, das vil vnder
denen armen groſen mangel vnd hunger leiden mueſen, Alſo
wie die fraw alles Ir vermögen vmb brot vnd ander Victualien
vßgeben. Es Iſt aber ſolch ſtukh goldz eins ſolchen alten ſchlags
oder gepregs geweſt, das es nit Iſt erkennt worden, vnd wie
dann dergleichen ſachen oft furkommen. Als das An den Vogt
vnd an ein Rath zu Gerſpach gelangt, hat man vermaint es
hab vielleucht die fraw ein ſchaz gefunden, Dann Inen wol be⸗
wuſt das fie Ain arme frau vnd ſolche gulden nit ererbt, der⸗
halben ſie beſchickt vnd ernſtlichen befragt, Woher Ir doch ſolch
ſtukh goldz kommen, do hat fie Inen die wahrheit und all ſach
wie bieobgemelt geöffnet vnd nichts verhalten. Alfo hat man
bie guet fraw wider laſen abfcheiden, Jedoch Sr bey höchſter Peen
eingebunden, wauer (wofern) dife Componia (Geſellſchaft) wis
berfommen, das fie nit onderlafen, ſonder eilends ber Stat zu
welle, ond etlichen Verordneten in der Vorſtatt ſolchs anzaigen
fol, bey denen auch verfehen worben, dag fie Im fahl Inen was
weiters furgebracdht, fich hierinnen der gepur nach halten vnd
was es doch fur Leut feyen, erkundigen follen. Aber dife Com⸗
ponia Iſt hinfuro In vil Zaren nit mehr In Clingel fommen,
oder gefehen worden, vnd fein fo lang Vßblieb, das mitlerweil
die alt fraw geftorben, vnd ein andere dahin georbnet worden,
die hat Auch vil Zar Im Elingel gewonet, vnd von biefem
handel nichts gehört, fo hat man Zr auch nichts anzuzaigen
wie bey der vorigen Frawen befchehen, befolchen, Iſt alſo biß
In die fünff und zwainzig Jar angeflanden, dag man von bifer
Eomponia weiter nichts gehört.
Aber Im Jar nach Chrifli gepurt 1542 Als der groß Turs
kenzug angangen, darin doch laider nit vil vßgericht worden,
Iſt Graf Wilhelm von Eherfiain dep Schwebifchen Kraiß
Dbrifter geweſt. Mitler weil und Er in Hungarn gewefen, bo
fein fie aber einmal in den Clingell kommen, dergeftalt es If
288 Murgthal.
vaſt vmb mitiernacht der alt man für daß Haus kommen, an⸗
geflopft, und an Die fraw begehrt man fol Im die Capellen
yfthun, das hat die Fraw gethon, bo hat fie den Alten in aller
geftallt ond beklaidung gefehen, wie hieuor die annder fraw ne
auch. gefehen. Es fein Im drey Par kurzer mentfchle nachge⸗
gangen, alweg ein mansperſon vnd ain weib, vnd die fein nit
In gaiftlicher Claidung wie vormals beffaidet gewefen, fonder
in weltlicher Claidung vnd vonder den weibsperfonen Iſt eine
allerdings zugeruft geweien, als ob ſy ain Hochzeitere were.
Sie fein in die Eapellen gangen, Aber zwen man die Inen am
Letſten nachgefolgt, Vnd Jever ein leiren bey ſich gehapt, bie
fein vor der Gappellen bliben. Der alt man aber hat, wie fie.
hineingefommen, fein buech herfur gezogen, vnd darin geleien,
ond alle die Zeit er gelefen, fein die drey Par Ereuzweiß vf
dem Boden gelegen, Nachgends wider vfgeflanden, Do Iſt der
alt greiß zu Inen gangen, vnd do hat die Elingelsfraw gefehen,
daß er zwayen under nen die Hendt zufammen gefuegt vnd
was darzu geredt, das fie Doch nit verflanden, In aller geitalt,
als fo man zway eheleut zufammen gibt, Wie das alles beſche⸗
ben, fein fie wider vofer der Capellen gangen. Do bat fidh ber
alt Man vff ein Kloz, ber vor ber Eapellen, gefezt, Aber bie
zwen mit der Lairen haben dozu danz gemadt. Do haben bie.
drei Par ganz züchtiglichen mit ainander gebanzet, vnd all
wegen zwilchen zwayen Paren fein zway Cleine thierle geloffen,
In der größe und geftalt wie die fchaff, fein Rot geweſt. Has
ben Zimbelen (Glöcklein) an den helfen bangen gehapt. So
fih dann der Danz verendert, vnd das fih Die mentichen gegen
ainander gebudt oder genaigt, fo fein diſe Kleine dirle auch vor.
Ain andern geftanden, und fich genaigt, difer danz hat ein guete
weil gewert, dem hat der Alt greiß zugefehen. vnd bie Elingel
fraw, Hiezwifchen hat Niemands mit dem andern geredt. Nach⸗
dem nu der Danz fein enbifchafft erraicht, do fein fy mit ain⸗
ander In der ordnung wie fie fommen abgefchaiden, vnd den
weg als ob fie of Eberfiain welten, wie hieuor gangen, In
felbigem Hingeen, haben fie difer frawen kain gelt mehr geben:
Auch bat der alt Man weiters mit der frawen nitt gevebt, fein
vngeredt mit ainander daruon zogen. In etlich Zeit hernach
Iſt Graf Wilhelm von Eherfiain widerumb auß Hungern kom⸗
RNurgthal. 200
men, Do hat man Ime, das die vnerkannt Gomponia vorhanden
geweſen, bericht, Alfo hat ex der Frawen beuolchen, wann fie
mehr Tommen, das fie das anzaigen folle, Auch bat er orbnung
geben, das man wachen und Infonderheit darauf ſoll achtung
geben. Aber folder beuelch Iſt dieſer Componia gleich zu oren
fommen, Derhalben in gar wenig tagen hernach der alt man
helles tags zu der frawen zum Elingel fommen, der hat Ye
serwifen, das fie Iren Ankunft hab eröffnet mit anzaigen fie
haben wol gewißt, das fie dem Grafen (und damit hat er den
tag vnd die Zeit als das befchehen benempt) verhaifen, fie zu
melden, Darbey hat er der frawen gefagt, fie hab Inen mit
Sem Anzeigen grofen ſchaden zugefuegt vnd haben alberait
vil vſer Irer gejellfchaft verloren. ſeithero fein fie nit mehr ge-
ſehen worden, hat auch Niemands mer In felbiger Landzart
was von Inen gehört. Bott weiſt was es fur Leut fein, deren
fachen haben fi aineft vil umb Ehberflain begeben, vnder denen
Jezerzellte Hiſtoria wunderbarlichen dDarbey abzunemmen. Das
deren Fleinen leut vil umb Eherftain einefl Haben gewonet, Wo
aber, oder an Welchen orten das waift der Lieb Gott.
Ber vil Zaren Iſt vf ein nacht ein vnerkannter man geen
Gerſpach ans thor kommen, Der bat einer Hebammen eilends
begehrt, alfo hat man Ime ein Hebamme, ein guete Alte fraw,
verfulgen lafen, Die hat er vf ein fund zwo vngefarlich In
der Finſtere vmbher gefuert, das fie nit gewiſt wohin fie kom⸗
men, Leiftlich Hat Er fie weit In ein Holen felfen vnd In ein
berg hinein gefuert, Da hat fie vil Liechter auch ſonſt vil Feiner
Leut gefunden, sonder denen ain ſchwangere Frau, die geperen
ſollen, vnd hat Niemands mit Ir geredt. Sie hat bey ber
fhwangeren frawen Ir Ampt vollbracht, Im Abſchaiden hat
man Fr An Reinefhen Pfenig zu Lohn geben, deflen hat fie
fh beichwert, mit Bericht,’ Ir gefezter Lon fey drey bazen ober
ſouil fohilling, fie fey ain arme fraw, bie deß Iren felbs wol
beburfe. Sie haben Jr aber nit mehr geben wollen, fonder gefagt,
fie folle fih deß Pfenings begnug Tafen, Welcher die tugendt
hab, fo lanng fie In behalten, werde Ir gelt nimmermer zer⸗
sinnen, fonder werd allemal, fo fie gelds bedurfe, ein Pfennig
I. 19
290 Murgthal.
‚weiter Im Seckel befünden, alſo Iſt die guet Fraw mit diſer
vertroſtung vßerm berg geſchaiden, der vnerkant man hat ſie
vor tags biß geen Gerſpach wider gelaitet, das ſie nit gewiſt
woher ſie komen oder an welch ort ſie geweſen. Hernach hat
ſich befunden, das dieſelbig Hebamme Ir Leben lang gelz zue
Irem gebrauch genug gehabe. Wer guet das wir derſelbigen
münz In vnſer Landzart auch hätten, vnd bey follichen aben-
theurfihen vnd vngewonlichen fachen, Iſt der gewallt vnd bie
Allmechtigkait gottes Reuchlichen zu fpueren. *)
Es fein fonft ander vil felzamer Hendel umb Eberftain
furgangen, Darumb es auch noch heutige tags, an etlichen Or⸗
ten, bei der nacht fonderlich aber bey dem wachtelbronnen, nit
gehewr, alfo das die grafen ſelbs nen entiegen bey nacht da⸗
:fel68 fur zu veiten ober zu Wandlen, vnd waift doch niemands
warumb, Auch die graf ſelbs kundens nit fagen. Wie dann
bewift, das Ain ort mehr weder das ander von den gefpenftern
wurt Infeftirt, Jedoch hat bey tags die Herrfchaft vil Kurzweil
bafelbs, das man ſommers Manichmal zu abendt alda pfligt zu
efien. Graf Wilhelm von Eberftain hat eins morgens als es
noch dundel gewefen, ein greufelichen fahl dafelbs mit eim
Pferdt gethon, vf etlich Clafter hoch hinab, das fi) zu verwun⸗
dern, wie er bey Leben hat Finnen bleiben, Dann das Pferbt
ohne vrſach ein fahl mit Im die halden hinab gethon, Jedoch
Iſt er und das Roß unbefchediget daruon fommen, Er hat felbs
vermaint das gefpenft hab Im das Pferbt dafelbs vberabge-
worfen. Die Alten haben vermuetet der Adam von Rofen-
ftain, If ein Lediger von Eberflain gewefen, Hab vor vil Jarn
ein ſchaz ob dem Wachtelbronnen vergraben, vnd ain dannen
darzu gefezt, darumb auch Er Hernach big zu ende feind Lebens
‚alle nacht darzu gangen, etwann vſerm bronnen gedrunk aud)
zu zeiten fein gebet darbey verbracht vnd fol daruon abgeftor-
ben fein ond das gelt feinem Herren alfo entfuert, daher, fagt
man, Tauff fein gaift bey der nacht umb vnd bey dem bronnen.
U
*) Vergleiche mit dieſer Hebammen» Dienftleiftung die Sage) „Mummelfee'd Ge⸗
{hent” ©, 104, und das_„freigebige Erdmännlein“ unter den Gegen von Durlach.
Murgthal. 291
Bey wenig Jaren, Nemlich Anno 1562, Iſt daſſelbig gelt bey
nacht vßgraben worden, vnd hinweg kommen, das Niemands
grundlich ſagen kan von wem das beſchehen. Die gruben
Iſt noch zu ſehen, Aber der ſchazgraber hat ſich das ge⸗
ſpenſt nit erſchreken oder Abtreiben laſſen, Ich hab wol ge⸗
hört, das es Kundzleut ſollen gethan haben, Wiewol es doch
ſelten mit den ſchaz gerath, vnd Iſt auch ein groſe ſorg vnd
gefahr darbey.
Noch haben wir ain alte Hiſtoria oder geſchicht, die ſich
bey dem wachtelbronnen begeben. Im Jar 1518 als der groß
Landzſterbendt gar nahe in allen deutſchen Landen, Hat ſich der
from graf Bernhart mit ſeinem Gemahl der grefin von Son⸗
nenberg vf Eberſtain gehalten. Er hat ein maiſter Koch gehapt,
gehaiſen der Marcell, der Iſt eins nachts, als der durchſchein
vfgeſtanden vnd zum fenſter hinauß geſehen, gegen den Wachtel⸗
bronnen der Stat Gerſpach zu; alſo hat er geſehen vil Perſonen
weib vnd man, die ainander bey den Handen vnd den weg
vom Wachtelbronnen dem Schloß zu ein Rayen gedanzen ha⸗
ben, gleichwol ohne ainig Spill. Als ſie wol zum Schloß herauf
kommen, hat er etlich vnder der Componia gefent, Inſonderhait
aber hat er ſich ſelbs in ſeiner Claidung geſehen, daß er ſich
Höchlich verwundert. Er hat fie bey dem Schloß hinum ſehen
danzen, dem Sichhof zu, das er nit gewift wo fie hinkommen
fein. Deffelbigen Jars fein alle die fo der Koch am danz ges
feben geftorben, wie dann Ime Koch auch befrhehen. ıc. ”)
(Brudfiüd aus Wilhelm Werners, Freiberrn von Zimmern, Geſchichte
feines Haufes. — Handſchrift aus der Mitte 16. Jahrhunderts, auf dem
Fürſtl. v. Zürftenberg’fhen Archive zu Donauefhingen.)
Der Koch zu Cberitein.
Um offenen Fenfter im Mondenfchein
Steht der Meifter Koh auf dem Eberftein.
Ueber Thal und Gebirg ein mattes Licht
Gießt der Mond, der durch die Wolfen bricht.
®) Letztere Sage, in metrifcher Berfion von Gerh. Helfrich, Taffen wir Bier folgen.
Der Heraudg.
19*
Nurgthal.
Langſt träumt im Schloffe der müde Graf,
Die Knechte liegen im kiefen Schlaf.
Der Koch allein an dem Fenſter wacht,
Seine Wangen Tühlet der Hau der Nacht.
Er ſchaut von dem hoben Herrenhaus
Weit über die filbernen Tannen hinaus,
Und wie er blidt in Die Mondnacht kühl,
Gewahrt er ploͤtzlich ein bunt Gewuhl.
Wo der Wachtelbrunnen ſo belle rinnt,
Ein luſtiges Hüpfen und Tanzen beginnt.
Es weben den Reigen viel Männer und Frau'n,
Wie gaufelnde Elfen im nächtigen Thau'n.
Der Koch, der traut feinen Augen kaum,
Iſt's Wahrheit, ift es ein nedifcher Traum ?.
Da durchwuhlt ein eifiger Wind fein Haar;
Wohl wacht er, wohl fieht er fa bel und klar,
Wohl ficht er, wie näher dem Schloffe tritt
Die hüpfende Schaar in gemefnem Schritt.
Kein Pfeifer flötet, kein Fiedler geigt,
Der Münd der Tänzer, der Frauen, ſchweigt,
Und bleich wie der Mond bei der Sonne Ticht
Iſt der Männer, ber Grauen Angeſicht;
Und ernft, wie von tiefem Leid bewegt,
Iſt die bunte Schaar, die fi) tanzend regt.
Und der Männer viele und viel ber Frau'n
Erfennt er, die feine Augen ſchau'n.
Sn Gernsbach, im Städtlein, find Alle zu Haus,
Was lockt fie zur Mitternachiftunde heraus ?
Murgthal. 293
Was treibt Die Breife zur nächtlichen Fahrt?
Was die zühtigen rauen, Die Mägdlein zart?
Da ftarret fein Blut und es fträubt fi) fein Haar, —
Er ſieht fich felbft in der tanzenden Schaar !
Sich felber tanzen im Feſtesgewand,
Eine bleiche Frau an der welken Hand.
Er ſieht ſich tanzen voll Ernſt und ſtumm,
Mit der ſchweigenden Schaar um das Schloß herum;
Sieht wandeln fi fort in beiyegter Ruh
Mit pen flillen Tänzern dem Siechhof zu! —
Dur den Himmel ſchweifet em blutiger Stern,
Auf der Erde laſtet die Hand des Herrn.
Der Herr hat ergoſſen die Schaale des Zorns:
Gift wurde die Luft und die Welle des Borns.
Der Herr läßt ſtrömen den Hauch der Peſt
Nach Nord und Süden, nach Oſt und Weſt.
Aus jeder Hütte, aus jedem Hans
Tönt Acchzen und Jammern und Heulen heraus,
Bon früh bis das letzte Sterniein erſcheint,
Die Todtenglode wimmert nu weint.
Im Friedhof zu Gernsbach wächst Grab an Grab,
Die Tänzer fie fanfen alle hinab.
Es ſchlaͤft inmitten der fandigen Reih'n
Der, der fie belauſchet im Mondenfhein.
Gerhard Helftich.
Die Gage fpiek im Jahr 19518, wo das große "Ranpaflerbaubt"
YeR) herrſchte. Der fogenannte Wachtelbrunnen wurde über
haupt als ein von Sefpenftererfcheinungen heimgefuchter Ort betrachtet,
Die meiften Städte des Landes wurden feit dem Ende des fünf-
zehnten Zahrhunderts durch Die Ger entnöllert. Das gefegnete Baden,
das feine Thore gefhloffen und die heißen Quellen Iosgelaffen haben
294 Murgtpal.
ſoll, blieb jedoch verfchont. Bis zur fogenannten Drei⸗Eichenka⸗
pelle, nicht weiter, foll dort die ſchreckliche Seuche gedrungen feyn.
(Siehe Ed. Brauers „Sagen und Gefhichten von Baden 20.” S. 168.)
Die Belagerung von Neu⸗Sberſtein.
Im Jahr 1357 gerieth Graf Eberhard von Würtemberg
mit dem Grafen Wolf von Eberftein, fonft „der gleißende
Wolf” genannt, in eine fohwere Fehde, in welche auch Wolfs
Bruder, Graf Wilhelm auf Neu-Eberftein, verwirelt wurde.
Der Würtemberger z0g mit großer Heeresmacht vor Alt-Eber⸗
flein und zerflörte die Burg. Faſt zu derfelben Zeit begann
aber auch eine große Unzufriedenheit unter dem Schwäbiſchen
Adel rege zu werben, und diefer fehloß einige Jahre fpäter
einen Bund mit dem benachbarten Würtembergifchen Adel, wel-
her der Bund der Schlegler oder Martinsvögel genannt
wurde. Haupt derfelben war Graf von Eberſtein, der mit
einigen Fehdegenoffen einen Anfchlag auf Graf Eberhard machte.
Diefer hielt fih damals nebft feinem Sohne im Wildbade auf
und die Berfchworenen hatten fo gute Kundfchafter, daß ihr
Plan auf Bater und Sohn kaum fehlfchlagen konnte. Deffen unges
achtet wurden fie, als das Städtchen Wildbad bereits in den Hän⸗
ben der Feinde war, Durch einen Hirten gerettet, der fie fchleu-
nigft durch unbefannte Gehirgs= Pfade in Sicherheit brachte. *)
Eberhard Flagte hierauf bie Eberfteiner und ihre Mitver-
bündeten bei dem Kaifer als Landfriedensbrecher an; Demzufolge
der Graf von Dettingen zum Richter ernannt wurde, und
bie von Eberftein nebft ihren Helfern vorlud. Aber Niemand
erſchien am feftgefegten Tage vor den Gerichtsfchranfen. Jetzt
wurde vom Kaiſer Die Acht gegen Eberhards Feinde ausgeſpro⸗
hen und es erging an mehrere Ritter und an die Neichgftäbte
in Schwaben, wie auch an Straßburg, der Befehl, mit ihren
Truppen zu Graf Eberhard zu floßen, dem man geftattete bie
Reichsfahne zu führen. Allein Markgraf Rudolf von Baden
begünftigte heimlich feine VBettern, die Eberfteiner, und Graf
Ruprecht von der Pfalz erflärte, die Grafen von Eberftein
feyen verurtheilt worden, ohne dag man ihre Bertheidigung an⸗
*) Bergl. Uh land's Ballade: „Der Ueberfall im Wildbad,“
Murgthal. 295
gehört habe, zudem ſey Graf Wilhelm von Eberſtein fein Le⸗
bensmann und er müffe biefen als folchen befchügen.
Unterbeffen rückte Graf Eberhard, an der Spige ber ihm
zu Hülfe gefandten Reichsftädtifchen Truppen vor Neu-Eberftein;
der Pfalzgraf ſchlug nun einen Vergleich durch Schiedsrichter
por und begab ſich deßhalb felbft in das Lager vor Eberftein.
Eberhard wollte jedoch feinen der vorgefchlagenen Schiedsrich⸗
ter annehmen.
Auf Neu = Eherftein führte Wolf von Wunnenftein ben
Defehl. Er war es, von dem der erfte Gedanke zur Stiftung
des Bundes der Martinspdgel*) ausgegangen war, und Eberhard
hatte ihm feine Burg niedergebrannt. Seine Tochter Ida be=
fand fich bei ihm auf Eberftein, weil er fonft nirgends Sicher-
heit für fie wußte. Die beiden Grafen von Eberftein hatten
fih nach) Baden geflüchtet und ihm die VBertheidigung ihrer Burg
anvertraut, weil er ein tapfrer, einſichtsvoller Krieger war.
Unter den Belagerungstruppen befand fi auch ein Fähn⸗
fein aus Heilbronn, welches von einem jungen, in der freien
Reichsſtadt anfäßigen Edelmanne, Georg vom Stein, ange-
führt wurde. Der Jüngling hatte längſt für die ſchöne Ida
eine heftige Leidenfchaft gehegt, und auch Gelegenheit gefunden,
ihr feine Liebe zu erklären. Ida war gegen ihn nichts weniger
als gleichgültig und diefe Neigung ihrem Vater fein Geheimniß
geblieben, weßhalb er nun darauf feinen Plan zur Rettung von
Eherftein baute. Er Tieß Graf Eberhard willen, wie er geneigt
fey, eine Capitulation abzufchließen; man möge ihm daher den
Nitter vom Stein als Unterhändler ſchicken, da er fich feft vor=
genommen babe, nur mit Diefem allein den Vertrag zu fehlie-
fen. Eberhard willigte ein und Georg, hocherfreut über dieſe
gute Gelegenheit, feine Geliebte wiederzuſehen, begab ſich auf
bie Burg, doch nicht ohne zuvor ſich ein freies Geleit zufichern
haben zu laffen. Der Wunnenfleiner empfing ihn aufs Befte und
ftellte ihm hierauf vor, wie Graf Eberhard ebenfowohl ber
Feind der Reichsſtädte, als der des Adels fey, und daß er ge-
wiß nach und nad beide Theile unterwürfig machen merbe.
Nur um ihrer Freiheit Willen hätten fih fa die Schlegler
*) Siehe V. v. Chezyns Roman : „Die Martinsvögel.“
296 Murgthal.
verbunden, and ihre Allianz ſey ebenſowohl zum Frommen der
freien Städte, als des Adels, geſchloſſen worden. Dies ſchien
Georgen einzuleuchten, denn in der That war Eberhard ſo
wenig ein Freund ber freien Städte ale der Ritterſchaft. Wäh⸗
send diefer Unterredung trat Fräulein Yon in das Gemach. —
„Ihr bier, Herr som Stein?” — rief fie, mit fcheinbarer Ber:
wunderung, und fich gleichfam wegen der verurfachten Störung
entichuldigend.
„Ihr hättet mich wohl nicht hier vermuthet, mein Fräu⸗
lein?“ — entgegnete der Ritter.
„Wenigſtens nicht unter unferen Feinden, den Belagerern! 1a
— verſetzte fie.
Der Ritter gerieth in die größte Verlegenheit. Er be⸗
theuerte, daß er noch immer jeden Augenblick bereit ſey, ſein
Leben für ſie einzuſetzen.
„Das ſind eitle Verſicherungen!“ — bemerkte das Fraͤulein.
— „Sprecht: was wird meines Vaters Loos und das meinige
ſeyn, falls Burg Eberſtein durch Sturm genommen werden
ſollte 2“
„Neu⸗Eberſtein ſoll nicht geſtürmt werden!“ — rief Georg
begeiſtert — „und Ihr, Fräulein Ida, und Euer Vater, ſollt
nicht in die Hände der Feinde fallen!”
„„Wie wollt Ihr Euere Worte denn bethätigen?““ fragte
der Wunnenfteiner.
„Wie? dafür laßt nur mich ſorgen!“ — erwieberte Georg
— „Aber gebt mir wenigfiens die Hoffnung mit auf den Rüd-
weg, daß, wenn Ihr wieder in Sreiheit feyd, Ida meiner noch
in Liebe gedenken werde |.“
„„Rechnet getroft auf Die Dankbarkeit ſowohl des Baters
als der Tochter!““ erwiederte der Wunnenfteiner, dem Juͤng⸗
ling freundlich die Hand drüdend, und Georg ſchied, von den
Reizen der Geliebten wo möglich noch bezauberter,, als vorher.
Gleich nach feiner Zurückkunft in's Lager gab er dem Gras
fen Eberhard Nachricht von dem Erfolge feiner Unterhandblung.
— „Die Belagerten” — ſprach er — „fuchen nur Zeit zu ges
winnen und ſcheinen zuverläßig auf Hülfe vom Pfalzgrafen und
vom Markgrafen Rudolf von Baden zu rechnen.” — Ge⸗
Murgthal. 297
gen. bie Daupsleute der reichöftäbtifchen Fähnlein führte Georg
jedoch eine andere Sprache: er machte fie auf die wachfenbe
Macht des Wärtembergers aufmerkfam, der auch die freien
Städte unterjochen werde, wenn er nur erft einmal den Adel
bezwungen hätte. — „Wir arbeiten” — fchloß er feine Wars
nungsrede — „an unferem eigenen Untergangs, wenn wir noch
länger zum Grafen Eberhard halten, und opfern unfere Kräfte
für einen gefährlichen Feind, deffen ehrgeizige Abfichten Keinem
von euch verborgen feyn können.“
Diefe Worte machten auf die reihsftäbtifchen Führer einen
um ſo tieferen Eindruck, als fie ohnehin ſchon über den lang⸗
famen Gang der Belagerung unzufrieden murrten unb ſchon
längft unter ihnen ein Mißtrauen gegen den Grafen von Wür⸗
temberg berrichte. Georg fuchte zugleich Die Rachricht zu ver
breiten, der Pfalzgraf bereite einen Einfall in Schwaben ver,
was benz aud Die folge hatte, dag eined Morgens fänmtliche
Anführer des rveichsftäbtifchen Zuzugs in fein Zelt traten und
ihm ihren Entfchluß eröffneten, mit ihren Truppen wieber heim
zuziehen, falls er fich ihnen anfchließen wolle. Nach einigen
unbebeutenden Einwürfen, unter denen Georg feine Freude über
Die gelungene Lift zu verbergen ſuchte, kamen fie mit einander
dahin übereins, dieſen Entfchluß zuerft dem Grafen und dan
ihren Truppen zu eröffnen, und fodann am nädflen Morgen
abzuziehen; Graf Eberhard bat und zürnte und drohte; doch
Alles war umfonft, zumal als die Soldaten erfuhren, was vor⸗
ging. Alles fehrie: „Nach Haufe! nah Haufe!“ — und dem
Grafen von Würtemberg blieb nichts übrig, ale gehen zu laſ⸗
fen, was er doch nicht mehr zurüdhalten konnte. Am nächſten
Morgen, bei Anbruch der Dämmerung, verließen die Truppen
ber Städte Straßburg, Heilbronn, Ehlingen, Auge
burg, Ulm, Nördlingen ıc. das Lager und zogen in tieffler
Stille ab, um die Belagerten nicht aufmerkſam zu machen.
Diefe jedoch erfuhren früh genug, was vorgegangen war, und
machten häufige Ausfälle, fo daß fih Graf Eberhard bald zu
ſchwach fühlte, die Belagerung mit Erfolg fortzufegen. Wenige
Tage nad dem Abzuge der Hülfstruppen hob er die Bela-
gerung anf und kehrte in fein Land zurück. Georg vom Stein
aber fäumte nicht, ſogleich nad Burg Eberflein zu eilen, we
298 Murgtpal.
feine Werbung von Vater und Tochter gleich freundlich aufge-
nommen wurde, denn er hatte ja Wort gehalten,
(Aus A, Shreibers „Sagen aus ben Rheingegenden und dem Schwarz⸗
walde 20.” 1839)
„Bon den Sraffen von Eberſtein.
Man ſagt das die Graffen von Eberſtein vor zeitten fo
mechtig Herren fein gewefen, alfo das jenen die Marfgraffen
von Baden zu Hoff fein geritten unnd gedient haben, und haben
in jrem wappen gefüret eyn Eber auff einem flein. Nun warbt
einsmall Einer von Eberflein von dem römtfchen Keyfer geſchickt
in Potichafts weis gen Rom zu dem Bapft, da dann andere
mechtige potfchaften auch verfamlet waren, Nun begab es fich
auf den Sonntag Lätare, als dan der Bapſt zu Nom die Rofen
umbtregt, unnd Die fchanft er zu einer großen ehr unnd wirbig-
feitt der öberſten unnd größten Potfchaft, die da von einem Rö—
mifchen Keyfer auf die zeitt gefchicft worden war, Das war ber
von Eberſtein, unnd als derfelb gros verehrung unnd ſchenkung
von dem Bapft empfangen hatt, unnd nun wiberumb heimfam
zu dem Römifchen Keyfer mit folcher begabung, da verendert
fm der Keyfer das Wappen, unnd gab jm die rotte Roſen in
den Schilt für den Eber, unnd fchanft fm auch darnach zu einer
verehrung und begabung einen Föftlichen ring mit einem Türfig,
unnd wie er jm die rott Rof hatt, von der großen verehrung
unnd wirdigfeit wegen, in den Schilt geſetzt, alſo fest er jm
auch denfelbigen Türdis in bie mitten in bie rodt Roſen, auch
von ber verehrung wegen, barumb führen bie yon Eberftein itzt
eine rotte Roſen mit einem blawen fernen in einem weißen felt,
wie dan das jinen von dem Römiſchen Keyſer gefchentt unnd
gegeben ift worben zu einer großen ehr und wirbigfeitt.”
(Aus dem Anhang zu Jacob von Königshoven „elſäſiſche Ehronike” ; Frey⸗
burgiſche Ehronife, ꝛc. S. 48.)
Der Grafenſprung.
Wolf von Eberſtein war in Fehde mit Graf Ebers
bard von Würtemberg. Diefer rüdte mit großer Heeres⸗
Murgthal. | 299
macht gegen die Burg Alt-Eberftein und zerflörte dieſelbe.
Der Befiegte machte hierauf den Anfchlag, den Würtemberger
im Wildbade zu überfallen und gefangen zu nehmen. Diefer
Plan aber feheiterte und Wolf wurde in die Reichsacht gethan.
Er flüchtete nun auf das Schloß Neu-Eberftein, wo man
ihm freundlich eine Freiftätte bot. Sein Aufenthalt daſelbſt
blieb jedoch nicht lange verborgen und er mußte abermals fein
Heil in der Flucht fuchen. Er wollte um die Morgendämmerung
das Schloß verlaffen und faß bereits wohlbewaffnet auf einem
rafchen Pferde. Allein die Feinde hatten über Nacht alle Aus-
gänge am Fuße des Berges bis an die Murg befegt, die unten
an der jachen Felſenwand vorbeirauſcht. Der letzte Weg zur
Rettung ſchien dem Geädhteten jetzt vollends abgefchnitten, doch
war er entichloffen, lieber fich felbft den Tod zu geben, als
lebendig in die Hände feiner Berfolger zu gerathen. Raſch
lenkt er fein Pferd auf die fleil über den Fluß hinausragende
Felſenkuppe und fprengt ed mit einem gewaltigen Spornftreich
in den fchäumenden Abgrund hinunter. Wie durch ein Wunder
aber bleibt er felbft ungefährdet, nur fein Roß verfinft mit zer:
fhmetterten Beinen in der Tiefe, während er fih glüdlih an's
jenfeitige Ufer und von dort in das Hoflager feines Pfalsgra-
fen rettet. Die Stelle auf dem Felfen oben, von der aus er’
fih in die Fluthen hinabſchwang, heißt noch heutigen Tages ber
Grafenfprung.
Eine andere Sage berichtet:
Ein Graf von Eberftein hatte eine wunderfchöne Tochter.
Eine Menge vornehmer Herren ftellte fih auf dem Schloffe ein,
um ihre Hand zu werben; da lud fie der Graf fämmtlich eines
Tags zu einem Gaftmahl ein, wobei es hoch herging und auf's
Tapferfte gezecht wurde. Endlih, ale Alle des fügen Weines
vol waren, ſprach er Tächelnd zu feinen Gäften: „Wer von
euch, ihr Herren, keck und glüdlich genug ift, die jähe Felſen—
wand bier bie an die Murg hinabzureiten, dem fol die Hand
meiner Kunigunde und mit ihr ein reicher Brautfchat zu Theil
werden!’ — Die Herren fahen ſich einander verbugt und be⸗
denklich an, als dächte Jeder bei fih: „wer hat Luſt, ven Hals
zu brechen? Ich nicht!“ — Nur ein junger tolltühner Edel⸗
fnabe, von glühender Liebe zu Runigunden entflammt, unter-
300 Murgthal.
nahm das eniſetzliche Wageſtück; doch fein Pferd glitt aus, nach
bevor es ein Drittel des Weges zurüdgelegt hatte, und beibe
flürzten zerſchmettert in die Fluthen der Murg.
(Siehe Al. Schreiber's „Sagen aus den Rheingegenden ⁊c.“)
Der Grafeniprung bei Neu: Eberftein,
Der Würtemberger fchloß ihn ein;
Was that Herr Wolf von Eberftein?
Er ritt von der Burg
Herab an die Murg,
Zum fteilften Rand
Der Felfenwand ;
Da war das Thal von Feinden rein,
Da fprengt er in die Murg hinein;
Erhalte dich Gott, Wolf Eberſtein!
So fede Flucht bringt Feine Schwach,
Die Feinde felver jauchzen nad. —
Er fam herab ohn' Ungemach.
Sort riti er dann,
Frei war der Mann!
Seh’ Einer, ob er’s auch fo kann?
Auguſt Kopiich.
Bergleiche die vorige Anmerkung und Rlübers Beſchreibung von
Baden, Th. II. ©. 133. — „Sagen aus Baden, ꝛc.“ ©. 26. Es
gehen über den Grafenfprung noch anbere Sagen , die dort gleichfalls
mitgetheilt find. Bergl. auh Kriegs von Hochfelden, „Ge
ſchichte der Strafen von Eberftein,. ©. 358.
Unfere Sage fällt in die Zeit des berühmten Krieges der -Schleg-
ler⸗ mit Sraf Eberhard von Würtemberg , in das Iepte Viertel des
vierzehnten Jahrhunderts. Eine Folge des verunglädten Ueberfalles
im Wildbade war die Belagerung des Schlofles Neu⸗Eberſtein.
Das Nockenweibchen.
Die hope Felfenwand im Rüden des Schloßes Eberſt ein
im Murgthale heißt der „Rockenfels“. Darin wohnte vor
BAen____
Murgthal. 301
Zeiten in einer unterirdifchen Kmmmer ein Bergweiblein, zwar
weber jung mehr noch fchön von Geſtalt, doch gar freundlich
md bienfifertig über die Maßen. Oft pflegte fie des Abends
die Spinnfruben der umwohnenden Zandleute zu befuchen und
erzählte dantı dem Taufchenden jungen Böltchen allerlei feltfame
Marchen, heitere und fehaurige. Wo fie weilte, füllten ſich die
Spulen noch einmal fo fehnell als fonft, und der Faden wurde
noch viel feiner und gleicher.
Damals lebte auf Eherftein ein Burgvogt, ein gar harter,
finfterer Mann; der zwang die Mägde im Frauenhaus täglich
bis in die tieffte Nacht zur Arbeit und gönnte ihnen faum ein
bischen Brod und Erholung. Unter denfelben befand fidy auch
eine junge ſchmucke Dirne, Namens Klara, ein ausnehmend
frommes, ehrbares Kind; die hatte der Schlofgärtner ſchon
fängft zu feiner Liebſten erforen und fie fam ihm mit gleichen
Gefühlen entgegen. Weil fie aber eine Leibeigene von Eber-
ftein war, durfte fie fih, ohne des Vogts Bewilligung, nicht
verheirathen, und Diefer wußte jedesmal, wenn ihn das Liebende
Härchen mit Bitten darum beftürmte, irgend eime Ausflucht, um
dies Glück zu verzögern. Einſt, ald das arme Mädchen recht
flehend in ihn drang, nahm er fie an's Yenfter und fagte
böhnifch, indem er nach dem nahen Friedhof im ‘Thale deutete:
„Siehft du dort jenes grünbewachſene Grab, neben dem
größen Leichenftein?“
nah" — feufzte Klara, und die hellen Thränen rieſelten
ihr tiber die Hlühenden Wangen — „„ach! das ift ja das Grab
meiner armen Eiftern
„Die Neffen gedeihen ja prächtig auf dieſem Grabe!" —
fuhr der Vogt Tadhend fort; — „Es iſt ja ganz davon über-
wuchert! Nun, höre mich an: ich habe mir fagen laſſen, man
habe die Erfindung gemacht, aus diefem Unkraut einen überaus
zarten Inden zu foinnen, und darum will ich bir jest einen
Vorſchlag thun. Du follſt mir nämlich aus jenen Neſſeln ein
Stück Leinwand fpinnen, das gerade zu zwei Hemben reicht,
aber nicht größer und micht Eleiner. Das eine wird dann bein
Brauthemd, und in dem andern foll man mich einft begraben.”
Mit diefen Worten ging er, boshaft kichernd, feiner Wege;
die arme Dirne ſtund aber voll Beſtürzung da und wußte weber
302 Murgthal.
Rath noch Troſt. In der Trauer ihres Herzens eilte ſie dann
hinunter zu dem Grab ihrer Eltern und betete und weinte,
daß es einen Stein erweichen hätte mögen. Da ſtund plötzlich
das Bergweiblein neben ihr und fragte nach der Urſache ihres
Grames. Als ihr Klarchen Alles erzählt, was vorgefallen war,
verfinſterte ſich das ſonſt fo gutmüthige Geſicht des Bergweib⸗
leins und es ſagte: „Sey nur ruhig und getroſt, es ſoll dir
ſchon geholfen werden! — Sprachs und riß einen Arm voll
Neſſeln aus dem Grabe und verſchwand damit vor Klara's
Blicken. Dieſe ging mit erleichtertem Herzen zur Ruhe.
Kurze Zeit nachher jagte der Vogt im Forſt über der
Murg und kam zufällig auch an den Rockenfels. Dort ſaß das
Bergweiblein am Eingang ſeiner Höhle und ſchnellte recht wacker
die zierliche Spindel.
„Du ſpinnſt dir wohl ein Brauthemd, du graue Schönheit?”
— lachte der Bogt. |
. mEin Brauthemd und ein Todtenhemd, Herr Bogt, zu
dienen!“ — verfeste das Mütterchen.
‚Du haft ja da gar einen fchönen Flachs; den haft du ge-
wiß irgendwo geftohlen ?⸗
„Mit nichten! dort unten ift er gewachfen auf einem armen
Bauerngrabe!“ |
Den Bogt überlief es Falt. Die Jagd war ihm nun ent-
leidet und er kehrte fogleich mit bangem Herzen nach Eberftein
zurüd, mit fich felbft im Kampfe, ob er das Jawort zu Klär-
chens Heirath geben folle oder nicht. So vergingen einige Tage,
ohne daß er zu einem feſten Entfchluffe gelangen konnte. Gegen
Abend, als er eben beim vollen Humpen im Ritterfaal feine
‚ängftlihen Gedanken nieder zu trinken verfuchte, erſchien Klara,
zwei zierliche Hemden auf dem Arme tragend.
„Herr Vogt,“ — fagte fie — „Eurem Berlangen ift nun
wilffahrt. Hier find die zwei Hemden aus den Neffen von
meiner Eltern Grabe; bas eine für Euch und das andere für
mih! Jetzt haltet aber auch Ihr Euer gegebenes Wort !'«
„Das will ich gewiß, das will ih” — flotterte der Vogt,
dem ed ganz unheimlich zu Muthe war, — „morgen foll deine
Hochzeit ſeyn!“ — In der That gab er auch fogleih dem
Schloßgärtner die Erfaubnig zur Trauung mit Klärchen und
Murgthal.
verſprach, ſich ſelber dem Ehrengeleit in die Kirche anzuſchlie⸗
Aber am nächſten Morgen laſtete ſchon die kalte Hand
des Todes auf feinem fündigen Herzen, und als Klaͤrchen und
ihr Bräutigam den Segen bed Prieflerd am Altar empfingen
und aus der Kirche gingen, Tag der Burgvogt auf der Bahre,
mit dem Leichenhemd aus Neffeln angethan.
(Siehe Al. Schreiber’s „Sagen aus den Rheingegenden“ ıc.)
Des Neffelhemd.
(Andere Berfion.)
„Schaͤmt Euch, Herr Bogt von Eberftein!
Statt auf des Volks Beglückung,
Sinnt Ihr auf nichts, ald nur allein
Auf deffen Unterbrüdung !
Bol Geiz und Wolluft übt im Land
hr alle Tyranneien;
Gott wolle bald aus Eurer Hand
Ung gnäbiglich befreien |"
„DOho, mein ſprödes Jungfräulein !
Mit dir ift bös zu minnen !
Nun gut — kann ich durch Schmeicheler’n
Dein Herzchen nicht gewinnen,
Sp will ich gerne deine Gunft
Nicht mehr zu feffeln finnen,
Kannft du für mich mit deiner Kunft
Ein Hemd aus Neffeln fpinnen !“
Er läßt beflürzt das arme Kind,
Und ihre Thränen rinnen:
„D Gott, wie kann ich fo geſchwind
Ein Hemd aus Neffeln ſpinnen ?“
Da ſchwebt herbei im Abenblicht
Die niedlichfte der Elfen,
Und ſpricht. „Chriſtinchen, weine nicht!
Ein Schutzgeiſt will bir helfen.
304
Murgthal.
„Bekannt biſt ja du lange ſchon
Mir als das bravſte Mädchen!
Nimm bier zu deiner Tugend Lohn,
Dies goldne Spinneraͤdchen;
Haͤng' Neſſeln dran, und über Nacht
Wird es zum feinſten Linnen,
Von ſelbſt, noch eh' du biſt erwacht,
Ein Hemd dem Burgvogt fpinnen !«
Bevor Chriftinchen banken kann,
Iſt ſchon der Geiſt verſchwunden.
So trägt ſie heim den Rocken dann,
Mit Neſſeln dicht umwunden;
Und Nachts im Traume hört fie laut
Das goldne Rädchen fehnurren,
Und fieht aus wilden Neſſelkraut
Die fchönften Fädchen furren.
Und ſchon beim erften Morgenſchein
Erblickt fie mit Frohlocken
Das Neſſelhemd, gar blanf und fein,
Bollendet an dem Roden.
Schnell eilt fie mit zum Vogte bin,
Der juft vom Schlaf erwachte
Und an die fpröde Spinnerin
Bol Schadenfreude dachte.
Der Bogt trant feinen Augen kaum
Und ruft: „So wahr ich lebe!
Das Hemd ift weiß wie Schwanenflaum,
Ein wunderfein Gewebe!“
Und auf der Stelle zieht er's an,
Doc ſinkt er ſchnell zuſammen:
„Weh' dir, was haſt du mir gethan?
Dein Hemd brennt ja wie Flammen!“
In Todesangſt verſuchet er
Das Hemd ſich abzureißen;
Umſonſt! es brennt ihn immer mehr,
Wie lauter glühend Eiſen.
Murgtpal. 305
So flirbt er, von der Gluth verzehrt,
Mit gräßlichem Gebrülle,
An feinem Körper unverfehrt
Blieb nur die Neſſelhülle. —
Doch Tauter Glück und Segen fpinnt
Eich aus Chriſtinchens Rädchen;
Sa, manden Tag fogar gewinnt
Sie lauter goldne Fäden.
Bald hat mit einem wackern Dann
Sie Tiebend ſich verbunden,
Und heilt im Thale, wo fie fann,
Der Armuth ſchwere Wunden.
4. Schzle.
Die Gräfin im Nockertwald.
Gegen Morgen von Eberftein liegt der Shwann, ein
hoher Bergmwald, daran fiößt der Rockert, der bis nad Reis
henthal geht und am Afikal endigt. Der Rodertwald hat
drei Theile: den vorderen, mittleren und hinteren Rodert; darin
geht feit etlichen Hundert Sahren eine Gräfin von Eberftein und
Hagt ihre Schuld. Biele Leute haben fie fihon gefehen und
nennen fie das Rodert-Weibele; ihr Rod und ihr Mieder
find von ſchwarzer Seide, noch von der Trauer um ihren vers
fiorbenen Daun berrührend; auch trägt fie eine Haube von
fhwarzem Sammet mit einem hohen ſchwarzen Federbufch. Diefe
Gräfin wollte einft den Rockert den Leuten von Hilpertsau und
Reichenthal entziehen und fprach ihn zu eigen an. Da warb
ein Manngericht von Grafen und Rittern berufen und fie follte
einen Eid fchwören, daß der Wald ihr eigen fey. Nun trug
fie einen Löffel in ihrem Dichten Federbuch verſteckt und weil
man die Löffel auh Schöpfer hieß, fo ſchwur fie: „So wahr
mein Schöpfer über mir ift, fo wahr gehört der Rockert mir
und meinen Söhnen!” Da ward ihr der Wald zu Recht zuers
fannt; fie flarb aber nach wenigen Tagen und geht feitdem im
Rockert um. Dean hat fie oft gehört, wie fie mit einer großen
Hunde» Meute das Wild hegte, gewöhnlich aber hört man fie
I. . 20
306 Murgthal.
klagend rufen: Hu! bu! — was weithin über Berg und Thal er⸗
ſchallt. Wer ruhig vorübergeht, dem thut fie nichts zu Leibe,
wer fie aber ausſpottet, dem fett fie fi) auf den Rüden und
er muß fie den Berg hinauf und hinab bis an den Bach tragen.
Dort fallt fie dann wie ein Malterfad in's Waſſer. Ste hat
auch ſchon einmal drei Männer in den Gumpen eingetaucht.
Befonders fpuct fie auf der Gätelwiefe, die unten am
Rockert Tiegt.
(Siehe Mone’s Anzeiger ıc. 3. 1834.
Gaggenau.
er figt im warmen Stübchen?
Ein Mädchen und ein Bübchen,
Großmutter auch und fpinnt,
Laͤßt ih ein Weilchen quälen,
Dis dag fie zu erzählen
Mit Ieifem Ton beginnt:
„War einft ein Hirtenfnabe,
Der nannt' als einz’ge Habe
Ein junges Gänschen fein;
Doch ah! vor Badens Thoren
Hat fih das Thier verloren
Zu Hanſens bittrer Pein!
Er läuft von Ort zu Orte,
Er klopft an jede Pforte,
Kehrt hoffnungslos zurück,
Verloren bleibt fein Gänschen, —
D Hänschen, armes Hänschen!
Verloren all' dein Glück!
Und an der Murg Geſtaden
Hin ſinkt er mühbeladen,
Und klagt des Herzens Noth
Den Wellen und den Winden:
„kLäßt ſich die Gans nicht finden,
Sp wein’ ih mich zu Tobl«
Murgthal. 307
Da kommt ein bucklig Männchen,
Nicht höher als drei Spännden,
Vom grünen Berg herab
Und fprigt: „Nah Gernsbach wandre,
Und ſtehl dir eine andre,
Du dummer Hirtenknab'!“
Doch Händchen fagt: „Mit nichten
Mag’ ich fo was verrichten,
Die Ehr' ift mir zu lieb;
Biel eher wollt’ ich laufen,
Mein letztes Hemd verkaufen,
ALS daß ich würd’ ein Dieb !-
Kaum ift dies Wort geſprochen,
Hat lachend ſich verfrochen
Der Feine Schelm, der Zwerg;
Da tönt’d „Gaggagg“ vernehmlich,
Huſch, Huf, da ſchlüpft bequemlich
Das Gänslein aus dem Berg.
Bor Freuden tanzt mein Hänschen,
Und flügelnd fest fein Gänschen
Das muntre Gaggagg fort;
Bald flog durch's Thal die Kunde
Und von derfelben Stunde
Heißt Gaggenau der Dr.“
Das Mädchen und das Bübchen
Im traulich warmen Stübchen
Sind felig eingenickt;
Großmutter fist im Stuhle,
Sie fist und dreht die Spule
Bar fleißig und geſchickt.
Eduard Brauer.
' Unter den Bewohnern des Murgthals gebt, nad Aloys Schrei:
ber's Zeugniß in den „Sagen von Baden“ ıc. ©, 57, über bie Ent-
ftehung des Namens Gaggenau eine, freitich weder finnreiche noch
poetifhe Sage. Bier if diefelbe im Gewand eines Kindermärcheng,
das ſich wohl allein für fie fchict, etwas ausgeſchmückt wiedergegeben.
20*
308 | Murgthal.
Das vermißte Gänschen fol aus dem fogenannten Hilpertsloch
hervorgefommen feyn. Auf dergleichen Auslegungen von Ortsnamen
geräth der grübelnde Volksverſtand öfters. (Wir erinnern an die Er-
Hörung des Burgnamens Achalm in Uhlands Dichtung „die
Schlacht bei Reutlingen«.)
Daß die Sage auch das Murgthal mit feinen Berggeiftern (Gno⸗
men, Erdmännlein) bevölfert hat, ift zu erfehen aus Kriegs von
Hochfelden „Geſchichte der Grafen von Eberflein, ©. 356 u. ff.
(Siehe Ed. Brauer’s „Sagen und Gefhichten von Baden 20,” S. 168.)
Die Geiſterhöhle.
Der Amalienberg bei Öaggenau hieß vordem Hilpert,
und es hausten viele Geiſter darin. Es geht ein tiefes Loch
durch diefen Berg, welches am Murgufer anfängt und bie nach
Baden reichen fol. In diefen hohlen Berg wurden in alten
Zeiten die Geifter gebannt; auch ift einmal eine Gans hinein-
gefommen und darin immer vorwärts gelaufen, fo daß fie am
andern Tage zu Baden wieder heraus fam.*) Seitdem aber ber
Hilpert angebaut ift, die vielen Felſen gefprengt find und Das
Loch verfchüttet wurde, find die Geifter verdrängt worden und
haben den Berg verlaffen.
(Berge. Mone's „Anzeiger 20.” Zahrg. 1834.)
SHilpertsloch.
Hülffurth, (Hilpert) hieß urfprünglich der Berg, der
jet als höchft anmuthiger LYandfig unter dem Namen Amalien-
berg am linfen Ufer der Murg blüht. Am Abhange gegen
den Fluß fieht man in dem Felfen den Eingang einer Höhle,
die fih tief in den Berg hinein zieht.”) Seit lange hat es
Niemand gewagt, in biefen finftern, mit mephitifchen Dünften _
gefhwängerten Gang einzubringen; der Sage nad foll er fi
bis unter die Spitalfirhe in Baden hinziehen und früher eine
reihe Ausbeute an verfchiedenen Erzen geliefert haben.
Bor vielen Jahren fam ein Bergfnappe, welcher Arbeit
*) Siehe die vorige Sage.
. Murgthal. 309
ſuchte, in das Murgthal. Da er auch hier Feine Beſchäftigung
finden konnte, wollte er wenigſtens die Gegend etwas näher
kennen lernen und gelangte auf ſeinen Streifereien an den Ein⸗
gang jener Höhle. Er trat hinein und ſtellte Unterſuchungen
an, die günſtig für ihn ausgefallen ſeyn müſſen, denn er ließ
ſich jetzt häͤuslich in Gaggenau nieder, verheirathete ſich daſelbſt
und man ſah ihn jeden Morgen mit ſeinem Gezäh' nebſt Gru⸗
benlicht der Höhle zu wandern, von der er ſpät Abends erſt,
die Ausbeute des Tages in einem Sacke mit ſich tragend, wie⸗
der heimzukehren pflegte. Niemand wußte, was er in dem
Gange treiben, noch was er an Erzen gewinnen mochte Es
mußte jedoch nicht unbedeutend geweſen ſeyn, denn er lebte mit
ſeinem Weibe ganz wohlhabend und gemächlich.
So ging es viele Jahre hindurch; eines Morgens aber
waren ber Bergmann und fein Weib aus Gaggenau vers
fhwunden und Niemand konnte feitdem erfahren, wohin dieſel⸗
ben gefommen.
Hilpert hieß der Bergmann und von ihm erhielt bie
Höhle den Namen: Hilpertslod.
(Siehe A. Schreiber's „Sagen aus den Rheingegenden 2c.)
Die Eliſabethsquelle zu Notheufels.
Auf grünen Hügeln wehen
Obfibäum’ und Blüthenlicht,
Auf hohen Bergen ftehen
Die Silbertannen dicht;
Durch Gärten, Felder, Matten
Tanzt, manches Dorf entlang,
Der Fluß im Erlenfchatten
Mit murmelndem Gefang.
Wohl prangt mit taufend Gaben
Der Murg gefegnet Thal;
Nur eine harrt begraben
Rod auf den Sonnenſtrahl;
'310
Murgthal.
Sie ruht ſo feſt verborgen,
Sie ſchläft ſo tief verſteckt,
Bis ſie ein heller Morgen
Mit lichtem Gruße weckt.
Deckt nicht das Feld voll Halmen
Geheimnißvoll den Schaft
Verſunkner Wunderpalmen
Der Urwelt, rieſenhaft?
Bewahrt nicht Stamm am Stamme
Solch' ſtolze Waldespracht,
Verkohlt in Gluth und Flamme,
Getreu die tiefe Nacht?
Iſt in der Erde Schooße
Nicht ſolch ein Schatz bewahrt,
Wo Roſe ſich an Roſe
Im Fürſtengarten ſchaart?
Zu ſpähn, was tief im Grunde,
Bohrt wiederhallend ein
Sich ſchon die tiefe Wunde
Dem ſtarren Felsgeſtein.
O ſucht nur, friſch ermuthet,
Was bergen mag der Fels!
O ſeht, die Wunde blutet
Im lauen Schwall des Quells!
Dem Tage quillt entgegen
Ein Born mit hellem Strahl,
Und ſchüttet neuen Segen
Ins ſegensreiche Thal.
Im Waſſerſtrahl, dem muntern,
Hebt er zum Tagesſchein
Raſch aus der Tiefe Wundern
Die hellen Perlenreih'n.
Viel Kräfte ſtill durchdringen
Verſchwiſtert im Gemiſch,
Die Perlen, daß ſie bringen
Dir Leben ewig friſch.
Murgthal. 311
Du wankeſt hin zum Thale
Kraftlos und müd' und bleich,
Und ſchlürfſt aus voller Schaale
Die Fluth ſo lebensreich;
Bald trägſt du von der Quelle —
Des Siehthums Dual entrafftl, —
In deiner Seele belle
Den Schat der Jugendfraft.
Gerhard Helfrich.
(Aus E. Brauer's „Sagen und Geſchichten der Stadt Baden 2.” Karlsruhe, 1845.)
Das Pfarrdorf Rothenfels, von der Amtsflant Raftatt zwei
und eine viertel Stunde fünöftlid und eben fo weit von Baden ent-
fernt, liegt am rechten Ufer der Murg, ift ſehr alt und gehörte früher
ben Grafen von Eberftein. Gegenüber, auf dem Iinfen Durgufer,
liegt das Schloß Rothenfels nebſt einem großen Landgut, welches
dem Markgrafen Wilhelm gehört und durch reizende Gartenanlagen,
fo wie dur feine mufterhafte Landwirthſchaft ausgezeichnet if. Als
man im Jahr 1839 hier nach Steinkohlen grub , deren der Boden ein
reiches Lager bergen fol, entvedte man eine Mineralquelle: einen
lauwarmen, eifenhaltigen Natron-Säuerling. Bald war diefelbe gefaßt,
mit den nöthigen Gebäuden verfehen und fchon jetzt erhält fie, nad
bereits vielfach bethätigter Heilfraft, reichlichen Zuſpruch, namentlich
aus dem benachbarten Baden, von Trink» und Babegäften, welche zum
Theil hier eine Nachkur gebrauchen.
Die Drei Schweitern.
Hm Eingang in das romantifhe Murgthal ſchaute in ur
alter Zeit von einer Höhe des linken Ufers eine Burg herab,
die aber längſt bis auf die legte Spur verfchwunden iſt. Als
nur noch wenige Trümmer davon übrig waren, flunden am
Abhange des Hügeld drei Linden, welche die letzte Beſitzerin
der Burg zum Geburtstag ihrer drei Töchter gepflanzt hatte
und bie darum „die drei Schweftern” genannt wurden.
An einem fchönen Sommerabende kehrten einft in ber
Schenke, die am Fuße des Schloßbergs Tag, drei junge Ritter
ein, die fih durch Zufall auf der Reife zufammengefunden
Hatten. Der Eine war ein reicher Graf aus dem Eifaß, mit
ftattlichem Gefolge; der Zweite wurde gewöhnlich „der Ritter
vom Sees genannt, weil feine Güter am Bodenſee Tagen.
312 Murgtbal.
Unter allen Dreien waren ſeine Sitten die feinſten und ge⸗
wandteſten; auch ſchien er ziemlich lebensluſtig. Der Dritte,
ein Jüngling von zwanzig Jahren, hatte der Natur mehr zu
danken, als dem Glücke. Mit einer einnehmenden Geſtalt
verband er eine ächt ritterliche Geſinnung, aber auch eine ge⸗
wiſſe Schüchternheit, deren er nicht Meiſter werden konnte.
Seine Borältern hatten große Güterfchenfungen an Kirchen und
Klöſter gemacht und ihm nichts hinterlaflen, als eine ziemlich
fefte, höchſt freundlich gelegene Burg am Rheine, und von
Ländereien und anderen Einkünften nur fo viel, ald gerade
zur Beftreitung feiner unentbehrlichftien Lebenshebürfniffe hin-
reichte.
Auch zu dieſen drei Rittern war der Auf von der Schön,
heit und dem Reichthume der drei Schweftern gedrungen und
hatte fie gelockt, fih als Freier um ihre Hand einzuftellen.
Nachdem fie ſich in ver Schenke gelabt und vom Staube des
Neifeweges gereinigt, Tießen fie fich bei der Edelfrau melden,
von der fie auch alsbald eine Einladung auf die Burg erhiel-
ten. Man führte fie, dort angelangt, in einen weiten prächs
tigen Saal, wo fie die drei Fräulein an ihren Spinnroden
figend fanden. _Die Aelteſte, Rofaura, war von hohem,
edlem Wuchſe und [chöngeformten regelmäßigen Zügen, aus
denen aber Fein Gemüth, fondern ein Falter, höhnender Ueber-
muth fprad. Die zweite, Eudoria, prangte in blühendfter
Jugendfülle; dagegen glich die Jüngfte, Irene, einer frifchen,
faum erfchloffenen Roſenknospe, die fih erft fhüchtern den
Küffen der lauen Lenzesluft zu entfalten beginnt. Roſaura
fpann einen Goldfaden, Eudoria einen von Purpur und Irene
drehte bloß fohlichten Hanf an ihrem Roden. Die drei Freier
liegen fih gleich von den erften Eindrüden, welche dieß Klee-
blatt auf ihr Herz machte, Teiten und beftimmen: Der Graf
bewarb fih um Rofaura’s Neigung, der Ritter vom See fühlte
fh zu Eudoria hingezogen und ber jüngfte Ritter Tieß fich
hocherröthend in fchüchterner Verwirrung nad einigem Zögern
an Irenen's Seite nieder. Der Graf und ber GSeeritter wur-
den bald ganz herzenseinig mit ihren Damen, deren Bedenk⸗
lichkeiten ſich bloß innerhalb der Grenzen der Schidlichfeit
hielten. Irene dagegen fagte zu dem jungen Ritter: „Geſieht
Murgtpal. 313
mir nur aufridhtig, ob auf Eurer Burg viel Prunk und raus
ſchendes Leben herrfcht und ob Ihr ein Freund von Glanz
und Feftlichfeiten feyd?_ In diefem Falle tauge ich nicht als
Gattin für Euch. Meine Schweftern nur find dazu erzogen,
auf großem Fuße und unter Freudegenüffen aller Art zu leben;
mein Sinn ift aber nur auf das Glück ftiller, einfacher Häus-
lichkeit gerichtet, weßhalb mich auch mein Bater, als er auf
dem Sterbefiffen Tag, zu fich rufen ließ und fpradh : „Irene,
du wirft einft recht glüdlich werden, denn du lichft nicht ben
Schimmer und eitlen Tand; darum überlaffe, was ich von
Gold und Koftbarfeiten auf euch vererbe, deinen beiden Schwes
flern, und nimm dafür diefe Spindel bier! Sie rührt noch von
meiner Aeltermutter ber und wirb die befondere Tugend an den
Tag legen, daß, fo lange du und beine dereinftige Familie fie
forgfältig als Kleinod bewahren, fo lange auch das Glück nicht
von dir und deinen Kindern und Kindefindern weichen wird.”
— Iſt es nun Euer ernftliher Vorfag, Herr Ritter, feine vors
nehme , prunfliebende Dame, fondern eine fehlidhte wackere
Hausfrau auf Eure Burg zu führen, gut, fo bin ich die Eure
und folge Euch gern.”
Mit freudiger Haft ergriff der junge Ritter ihre dargebo⸗
tene Hand und rief: „Gott fey gedankt, daß ich in Euch eine
Sattin finde, wie mein Herz von jeher allein fie wünfchte! Auch
mir blüht das Glück nur im ftillen, prunflofen Familienleben,
und zur Beftätigung, daß ih das Vermächtniß Eures feligen
Baterd als ein Heiligthum ehre, fol Eure Spindel von dem
Tag unfrer Bermählung an in mein Wappen aufgenommen
werben.‘
Die Edelfrau hatte nichts gegen die Wahl ihrer Töchter
einzuwenden; doch befand fie darauf, die Trauung folle in
ihrem Schloß und zwar die aller drei Paare zu gleicher Zeit
vor fi) gehen. So geſchah ed auch bald darauf, und einige
Tage fpäter zogen die Ritter mit ihren Frauen nach ihren hei-
mathlichen Burgen.
Die Schwiegermutter erlebte nicht mehr die nun folgenden
Scidfale ihrer Kinder, denn ſchon ſechs Monate nad) der Bers
mählungsfeier wurde fie von einer Krankheit hinweggerafft. Ein
halbes Jahr nach diefem fehmerzlichen Verlufte ſaß Irene, ihren
314 Muragthat.
Erſtgebornen auf dem Schooß, in ihrem Kloſett, als ihr Gatte
mit traurigen Mienen herein trat und ſagte: „Ich habe dir
eine ſchlimme Poſt zu bringen. Unſer Schwager, der Graf,
hat, nachdem er ſein ganzes Vermögen in Saus und Braus
durchgebracht, ſich mit einer Schaar von Raubrittern verbunden
und bereits ſolche Gewaltthätigkeiten mit ihnen auf den Heer⸗
ſtraßen verübt, daß ſich der Kaiſer genöthigt ſah, ihn in die
Acht zu erklären. Wie es heißt, ſoll er ſi ch nun nach Frankreich
geflüchtet haben.“
„Und Roſaura?““ — rief Irene voll ſchmerzlicher Be-
ſorgniß. — Ihr Gatte hatte nicht erfahren können, welch ein
Loos ihre Schweſter getroffen. — Aber als Irene gegen Abend,
ihren Säugling im Arm, unter den Linden im Hofe ſaß, kam
eine müde Pilgerin, ärmlich gekleidet und die Spuren tiefen
Grames im bleichen Angeſicht, auf ſie zugewankt: es war Ro⸗
ſaura, die nun als Bettlerin vor der wegen ihrer Anſpruchs⸗
loſigkeit oft beſpöttelten Schweſter ſtand, verlaſſen von ihrem
Gatten, hinausgeſtoßen in die fremde Welt, ohne Obdach, ohne
Brod für ſich und ihren Kleinen. Irene ſchloß unter Thränen
des innigſten Mitleids die unglückliche Schweſter in ihre Arme
und bat ſie, bei ihr zu bleiben und ihr ſtilles häusliches Glück
mit ihr zu theilen, was Roſaura mit überſtrömendem Danke
annahm. Bon Eudoxia's Schickſal hatte fie feine Kunde. Aber
wenige Monate fpäter traf der Ritter vom See ganz unver
mutbet auf der Burg feines Schwager ein und erzählte, wie
Eudoria, Teichtfinnig ihrer Pflichten als Gattin vergeffend, ſei⸗
ner Ehre jo wenig gejchont habe, daß er ſich gendthigt gefehen,
bie Treulofe in ein Klofter zu fperren. Diefe Nachricht war
ein neuer fchmerzlicher Schlag für Irenens gefühlvolles Herz
und fie fuchte nun um fo forgfältiger in ihren Kindern ben ein-
fachen häuslichen Einn, durch den fie felbft fo glüdlich gewor-
ben war, zu werden und zu erhalten.
(Siehe A. Schreibers „Sagen aus den Rheingegenden 2c.”)
Murgthal. — Raſtatt. 313
Muckenſturm,
ein an der Straße von Karlsruhe nach der Favorite gelegener
Marktflecken, drei Stunden von Baden, iſt ein uralter Ort.
Hier ſieht man noch Ueberreſte von römiſchen Backſteinmauern;
die römifch-aurelifche Land⸗ und Heerſtraße zog ſich hier durch.
Vor dem Orte, an der Straße nach Baden, liegt die Magda⸗
lenenkapelle, welche an gewiſſen Feſttagen ſtark beſucht wird
Noch bemerkt man hier die Mauertrümmer eines mittelalter⸗
lichen Schloffes, Der Sage nach ward es einſt belagert, die
Stürmenden aber mit von den Zinnen auf ſie herabgeſchleuder⸗
ten Bienenkörben begrüßt, deren ergrimmte Bewohner ihnen ſo
derb zuſetzten, daß ſie unverrichteter Sache die ſchleunigſte Flucht
ergreifen mußten. Daher ſoll der Name des Ortes rühren,
noch wahrfcheinlicher aber fommt er davon ber, daß man in
den Sommermonaten bier unaufhörlid von ganzen Heered-
fhwärmen von Müden beitürmt wird.
(Bergl. S. Klüber's „Beihreibung von Baden und Umgegend.“ S. 270 bes
2. Bandes.)
50 E0 ———
Rastatter Schloß.
Markgraf Ludwig von Baden, der Türken:
bezwinger.
Bon Malboroughs Heldentagen
Biel Wunder mögt ihr fagen;
Lohfingen, Sieg auf Sieg,
‚Eugen, dem edlen Ritter, —
Hoch firahlt der Helden Dritter,
Der Markgraf Ludewig.
Aus Badens Stamm entfprungen
Bon teutfhem Blut durchdrungen,
Treufeſt und ritterlich ;
316
Rafatt.
Des Baterlandes Streiter,
Ein Held, ein gottgeweihter,
Der Markgraf Ludewig.
Wie bligt tm Pulvernebel,
Ein Racheſchwert, fein Säbel!
Des Halbmonde Glanz verblich,
tieß er in edlem Grollen
Sein Feldherrnauge rollen,
Der Markgraf Ludewig.
Bor Wien, da hat's gegolten;
Die Türfenhunde wollten
Im Mordbrand jämmerlich
Die Kaiferfiadt verheeren,
Da ftritt zu Teutſchlands Ehren
Auch Markgraf Ludewig.
Hei! wie die wilde Bande
Hinaus zum teutfhen Rande
Mit Hafenhaft entwid !
Heil wie die Roffe fehnoben,
Berfolgt mit Sturmestoben
Vom Marfgraf Ludemwig !
Nun zog durch Ungarns Gauen
Des Krieges Grimm und Grauen;
Hurrah! da pflüdte fich
Dem Baterland zum Ruhme,
Manch duft’ge Siegesblume
Der Markgraf Ludewig.
Die Schladht in Ofens Gründen,
Dei Mohacz wird’s verfünden
Der Nachwelt ewiglich;
Salanfemen nicht minder ;
„Der Türfenüberwinder
War Marfgraf Ludewig !“
Rafatt. 317
Auch an des Rheins Geftaden,
Zu neuem Kampf geladen,
Beſtand er ritterlich;
Er baute mächt'ge Schanzen
Als Schutzwehr vor dem Franzen,
Der Markgraf Ludewig.
Doch banden ſeine Hände
Des Reiches lahme Stände,
Sie ließen ihn im Stich,
Entzweit durch ſchnöden Hader;
Drob ſchwoll die Zornesader
Dem Markgraf Ludewig.
Ihr Zagen und ihr Zanken,
Ihr Zaudern und ihr Schwanken
War ſtets ihm hinderlich;
Und dennoch durft' er ſagen,
Das ihn Fein Feind gejchlagen,
Der Markgraf Tudewig.
Für alP fein rühmlich Mühen
Sollt' ihm viel Undanf blühen;
Dem Tod nur beugte ſich
Sein Haupt, das Torbeerfchwere ;
Ein Retter teutfcher Ehre,
Starb Markgraf Ludewig.
Aus beffern Sängerd Munde
Ertönen mag die Kunde,
Ertönen feierlich
Zum Borbild und zur Lehre:
„Sin Retter teutfcher Ehre
War Markgraf Ludewig.“
Eduard Brauer,
318
Nafatt.
Das Raftatter Schloß.
Noch hat fein Sänger fih erhoben,
Dich, hohes, edled Schloß zu Toben
Und zu befingen deine Pracht !
Haus, das fo Großes hat gejehen,
Wie, follteft klanglos du vergehen,
Ein frühes Opfer Saturn’d Macht ?
Erbaut von Ludewig von Baden,
Bliebſt du fo vieler Heldenthaten
Alleinig würd’ges Monument !
Kein andred ward dem großen Manne,
Bor dem der FTranfe und Osmane
Gebebt, und den mein Bolt faum fennt.
Vergeßlich Volk! in jenen Stunden,
Wo Louis, Torbeerfranzummunden,
Des Halbmonds Macht bei Mohacz ſchlug;
Als er, in hehrer Siegeöfreude,
Des heißes Tages reiche Beute
Heim zu Sybillens Füßen trug, —
Nicht ahnt’ er, daß nach hundert Jahren
Sein Bolf das Heiligthum der Laren
Kaum achten würde mehr, das Schloß,
Wo Fampfesfatt Europas Helden
Eugen und Villars ſich gefellten,
Wo fih der Janustempel ſchloß!
Auf eines fanften Hügeld Rüden
Stellt ſich den überraſchten Blicken
Das flolge Bauwerk prächtig dar;
Die Schaar der Götter und Göttinnen
Don dem Olympos krönt die Zinnen,
Und hoch thront Zeus mit feinem ar.
Es ziehen, hallenreich, die Flügel
In edlem Gleichmaß hin am Hügel,
Umarmend ringe des Hofes 3ier;
Raſtatt. 319
Am fÖllerförwm’gen Eingang wachen
Acid, die Fauft im Löwenraden,
Und Pallas, bänd’gend Tiegers Gier.
Einft herrſcht' im Schloffe reges Leben,
Und teutfcher Helden fühnem Streben
Ward bier manch fchallend Hoch gebracht; —
Doch längſt verfholl der Klang der Becher,
Und durch bie öden Prunfgemächer
Raufcht fagenreich die Mitternacht.
Wie fohaurig, Haus, verwaist für immer,
Glühſt du in rörhlich düſterm Echimmer
Spät Abends in der Sonne Gold,
Wenn Phöbus feinen Strahlenwagen
Auf Feuerwolfen fortgetragen,
Hinab zum fernen Weltmeer rollt!
Die hohen Fenſter ſprühen Blitze;
Zum ausgeſtorbnen Fürſtenſitze
Iſt Markgraf Auguſt heimgekehrt!
Sind es die fränk'ſchen Abgeſandten,
Die, aus dem blut'gen Grab erſtanden,
Graf Metternich mit Feſten ehrt?
Wer nennt die Namen mir von allen
Den Hoh’n, die einft in diefen Hallen
Schutz fanden und ein wirtbiih Dad?
Die legten Conde's, Moreau's Krieger,
Bon Defterreih Carl, Lodi's Sieger,
Germaniens Stoß und . . . feine Schmad !
Hier lebt’, in feinen Neftortagen,
Carl Friedrich oft; des Alters Plagen
Bergeflend und des Herrſchens Müh';
Bon Badens Macht den greifen Gründer
Umfpielt die blüh’nde Schaar der Kinder,
Und feine Thränen fegnen fie.
Hier war's, wo Er, in beſſern Jahren,
Zuerfi des Schickſals Gunft erfahren,
320
Raſtatt.
Das ihn zum Königsthron berief;
Hier eint' er die getrennten Staaten,
Hier huldigte ihmn Baden-Baden,
Als Auguft kinderlos entſchlief.
Hier weilt', im Flug zu Rieſenſchlachten,
Als Oeſtreichs Helden neu erwachten, |
Napoleon, dem Glück getraut —
Zum Ichten Mal auf teutfcher Erde
Ruht von der weiten Reif Beſchwerde
Hier deſſen Faiferlihe Braut.
Doch mit des Schickſals finftern Mächten,
Lehrt Schiller, ift fein Bund zu fledten;
Im Falle fühlt's Lätitia's Sohn; ...
Und Franz und Alexander traten
Als Sieger in das Haus von Baden,
Einärndtend langer Kämpfe Lohn.
Und hier ſtarb Carl. Er ſtarb, umgeben
Von Allen, die er liebt' im Leben, |
Gepflegt von treuer Gattin Hand;
Und wieder fah’n der Ahnen Hallen
Dürr einen Aft vom Stamme fallen,
Der raſch und herrlich blühend ftand.
Hier freute ſich der Kriegesfpiele,
Schon nah’ gerücdt dem Lebensziele,
Großherzog Ludwig, Mars ftets hold;
Und hier aus tiefflem Hergensgrunde
Begrüßten wir zum ſchönſten Bunde
Sophien jüngft und Leopold.
Sa, was feit Markgraf Ludwig's Tagen
Nur Großes hat fich zugetragen,
Dies Schloß hat feinen Theil daran;
Herold vergangener Geſchlechter,
Erhebt fih Zeus, des Haufes Wächter,
Schwingt feine Blige himmelan,
Raſtatt. 321
Und donnernd ruft er aus den Hoͤhen:
„Laßt ja den Frevel nicht geſchehen,
Die ihr euch Badens Söhne nennt;
Geſtattet nicht, daß ſie verderbe,
Die ſchönſte Perl' in Badens Erbe,
Erhaltet Ludwigs Monument!“
Raſtatt. Fre
(Aus dem Freiburger Wochenblatt, Jahrg. 1835.)
Raftatt war Schon in uralten Zeiten ein anfehnliches Dorf, wurde
aber, fo wie es jeßt if, von dem teutfchen Helden Markgraf lupmwig,
dem Zürfenbändiger, zu Ende des fiebzehnten unb Anfangs des acht⸗
zehnten Jahrhunderts erbaut und blieb feitdem bie; Refidenz der Mark⸗
arafen von Baden-Baden bis zum Erlöfchen diefer Linie im Jahr 1771.
Das Reſidenzſchloß iſt unftreitig eines der prächtiaften in Teutſchland.
Es thront auf einer mäßigen Höhe Über der regelmäßig angelegten
Stadt und breitet feine mächtigen Flügel und Arme gegen fie aus wie
zum Schuß und Schirm. Majeftätifch if das Portal, und hoch oben
auf der Zinne des Daches verfündet die Pupferne, vergoldete Bildfäule
des Donnergoties Zeus den Herrfcherfiß. Im Innern des Schlofles
bewundert man die prächtigen Marmortreppen, die herrlichen Säle
und reihgefhmüdten Gemächer. Beſonders merkwürdig tft das foge-
nannte Türkiſche Zimmer, in welhem bie Waffen, Fahnen, Roße
fhmweife 2c. aufbewahrt werden, welche Markgraf Ludwig von den
Saracenen erbeutet, die er in mehreren Schlachten beflegt Hatte. —
Ebenfo merkwürdig find die Friedensfäle, wo im Anfange und zu Ende
des vorigen Jahrhunderts hier an ber Grenze von Frankreih und
Teutſchland Stiltände gemacht wurden im unferen langwierigen Pro⸗
ceffen mit dem unrupigen überrheinifchen Nachbar. In einem diefer
Zimmer zeigt man noch an den Bänden die Zintenfleden, welche hin⸗
gefprüßt wurden von den Federn ber großer Helden und Staatsmänner,
Prinz Eugen und Marfhall Billars, als fie im Jahr 1714 den
7. März, Morgens zwifchen drei und vier Uhr, nad einem Langen,
verheerenden Kriege, den Frieden zwiſchen Teutfchland und Frankreich
unterzeichneten. Die zweite Sriedensunterhandlung fand hier im Jahr
1789 ftatt, endigte aber nicht mit Tinten«, fondern mit Blutfleden.
Denn die franzöfifhen Geſandten, bie freilich ihre Jakobiner'ſche Un⸗
verſchämtheit damals auf's Höchſte trieben und die Zeutfchen ſchmach⸗
voll behandelten, wurden zuletzt, als der Krieg mit Defterreih ſchon
wieder ausgebrochen war, bei ihrer Abfahrt nach Frankreich, nit
weit von den Thoren Raftatts, mörberifch überfallen, wobei zwei von
ipnen das Leben verloren. Wer die eigentlichen Urheber dieſes, das
heilige Völkerrecht fo ſchändlich verletzenden Verbrechens waren, iſt nie
ganz klar erwieſen worden.
—— en
I, 21
Albthal.
50
Die Entſtehung von Serrenalb.”
Es irrt. der Graf von Eberftein
In tiefer Nacht durchs. Thalgewinde:
Getrennt von feinem SJagdgefinde,
Sudt er den Weg heim Sternenfihein.
Sein Horn Hingt durch die Wildnig Hin,
Da hört er wunderbare Stimmen,
Hoch über Felſen muß er klimmen,
Wo Schatten wie Gefpenfter ziehn.
Jetzt tönet eines Glöckleins Klang;
Er fieht von den erftiegnen Höhen
Tief unter fih ein Klofter ſtehen,
Und hört den dumpfen Chorgefang.
Da wird es Teichter ihm zu Sinn,
Er eilt hinab in die Kapellez”
Bon hundert Kerzen ift fie belle,
Die Wände ſchmücket Waldesgrün;
Und fingend fteht im hohen Chor
Der blaffen Mönde Doppelreihe,
Der Priefter hebt zur heil'gen Weihe
Am Hochaltar den Kelch empor.
*) Das Rlofter Herrenalb liegt nicht weit von der Badiſchen Grenze, fhon im Wür⸗
tembergifchen Gebiete; gehört jeboch eben fowohl, wie Frauenalb, unferm Sagenkreis an.
Der Herausg.
Albthal. 323
Der Graf ſinkt nieder zum Gebet,
Ihm iſt, er werd' hinaufgezogen
Aus wildempoͤrten Meereswogen,
Ins Land, wo ew'ger Friede weht.
Der Prieſter wendet ſich und ſpricht:
„Geht hin zur ſtillen Ruh, ihr Müden,
Und du auch, Berthold, zeuch in Frieden,
Jedoch vergiß des Herren nicht!“
Dieß ſagend winkt er mit der Hand,
Und Kirch' und Mönche find verſchwunden,
Und wie von einem Traum entbunden
Steht Berthold an des Waldbachs Rand.
Im Often ſcheint ein mattes Licht;
Der Graf kehrt heim im ernſten Sinnen,
Jedoch vor ſeinem Blick zerrinnen
Will nimmermehr das Traumgeſicht.
„Wohl,“ — ruft er, „iſt die Deutung klar! —
Wo jene Wunder mir erſchienen,
Da ſollen fromme Männer dienen,
Da gründ' ih Tempel und Altar!”
Er theilt alsbald Befehle aus,
Und in dem Thal, vom Silberbogen
Der fpiegelhellen Alb umzogen
Erhebt fih bald das Gotteshaus.
Aloys Schreiber.
Die Stiftung von Frauenalb.
Bleich, mit angftergrauten Locken,
Starren Blids, zum Tod erfchroden,
Kehrt der edle Herr von Zimmern
Heim vom Wald heim Sterneflimmern.
21°
324
Albthal.
Und vom Kreis der Jagdgenoſſen,
Der verwunderten, umſchloſſen,
Gibt der blaſſe Waidmann Kunde
Von dem ſchauerlichen Grunde:
„Wißt, den Rieſenhirſch zu jagen,
Der uns neckt ſeit vielen Tagen,
Hatt' ich mich im Wald verloren
Weit von dieſes Schloſſes Thoren.
„Als ich meint', ihn zu erlegen,
Trat ein Recke mir entgegen,
Wild und gräßlich anzuſchauen,
Noch gedenk' ich ſein mit Grauen.
„Ihm zu folgen, winkt er ſchweigend
Mir, zur Waldſchlucht niederſteigend;
Folgen mußt' ich wider Willen
Seinem Machtgebot, dem ftillen.
„Tief im Walde, weit von binnen,
Blickt' ein Schloß mit hohen Zinnen,
Diener harrten an der Pforte,
Die ung grüßten ohne Worte.
„Wir durchſchritten lange Gänge;
Hoch im Saale mit Gepränge
Saß ein Fürft, fo ſchien's, beim Feſte,
Reich bewirthend edle Säfte.
„Schweigen doch rings in der Halle;
Ernft und fohweigfam grüßen Alle,
Füllten Becher, tranken, aßen
Ernft und fchweigfam allermaßen.
„Bold und filbernes Geräthe
Trug der Tifch, der glanzbefäte,
Lautlog Füßten ſich die Becher,
Gluth entloht dem Mund ber Zecher.
Albthal. 325
Oft ſchon ſaht ihr ohne Zittern
Mit dem Tod mich Lanzen ſplittern, —
Doch dies Schauſpiel war unfäglicd
Grauenvoll, faſt unerträglich !
„Und mein fehweigender Begleiter
Führte bald von da mid) weiter;
Neues Grüßen, neues Neigen,
Doc ſtets gleiches Todesſchweigen.
„Durch diefelben Gänge nieder
Stiegen wir ins Freie wieder;
Kaum entrüdt dem Schreckensorte,
Sprach mein Führer diefe Worte:
„Den du fahft in jenem Schloffe,
War Herr Friedrich, Zimmerns Sproffe,
Einft dein Ohm, ein mächt’ger Degen,
Kühn und mannhaft allerwegen.
„Doch an eitelem Gewinne
Hing fein Herz; mit hartem Sinne,
Gierig ſtets nach neuer Beute,
Drüdt’ und plackt' er Land und Leute.
„Ich mit feinen andern Knechten
Half ihm treu zu allem Schlechten,
Darum uns und ihn betrafen
Dualvoll Gottes ew'ge Strafen.
„Albrecht, Albrecht! laß dir rathen:
Sieh’ zurüd auf deine Thaten
Und berew’ aus tieffter Seele
Deines Stamms und deine Fehle
„Sprachs und ſchwand. Ich ſchrack zufammen;
Jenes Waldſchloß ſah ich flammen,
Und ich hört' ein kläglich Stöhnen
Aus dem Schwefelqualm ertönen.
326 Albthal.
„Dies, ihr Herrn, hab' ich erfahren;
Leſt's in meinen grauen Haaren!
Drum zur Buße ſchwerer Sünden
Will ich nun ein Kloſter gründen.“ —
Stumm, von Schauern überfloſſen,
Hörten's ſeine Jagdgenoſſen
Und erwogen im Gemüthe
Ihrer Sünden reiche Blüthe.
„Berthold!“ — ſprach der Eberſteiner: —
„Euer Vorſatz iſt auch meiner!“
Und, von gleicher Gluth entzündet,
Hat er Trauenalb gegründet.
Eduard Brauer.
(Aus deſſen „Sagen und Geſchichten der Stabt Baden und ihrer Umgebung ꝛc.“
Vergl. damit die Erzählung derfelben Sage in Kriegs von Hochfelden
„Geſchichte der Grafen von Eberftein 20.” Geite 13, 14 und 451—354,)
Johann von Hohenwart.
Wegen wiederholten Landfriedensbruches war Kunz von
Hohenwart vom Kaiſer und Reich in Acht und Aberacht er⸗
klärt worden, und Graf Eberhard von Eberſtein hatte den
Auftrag erhalten, ihm feine Befte zu zerbrechen und ihn ſelbſt
Vebendig oder todt in feine Gewalt zu bringen.
Siehzehn Wochen lag Eberhard bereits vor Schloß Ho⸗
benwart, ohne daß es ihm gelungen war, ben Belagerten
den geringften Vortheil abzugewinnen. Nach und nad) waren
aber in ver Burg die Lebensmittel ausgegangen und Hunger
und Krankheit begannen unter der Mannſchaft einzureißen.
Durch einen verzweifelten Ausfall wollten die Geächteten neue
Borräthe in die Veſte fchaffen; allein der Anfchlag mißlang,
und als fie feinen Ausweg mehr fahen, zogen fie einen rühmli-
chen Tod dem fchmählichen Ende unter Henferehand vor, und
bis auf Wenige fanfen Alle mit ihrem Führer unter dem
Schwert ihrer Feinde, welche jedoch ihren Sieg auch mit dem
Leben vieler Tapfern bezahlen mußten. Die Burg warb hier-
auf eingenommen und dem Boden gleich gemacht. Unter den
Albthal. 327
wenigen Gefangenen befand ſich auch des Hohenwarters ein⸗
ziger, vierzehnjähriger Sohn; der unſchuldige Knabe ſollte
gleichfalls für das Vergehen feines Vaters büßen: er ward in
das Kloſter Herrenalb gebracht, um dort erzogen und, fobald
er das gehörige Alter erreicht, in die Mönchsfutte geſteckt zu
werben.
Unter den Mönchen nahm ſich des Knaben befonders ber
Bruder Placidus an. Oft und bitter vom Leben und den
Menſchen getäufcht, hatte ihn zuletzt Welthaß in das Kloſter
geführt, und er fuchte diefen auch in dem jugendlichen Herzen
feines Schüglings zu erweden. Haß in dem Knaben anzufachen
gelang ihm zwar, aber nicht gegen die Welt, fondern gegen
Diejenigen, welche ihn fo graufam daraus verftoßen hatten.
Oft fand der arme Jüngling an einem Fenfler des Klofters
und fchaute hinaus in die freie Gotteswelt, die auf ewig ihm
verfchloffen feyn follte; heiße Thränen rannen ihm über die
Wangen‘, und die Sehnfucht nach Freiheit, nach der offenen
Natur, wollte ihn faft das Herz brechen. Vergebens jedoch
waren feine Klagen; die Pforten des düfteren Klofters erfchlof-
fen fih ihm nicht mehr. Und er durfte feinen Schmerz nicht
einmal laut werben, nicht die Leifefte Klage ſich entichlüpfen
laſſen, fonft wartete feiner die härtefte Züchtigung. So wuch⸗
fen Groll und Rachedurſt mit ihm auf; allmählig warb er ein
Meifter in der Verſtellungskunſt, indeffen tief in feinem Innern
die verberbliche Flamme des Haſſes gegen die Stürger feines
Haufes in heller Lohe fortglühte. Am bitterftien jedoch war
fein Groll gegen den Grafen von Eberflein, der ihm den
Bater, der ihm fein Erbtheil entriffen, der ihn in das verab-
heute Kloſter begraben hatte, wo er nun fein frifches, Fräftiges
Leben vertrauern mußte. Trog dem galt er allgemein im Klo⸗
fter für das Mufter eines frommen Bruders, und feinem natür-
lichen Verſtand gelang es bald, alle feine Mitbrüber durch-
ſchauend, fih eines Jeden Gunft zu erwerben. So kam ed, daß
er, noch nicht fünfundzwanzig Jahre alt, nach dem Tode des
alten Abtes faft einftimmig zum Vorfteher des Klofterd erhoben
wurde.
Fest hatte der junge Mann den erſten Zwed feines Stre⸗
bens erreicht, und glaubte num Mittel und Macht genug zu
328 Albthal.
beſitzen, ſeinen Racheſchwur löſen zu können. Aber in keines
Menſchen Bruſt hatte ſeine Vorſicht das Geheimniß ſeines Her⸗
zens niedergelegt, Niemand ahnte die ſchwarzen Gedanken,
über denen ſeine Seele brütete. Jeder wähnte, die Zeit habe
das Andenken an ſein Mißgeſchick in ihm ausgelöſcht und er
liebe nun das friedliche Leben der Mönche.
Die Herren von Eberftein waren Schirmvögte des Got⸗
teshaufes Herrenalb, und diefes Amt führte den Grafen
Eberhard öfters in das Klofter. Als er bei folch einer Ge⸗
legenheit bei den Mönchen das Mittagsmahl einnahm, fam das
Gefpräd unter Anderm zufällig auf feine Familie, und Eber-
hard erwähnte hierbei mit fichtlichem Wohlgefallen feiner ein-
zigen Tochter, pries die Anmuth ihrer Geftalt und die Vorzüge
ihres Verſtandes, und leichthin konnte man an der Wärme,
womit er ſprach, abnehmen, daß dieſes Kind der Stolz und bie
Freude feines Lebens fey. Diefe Rede werte in dem Abte
furchtbare Rachegedanken. Noch war er nicht mit fich einig
gewejen, wie er feinen Feind am Schmerzhafteften treffen könne;
aber jest ward es ihm plöglich Far, wie er fih an dem Grafen
rächen, wie er defien Herz und Stolz verwunden wolle. Die
Tochter mußt’ er verderben und Dadurch dem Vater den Todes⸗
ſtoß verſetzen.
Durch Kundſchafter erfuhr er, daß die junge Gräfin Agnes
öfters bieffeits der Murg luſtwandle. Bermummte Yauerten
eined Tages der Arglofen auf, ergriffen fie und während der
Naht ward fie unbemerkt ins Klofter in ficheren Gewahrfam
gebradt. Mit eben fo viel Bosheit als Liſt war der Plan
zum Verderben der fchönen Agnes angelegt.
Ein verſchmitzter, vertrauter Knecht des Abtes erfchien im
Mönchsgewand im Gemach der Gefangenen. Er fagte zu dem
angfterfüllten Mädchen, er fey der Vorfteher des Kloſters, und
habe, von heftiger Liebe zu ihr entbrannt, dem Drange feines
Herzens nicht länger wiberftehen können, fie gewaltfam ent-
führen und ing Klofter bringen zu laffen. Er bebaure, wenn
er ihr Kummer verurfache, allein es ftehe nur bei ihr, fich durch
ihre Gunft die Freiheit zu erfaufen. Wie voraugzufehen, war
eine verächtliche Abweifung der Beſcheid auf diefen fchamlofen
Antrag. Der verfappte Mönch entfernte fich mit dem Bemer⸗
Albthal. 329
fen, die Laͤnge der Zeit werde das fpröbe Täubchen ſchon kirre
machen.
Einige Stunden fpäter öffnete fi) wieder leife die Thüre,
und vorſichtig trat ein junger Rittersmann von hohem Wuchs
und lieblicher Geſichtobildung in das Gemach. Nachdem er die
niedergefchlagene und weinende Gefangene mit Anftand begrüßt,
begann er:
„Verzeiht, fehöne Gräfin, wenn ich Eure Einfamfeit flöre
und Eure nur zu gegründete Befümmerniß unterbredhe; allein
meine Abficht muß mir zur Entfchuldigung dienen. Auf Beſuch
bei einem Anverwandten bier im Kiofter erhielt ich Kunde von
Eurem Mißgeſchick und von der Schurkerei des Abtes. Lift
erfchloß mir die Thüre Eures Gefängniffes und ich komme,
Euch meine Dienfte anzubieten. Wenn Ihr Euch einem Unbe⸗
fannten anvertrauen wollt, fo follen hoffentlich die nämlichen
Mittel, die mir den Eintritt hierher verfchafften, Euch zur Frei⸗
heit verhelfen.“
Der gewinnende, einfchmeichelnde Ton des jungen Mannes
erwarb ihm ſchnell Das Zutrauen des freudig überrafchten Mäd-
hend, wozu fein anmuthiges Aeußere nicht wenig beitragen
mochte.
Möge der Himmel Eure wohlmeinende Abfiht Tohnen !“
— erwiederte fie — „und wenn Euer Borhaben gelingt, dürft
Ihr der vollften Dankbarkeit meines Vaters gewiß feyn. DO,
gebt ihm Nachricht von meinem Aufenthalt, wenn ed Eud
möglich iſt; bevdenft, wie er fi um fein verlorenes Kind
grämen mag !“
„Bon Dank fann hier nicht die Rede ſeyn,“ — verfegte
der Ritter — „denn ich thue nur, was die Pflicht mir gebietet,
und wenn mein rebliches Unternehmen mir ein freundliches
Andenten bei Euch gewinnt, dann fühl’ ich mic) überreich be-
lohnt. Eurem Bater Nachricht zu geben, wird indeſſen wohl
ſchwer feyn, da der Abt überall Spürhunde hat und, falls dieſe
von unferm Unternehmen etwas vermerften, Euch fiherlih an
einen Drt bringen ließe, wo Eucd Niemand fo leicht entveden
fönnte. Doch verlaßt Euch auf mich; ich hafte mit meinem
Ritterworte dafür, daß Ihr durch mich Eure Freiheit wieder
330 Albthal.
erhalten follt. Die Art und Weife, wie dies auszuführen, wird
erfi Die Zufunft lehren.“
Dald hierauf verließ der Ritter die Gräfin, nachdem er
vorber verfprochen, fie demnächſt wieder zu befuchen; aber
fein Bild blieb in Agnefens Herzen zurüd.
In der That fehrte der junge Mann bald wieder zu ihr
und erneuerte fodann täglich feine Befuche. Die Jungfrau glühte
von heftiger Liebe zu ihm, und fie verbrachten mit einander
mande Stunde in traulichem Kofen. Ihr Gefängnig war ihr
durch Die Gegenwart ihres Geliebten fogar theuer geworben,
ja fie gedachte fchon nicht ohne Bekümmerniß der Zeit, die fie
zurüdführen follte in die Arme ihres Vaters, weil fie fih dann
yon ihrem jungen Tröfter,, vielleicht auf immer, trennen müßte.
Doch wollte fi, wie der Ritter verficherte, noch immer Feine
günftige Gelegenheit zur Flucht bieten; fletd traten neue Hin⸗
bernifie in den Weg.
Auch der als Abt verkleidete Knecht ftellte ſich noch einige
Male ein, warb aber immer verächtlicher und derber zurüdge-
wiefen.
Troftlos jammerte indeffen der Graf von Eberftein um bie
geliebte Tochter. Er fandte nach allen Seiten feine Diener auf
ihre Spur, doch alle fehrten fie wieder unverrichteter Dinge
zurüd. Er felbft Durchftreifte täglich zu Roß die ganze Umgegend,
allein mit eben fo wenig Erfolg. Eines Tages, ald er, am
Fuß eined Hügeld gelagert, feinem Schmerze nachhing, wäh-
vend fein Pferd neben ihm grafte, fam ein Knabe mit etlichen
Ziegen, die er heimwerts trieb, des Weges daher. Auch Diefen
forfchte der Graf aus, allein der Hirteninnge wußte feine Aus⸗
funft zu geben.
Eberhard feufzte vor fih hin: „O meine arme Agnes!”
Agnes 2" — fragte der Junge, — „„ſonderbar, heute
höre ich dieſen Namen, den ich fonft in meinem Leben noch nie
vernommen , ſchon zum zweiten Mat !«'
„Wo? Wo?” fragte begierig ber Graf.
„Ei nun,“ — verfegte der Knabe — „drüben im Klofter.
Ich bringe manchmal Brunnenfreffe in die Küche dorthin, und
da befomm’ ich immer etwas zw effen dafür. So war ed auf
heute. Ich faß in der großen Stube neben der Küche, ba hörte
nr ERREGT —
— —— — ——
Albthal. 331
ich nebenan ſprechen und dieſen Namen nennen; es kam mir
gerade vor, als wenn es von dem großen Bilde herfäme , wel⸗
ches die Schugpatronin des Klofterd vorſtellt.“
Faſt ungläubig fehüttelte der Eberfteiner den Kopf; aber
nad einigem Nachdenfen dünkte es ihm Doch, daß es der Mühe
vielleicht Iohnen möchte, der Sade näher nachzuforſchen. Er
fonnte ſich freilich die Möglichkeit kaum vorftellen, daß feine
Tochter im Klofter gefangen fäße, wo er nur gute Frunde zu
haben glaubte, wollte fid) aber dach Feine Fahrläffigfeit vorzu-
werfen haben.
Er klopfte darum gleich des andern Tages in Pilgertracht
an der Kloftierpforte und bat demüthig um etwas Speife, feinen
Hunger zu flilen. Er ward in das Zimmer gewiefen, das ihm
der Dirtenfnabe bezeichnet hatte und das er leicht an dem großen
Gemälde der heiligen Jungfrau erkannte. Ed war in der Wand
felbft eingerahmt und reichte vom Boden fait bid an bie ge-
täfelte Dede.
Anfänglich befanden ſich noch andere Fremde in der Stube,
weßhalb er diefelbe nicht gleich näher unterfuchen fonnte; doch
firengte er feine ganze Aufmerffamfeit an, ob er nichts hinter
der Leinwand vernehmen könne. Lange blieb Dies vergebens.
Endlich hört’ er flüflernde Stimmen aus jener Gegend, jedoch
waren fie nicht Iaut genug, um von den Uebrigen vernommen
zu werben, bie ſich nur mit ihrem Effen befchäftigten. Er harrte
darum voll Ungeduld ihrer Entfernung, und als er ſich endlich
allein ſah, trat er näher an das Bild und lauſchte mit verhal-
tenem Athem. Deutlich unterfchieb er nun zwei Stimmen, und,
wenn ihn nicht Alles trügte, fo gehörte die eine feiner Tochter.
Die andere bäuchte ihm ebenfalls befannt, ohne daß er jedoch
mit fich einig werden fonnte, wem er fie beilegen folle. Er hörte
ganz vernehmlich, wie von einer Flucht die Rede war, die um
Mitternacht bewerfftelligt werden follte, und zwar wolle man
den Weg die Alb abwerts nehmen, um der etwaigen Berfols
gung zu entgehen, falld das Vorhaben verrathen würde.
Eberhard bohrte nun mit aller Borficht mit der Spige feines
Schwertes, das er unter feinem Pilgergewande verborgen trug,
eine Deffnung am Rande des Gemäldes. Wer befepreibt aber
feine Ueberrafchung , ala er jet das anfloßende Gemach über-
332 Albthal.
ſehen konnte und in demſelben ſeine Tochter in den Armen
eines Mannes in Rittertracht erblickte, der eben einen feurigen
Kuß auf die Lippen des Mädchen drückte. Staunen und Wuth
ließen ihn anfänglich zu keinem Entſchluße kommen, und bevor
er ſich wieder gefaßt hatte, verließ der junge Mann das Ge⸗
mach. Eberhard entfernte ſich gleichfalls augenblickich, um ruhi⸗
ger über ſeinen Plan nachzuſinnen.
Unweit von dem Kloſter erhebt ſich am Wege eine Maſſe
gewaltiger Felſenklippen, der Falkenſtein genannt. Im
Schatten diefer mächtigen Steinwand harrte der Graf von Ebers
ftein mit Reifigen auf die Stunde der Mitternacht. Kaum war
ber zwölfte Schlag auf der Klofteruhr verflungen,, da tönte
Hufſchlag durch die Stille der Nacht, und gleich darauf famen
zwei Reiter des Wegs daher gefprengt. Mit einem donnernden
„Halt! warfen fih Eberhard und feine Gefährten ihnen ent=
gegen.
„Heiliger Gott! das ift meines Vaters Stimme!” rief
Agnes — denn dieſe war eine der beiden Beritienen —
ihrem Begleiter zu. Allein Diefer kehrte fi) wenig daran und
drang wüthend auf die Anwefenden ein. Doch nad) einem kurzen
Gefecht traf ihn ein jo gewaltiger Streich von Eberhards Schwerte,
dag er taumelnd und biutend vom Roße fan.
„Um’s Himmels Willen, was habt Ihr gethban? mein
Bater?” — jammerte Die troftlofe Gräfin — „Ihr ermordet
Den, der mich erretiet aus den Händen des ruchlofen Abtes!“
„Schweig ungerathene Dirne!“ — berrichte der Bater ihr
zu — „Sprich, wenn bu gefragt wirft! Zuerft will ich ein
Wort mit diefem, deinem fogenannten Befreier, reden. — Sprich,
Schurfe, wer bift du, und was wollteft du mit meinem leicht-
finnigen Kinde?“
„Sure Tochter if ſchuldlos;“ — flöhnte der Verwundete
mit erflerbender Stimme. — „Ich fühle den Tod mir nahen
und will feine Lüge mit hinüber nehmen in die Ewigfeit; darum
hört mich gläubig an. Ich bin Johann von Hohenwart,
der Abt des Klofters Herrenalb. Ihr habt mir einft den
Bater gemorbet, mein Beſitzthum zerftört und mich zu einem
freudelofen Leben im Klofter verdammt, das mir in innerfter
Seele zuwider ift. Da ſchwur ich Euch grimmige Race. Ich
Albthal. 333
raubte Eure Tochter, um ſie Euch entehrt wieder zurückzu⸗
ſenden. Unter dieſer Verkleidung gelang es mir, ihr Herz in
Liebe zu mir zu entflammen, doch ihre Reize waren fo mächtig,
dag fie meinen Haß entwaffneten. Ich beichloß, mit ihr zu fliehen;
vielleicht hätte ich in der Ferne ein ſtilles Glück an ihrer Seite
gefunden und meinen Schwur dennoch dabei gehalten, da Ihr
ja durch mich Euer theuerſtes Kleinod verloren. Agnes wußte
nichts von meinem eigentlichen Vorhaben. Es ift mißlungen.
Wohl mir, dag ich flerbe! Das Gold, womit mein Roß bes
laden ift, gehört ind Klofter; es mag obngefähr den Werth
deffen betragen, was das Klofter wiberrechtlih von meinen
Stammgütern erhielt!” — Hier verließ ihn das Bewußtſeyn.
Die Gräfin Agnes war während diefer Rede wie leblos zu
Boden gefunfen. Zwiſchen Mitleid und Rachgier fchwantend,
fland Graf Eberhard in tiefen Gedanken. Endlich befahl er den
Knechten, von Baumäften eine Tragbahre zu fertigen und ben
Verwundeten nad Eberflein zu bringen. Er ſelbſt nahm feine
ohnmächtige Tochter vor ſich aufs Roß und eilte feiner Burg
zu. — Bon dem Abte vernahm man nie mehr etwas im Kloſter,
nur dag ein Unbekannter das von Jenem auf die Flucht mitge-
nommene Gold zurüdbrachte; doch erzählt man, der Abt fey
unter forglicher Pflege auf dem Schloß Eberftein genefen, babe
bald darauf, von dem Grafen reihlih mit Geld und Waffen
verjeben, unter fremdbem Namen das Kreuz genommen und fey
in Paläftina in der Schlacht von Edeffa geblieben. Die Gräfin
Agnes aber nahm den Schleier im Kloſter Frauenalb und farb
in ber Blüthe ihrer Jahre.
AH. Schreiber.
(Vergl. „Sagen aus Baden und ber Umgegend.” Karlsruhe, 1834.)
Fürſtenzell.“
Im dreizehnten Jahrhundert zogen aus Deutſchland zahl⸗
reiche Schaaren von Edlen und Reiſigen nach Oſtpreußen und
*) Die Ruine Fürſtenzell liegt nicht weit von ber Stadt Ettlingen, heißt auch
Burgftadel, und ift ferner dadurch befannt, daß im Jahre 1802 die Ueberrefte einer rö⸗
miſchen Villa und ein Neptunsbild ausgegraben wurden,
334 Albthal.
Lievland, um dort mit den teutſchen Rittern gegen die Un—
gläubigen zu fechten. Einem ſolchen Zuge ſchloß ſich auch Kurt
von Fürſtenzell an, deſſen Stammſchloß auf einem Hügel
an der AlUb lag. Er ließ eine junge Gattin und zwei Töchter⸗
Yein im zarteften Alter zurück.
Schon im erften Treffen warb er von den wilden Preußen
gefangen und zu fehimpflichen Sflavenarbeiten verurtheilt, unter
benen er über fünf Jahre fein Leben elend hinfchleppen mußte,
bis endlich ein großer Sieg des chriftlichen Heeres ihm Gelegen-
heit verfchaffte, zu feinen Glaubensbrüdern zu entfliehen. Aber
jest erneuerte fih mit verboppelter Stärfe das Heimweh in
feinem Herzen; er gedachte mit bangen Beforgniffen feiner
ſchutzloſen Gattin und Kinder und beſchloß nun, fo eilig ale
möglich nach Haufe zu kehren, weßhalb er ein Pilgergemand
anlegte und ſich augenblicklich auf ven Weg machte. Nach vielen
Gefahren und Meühfeligfeiten fah er endlich Das Land feiner
Bäter wieder und war faum noch eine halbe Tagreife von feiner
Burg entfernt, als er fpat am Abend ein Nonnenfiofter erreichte,
wo er um Herberge anſprach. Er wurbe freundlich aufgenom⸗
men und gut bewirthet, worauf die Schaffnerin ein junges
Dienftmädchen herbeirief und ihr befahl, den Pilger in bie
Herberge zu führen, die nur einige Schritte vom Klofter ent-
fernt lag. Bertha, fo hieß das Mädchen, war eine ſchmucke
Dirne von ohngefähr achtzehn Jahren, und ſchien fehr über-
raſcht, einen Pilgrim zu fehen, der aus fo fernen Landen Fam,
und für das Kreuz geftritten.
„Ihr kommt aus Preußen ?« — fragte fie auf dem Wege
nad) der Herberge mit einer Stimme, die mehr ald gewöhnliche
Neugier verrieth.
„Ja, mein Kind.’
Ein Ach! entfchlüpfte bei diefer Antwort dem Buſen des
holden Mädchens.
„Du ſeufzeſt!“ — fagte der Pilger — ‚Daft du vielleicht
einen Bruber oder Vater unter den teutfehen Schaaren, welche
in jenes Land gezogen find ?“
„Mein, nein,” — erwieberte die Jungfrau — „aber ein
Rittersmann aus unferer Gegend ift vor mehr als fünf Jah⸗
ren zu ben Schwertbrübern gegangen, und Niemand weiß,
DM __—
Albthal. 335
ob er noch lebt oder feinen Tod unter den Heiden gefune
den hat.“
„Wie beißt der Mann?’ — fragte haſtig der Pilgrim,
„Kurt yon Fürftenzeli.”
„Ich kenne den Ritter! Er ift bereits auf dem Heimwege
zu den Seinen begriffen!“ — rief der Pilger. — „Aber weißt
du auch von ihnen Beſcheid“
„Wohl weiß ich Beſcheid — ach, der arme Ritter !«
„Am Gotteewillen, ſprich, verbehle mir nichts, auch das
Schlimmſte nicht!“
Die Beiden waren gerade in dieſem Augenblick zur Herberge
gelangt, vor welcher eine Bank ſtand. Das Mädchen drückte
den zitternden Pilgrim ſanft auf dieſelbe nieder, ſetzte ſich neben
ihn und ergriff ſeine Hand: „Ritter Kurt wird ſeine Burg in
den Händen eines Räubers, Diethers von Malſch, und ſeine
Gattin — im Grabe finden!“ — ſagte ſie nun, während Thrä⸗
nen über ihre Wangen ſtrömten.
„Meine Gattin! Meine Burg! — Ach! und meine armen
Kinder, wo mögen Die wohl ſeyn?“ — fchrie der Pilger auf:
fpringend und die Hände ringend.
„Spott! mein Bater! mein Vater!’ — rief das Mädchen,
in feine Arme ftürgend — „ich bin Eure Irmentraut! — meine
Schweſter ift dort im Kloſter!“
Nun erzählte Irmentraut, wie drei Jahre nach feinem Weg-
gange ſich plöglich das Gerücht von feinem Tode verbreitet und
Diether hierauf feine Anfprüche auf Fürftenzell,, al ein Manns⸗
leben, gegründet ; fie erzählte ferner, wie er ſich mit Gewalt
des Schloſſes bemächtigt und ihre Mutter bei dunkler Nadıt
mit ihren Kindern entflohen ; wie fie endlich eine Zuflucht in dem
Kloſter gefunden, wo Frau Elsbeth bald darauf geftorben. „Die
gute, fromme Aebtiffin” — feßte fie hinzu — "gab mir und
der Schwefter,, unferer Sicherheit wegen, andere Namen , denn
ed war vonder Hinterlift des Ritters von Malſch das Schlimmfte
zu befürchten. Deine Herkunft um fo fiherer zu bergen, mußte
ih fogar Magd des Klofters werden.“
„Meine Tochter eine Magd, eine Leibeigene?“ — rief
der Pilger in wilbem Ingrimm.
„Berubigt Euch, liebſter Bater! Man läßt mich nur ganz
338 albtbal.
raden Stange umgeformt, genau eben ſo lang, als der Thurm
hoch iſt.
Streit zwiſchen Ettlingen und Frauenalb.
Als die Waldungen von Ettlingen noch bis Bärnbach reich⸗
ten, ließ die Bürgerſchaft nächſt der Abtei Frauenalb eine
gemauerte Schweinſteige mit einem Ziegeldach erbauen. Dieſe
Nachbarſchaft fiel den Kloſterleuten ſo beſchwerlich, daß ſie ſich
erboten, die Steige auf ihre Koſten zu verſetzen, und, als die
Ettlinger es abſchlugen, dieſelbe in der Nacht durch Feuer zer⸗
ſtörten. Kaum war dies in Ettlingen bekannt geworden, ſo rief
der Stadtrath die Bürger zur Rache auf, ſtürmte an ihrer
Spitze nach Frauenalb und gab das Kloſter den Flammen Preis.
Ueber dieſe Greuelthat führte die Aebtiſſin perſonlich Klage beim
Markgrafen von Baden, welcher darauf ſämmtliche Rathsherrn
zum Tode, und die Bürgerfchaft Dazu verurtheilte: den ganzen
MWaldhezirf von Bärnba bis zur Moosalb dem Klofter "abzu-
treten, und den Thurm in ihrem Stadtwappen umzukehren, fo
daß er darin auf der Spige ſtehe. Der Markgraf wohnte in
eigener Perfon der Vollziehung biefes Urtheils in Ettlingen bei,
und als elf Rathoherren (der zwölfte hatte ſich verſteckt,)) ent⸗
hauptet waren, frug er feinen Hofnarren, wie das Köpfen ihm
gefalle? — „Wenn die Menfchen wie die Weidenbäume wieder
ausichlügen , fo gefiel es mir nicht übel 5”) erwiederte der Narr
nnd bewog durch dieſen Iaunigen Einfall den Markgrafen, den
swölften Nathöherren zu begnadigen. Die Enthaupteten wurben
auf ver Richtflätte begraben und auf Die eilf Gräber ebenfo
viele Steine mit ausgehauenen Köpfen gefebt. In der Folge,
ald der Platz in einen Weinberg umgewandelt worben war,
verſetzte man dieſe Steine außen an die Mauer bei dem Gut⸗
leuthauſe, der lat behielt aber von ihnen den Namen „Kopf⸗
reben“ bis zum heutigen Tage.
) Rach Anderen lautete die Antwort : „Ya, wenn es Krautköpfe wären, bie wieder
auffchlagen,
Gegend von Ettlingen. 339
Das Nad von Malich.
Dies Pfarrdorf ift merkwürdig, weil es eines der erflen
war, die ſich in dem verberbliden Bauernfrieg empörten und
mehrere Anführer der Bauern aus dieſem Ortewaren, die nach⸗
ber in dem Schloße Kiflau enthauptet wurden. Weil das Dorf
ein Rad in feinem Wappen führt und die Anführer daſſelbe auf
ihren Fahnen hatten, fo fol fich daher ber Ausdruck „Rädels⸗
führer“ fhreiben. *)
(Siehe Shreibers: „Führer für Reifende durch das Großherzogthum Baden.“
Carlsruhe, 1828.)
*) Daflelbe wird au von Bunpelsheim im Nedarthal erzähle.
DD — -
22*
Karlsruhe
und nädfte Umgegend.
298--
Karls: Ruhe.
on fühnen Kriegesthaten, verübt mit tapfrer Hand,
Kehrt Markgraf Karl von Baden zurüd ins Heimathland.
Dem Schloffe feiner Ahnen zu Durlach eilt er zu,
Und bringt den Unterthanen des Friedens Glück und Ruf.
Er will Die Stabt erweitern den Bürgern zum Gewinn,
Do feine Plane feheitern an ihrem Eigenfinn.
„Das fol euch bald gereuen!« Sprit Karl, erfüllt von
Zorn 5
Drauf ruft, ihn zu zerfireuen, zum Wald des Jägers Horn.
Und wie er, um zu fechten fonft zog in's Schlacdhtgebraug,
Ritt jetzt mit Heren und Knechten er frifch zur Jagd hinaus.
Des Hüfthornd Töne ſchallen im Hardtwald und Gefild,
Die Büchſen luſtig Inallen und flöhnend fält das Wild. _
Doch von dem Jagdgetümmel verirrt fih Karl allein,
Und unter freiem Himmel im Walde fehläft er ein.
Umrauſcht von dichten Bäumen, allein mit feinem Pferd’,
Ruht er in fügen Träumen auf weichbemongter Erd’.
Karlsruhe und Umgebung. 341
Er träumt von tapfern Degen, von Sieg nach ſchwerem
Streit,
Es füllt des Volkes Segen ſein Herz mit Seligkeit.
Hoch über dunklen Eichen erblickt er eine Kron',
Dran glänzt mit Sternenzeichen: „Das iſt des Edeln Lohn!“
Und rings um die Juwelen, die an der Krone glühn
Kann er die Strahlen zählen, die von dem Himmel ſprühn.
Und wie die Strahlen gehen, ſo glaubt er lichtbekränzt
Die ſchönſte Stadt zu ſehen, da wo die Krone glänzt.
Er will die Kron’ erreichen, doch plöglich er erwacht,
Da fhimmert durch die Eichen die helle Sternennadt.
Und wie ob dem Geſichte der Markgraf fich erfreut,
Sieht er im Mondenlichte den Sattelfnecht zur Seit’. *)
„Hal“ fpricht zu dem-Getreuen der Fürft nun wohlgemuth,
„Ich habe hier im Freien gar wonniglich gerubt.
„Ich will auf diefem Raume mir eine Stadt erbau’n
Und bier, beim flillen Baume fol man mein Grabmal fchau’n.”
Der Traum der’Sternenfrone war gar ein fchöner Traum —
Zu Karlsruh', wo ich wohne, da fand der Eichenbaum.
Marimilian Sachs.
— — — — —
Die Gründung von Karlsruhe.
Verirrt auf Waidmannd-Pfaden
Bar Markgraf Karl von Baden
In grüner Waldesnacht;
Wohl hatt' er manche Stunde
Im Hardtwald ſchon die Runde,
Doch kargen Fang gemacht.
*) Des Markgrafen Sattelknecht, Namens Aberle, rettete ihm das Leben in ber
Schlacht bei Höchſtädt und erbeutete eine Fahne den 13. Auguft 1704.
342
Karlsruhe und Umgebung.
So ward ber Tag gejchieden,
Und heil'ger Abendfrieden
Umweht ihn wonnefam ;
Da fett er fi) ermattet,
Dom Eichenzelt umfchattet,
Auf einen morfchen Stamm.
Still ward's im Hain allmälig;
Das Lied, das hundertfehlig
Noch jüngft das Laub durchſcholl,
Erſtarb in fanften Lauten,
Und durch Die Wolfen fchauten,
Die Sterne ſehnſuchtsvoll.
Und wie der Marfgraf ruhte,
Ward ihm fo wohl zu Muthe;
Ihm fehlen, daß unfichtbar
- Ein Engel ihn umkreiſte
Und flüftert ihm im Geifte
Die Worte himmelflar:
„Dier, wo .erhabne Eichen
Die Rieſenhand ſich reichen,
Und traulich aus den Höh’n
Dir Grüß’ entgegen raufchen,
Im Grafe Beilchen Taufchen,
Hier ruht ſichs gut und fchön.
„Hier muß Die Zwietracht ſchweigen,
Hier, wo auf allen Zweigen
Ein fel’ger Friede ruht;
Vom Sang der Nadhıtigallen
Die Wipfel widerhallen,
Hier ruht ſichs füß und gut.
„sm bunten Hofgewühle
Sitzt Sorg’_ auf weichem Pfühle,
Langweil' im Gallakleid;
Karlsruhe und Imgebung. 343
Verdruß iſt Kellermeifter,
Der Mundkoch, Eckel heißt er,
Miſcht Gift zur Süßigkeit.
„Auf alle deine Reden,
Auf deiner Blicke jeden
Lauſcht Neid und Ehrgeiz dort;
Geſchminkt ſind Herz und Wangen,
Die Glieder hält gefangen
Der Mode Herrſcherwort.
„Doch hier im Hain, dem kühlen,
Darf noch das Herz ſich fühlen,
Da darf noch ſonder Zwang
Um ſich das Auge ſchauen; —
Hier ſollſt du Hütten bauen
Und wohnen lebenslang!
„Wenn draußen Stürme raſen,
Palaͤſte niederblaſen,
Sey hier der Ruhe Port;
Denn Treue ſoll hier wohnen
Und Fürſtenweisheit thronen
Feſt wie die Eichen dort!“ —
So klang's dem Herzerquickten,
Die teutſchen Eichen nickten
Den Worten Beifall zu;
Und mit vergnügten Sinnen
Gieng Markgraf Karl von hinnen,
Im Buſen Gottesruh'.
Und ſiehe, um ein Kleines
Ward's laut im Schooß des Haines
Von Axt und Hammerſchlag,
Von Meiſtern und von Knechten;
Bald ſtieg aus Waldesnächten
Ein ſtattlich Schloß zu Tag.
344 Karlsruhe und Umgebung.
Und wieder um ein Kleines
Ward's heil im Schooß des Haines,
Und Karlsruh' heißt die Stabt,
Die fchnell begann zu blühen,
Wo nah des Waidwerfs Mühen
Der Fürft geraftet hat. *)
Eduard Brauer.
*) Das Nähere über die Gründungsgefchichte der Stadt ift zu
befannt, um es hier noch einmal anzuführen, ein trefflicher Aufſatz
Darüber findet ſich in Joſ. Bader's „Badenia- Band Seitel u. ff.
Nur foviel fey Hier bemerkt:
Markgraf Karl Wilhelm von Baden⸗Durlach, ein tapferer und
päterlich herrſchender Fürft, aber durch feinen feurigen Geiſt zu feltfamen
Privatlaunen verleitet, gründete im Jahr 1715 Karlsruhe an der
Stelle des Hardimaldes (Lußhardts), wo er auf der Jagd verirrt, auf
einem Baumſtamme geruht hatte. Während des Schlummers fol der
Gedanke, dort im Herzen des Waldes einen abgeſchiedenen, ſtillen
Rubefitz zu fchaffen, in feiner Seele gereift feyn. Karls Ruhe
nannte er den Drt, der anfangs nur ein Sommerfiß feyn follte, bald
aber durch die -wachiente Zahl der nachbauenden Anfiedler zu einer
Stadt und zur bleibenden Refidenz wurde.
Die frühere Infchrift am Schloffe Tautete alſo:
„Anno 1715 war ich ein Wald, der wilten Thiere Aufenthalt.
Ein Liebhaber der Ruhe wollte hier in der Stille die Zeit vertreiben
in Betrachtung der Ereatur, die Eitelkeit verachtend‘, den Schöpfer
recht verehren. Allein das Bolt kam auch herbei und baute, was bu
hier ſieheft. Alſo keine Ruhe, fo lange die Sonne glänzet, als allein
in Gott zu finden, welche du, wann bu nur willt, auch mitten in der
Welt genießen kannſt. Anno 1828."
Bri der Grundfteinlegung wurde ber Hausorden der Treue
geftiftet.
Die Wahl diefes Platzes zur Anlegung einer Stadt ift ſchon
oft Gegenſtand herben Tadels geworden. Allerdings iſt die Lage der
Stadt, ziemlich fern von Berg und Gewäſſer, Feine befonders gün«
fige, doch if fie gefund und nicht fo troftlos, als fie oft hinge-
ſtellt wird; gewährt Doch die Gegend gegen Ettlingen zu einen rerht
freundlichen Sernblid und die Nähe des urfchönen Harbtwuldes Er
fa für manden andern Mangel. Schöne Spaziergänge umgeben
jegt die Stadt beinahe auf allen Seiten, und die allgewaltige Zau⸗
berin unferer Tage, die Dampffraft, hat Berg und Gewäfler gleichfam
herangerüdt.
Die Vergrößerung des Badiſchen Landes hat märhtig auf Karle-
=
Karlsruhe und Imgebung. 345
ruhe zurückgewirkt. Zu Anfang diefes Jahrhunderts zählte die Stadt
nur 7000 bis 8000, jetzt enthält fie ſchon über 24,000 Einwohner.
(Siehe Ed, Brauer’& „Sagen und Oefgichten der Stadt Baden 20,” — Bergl.
Kolb'is „Leriton von Baden.“ Bd. II. S.118, — Behres, Heine Chronik
von Durlad, ©. 136. — Bader, „Babifche Landes geſchichte.“ S. 534.)
Die weiſte Frau.
Eine ſolche, (naͤmlich der Geiſt der mit dem Hauſe Baden
verwandten Bertha von Roſenberg) geht nach der Volks⸗
ſage auch im hieſigen Reſidenzſchloſſe um. Ihr Erſcheinen ſoll
immer den bevorſtehenden Hintritt eines Gliedes aus der an⸗
geſippten fürſtlichen Familie bedeuten. Ausführlicheres darüber
haben wir bereits unter den Sagen vom alten Schloſſe zu
Baden (Siehe S. 267 u. ff.) mitgetheilt.
Kunde von Senfeits.
Bu Karlsruh' hart am Sterben Yag
Ein Doctor der Philofophie;
Ein Freigeift aU fein Lebenstag,
Glaubt’ an Unfterbfichfeit er nie;
Dod jest, da ihn mit bangem Schlag
Sein Herz den nahen Tod Tieß ahnen,
Begann's dem Alten doch zu fehwanen,
Daß nicht die Seele, wie ein Rauch,
Berfliege mit dem letzten Hauch;
Daß es doch müß’ ein Jenſeits geben,
Wo fie, um Rechnung abzulegen
Bon ihrem ganzen Erdenfeben,
Schweb' einem Richterſtuhl entgegen. —
Da rief er feinen Sohn zu fi)
Und ſprach: „Mein Kind, o höre mich!
Dumpfpröhnend fchüttern mich Gedanken,
Jetzt, wo ſich aus des Körpers Schranfen
Mein ruhlos zweiflerifcher Geift
Im herben Todesfampfe reißt.
6
Karlsruhe und Umgebung.
Wohl ift ein Himmel überm Grabe,
Den ich bisher geleugnet habe,
Wohl gibt es einer Hölle Schacht,
Worüber ich bisher gelacht —
Mein Sohn, mein Sohn! wenn du no laben
Mich willft in dieſer ſchweren Stunde,
So ſchwöre mir: fobald begraben
Dein Bater ruht im fühlen Grunde,
Gleich in der nächſten Mitternacht
Zur Pyramide hinzugehn
Dort auf dem Markt, und mit Bedacht
Und fcharfem Blid darauf zu fehn,
Ob nicht mein Geift Dir Dort erfcheine,
Sn welcherlei Geftalt es fey.
Erblidft du ihn, fo waren meine
Berfechtungsfünfte, daß es Feine
Fortdauer für die Seele gebe,
Nur hohle Selbftbetrügerei,
Mirrphilofophifh Hirngewebe ;
Doc fiehft du nichts, Dann glaube frei:
Daß Alles mit dem Tod vorbei.” —
Der Sohn gelobt’3 und ald den Sarg
Des Baters fchon der Friedhof barg,
Hält in der nädften Mitternacht
Er bei der Pyramide Wacht;
Auf einmal fieht, auf deren Gattern
Er eine ſchwarze Taube flattern,
Die ruft — er hört's mit Angft und Beben —:
„Wohl gibts, mein Sohn, ein höh’res Leben,
Wenn unfer irdifch Auge bricht!
Laß' nicht vom Wahn dich mehr ummeben,
Daß droben nicht ein fireng Gericht
Einft über ung das Urtheil ſpricht;
Bekehre Dich, noch ift es Zeit
Zum Glauben an Unfterblichkeit !” —
Entflattert ift die fchwarze Taube —
Der Sohn wirft nieder fih im Staube
Karlsruhe und Umgebung. 347
Ind fleht inbrünftig himmelan.
Da füllt fein Herz ein füßer Friede;
Heim fehrt er von der Pyramide,
Und unerfchütterlicher Glaube
Lenkt ihn fortan zur Himmelsbahn. *)
A. Schale.
*) Ein ähnliches Geifterabenteuer fol Hebel’n von Seiten feines
verftorbenen Freundes Hofrath Böckmann begegnet feyn.
Die Hexenwäſche.
In Karlsruhe war einſt eine Magd, die, wenn ſie Nachts
waſchen mußte, von Niemanden ſich dabei helfen ließ, dennoch
aber am Morgen allemal mit der ganzen Wäſche ſchon fertig
war. Ihrer Herrſchaft kam dies ſo bedenklich vor, daß ſie
einem Bedienten den Auftrag gab, bei nächſter Gelegenheit die
Magd ſcharf zu beobachten. Er that es und ſah in der Waſch⸗
küche eine Menge Katzen um den Zuber auf den Hinterbeinen
ſtehen und emſig waſchen, während die Magd nur das Feuer
unterhielt und öfters zu einer ſchwarzen Katze, Der größten von
allen fagte: „Mohrle, nur fauber!” Nachdem der Bediente
feinen Herrn hberbeigeholt und Beide eine Weile unbemerft zu-
geſehen hatten, begaben fie fich wieder zu Bette. Am Morgen
bing, wie jedesmal, ſämmtliche Wäſche blendend weiß auf Dem
Zrodenfeil; aber als noch am felben Tag die Magb ihren Ab-
jchied erhalten und, ohne nach der Urfache zu fragen, das Haus
verlaffen hatte, fand man die Wäfche wieder fo ſchmutzig, ale
ob fie gar micht gewafchen worden wäre.
Bon dieſer Gefchichte rührt die in Karlsruhe noch übliche
Ermahnungsweife her: „Mohrle, nur fauber !“
(Rad mündliher Neberlieferung mitgetheilt von Bernhard Baader in Mone's
mAnzeiger für die Kunde der teutfchen Vorzeit.“ Jahrg. 1839.)
Gar! Zriedrich im Jahre 1806.
Es klingt wie Trauerläuten
Am Rhein ein dumpfer Schall,
348
Karlsruhe und Umgebung.
Was mag der Ruf bedeuten?
Welch hohen Hauptes Fall?
Es geht ein Greis zu Grabe,
Verwaiſt und jammerbleich,
Am tauſendjähr'gen Stabe:
Das heilge Röm'ſche Reich. —
Karl Friedrich ſaß, der Weiſe,
Auf hohem Fürſtenthron,
Als vom Gebirge leiſe
Erklang der Trauerton.
Sein Land war groß geworden,
Ein langes, breites Band
Von Süden bis zu Norden,
Das ſchöne Badnerland.
„Nun brach der letzte Schemen
Der Kaiſermacht entzwei,
Das Scepter laßt uns nehmen,
Und herrſchen froh und frei!“
So ſprachen ſonder Zagen
Viel Fürſten anderwerts,
Doch leiſes tiefes Klagen
Durchſchnitt Karl Friedrich's Herz.
Die Botſchaft, daß ſein Erbe,
Vergrößert wiederum,
Noch höhern Glanz erwerbe, —
Empfing er ernſt und ſtumm.
Auf's Angeſicht, das hehre,
Floß Wehmuthsthau herab, —
Die einzige Fürſtenzähre
Auf teutſchen Reiches Grab.
Eduard Brauer.
— — ——— — —
Karlsrube und Umgebung. 349
Die hohe Ruhe.
Bon Karlsruhe zieht eine fehnurgerade Landſtraße nad
dem eine halbe Stunde entfernten Mühlburg. Auf diefem
Wege ging, vor ungefähr 20 Jahren, Abende, als es ſchon
dunfel war, eine Mühlburger Frau, um Milch nah Karlsruhe
zu bringen. Als fie an die fteinerne Bank fam, welde, auf.
einer Heinen Erhöhung, am Saum des Hardtwaldes fleht und
die „bohe Ruhe” heißt, fah fie drei Männer darauf figen, die
im Mondfchein Karte fpielten. Einer derfelben rief ihr zu, fie
möge ihm aus ihrer Tabakspfeife (7) Feuer geben, was fie
auch that, und dann weiter ging, fich über die feltfame Spiels
gefellfchaft verwundernd. Auf einmal merkte fie, daß fie von
der geraden Straße, die fie ſchon unzähligemal bei Tag und
Nacht gelommen, abgelommen, und tief in den Hardtwald ge
rathen war. Obgleich darin wohlbefannt, wußte fie doch Died»
mal weder aus noch ein, und mußte viele Stunden umberirren,
bis fie, Nachts um zwei Uhr, am Walde auf dem großen
Uebungsplatz heraus fam, wo fie endlich fich zurecht fand.
. (S. Mone's „Anzeiger für Kunde ver teutſchen Vorzeit.“ 1835. 3, Jahrg.)
Gottesaue.
Tief in des Hardtwalds Nachtgefild,
Von Schweigen rings umſchloſſen,
Stand einſt ein Muttergottesbild
In jungen Blüthenſproſſen;
Weit floh des ſcheuen Wildes Spur
Von der geweihten Stelle,
Der Murmelquelle. Rauſchen nur
Umflüftert die Kapelle.
Und weit vom frommen Bolf verehrt
In feines Haines Stille,
Es Yeife waltend ſich verklärt
In hoher Wunderfüle.
In feiner Tannen dichter Nacht
Wo jedes Tofen ſchwindet,
Karlsrube und Umgebung.
Verborgner Mächte heil'ge Macht
Sich fiegender verkündet.
Nur Berthold, nur der ſtolze Graf
Bon Henneberg verfchmähte
Den frommen Wahn, und höhnend traf
Sein Spott, wen im @ebete
Er nahen fah dem Heiligthum,
Erhörung dort zu finden;
Berachtung für der Gottheit Ruhm
Sollt' feinen Ruhm begründen.
Dft donnert mit dem Jagdgemühl
Er durch des Waldes Mitte,
Der wilde Schwarm hat kein Gefühl
Für frommer Ehrfurcht Sitte.
Er flürmt dahin, der Morbfucht Gluth
Im Morde zu erfüllen,
In des ergrimmten Ebers Blut
Die eigne Wuth zu ſtillen.
Erwünſcht ihm einft die Botſchaft war,
Daß zu des Volkes Sraufen
Auf's New’ der rauhen Wölfe Schaar
Im Sorfte folle haufen;
Schon tönt von feiner Zinnen Rand
Sein Horn mit Schmetterfchalle,
Bald vor der Veſte Thoren fand
Er feine Mannen alle.
„Hinaus zum Wald, der Morgen ruft,
Die hellen Hörner klingen,
Es lebt im Haine, Thal und Kluft,
Die jungen Falken ſchwingen
Der Flügel prüfende Gewalt,
Dott naht der Felfenquelfe
Das fcheue Reh’ vom dunklen Wald,
Es naht der Hirſch, der fchnelfe !“
Karlsrube und Umgebung, 351-
Und in den tiefften Forſt hinein
Drang mit des Sturmes Flügeln
Die wilde Schaar der Jäger ein
Und Donnert von den Hügeln;
Doch der Vernichtung blut’ge Spur
Iſt Alles, was fie finden,
Der graufe Anblid kann fie nur
Zu neuer Gier entzünden.
Dort fhimmerte, vom Blute roth,
Der moos'ge Stamm der Eiche;
Hier melften, wie berührt vom Tod
Die trauernden Gefträuche;
Hier flattert fhaurig das Gewand
Bon einem zarten Knaben,
Den Wölfe feiner Mutter Hand
Noch jüngft entriffen haben.
Und mit dem Durft der eignen Bruſt
Entflammt der Graf die Seinen;
Doch fruchtlos tobt die Fägerluft,
Noch will fein Feind erfcheinen.
Am fpäten Abend wenden fie
Sich endlich zu der Rückkehr,
Ergrimmt, daß ihnen nicht verlieh’
Der Gott der Jagd ein Glück mehr.
Und Yangfam zog auf rauber Dahn
Mit fchmerzlihem Gefühle
Der Graf den Neifigen voran,
Noch fern vom Heimathziele;
Schon rauſcht im Dämmerflor erwacht
Der Eulen Grabgefieder;
Stil Teuchtete der Stern der Nacht
Vom hohen Schwarzwald nieder.
Sieh, da erglänzt fo mild und bleich,
Mit zweifelhafter Helle,
Fernher durchs dichte Waldgefträuch
Das Licht aus der Kapelle.
352
Karlsruhe und Umgebung.
Sp winkt im Sturm der Erdenwelt
Des Himmels Friedenshafen ;z
Doch wilder noch, vom Zorn gefchwellt,
Erglüht die Bruft des Grafen.
„Ha!“ — rief er — „Schmach dem eitlen Wahn!“
Und feine Augen blitzen —
„Ihr betet falfhe Mächte an,
Seht jet, ob fie euch ſchützen!
Seht, ob das Bild, das ihr verehrt,
Wohl euer Leiden raͤche,
Wenn nicht mein gutes Heldenfchwert
Erfegt des Gottes Schwäche !”
Wild jagt er feiner Schaar voran,
Fliegt mit entflammten Blide
Den Hügel feiner Burg hinan, | ,
Dumpf donnerte die Brüde,
Da naht Luitgarde todtenbleidh
Kaum fähig fih zu regen:
„Bringt ihre das Kind 2“ — ruft geifterbleich
Dem Gatten fie entgegen.
Und ſchaudernd jegt der Vater hört
Aus ihrem blaffen Munde,
Allmälich ſchrecklicher erklärt,
Die grauenvolle Kunde:
Daß heute früh fein Toöchterlein,
Die Tieblihe Mechtilde,
Verloren babe ſich hinein
Tief in des Forſtes Wilde.
„Schon haben Knechte weit und breit” —
Sprit fi, — „den Wald durdflogen,
Doch war das meilte Jagdgeleit
Mit dir ſchon ausgezogen.
D Gott der Gnade, Gott der Huld!
Du Vater voll Erbarmen!
Riß etwa meiner Sünden Schuld
Das Kind aus meinen Armen?
Karlsruhe unp Umgebung. 858
„Iſt doch zue Jungfrau, beiß und rein,
Stets mein Gebet erflungen.
Hab’ ich Doch nie der Gnaden Schrein
Entweiht durch Läfterungen;
Und wenn auh — ftraft der Höchſte blind
Die Unſchuld für Verbrechen?
Mein Kind, mein Tiebes armes Kind!
Was war an dir zu rächen?“ —
Tief traf fie Bertholds Herz; wis Brand
Fühlt Neue drin er toben:
„Ja, ich erfenne deine Hand,
Du Richtender dort oben!
Schmerzvolle Mutter, harre mein!
Beug dih am Throne nieder
Der ew’gen Gnade, denn allein |
Kehr' ich dir nimmer wieder !” |
Und wieder flürmt er alfobald
Mit feinen Jagdgenoffen
Den Weg zurüd, tief in den Wald,
Auf futterfrifhen Roſſen;
Ein Jeder fucht auf eigner Bahn
Des Kindes Spur zu finden,
Doch Jeder fieht als eitlen Wahn
Den Strahl der Hoffnung fhwinden.
Und plöglich fieht der Graf allein
Sih in des Forſtes Raume,
Bleich glänzt herein der Sterne Schein
Bom dunflen Wolkenſaume;
Nichts hört der Graf, als ahndungsvoll
Der Nachtgeſang der Eulen,
Horch, und von ferne ſchaurig ſchwoll
Der gier'gen Wölfe Heulen!
. Bald bier, bald dort, wie Grabgeſang
Aus Schwarzer Nebel Schleier,
Und näher, immer näher drang
Der Ruf der Ungeheuer.
II. 23
354
Karlsrupe und Umgebung.
Und neugeflachelt von der Wuth
Und der Verzweiflung Grimme,
Folgt Berthold mit der Rache Gluth
Der graufen Würgerfiimme.
Mit feinem Schwert haut er fich jach
Bahn durch's Geftrüpp, bis helle
Auf Einmal aus dem Dunkel brach,
Das Lichtlein der Kapelle;
- Er eilt dahin, gefchwind, gefchwind,
Sein Herz vol Neu’ und Buße,
Und fieh, da ſchlaͤft fein theures Kind
An des Altares Fuße!
Still lag's wie in ber Liebe Schooß,
In goldner Strablenhelle,
Sanfthüllend ſchlang ſich weiches Moos
Um ſeine Schlummerſtelle.
Mit ihm ſchien des Erlöſers Bild
Der Unſchuld Ruh zu theilen,
Der Gnadenmutter Blick ſo mild
Auf ſeiner Stirn zu weilen.
Und Berthold faßt die Wonne kaum
Kaum traut er ſeinen Sinnen,
Ihm bangt, es möchte wie ein Traum
Das Bild vor ihm zerrinnen;
Er drüdt das Kind an’s Vaterherz;
Nein, 's ift Fein leeres Wähnen |
Zum erfienmale fchmilzt fein Herz
In heißer Andacht Thränen.
. Zu dem Madonnabild empor
Hebt betend er die Kleine,
Und feiner Seele Nebelflor
Weicht vor dem Himmelgfcheine:
„O Mutter Gottes, fieh mit Huld
Den Sünder vor dir fnieen,
Iſt's möglich noch, fo ſey die Schuld,
Die ſchwere, mir verziehen |
Karlörupe und Umgebung. 355
„Hier, wo in beinem Gnabenfchrein
Mein theures Kind ich fehaue,
Hier weht der Unſchuld Friebenshain,
Sa, bier it Gottes Aue!
Die fpäte Nachwelt noch foll -hier
Ein Gnadendenkmal fchauen,
Drum will ich einen Tempel dir
Auf diefer Stelle bauen.
„Bier, wo gefchirmt die Unſchuld fehlief
Bon Gottes Friedenhafen,
Hier will ich, wenn er mich berief,
Im flilen Grunde fchlafen.
Der Namen Gottesaue fol
Den neuen Tempel frönen,
Und unerfchöpfter Andacht Zoll
Daraus zum Himmel tönen!"
Triedrich von Maltiz
Die Art, wie hier die Gründung des Kloſters erzählt wird, ent-
fpricht einer mündlichen Heberlieferung, und zwar in ber Weife, daß
man den Namen Gottesaue ald Gottes Auge, das über dem Kinbe
wachte, erflärt wird; eine Auslegung, welche den Klang bes Iateini-
firten Namens Godisaugia, Augia dei, nicht aber die richtige Ablei⸗
tung für fih hat.
7 (Vergl. Ed. Brauer’s „Sagen von Baden.“ ©, 183,)
Die Geitter zu Gottesau.
Zu Gotts au hört man oft in nächt’ger Stunde
Die Mönche Hopfen in des Keller Grunde.
Es pocht und ſchallt, als fchafften ohne Ruh
Biel Küfer an den Fäffern ab und zu.
Und oben in des Schloffes Hallengang,
Da raufcht und fchlurft ed dann fo Dumpf und bang;
Da geht umher ein Feines weißes Weibchen,
Den Schlüffelbund am fehwarsgeftreiften Leibchen.
23 *
336 Rarlsrupeund Umgebung.
Ihr folgt ein ſchwarzer Pudel immerdar,
Und rollt ein glühend Yeueraugenpaar.
Wohin fie gehn hat Niemand noch gefehn,
Denn fie verwehn, follen fie Rede ftehn.
Und oben in dem Kleinen Gartenzimmer,
Siät oft ein bleicher Mönch im Mondenfchimmer.
Wehmüthig grüßt er Jeden, der ihm naht,
Fortweiſend ihn mit ſtummer Winfe Rath.
Weh dem, der ſich erfrecht, die Spuckgeſtalten
Durch Zuruf oder Drohung aufzuhalten!
Dafür auch büßte der Nachtwächter fcharf,
Der feinen Spieß nach jenem Pudel warf. -
Ein Höllenfchmerz durchfuhr ihm Mark und Bein,
In Ohnmacht fiel er auf den Falten Stein.
Da fand man ihn am Morgen halber tobt,
Ext rät genas er noch mit knapper Noth.
A. Schile.
(Vergl. Mpne's „Anzeiger 20.” Jahrg. 1834. ©. 258.)
Die Kirche von Hagsfelden.
Außerhalb dem Dorfe Hagsfelden fland vor Zeiten
eine Kapelle, welrke zum Kloſter Gottesau gehörte und mit dem-
felben durch einen unterirdifchen Gang zufammenhing. Als fpäter,
nach Aufhobung des Kloſters, die Gemeinde eine größere Kirche
bedurfte, riß man bie Kapelle ab und fdhaffte das noch gute
Holzwerf ins. Dorf auf die Stelle, wo die neue Kirche gebaut
werden follte. In der folgenden Nacht aber wurde all Dies Holz
durch eine geheimnißvolle Macht wieder auf den Plab der Ras
pelle zurückgebracht, und eben dieß geſchah in der zweiten Nacht,
nachdem dag Holz wieder an ven Ort 'geführt worden war. Zum
drittenmal fohaffte man nun das Holz auf die für Die Kirche
beftimmte Stelle und ein Zimmermann hielt dabei in der nächften
Naht Wache. Trog deſſen war am Morgen darauf Das Holz
Karlsruhe und Umgebung. 357
wieder auf der Stätte, wo bie Kapelle geweſen; der Zimmer
mann aber lag tobt neben daran. Hieburch endlich belehrt, er-
baute man bie Kirche auf Diefem Plage, wo fie noch heutigen -
Tages fleht.
(Vergl. Mone’8 „Anzeiger 20.” Jahrg. 1839.)
Die befchirmten Kronen,
Am Früuhjahr 1838 braden Nachts in die Kapelle, die
zwifchen Bulach und Scheibenhard am Weg ſteht, Diebe ein.
Sie nahmen alled, was Werth hatte, mit fort, ausgenommen
die Kronen des Jeſuskindleins und der Muttergettes, welche
Kleinodien fie, durch ein Wunder, im Kirchlein zurüdlafien
mußten.
(Siehe Mone’s „Anzeiger für Kunde ver teutfchen Vorzeit,” Jahrg. 1839.
Hippur.
Liebes Kirchlein an ber Straßen,
Wer dich einfam hier erbaut,
Hat in Sehnfucht ohne Maßen,
Hat, gleich mir, hinausgeſchaut. )
. Nach den Bergen, nad dem düftern
Schauerlichen Waldesgrün;
Wo die Hohen Bäume flüfern,
Wo die tiefen Schatten ziehn,
In die ahnungsvollen Weiten,
In ein unbekanntes Land,
Wo die Nebelgeifter reiten,
Auf ber alten Berge Fand.
Kommſt fo fröhlich hergezogen,
Bächlein, lieber Felfenfoht !
Rinnet Tangfam fort, ihr Wogen,
Rauſchet mit gebämpfterm Ton;
358 Karlsruhe und Imgebung.
Denn der alte Riefe breitet
Mächtig feine Arme aus,
Und ihr, eilet und ihr gleitet,
Um zu flerben, in fein Haus.
Schauſt aud) du herab vom Hügel,
Grauer, hoher Rittersmann ?
Thurm, wer löſt Das Geifterfiegel,
Wer den taufendjähr’gen Bann? —
Kirchlein! aus der Lieben Mitte,
Ohne Raft und ohne Ruh
Lenken täglich meine Schritte
Durch die Etoppeln dir fich zu.
Kirchlein, einfam an der Straßen !
Wer dich hier einft aufgebaut;
Liebend Hat er ohne Maßen
Zu den Bergen aufgefchaut.
Mar v, Schentendorf.
Die Wallfahrtskirche von Vickesheim.
Diefe Kirche iſt uralt; davon zeugt ein Glöcklein auf dem
Thurm; auf ihr ift in lombardiſchen Schriftzeichen die Jahrzahl
918 eingegraben. Demnach ift diefe Glocke wahrfcheinlich eine
der älteften in Teutichland und ſchon damals aus Wälfchland
gebracht worden, vielleicht auf Beranlaffung der heiligen Med»
tildis, Gemahlin Kaiſers Heinrich J., die um dieſe Zeit
lebte und viele Kirchen und Klöfter geftiftet hat. Bon nun an war
die Umgebung dieſes Kirchleind eine Freiftätte, die ſich weit
hinaus erftredite. Wie wohl mag es oft manchem Unglücklichen
gewefen feyn, wenn er, auf der Flucht vor feinen Verfolgern,
ben Klang des der Mutter Gottes geweihten Glockleins vernahm,
das ihm Sicherheit und Ruhe verhieg! Iſt's doch auch ſchon
Lange her, daß es ind Brautbett Täutete dem ritterlihen Mark⸗
grafen Rudolf und feiner geliebten Runigunde! Denn noch
fiebt man die Badiſchen Wappen mit der Eberfteinifchen
Roſe auf den alten Säulen und Tenftern der Kirche, und an
Karlsruhe und Umgebung. 359
dem Marienbild hängt eine uralte Münze, worauf ein chrifls
Yiches Brautpaar abgebildet ift, mit einer gothifchen Juſchrift,
die zu teutſch lautet:
„Es knüpfte der Jungfrau erſehnete Hand
Des heiligen Bündnißes freundliches Band.“
Man deutet dies auf Markgraf Rudolf J., der mit Kuni⸗
gunde von Eberftein ſich vermählte, wodurch die nachbarlichen
Häufer Baden und Eberftein ſich aufs Innigfte verbanden, —
Auch das gegen den Rhein bin gelegene Dorf Forchheim,
Filial von der Pfarrei Mörſch, war vor Alters ein berühm-
ter Drt der Gegend, wo die alten Grafen des Albgau's ihre
Malle oder Landgerichte hielten.
2.9.8.
De &>
Durlacher Sagen.
Durlachs Namensurſprung.
(Mündliche Ueberlieferung.)
Auf dem Plage, wo jetzt Durlach fteht, gieng es vor
Zeiten Durch eine Rache, und daher befam ber Ort, welchen
man dort erbaute, den Namen „durch d' Tach,” woraus
mit der Zeit „Durlach“ wurde.)
*) Die größte Wahrfiheintichkeit für fi hat die Ableitung vom
römifchen Wartthurm Lturris ad lacum) welcher, als die Ebene größten-
theils noch einen See bildete, auf dem Hügel oberhalb Durlach ge⸗
fanden haben foll.
468 " Durladı
1. Zu Durlach im Garten am alten Brunnenhaus arbei⸗
teie eines Mittags ein Mann, wobei er gerade, als es Zwolf
ſchlug, einen Haufen Kirſchenkerne herausſtach, bie außersrbeni«
lich weiß und glatt waren. Er fledte drei derfelben zu ſich, und
fand, als er fie zu Haufe feiner Frau zeigen wollte, jeden in
einen Rronenthaler verwandelt. Eilig begab er ſich wieder in
ven Marten, fand aber nur noch Einen Kronenihaler , der als
Kirfchtern beim Herausſtechen weit von den übrigen auf bie
Seite gefprungen war.
(S. Mone's „Anzeiger für Kunde der teutſchen Vorzeit.“ 1838, 3. Jahrg.)
2. Die Paulwirthin. Gegen die Mitte des vorigen
Jahrhunderts lebte zu Durlach die fogenannte Paulwirthin,
welche wegen ihrer Betrügerei, indem fie den Leuten fchlechte
Mitch für gute zu verfaufen pflegte, nad) ihrem Tode im Haus
umgehen Mıßte. Man Tieß fie deßhalb durch einen Schornftein-
feger befchwören und hinaus in die Nähe des Galgens tragen.
Dort wurde fie an drei in die Erde gefchlagene Pflöde feflge-
bunden und gieng nun ſtets im Kreife darum bin und ber.
Eine runde Stelle, worauf fein Gras wuchs, bezeichnete diefen
Gang, auf den fie aber jegt nicht mehr befchränft ift, denn fie
wandelt fchon felt Jahren in der ganzen Tiefenthaler Klinge
umber. Sie ruft dabei häufig: „Drei Schoppen Milch und ein
Schoppen Waffer giebt auch eine Maaß!“ und zeigt fich meifteng
in menschlicher Geftalt ohne Kopf, zuweilen aber aud als Schaaf
ober Pudel, Leute, welche fie unterwegs nedten, find theils von
ihr irregeführt, ober auch mit tüchtigen Obrfeigen regalirt
worben.
Herzog Konrad von Schwaben in Durlach.
(1197,)
Merkt auf, ihr Frau'n und Mädchen,
Die ihr gen Durlach reift,
Durlad. 361
Bernehmt von diefem Städtchen
Ein Lied, das Treue preist.
Es war vor langen Jahren \
Ein Herzog hochgeehrt,
Im Buhlen wohlerfahren,
In Durlach eingefehrt.
Und wie er auf der Straßen
Ein reizend Weib erblickt,
Da fühlt er über Maßen
Sein lockres Herz umftridt.
„Bott grüß dich, Herzlein, holdes,
Willſt du mein Liebchen feyn ?
Sieh diefen Sädel Goldes,
Zum Lohne werd’ er dein |“
— „Herr Fürft von Hohenſtaufen!
Ein ehrſam Eheweib
nicht für Gold zu faufen !
Sucht andern Zeitvertreib” —
„Schön Kind, fey nicht jo blöde,
So viel du nur begehrft
Sey dein, du füße Spröde,
Sp du mir Huld gewährſt.“
„Herr Fürft von Hohenflaufen,
Hebt euch hinweg von mir!
Die Chr’ ift nicht zu kaufen
Um aller Kronen Zier.
‚„Berbannt den Schmacdhgebanfen,
Ihm folgt nur Schmach und Neu,
Eh fol der Thurmberg wanfen,
AS teutfhen Weibes Treu I”
362 Durlad.
Und wie er nun verwegen
Sie um die Hüfte fat,
Da reißt fie ihm den Degen
Bom Gurt mit Feder Haft:
„Herr Fürft von Hohenftaufen,
Ein Gott im Himmel lebt!
Mit Blut nur könnt ihr faufen
Die Gunft, nad der Ihr ſtrebt!“ —
„Was frommt die grimme Wehre
In Schwachen Weibes Hand ?
Gib mir, was ich begehre,
Eh’ Kraft dich übermannt.” —
„Ein hilflos Weib nur bin ich, .
Berzagt und ſchwach fürmahr;
Doch heiligen Kampf beginn ich,
Iſt Ehre in Gefahr.“
Und wie fie Dies geſprochen,
Schwingt fie den Flamberg gut;
Der Herzog ſinkt erftochen
Zur Erde roth von Blut.
Sp hielt durch Weiberhände
Der Herr ein fireng Gericht. —
Das Liedlein ift zu Ende,
Doch wahr ift dies Gedicht.
Wie alt fein Grundgedanfen,
Der Sinn bleibt ewig nen:
Eh’ foll der Thurmberg mwanfen,
Als teutfchen Weibes Treu!
Eduard Brauer,
Daß Herzog Konrad von Schwaben, Kaifer Friedrich Rothbart's
Sohn, von ſeinem Bruder Heinrich VI. gegen Herzog Berthold V. zu
Feld geſchickkt, im Jahr 1196 wegen Angriffs auf die Keuſchheit einer
Durlach. 363
Bürgersfrau zu Durlach ermordert wurde, iſt geſchichtlich; noch heißt
der That zum Gedächtniß ein Gäßchen daſelbſt das Königsgäßchen.
Bon den Schwäbiſchen Kaifern kam Durlach durch Tauſch an den
Markgrafen von Baden. Markgraf Karl IL erbaute 1562 das hiefige
Schloß, die Karlsburg, und zahlte die Dabei befchäftigten Arbeiter
eigenhändig aus feiner Tafche, daher er den Beinamen „Karl mit
ber Taſche“ befam. Der Franzgofengeneral und Morobrenner Melak,
defien Namen man jeßt noch den Hunden gibt, plünberte und ver:
brannte Stadt und Schloß im Jahr 1689, als fie gerade in ihrer
fhönften Blüthe fland. Ohne Plan und Geſchmack wurde die Stadt
aus ihren Trümmern wieder auferbaut, — In der Pfarrkirche fol
ehedem, nemlich vor dem Franzoſenbrand, fih eine Grabſchrift folgen:
den Inhalts befunden haben: „Den 4. November 1564 ift hier felig
im Heren entfchlafen Herr Ehrhard Franz von Ulm, der Fromme,
renfihe und großmädtige Staptrichter, deflen Körperlein gar nahe
feh8 Zentner gewogen.”
L. H. B.
Der Markgraf und die Mönche.
Der Markgraf hieß Rudolfus,“)
War zugenannt der Wecker,
Der hielt gern gute Tafel,
Er ſelbſt war etwas lecker.
Einſt ſaß der Herr zu Durlach
Im alten Ritterſaale,
Mit vielen edeln Gäften,
Dei einem großen Mahle.
Sie aßen guten Braten
Und tranfen guten Wein,
Und waren guter Dinge
Und jchenften fleißig ein.
Sie Ieerten große Humpen,
Wie's teutfhen Männern ziemt,
*) Regierte von 1349—1361. Liegt begraben zu Lichtenthal vor dem Altar der heil,
Katharina,
368
Durlad.
Und haben ihrer Minnen
Und Fehden ſich gerühmt.
Da trat Berein ein Pfäfftein,
Das fah gar traurig aus,
Mar abgezehrt und mager
Wie eine Kirchenmaus.
Trat bin zu Markgraf Rudolf
Und faßte feinen Arm:
„Mein Fürſt ich bin von Gottsau,
Ad, daß fih Gott erbarm’!
„Wir find im größten Elend:
Leer ift mein armer Magen,
Wir haben nichts zu beißen
Und haben nichts zu nagen.
„Bir haben feinen Schinken
Und feinen Wein im Keller,
Mir Haben viele Schulden
Und feinen rothen Heller.
„Wir blöden wie die Schafe
Nach etwas grünem Futter,
Wir haben feinen Käfe mehr
Und haben feine Butter.
„Du figeft da und freuft dich
Des allerbeften Schmaufes,
Gedenk' auch deiner Mönde
Und ihres Gotteshauſes!
„Biſt du nicht reih? Dir sollen
Die Schiffe auf dem Rhein,
Und an des Stromes Ufern
Wächſt dir der befte Wein.
„Doch wir find arm und haben
Nicht Einen guten Biffen,
Dyrlap.
Iſt's vecht, daß Gottes Diener
Aus Mangel faſten müffen?
„Wie lange hab' ich keinen
Rehbraten mehr gerochen!
Der Pater Küchenmeiſter
Hat ganz verlernt das Kochen.
„Ach, gnäd'ger Herr! erbarmt Euch
Der Hungrigen und Matten!
Wir gleichen nicht mehr Menfchen,
Wir gleichen nur noch. Schatten!” — .
Und lachend fprach der Markgraf:
„Haſt fehr gut Tamentirt !
Habt ihr, wies Faſten fehmedet,
Nun auch einmal gejpürt ?
„Euch wars zu wohl, ihr waret
Zu feift und fugelrund,
Den ganzen lieben langen Tag
Stund euch nicht ſtill der Mund.
„Doch Spaß bei Seite, Brüderlein,
Ich will für euch doch ſorgen;
Geh, ſag' den lieben Mönchen mein,
Ich käme ſelber morgen.“ —
Und Morgens kam der gnädge Herr
Mit Wildpret und mit Schinken,
Und nahm aus ſeinem Kellerſchatz
Vom Beſten mit zum Trinken.
Wie jauchzten da die Pfäffelein,
Wie ausgelaßne Ritter!
Wie ſangen ſie und ſprangen fie
Und hüpften wie bie Wibber!
Wie fihmauften fie und tranfen fie,
Aller Kummer. war nun fern;
"65
366 Durlad.
Sie waren bis in bie fpäte Nacht
Gar fröhlich vor dem Herrn.
©.
(Mitgetheilt im Mannheimer Stadt⸗ und Landboten, 1834, Ar. 10.)
Geld ſonnt ſich.
An den Freitagen im März heben ſich die vergrabenen
Schätze aus dem Boden, um ſich zu ſonnen. Ein Mädchen aus
Durlach, welches an einem ſolchen Tage auf den dortigen
Wieſen graſte, erblickte nicht weit von ſich, auf einer Erhöhung
einen funkelnden Haufen Geldes, etwa drei bis vier Seſter groß.
- Eilig ſprang fie Darauf zu; ehe fie aber ganz dort war, rief
ihr ein Knecht: „Wo willſt du hin ?« — Da verfanf der Geld-
haufen und fie fonnte davon nur noch fieben Silbermünzen ers
bafchen,, die von uraltem Gepräge waren.
(Siehe Mone's Anzeiger 2c. 3. 1839,
Sagen vom Thurmberg bei Durlach.
1. Auf dieſem Berge haben ſich vor Zeiten Riefen aufge-
halten und der Kopf eines folchen, mit einer Reihe von un-
geheueren Zähnen, iſt vor noch nicht vielen Jahren im Boden
gefunden worben.
2. Bei dem Heidenthburme, welder auf dem Gipfel bes
Berges fteht und fo tief in den Grundboden hinabgeht, als er
Daraus emporragt, befand fi, vorbem eine flattliche Burg.
Darin hauften zur Zeit als das untenliegende Rheinthal noch
einen einzigen See bildete, Seeräuber *), welche ihre Gefange-
nen in das finftere feuchte Berlieg des Thurmes an Striden
binabzuverfenfen pflegten, um fie nie mehr wieder das Licht des
Tages erblicken zu laſſen. Einft erbot fih ein Gefangener, das
H Siehe die Note 1 in Dr. I. Bader’ 8 Einleitung zu biefem Werke. 4. 9b, S, ZU,
Durlad. 367
Thal vom Waffer zu befreien, wenn man ihm dafür die Frei⸗
heit ſchenkte. Nachdem biefer Vertrag eingegangen war, begab -
fi) der Gefangene zu dem damals noch gefchloffenen Binger-
Loche und ließ die dortigen Felſen durchbrechen, wodurch ber
Rhein feinen Abflug erhielt und das Thal zu einem urbaren
gefegneten Landftrich wurbe.
3. Don der Burg führten drei unterirbifche Gänge, ber
eine in die Auguftenburg, ber zweite in das Schlößchen und
ber dritte in das Schloß zu Durlach. Durch den letzteren Gang
fonnte man fechsfpännig fahren und eben fo in dem Durch⸗
lacher Schloße, (welches vor feiner Niederbrennung eines ber
fchönften in der Welt war) bis zum Speifefaal im oberen Stod»
werfe.
A. In dem unterirdifhen Burg-Gewölbe Tiegt ein großer
Schatz, um deffentwillen ſich fehon mehrmals einzelne Männer
hinuntergewagt haben, aber niemals wieder herausgefom-
men find.
3. Diefen Schag hütet eine weiße Jungfrau, welche häufig,
zuweilen fogar "unter Tags, fih auf dem Schloße zeigt und
unter anderm ſchon mit Geisfüßen, wie auch mit langen fpigen
Singernägeln gefehen worben iſt. Sie trägt ein Gebund Schlüffel,
woraus fie, wie Einige behaupten, den Hauptfchlüffel ver-
Ioren hat und nun emfig nach ihm ſucht.
6. Bor langer Zeit kam fie einft zu einem jungen Dann,
ber auf der Banf vor dem Thurme faß, und fagte ibm, er
könne fie erlöfen und den Schat gewinnen, wenn er drei Tage
hintereinander, zwifchen Eilf und Zwölf Mittags, bieherfomme
und fi durch die Geftalten, worin fie vor feinen Blicken er-
ſcheinen werbe, nicht abfchresfen laſſe, fie jedesmal zu Füßen. -
Der beherzte junge Dann .ertlärte fi zu Allem bereit, fand
fih gleich am erfien Tage zur beflimmten Stunde ein, und
küßte die Jungfrau, welche als Froſch fich zeigte. Ebenfo that
er am zweiten Tage, wo fie fih als Schlange vor ihm bliden
ließ. Am dritten Tage jedoch, wo fie als feuerfpeiender Drache
ihm entgegen ranfchte, überwältigte ihn. der Schreden und er
e
368 Durlaf.
‚ergriff Die Flucht. Jammernd eilte und rief fie ihm nad, er
möge doch zurädfehren und fie erlöfen, weil der Baum zur
Wiege des nächften Menfchen, der fie wieder erlöfen könne,
noch nicht einmal gepflanzt ſey; allein der {unge Mann floh über
Hals und Kopf, bis er drunten in der Stabt wer.
7. Als der Durlacher Geishirt eines Tages feine Heerde
auf dem Berge weidete, kam zwiſchen Eilf und Zwölf vom
Thurme ber eine vornehm gefleidete Frau zu ihm, die einen
langen Stab von gebiegenem Gold in der Hand trug, und bat
ihn, fogleih nah Durlach zu gehen und dem Stadtrathe zu
melden, daß die der Stadt längft fehlenden ‚_verloren gegange-
nen Altenſtücke und Urkunden über ihre Gerechtfame hier oben fi
befänden, weßhalb Jemand vom Rathe herauffommen und fie
von ihr in Empfang nehmen folle. Der Hirt, ein alberner
Menſch, weigerte fih hartnädig, feine Heerde zu verlaffen,
obgleich die Frau inftändig flehte und ihm ben gofdenen Stab
zur Belohnung biefes Dienfies verfprach. Weber diefem Hin⸗
und Herreden ſchlug e8 drunten Zwölf Uhr; worauf die Frau
in lautes Jammern ausbrach, daß fie nun abermals noch fo
lange unerlöft bleiben müffe, und nad) dem Thurime zurüdging.
Als der Hirte bei feiner Heimfunft am Abend die Sache an⸗
zeigte, begaben fich fogleich mehrere Rathsglieder auf den Thurm-
berg, fonnten aber weder Frau noch Urfunden auffinden.
S. In dem Burgbrunnen war ein ſchwarzer Mann einge-
mauert, ben man einft aus Weingarten in einer Butte
hinaufgebracht und hineingebannt hatte. Als fpäter Die Brunnen
mauer verfiel, Fonnte das Geſpenſt heraus und es pflegte. nun
bei Racht hinauf zum Thurm und zuräd in den Brunnen zu
gehen, Als es einmal wieber in demfelben war, ſtellte man bie
. Maner fchleunigft wieder ber, fo daß der fhmarze Mann jest
nimmer berauszufommen vermag.
O. Bei dem Burgbrunnen ift fohon am Tage zuweilen eine
Schlange mit einem Gebund Schlüffel um ben Hals geichen
worden und um Mitternacht ein geharnifchter Mütter, welder
ſtarr und unbeweglich da ſtand. Ebendaſelbſt gehen manchmal
Durlag. 369
einige Tapegierer, bie bei ihren Lebzeiten oft im Schloße zu Saft
gewejen, und ein graues Männlein, ald Geifter um.
10. Auf dem Berge gaudelte in gewiflen Nächten eine
Menge Lichtlein umher und über ihnen, wie auch über Durlady
it ſchon Nachts das wilde Heer mit Gefnall und Gefchmetter
dahingebrauft. Wer fih unter freiem Himmel befindet, wenn
Daffelbe oben herangefprengt kommt, muß fich flüchten oder
fogleich platt zu Boden werfen, fonft wird er vom Zuge in bie
Luft empor und mit fort gerifien.
11. Drei Durlacher Mepger, die bei einbrechender Däm-
merung von Stupferich heim gingen, erblidten auf dem
Thurmberg ein mächtiges Feuer. Sie fliegen hinauf und fahen
bei dem Feuer einen vornehmen Mann in alter Tracht mit
einem Spighute figen und in einem großen Buche leſen, das
vor ihm auf einem fleinernem Tifche Tag. Als er damit fertig
war, brachte ihm ein Diener eine Dienge anderer Bücher, die
er alle nach einander raſch durchblätterte. Verwundert und,
ihrer Meinung nach, unbemerkt, ſchauten ihm Die Mebger zu;
auf einmal aber wandte fi ber vornehme Mann gegen fie
um und rief: „et aber macht, daß ihr fortfommt; ihr habt
die hoͤchſte Zeit!« — Da rannten fie, fo fohnell ihre Füße fie
trugen, den Berg hinab von dannen.
12, An einem Sonntage begaben fich mehrere noch uner>
wachfene Mädchen in den unbewohnten Bergthurm. Dort fan-
den fie die Stiege zierlich mit Sand beftreut und famen in ein
fhönes Zimmer, das fie früher niemals gefehen hatten, worin
ein Bett ftand, deffen Vorhang oben von einer Krone feflges
halten ward. Als fie denfelben zurüdichlugen, wimmelte das
Dett von Goldkäfern und wiegte fih von felbft auf und nieder. '
Bol Erfiaunen fahen die Mädchen eine Weile zu, plöglich über-
fiel fie aber ein ſolcher Schreien, daß fie aus der Stube und bie
Stiege hinab flohen, während ihnen ein ſchreckliches Geheul
und Gepolter nachfchallte.
13. Ein Mann, welcher nach der Betzeitglocke im Stein«
bruche des Thurmberges noch arbeitete, hörte, da er troß aller
I. 2A
370 Durlacher Umgegend.
Anſtrengung einen Stein nicht losbringen fonnte, hinter ſich
auf einmal ein fpöttifches Gelächter. Als er umfchaute, ſtand
ein langer fchwarzer Dann da, vor dem er erfchroden da⸗
yon lief,
14. Zwei Schweftern aus Durlach wollten eines Minags
den Taglöhnern, welche im Weinberge hinter dem Thurm ar⸗
beiteten, das Eſſen bringen. Als fie an die Bank vor dem Thurme
famen, fahen fie daſelbſt eine Menge der fchönften Citronen
liegen, aber alle zur Hälfte auseinandergefchnitten. Eins der
Mädchen nahm mehrere davon in feine Schürze, warf fie aber,
von ihrer Schwefter gewarnt , wieder weg und gieng mit diefer
zu den Taglöhnern, denen fie glei den Vorfall erzählten. Un-
verweilt Tiefen die Leute nun, auf einen Schatz hoffend, jener
Bank zu, fanden aber dafelbft Feine einzige Citrone mehr.
(Nach münblicher —— mitgetheilt von Bernh. Baader in Mone's „An⸗
zeiger 0.” Jahrg. 1
Sagen von Wolfartsweier.
1. Wolfartsweier hat feinen Namen daher, weil vor
Zeiten zu der dortigen Kirche gewallfahrtet wurde. Damals
flund aud) auf den fogenannten „Heiligenädern“ ein Heiligen-
kapellchen. Die Wallfahrt fund unter der Pflege von Kapuzi-
nern, die zunächft der Kirche wohnten und einen großen Scha&
son den frommen Gaben der Pilger zufummenbradhten. Den
felben vergruben fie in das Gewölbe unter den jegigen Pfarr-
garten und deßhalb müffen Drei von ihnen Nachts im Garten
und deſſen Nachbarichaft umgehen. Sie wachen manchmal an
dem vorbeifließenden Bache, ober binden im Stalle beim Garten
das Vieh los, welches dann noch am Morgen ganz mit Angfls
Schweiß bedeckt ift. Einer von ihnen trägt vor der Herzgrube ein
hellſcheinendes Licht und ein Anderer, den man einft um Mitter⸗
nacht am hölzernen Stege figend erblidte, wuchs beim Aufflehen
und Weggeben fo hoch wie ein Baum und wurde von fürdter-
Yihem Krachen begleitet. In dem Garten tänzeln zuweilen Nachts
blaue Flaͤmmchen um drei Kälber herum, welche die drei Ka⸗
puziner find.
— — —
Durlader Umgegenv. 371
2. In früheren Jahren fuhr oft zur Herbfizeit, gleich nad
der Abendglode, das wüthende Heer über Wolfartöweier. Man
fah feine Geflalten, hörte aber Schießen, Hundegebell, Hörner-
Hang und Jägerhalloh. Bor dem Zuge ber rief eine Stimme:
„Wenn du befhädigt wirft, fo verbinde die Wunde mit rohem
Garne.”
3. Wolfartsweter war in alten Tagen wohl dreimal
jo groß als jegt und feine Gemarkung erftredte fih bis Gröt-
zingen, wohin feine Kinder in die Schule gingen. Durch
den Schwedenfrieg Tam aber der Ort fo herunter, daß er nur
noch fieben Bürger zählte, die, weil die damalige Gemarkung
für fie zu groß war, es ruhig gefchehen ließen, daß die Dur-
lacher einen beträchtlichen Theil derfelben an fi rigen. Als
Lestere jedoch hiermit noch nicht zufrieden waren, und bis in
die Nähe des Dorfes hervordrangen, wiberfegten fich ihnen bie
fieben Bürger, indem fie waker den Mund aufthaten und über
ihr Recht vollgültiges Zeugniß abgaben, wodurd fie auch die
Durlacher von weiterem Umfichgreifen abhielten. Die Gegend,
wo dies gefchehen, heißt jegt noch: „Im fiebenten Mund«
und das dortige Gäßlein, welches den Wolfartöweier Wald vom
Durlacher fcheidet: „bas fiebente Mundgäßlein.
Bon diefem an bis zum Tiefenthaler Bach muß derjenige
Durlacher, welcher an der erwähnten Beraubung die meifle
Schuld trägt, feit feinem Tode umhergehen. Er erfcheint bald
als fchwarzer Mann ohne Kopf, bald als Fuchs, bald als Hafe,
oder fährt unfichtbar, wie mit einem raſſelnden Schiebfarren,
durch die Kronen der Bäume, daß die Aefte brechen. Als einft
der Förfter von Au nach einem Fuchfe ſchoß, verſchwand derfelbe
vor feinen Augen, dem Schügen aber wurden das Gewehr und
einige Finger verdreht. 9) *
*) Sagen über Berlufte der Gemarkung gibt ed noch in vielen
Gemeinden. Wie mandmal Gemarkungsnamen fagenhaft ausgedeutet
werben, bier ein Beifpiel: In der Gemarkung Kronau heißt ein
großes Wiefenftüd die Neut, welches in bie Gemarkung von Min-
golspeim hineingreift. Nun erzählen die Bewohner, das Feldſtück
babe zu ihrer Gemarkung gehört, fie hätten es aber aus Gutmüthig-
feit den-Kronauern zur Benügung überluffen. Durch Zeit und Un-
dank marhten es Diefe zu ihrem Eigenthum und deßwegen geben bie
372 Durladeriimgegenb.
Mingolsheimer dem Feldſtück den Namen Reut, weil ihre Gut—⸗
müthigkeit fie gereut bat.
(Siehe Mone's „Anzeiger für Kunde der teutihen Vorzeit.” Jahrg. 1939.)
Glocke läutet von ſelbſt. ,
His die Grünwettersbacher vom Tatholifchen zum
Iutherifchen Glauben abgefallen waren, wollten fie das Geläute
Mittags um 12 Uhr abftellen, allein die Kirchenglocke Täutete,
mehrere Tage nacheinander, um dieſe Stunde von ſelbſt, wor-
auf das Geläute wieder eingeführt wurde, welches auch noch
heute fortbefteht. *)
*) Daß Glocken von felbft läuten, fommt in manden Sagen und
Legenden vor, nicht nur bei ung, fondern bei andern Völkern, z. DB. in
Spanien bei der Glocke von Belilla. Die Glocken wurden nämlich ald
Perſonen gedacht, wie ihre Taufen und Snfchriften G. B. die Glode
Sufanne in St. Georgen auf dem Schwarzwalde, ©. 445 des
1. Bandes) anzeigen, und darum unterlegte man ihrem Geläute auch
einen Sinn. M.
Sagen vom Thurmberge bei Wolfartöweier.
2, Auf diefem Berge hat vor Zeiten eine Burg geftanden,
von der jegt nur noch ber Graben und einiges Gemäuer übrig
iſt. Darin hauften, ald die Thalgegend umher noch eine weite
Woafferfläche war **) Seeräuber, deren Abföümmlinge Ritter
wurden. — Bon der Burg ging übers Gebirge eine gute Fahr⸗
ſtraße nad dem Durlacher Thurmberg; ihre Spur heißt-
heute nody der Rutfchenweg.
2. Zu dem Gewölbe unter den Schloßruinen liegt ein großer
Schatz verborgen, wegen beffen alle fieben Jahre, wenn die
Maiblumen blühn, eine weiße Jungfrau dort erfcheint. Ihre
rabenfchwarzen Toden find gewöhnlich in zwei lange Zöpfe ge—
flochten; das fchneeweiße Gewand umfchließt ein goldener Gür⸗
tel, an der Seite hängt ihr ein Gebund Sclüffel *) und in
ber Hand trägt fie einen Strauß Maiblumen. Gewöhnlich erfcheint
fie unfchuldigen Kindern, und fie winfte einft deren einem vom .
Graben her , zu ihr herüberzufommen. Das Kind Tief aber vol
*e) Vergl. mit Nr. 2 der Sagen vom Durlader Thurmberg.
Durlacher Umgegend. 373
Schreden heim und erzählte dies, worauf ed gleich feinen
Bater hinführen mußte; allein die Jungfrau ließ ſich nicht mehr
bliden.
*) Wenn die weiße Frau in mehreren Sagen mit dem Monat
Mat, mit Mai» oder anderen Blumen in Berbindung gebracht wird,
fo könnte fie wohl eine dunkle Erinnerung an die alte Göttin Wunna
feyn, und der Schlüffelbund wäre von der Göttin Oſtar entlehnt, da
diefe dem Monat April entfpricht, welcher den Namen von aperire, scil.
terram, (erſchließen, naͤmlich die Erde) haben fol. (Mono).
3. Wie fchon mandye Andere, ſahen eines Mittags auch die
zwei kleinen Mädchen des Gänfehirten die weiße Jungfrau
herunter an den Bad kommen, fich dafelbft fümmen und die
Zöpfe flechten, Hände und Geficht wafchen und dann wieber
auf den Schloßberg gehen. Daffelbe bemerften fie auch am
folgenden Mittag, und obgleich ihnen zu Haufe feharf einge-
prägt worden war, die Jungfrau beim Wiederſehen anzureben,
unterließen fie’d aus Zaghaftigfeit dennoch. Am dritten Tag’
erblicten fie Die Jungfrau nicht mehr, fanden aber auf einem
Steine mitten im Bach eine frifchgebratene Leherwurft, Die
fie ſich köſtlich fchmeden Tießen.
A. Zwei Männer aus Grünwettersbach fahen eines
Tages die Jungfrau einen Kübel vol Waffer, den fie am Bache
gefüllt hatte, den Berg hinauftragen. An dem Kübel waren
zwei breite Reife von lauterem Golde. .
5. Nach Wolfartsw eier fam einmal ein fahrender Schüler
und fagte, daß in dem Gewölbe des Schloßberges fieben Kiften
voll Gold lägen. Diefelben mit ihm berausgraben, fprad er
den Leuten dringend zu, indem er ihnen bemerkte, daß alle
Knochen und Scherben, welde zum Vorfchein fommen würden,
lauter Geld feyen. Weil aber damals nur wenige und reiche
Bauern im Orte waren, wollte fih feines derſelben mit Dem
Schüler einlaffen, und der Schatz blieb ungehoben. Lange Zeit
nachher wurde in einer Adventsnaht, man weiß nit von
Wem? eine der Kiften gewonnen. ”)
*%) In diefen Sagen, wie in äbnlichen, ift der fahrende Schüler
zur Hebung des Schatzes bekimmt, muß aber menfehliche Beihülfe haben,
374 Durlaherlimgegen?.
6. Zwei Buben, welche bei Tag auf dem Berg ein Stein-
plättchen aufhoben, fahen darunter viele Heine weiße Perlen
liegen. Ohne davon zu nehmen, eilten fie nad) Haus und er-
zählten es ihrer Mutter, von der fie gleich wieder fortgeſchickt
wurden, um die Perlen zu holen. Sie fanden aber feine einzige
mehr auf dem Plabe.
6. Ebenfalls bei Tage fah ein kleines Mädchen auf dem
Berg einen dreifüßigen Kupferhafen flehen, der funfelneu und
vol wimmelnder Roßfäfer war. Sie berichtete dies alsbald
ihren Aeltern , die wohl merften, daß die Käfer einen Schatz
vorftellten, und daher mit ihr auf den Berg eilten, allein weder
Hafen nad Käfer mehr fanden.
7. Ein Dann, welcher da, wo das Schloß geftanden , fein
Gabholz fällte, hörte mehrmals aus dem Boden rufen: „Hau’
dich nicht !” und übertrug deßwegen am andern Tag die Arbeit
einem Taglöhner. Hierüber verfpottete ihn ein Dritter, der
auch fein Loosholz machte, hieb ſich aber unverſehens fo tief
in den Fuß, daß ihm das Lachen auf Yange Zeit verging.
8. Auf demfelben Plage fah ein anderer Dann im Boden
einen Spalt entflehen, woraus ein fo ftarfer und Föftlicher Wein-
geruch drang, daß der Mann, welcher ihn gierig einfog, da⸗
von ganz betäubt wurde und einfchlief. Als er nach einiger
Zeit erwachte, war ber Spalt verſchwunden. Gleich darunter
am Graben find ſchon von den Schweinen eiferne Faßreife her-
ausgewählt worden,
9. Um eilf Uhr in der Ehriftnacht hörte einft der Waldhüter,
als er das Gehölz des Berges durchftreifte, vom Gipfel ber
ein ſchweres Geraffel. Dit gejpanntem Gewehr kauert' er nieder
und erwartete dad Getöfe, welches immer näher und endlich
hart über und an ihm vorbeifam, ohne daß er etwas zu fehen
oder zu fühlen befam. *)
10. Bei der Burg reitet zuweilen Mittags zwifchen Eilf
und Zwölf auf einem Schimmel ein weißer Mann, der feinen
*) Gehört aud zu den Sagen vom wilden Heere.
Durladerlimgegenb. 375
Kopf unterm Arme trägt; *) eine helle Flamme ſchwebt manch⸗
mal in der Nacht den Berg hinauf, auch wird öfters dort von
unfichtbaren Händen mit Steinen nad den VBorübergehenden
geworfen. **)
(Stiche Mone!8 „Anzeiger für Kunde der teutfchen Vorzeit,“ Jahrgang 1839.)
*) Kommt an andern Orten auch vor, 3. Bd. am Mückenlocher
Wald bei Wimmersbach.
++) Das unfichtbare Steinmwerfen feheint mit zu den Sagen vom
Eifenwurf zu gehören. Siehe Mone's "Unterfurhungen zur teut:
fhen Heldenfage.“ ©. 148.
Das Dorfthier.
In den Gaſſen und Gaͤrten des Dorfes Stupferich geht
in manchen Nächten, beſonders in jenen des Advents und der
Faſten, ein Gefpenft um, welches das Dorfthier genannt wird.
Bald erſcheint es als hagerer Mann mit einem alten Schatthute,
bald als kohlſchwarzer Hund, bald als Schafhammel mit langem
Schwanze. In ber erfteren Geftalt wirft e8 die Leute um, über
die ed Gewalt hat und zuweilen geht ein blaues Lichtlein vor
ihm her. Erfcheint es als Hammel, fo nöthigt ed einen Jeden,
der ihm begegnet, auf ihm zu reiten; dann macht es in einem
Bänglein, das nah den Neben führt, Halt, und der Reiter
muß fogleich abfteigen. Am öfterften hat der Nachtwächter diefen
Ritt getban, der immer vor dem Frühgeläute flattfindet, weil
nur bis zu diefem das Dorfthier, in welcher Geftalt es auch
ift, umherzuwandeln pflegt.
(Mitgetheilt von Bernhard Baader in „Mone's Anzeiger für Kunde ber
teutfhen Vorzeit,” Jahrg. 1837. ©. 305.)
Der verfabhrne*) Schüler.
In dem verfallenen Schloffe zu Weingarten bei Dur-
lach war vordem viel Geld vergraben, das zu gewiffen Zeiten
fi) aus dem Boden heraushob, jedoch von Niemand gewonnen
werden fonnte. Nun fam in den Ort zu einem Schuhmacher
ein verfahrener Schüler, das ift, ein Menſch, welcher, von feinen
Eltern dem Teufel verkauft, 7 Jahre in der Hölle Teufelskünſte
*) Volksausdruck für „fahrende.“
376 Durlacher Umgegend.
gelernt hat, alsdann an demſelben Platz, wo er hinunier ge⸗
fahren, auf die Erde zurückgekommen iſt, auf welcher er nie⸗
mals Mangel an Geld hat, jedoch keines für die Zukunft auf⸗
heben darf, ſondern jeden Tag alles rein ausgeben muß.“)
Dieſer Schüler begehrte von dem Schuhmacher eine Sauermilch
mit dem Rahm, und fragte, da er ſie gleich erhielt, ob nicht der
Schuhmacher einen zuverläſſigen Freund habe? Auf die Antwort,
daß der Nachbarsmann ein ſolcher ſei, ſagte der Schüler: „So
iſt's recht, denn es darf keine Falſchheit dabei ſeyn, wenn ich
Euch das viele Geld verſchaffen ſoll, welches im alten Schloß,
in einer Kiſte mit vier Handhaben, vergraben liegt. Geht alſo
am Abend, wenn die Betglocke läutet, miteinander unbeſchrieen
in das Schloß, und holt dort ſtillſchweigend einen Hafen voll
Erde, aber mit dem Aufhoͤren des Läutens muß eure Arbeit
gethan feyn. An dem Schag will und darf ich feinen Theil haben,
wenn ihr mir aber andres Geld geben wollt, laſſ' ich mir's
gefallen.” Nachdem der Schuhmacher die Sache feinem Nachbarn
eröffnet und biefer in alles gewilligt hatte, giengen beide am
Abend, wie es der Schüler vorgefhrieben, die Erbe zu holen,
waren aber doch ängſtlich, befonders da der Eine, als fie bie
Erde einfüllen wollten, an den Haaren in 'die Höhe gehoben
wurde, Sie ſahen jedoch nichts , ſprachen auch nicht8 , und brachten
die Erde glüdlih in das Haus des Nachbars, wo dann ber
Schüler in einer obern Stube feine Künfte anfing. Als er die⸗
selben in der zweiten Nacht fortfebte, brachten vier Männer,
welche Scharlachröde mit weißen Borten anhatten, hinter wel-
chen zwei weißgefleidete Frauen gingen, die Kifte. Sie nahmen
fie zwar wieder mit, jedoch in der dritten Nadıt hätten fie die= -
felbe wiederbringen und da laſſen müſſen, wenn fein Hinderniß
dazwifchen gefommen wäre. Nun aber hatte der Nachbar feine
alte Mutter bei ſich, welche glaubte, fie befäme nichts von dem
Geld. Daher ließ fie am nächflen Tag ihren Mann, der ale
Schäfer in Bretten lebte, herbeiholen, und erzählte ihm Alles,
was bisher gefchehen war. Diefer war wie gewöhnlich betruns
*) Diefe Definition iſt merkwürdig, und wohl von der gewöhnlichen Anfiht zu un,
terfcheiden. Ein fahrender Schüler ift nur ein Lanbftreiher, ein verfahrener ift aber verz
flucht und verdammt, d. h. er hat eine üble Fahrt gemacht, nämlich zum Teufel und in
die Höfe. Wir Haben diefe Borftellung nur noch in der Redensart „Todes verfahren,”
denn das ift auch eine üble Fahrt, von der man nicht zurüd kommt, (Mone).
Durlacher Umgegend. 377
fen, fing an zu toben und ſchrie: Der Schäfer ſei ein Betrüger,
den er zum Haus hinaus werfen wolle. Kaum hatte der Schüler
in der obern Stube dies gehört, fo nabm er den Hafen voll
Erde und gieng Damit weg. Der Schuhmacher und der Nach⸗
bar Tiefen ihm zwar bis an den Rhein nad, allein er ging
nad Speier in ein Klofter, dem er wahrfcheinlich den Schag
verfchafft hat: denn feitdem if er im Schloffe zu Weingarten
nicht wieber gefehen worden.
(Siehe Mone!8 „Anzeiger“ 1837.)
Das freigebige Erdmännlein.
Bu einem Bauer, welcher in ber ®egend von Weingar-
ten pflügte, kamen plöglich aus dem Boden ein Erbmännlein
und ein Erbweiblein, Legteres war feiner Entbindung nahe und
das Männlein bat den Bauer, aus dem Drie die Hebamme
berbeizubolen. Der weigerte ſich teffen und arbeitete fort, Tieß
fih aber auf des Männleins immer dringendere Bitten doch
enblich zu diefem Gange bewegen. Unterdeſſen kroch das ſchwan⸗
gere Weiblein wieder in den Boden, das Männlein jedoch
blieb da und wartete die Hebamme ab. Als diefe nun in Be⸗
gleitung des Bauers kam, führte er fie durch eine, vorher nicht
fihtbar gewordene, Deffnung in die Erde in eine Art von Kam-
mer, wo fie dem Weiblein bei feiner Niederkunft aufs Gefchid-
tefte beifland. Als man ihrer nicht mehr beburfte und fie fi
zum Kortgehn anſchickte, füllte das Männlein ihr zum Lohn
ihre Schürze mit dürrem Laub und rief, als fie während bes
Gehens einige Blätter davon verzettelte, ihr nach: fie möge
die Schürze doch feft zufammenhbalten nnd das Laub wohl in
Acht nehmen! — Berbrießlich erwieberte fie, daß fie Laubes
genug zu Haufe habe und nicht wiffe, was fie noch mit dieſem
anfangen folle, und ging ihres Weges. Zu der Oeffnung kaum
wieder herausgekommen, fand fie alles Laub, das fie noch in
der Schürze hatte, in eitel Gold verwandelt. *)
*) Vergl. mit diefer Sage die verwandte; „Mummelſee's Gefhent.” ©, 101 dieſ. Dos,
und unter den Gagen von der Klingellapelle im Deurgthal die auf Seite 289.
— —— Pb — — —
378 Durlacher Umgegend.
Erdmannskuchen.
Ein Mann von Weingarten hörte beim Pflügen, wie
die Erdmännlein im Boden eine Backmulde ausſcharrten. Da
rief er: „Ich will auch Kuchen!“ und ackerte fort bis ans Ende
des Feldes. Als er nach dem Umkehren wieder zu dem Platze
kam, worunter es geſcharrt hatte, fand er daſelbſt einen präch⸗
tigen halben Kuchen nebſt einem Meſſer liegen, und ließ es ſich
trefflich munden. |
(Beide obige Sagen aus Mone's „Anzeiger 2.” Yahrg. 1838.)
Sagen von der Barbarafirche bei Langen:
fteinbach. *)
1. Auf einem Hügel bei Tangenfteinbad Liegt im
Walde die längft verfallene St. Barbaraficche. Bor etlichen Jahr-
hunderten begann ein Ritter ihren Bau, mußte aber während
beffelben auf längere Zeit fort und befahl feiner zurüdbleibenden
Tochter, den Bau genau nach feinem Willen und Plane fort-
zuführen. Diefe achtete jedoch den Befehl nicht und ließ an der
Kirche mehr Fenfter anbringen, als ihr Vater gewollt hatte.
Darum wurde fie von demfelben, nach feiner Rüdfehr , in die
Kirche verwünfht, wo fie nun feit ihrem Tode bei den dort
vergrabenen Schägen umbergeht, und in ber ganzen Gegend
Die „weiße Frau” genannt wird.
2. Eine Bauersfrau von Spielberg, welde dem Got-
tesdienfte zu Langenſteinbach beigewohnt hatte, fah auf
dem Heimwege an ber Barbarafirche die weiße Frau; biefe
fagte zu ihr, fie ſolle mit ihr gehen, fie-fönne fie erlöfen
und daburd reich werben. Da die Bauersfrau dem Geifle
folgte, führte er fie in pas Gewölbe unter der Kirche, worin
zwei Kiften flanden, auf Deren einer eine Kröte, auf der andern
ein weißer Hund Iag. Hier gab ihr das Gefpenft eine Gerte in
die Hand und hieß fie Diefelbe umherfchwingen, aber Tein
Wort, felbft nicht den Namen Jeſus, dabei fprehen; es
wolle nun fortgehen, jeboch bald zurüdfommen und ihr die
Schlüffel zu den Kiften bringen. Als die Bauersfrau fich allein
u MWallfahrtsort nebft Mineralbabanftalt 2 Stunden von Durlad,
Durlacher Umgegend. 379
befand, fuhr ſie befohlenermaßen mit der Gerte im Kreis um⸗
her; da wurde der weiße Hund kohlſchwarz, worüber entſetzt
ſie ausrief „Ach Gott!“ Kaum war das Wort aus ihrem Munde,
fo fiel ſie ohnmächtig nieder. Bei ihrem Erwachen fand fie fi
oben in der Kirche unter dem Schwiebbogen liegend und vernahm
in der Luft ein Acchzen und Wehklagen, darunter die Worte:
„Wehe! nun muß ich noch lange leiden !” Dies jammern folgte
ihr ein paar Stunden lang nad, fo daß fie vor Angft nicht
wußte, was fie thun follte, und endlich ganz erfchöpft in das
Bad in Langenfteinbady Fam, wo fie ſich allmählig wieder er-
holte,
3. Im Frühling eines Schaltjahres ging ein unerwachſe⸗
nes Mädchen in die St. Barbarafirche, während ihr Vater
nebft einem andern Manne draußen beichäftigt waren. Da fah
fie Die weiße Trau aus dem Chore fommen. Diefe blieb dort
fiehben und winfte dem Mädchen mit einem Bft! zu ſich Hin.
Ihr Gefiht und ihre Hände waren fehneeweiß, ihre Augen und
zurüdgefchlagenen Haare rabenfhwarz; in der Hand, womit
fie winfte, hielt fie ein Sträußlein blauer Blumen, an der an⸗
bern hatte fie eine Menge goldener Ringe; fie trug ein weißes
Ueberfleid und darunter ein Gewand von berfelben Farbe, grüne
Schuhe und an der Seite einen großen Bund Schlüffel. Bon
Tobesfchreden ergriffen, Tief das Mädchen aus der Kirche und
holte die beiden Männer herein. Diefe konnten aber Die weiße
Frau nicht fehen und als fie fragten, wo biefelbe fey, deutete
das Mädchen hin, und fagte: „Dort!“ Da wandte die Frau
fih um, ihr Haar hing über den Rüden bis auf den Boden
und fie fehritt nach dem Chore zurück; das Mädchen aber fiel
in Ohnmacht. Als es wieder zu fih Fam, war die weiße Frau
verſchwunden und ließ fih, obwohl die Männer überall nad:
forſchten, nirgends mehr bliden.
A. Sn und bei der Kirche laſſen ſich öfters bei Nacht viele
Hunde, Kagen und Lichter von verfchiedenen Farben, wie auch
ein fohwarzer Mann ſehen; Schellen ertönen zuweilen darin,
und im Wald, der zunächft ber Kirche Tiegt, kann das Wild von
ben Kugeln der Jäger nicht getroffen werben. Schon mande
380 Durlageriimgegend.
Leute haben, um Gelb zu erhalten, die weiße Frau fleißig
aufgeſucht, jevoch vergebens, und als fie nach den vermutheten
Schägen gruben, rüdten diefelben in ber Erde fort. Bon
der Kirche fol fi ein unterirbifher Gang nad Ettlingen
ziehen, und von da weiter bis in das ehmalige Klofter Got⸗
tesaue.
GObige vier Sagen ©. in Mone's „Anzeiger ıc.” Jahrg. 1836.)
&t. Barbara.
Als teutfches Land noch ganz und gar
Mit wilden Heiden bevölfert war,
Da wohnt’ ein Fürft am Strom des Rheines,
Der hatt? ein Töchterlein, ein feines,
Um das mit heißem Herzverlangen . \
Biel wunderfühne Degen rangen;
Die Maid indeß, von Weltluft fern,
Diente dem Heiland, unferm Herrn,
Hielt aller Fürften Glanz gering,
Seit fie ein himmlifches Licht empfing.
Das blieb dem Vater unverborgen,
Und alfo ſprach er am Oftermorgen:
„Sag ab dem Gögen Jefu Chrift,.
Mit Leib und Seele zu diefer Frift,
Sonft will ich felbft dich fluchbeladen
In's Elend ftoßen fonder Gnaden!“
Die Maid fprach: „Nein.“ — „Sag’ ab, zur Stunde!
Sonſt ſoll im tiefften Kerfergrunde
Bei Kröt' und Molch' dein Wohnſitz ſeyn!“
Er ſprach's voll Grimm, die Maid ſprach: „Nein!“ —
„Sag’ ab, fonft fol am Hügel hier,
Beim Zürnen Odin's ſchwör' ich's dir,
Dein Blut vergießen diefer Stahl!" —
„Nein!“ Sprach die Maid zum Drittenmal.
„So ſtirb!“ — Der Wüthrich hat inmitten
Ten Tilienweißen Hals durchſchnitten,
Doch aus der Wunde fließt fein Blut;
381 Durlaheriimgegen.
Sie wallt, umftrahlt von Himmelsgluth,
Zum Kreuze, das im Thale fteht,
Schwingt fih zu Gott in frommem Gebet,
Derweil in regungslofem Grauen -
Die Heiden folches Wunder fchauen.
Erft als fie hat das Amen gefprocen,
Iſt heil das Blut hervorgebrochen;
Mit Lächeln ftarb fie feligen Tod.
Und fieh, des Blutſtroms dunfel Roth
Ward plöglich eine Wunderquelle,
Die filbern fleußt an jener Stelle.
Da ward des Volks ein großer Theil
Sofort befehrt zum ewigen Heil,
Und Pilger wallten von fern und nah,
Zum Kirdhlein der Sanct Barbara.
Wohl mancher Mann und manches Weib
Wuſch fih am Born den fiechen Leib,
Und haben fie Heilung dort empfahn,
Das hat Sanct Barbara gethan.
Eduard Brauer.
Der Stoff obiger Legende findet fih u. A. in des Karlsruher
Nectors Malſch „Noctes vacivae lucerna,“ t. I. p. 104. Die Heilige
fol fogar ihr abgehauenes Haupt, ohne den Kopf zu verlieren, ruhig
den Berg herab zur Duelle getragen haben; ein Wunder, welches
ſelbſt für die Poefie etwas zu ſtark if.
Die weiße Frau,
(Bei Langenfteinbady).
„Ein flüchtig Liedchen auf den Tippen,
Das Herz belebt von treuem Sinn,
So fahr’ ich zwiichen flarren Klippen
Keck durch des Lebens Brandung bin.”
So fingt er laut zum Saitenfpiele
In der ſmaragdnen Waldesnacht,
Wo er im heimlichen Afyle
Allein mit tiefer Sehnfucht wacht.
Den Wonnemond will er begrüßen,
Den jetzt gebiert des Jahres Schoos;
382 Durlaherlimgegen».
So zieht er hin auf Teichten Füßen
Und preift des Sängers felig Loos.
Die Sterne, fo im Morgenſcheine
Berbleichend ſchon hernieverjehn,
Die Blätter, fo im Buchenhaine
Bol Frühlingsfeier raufchend wehn,
Die Böglein, deren muntre Kehle
Die heitre Einfamfeit belebt, —
Es grüßt fie al’ aus voller Seele
Sein Lied, das durch die Saiten hebt.
Wie wohl ift ihm im Waldesichatten,
Der fhaurig-füge Ahnung hegt!
Drum floh er von den offnen Matten,
Wo fich zu laut dag Leben regt;
Und rüftig fördert er Die Schritte,
Denft an.die ferne, treue Braut,
Als plöslich in des Waldes Mitte
Er ein verfallnes Kirchlein ſchaut.
Und in den ernflen, grauen Zrümmern,
Um die fein Neb der Epheu ftridt,
Er in dem räthfelhaften Schimmern
Ein feltfam Frauenbild erblidt:
Ein Wefen, wie aus Duft gewoben,
Schwebt dur das Thor im Gottedhaug,
Und in der Rechten, hoch erhoben,
Winkt es mit einem Blumenftrauß."
Und zaudernd bleibt er laufchend ftehen,
Und flarrt mit Grau'n ind offne Thor;
Da fieht er's wieder glänzend wehen,
Und Töne Hingen in fein Ohr.
Wie träumend hlict er auf Die Schwelle,
Wo, angethan mit weißem Kleid,
Ihm Iodend ruft nach der Kapelle
Und mit dem Strauße winft die Maid.
„MWillkommen Knabe! holder Knabe!’ —
Singt fie mit fülberhellem Ton; —
Durladerlimgegend.
„Erlöſe mich aus meinem Grabe,
Und dic erwartet reicher Lohn!
Die Blumen, wie vom Thau fie glänzen,
Den noch der Sonnenftrahl nicht traf,
Sie follen deine Stirne fränzen,
Defreift du mich vom Zauberſchlaf!“ —
„Dich lüſtet's nicht nach deinem Kranze,
Nicht trüb’ er meines Herzens Ruh!
Mir winkt mit einem höhren Glanze
Ein Kranz der reinften Minne zu;
Behalte deiner Blumen Fülle,
‚Mir lacht ein bauernderes Glück;
Zieh? nur, entfagend, in die Hülle
Des Grabes wieder dich zurück!“
„Ach, ſchöner Knabe!“ — fang fie wieder —
„D wüßte du, was du verfchmähft !
Was trägt dir denn der Schag der Lieder,
Den rings du in die Lüfte far?
Arm ziehft du Doch dahin auf Erden!
Doch nimmft Die Blumen du von mir,
Wird jede zum Juwel dir werben,
Und Glanz und Ruhm fih häufen dir 1"
„O laß mich!“ rief er — „Solche Gaben
Sind's nicht, wonach mein Herz begehrt !
Am Frühlingsgold will ich mich laben,
Bom Gold ber Tiefen unbefchwert;
Der Than in Augen und in Blüthen
Iſt mir der Föftlichfte Demant,
Was wilft du mir noch Schäge bieten,
Der Tängft fich überreich genannt?” —
„„Trotzvoller Knabe, laß bir rathen!
Ein andres Kleinod dir noch blüht,
Um das in Liedern und in Thaten
. Manch’ edfer Ritter fi bemüht.
Tag führen dich zu einer Blume,
Die mandes Lebens Sonne war,
383
384 Durlacher Umgegend.
Komm, folge mir den Weg zum Ruhme,
Sonſt quält dich Reue immerdar!““ —
„Laß ab, Berführerin! wo Treue
Im Herzen unverwelfiich blüht,
Da niftet nie fi) mehr die Neue,
Die leere Herzen nur durchglüht.
Fahr wohl! nicht deine bunten Steine
Begehr' ich, noch dein Gold fo Licht!
Frei laß mich ziehn durch meine Haine!
Reich if, wen Treue Kränze flicht.“ —
Sie fteht ihn raſch von binnen fcheiden,
Und feufzt, verweh’nd in leifen Duft:
„Auf's Neue muß id wieder leiden
Auf fieben Jahr? in Fühler Gruft!’ —
Er aber fteigt hinab zu Thale,
Die Seele jauchzt, die Saite tönt,
Und laut erfhallt im Morgenftrahle
Der Sang, der alle Schäte höhnt:
„Ein flüchtig Liedchen auf den Lippen,
Das Herz belebt von treuem Sinn,
Sp fahr ih unter Sturm und Klippen
Keck dur des Lebens Brandung hin!”
Wilh. v. Ehesy.
Der Rothacdergeiit und der wilde Jäger.
Wo man von Hochſtetten nah Tiedolsheim geht,
liegt rechts an der Straße der „rothe Ader” und eine Ziegelhütte
darauf. Ein Fußpfad führt über den rothen Ader, und wo er
an die Wiefen grenzt, da fleben zwei Rickel, *) die man über-
fihreitet, und die das Vieh vom Ader abhalten. Auf dem rothen.
Ader geht ein Geiſt, der oft als ein fchwarzer Mann auf dem
Rickel fist. Dort hat er ſchon einem Mädchen einen Korb Wälfch«
forn aufgeholfen, fie bat ihn aber an den Pferbefüßen erkannt
und ift ganz verflört nad Haus gefommen. Auch haben ihn
Andere gefehen, wie er auf dem Ridel faß und Funken von
*, Eine Art Schranten aus Baumflämmen,
Durladerlimgegenv. 385
fih fprühte, und wieder Andere, wie er dort ganz lichterloh
brannte. Einige Leute fahen ihn einft bei Nacht als einen ſchwar⸗
zen Mann am Wege und mußten ihm ausweichen, aber er
ging ihnen immer zur Seite, fo daß fie bis in den Wald,
bie lange Hede, fi) verirrten, und erft morgens wieder auf
den Weg kamen. Niemand weiß, wo der Rothadergeift feinen
Urfprung hat und was fein Wefen ifl. In der Iangen Hede,
nicht weit vom rothen Ader, jagt manchmal der wilde Jäger;
man hört die Yagdhörner und das Hundegebell oft ganze
Nächte hindurch.
(Siehe Mone's „Anzeiger 20.” 1834.)
Qunfer Marten und der wilde Jäger.
or dem Dorfe Singen geht bie Schloßbrücke über die
Pfinz auf die Wieſen; fie heißt fo, weil dort im Thale das
Schloß des Junkers Marten fland. Wo der Weg Tinte
hinein nah Königsbach geht, da war einft eine Gnaden⸗
fapelle zu unferer lieben Frauen zur Ad, die aber jetzt abge—
riffen ift. In diefer Kirche ag der Srabftein des Junkers Mar:
ten, worauf er in Lebensgröße ausgehauen iſt.“) Diefen Stein
ließ der Schulz von Wilferdingen in fein Dorf führen,
als die Kapelle abgebrochen wurde. Sp wie Jener auf dem Steine
ſteht, fo erfcheint er den Leuten Nachts im Bahnwald bei Sin-
gen mit Hunden auf der Jagd und macht einen großen Lärmen.
Er hat Manchen ſchon erfchredt, und einen Mann, der ihn be⸗
Veidigte, in die Pfinz geworfen,
-*) Der Grabflein des Junkers Marten Scheint nicht mehr vorhanden;
man findet ihn zu Wilferdingen jeder in der Kirche noch auf dem
Kicchhofe. Als Zeugniß der Verbreitung der Sage vom wilden Jäger
bemerfe ih, daß er zum Gefchledhtsnamen wurde. „Wolf Wilden
jägers Erben“ zu Sandhaufen bei Heidelberg kommen in dem Schö⸗
nauer Gefällbuch von 1670, BI 117, vor.
Mone,
(Siege Mone!8 „Anzeiger 20.” 1834, \
—— I 1—
II. 25
Pforzheim
und Umgegend.
SD6E0
Das von den Juden getödtete Mägdlein.
Im Jahr 1267 war zu Pforzheim eine alte Frau, die
verkaufte den Juden aus Geldgier ein unſchuldiges, ſiebenjähri⸗
ges Mädchen. Die Juden ſtopften ihm den Mund, daß es
nicht ſchreien konnte, ſchnitten ihm die Adern auf und umwan⸗
‚den es, um fein Blut aufzufangen, mit Tüchern. Das arme
Kind ftarb bald unter der Marter und fie warfen es in die
*) M. Jakob Friſchlin, ehmaliger Theologe zu Bahlingen, ale
Sefchichtfchreiber rühmlichſt befannt, behauptet Folgendes :
Im Jahr 2900 nah Erfchaffung der Welt haben fi} Grunnius
und Phorcis, vom Stamme des Aeneas Sylvius, in ber Gegend des
Schwarzwalds niedergelaffen. Grunnius baute Öryningen, und
Phoreis die Stadt Pfortzheim an der Entz, welde Stadt durch
Attila, der Hunnen König, (um's Jahr 450 nad) Chr. ©.) nebft an-
deren Städten gefchleift wurde, Emmerich, (ein geborner Franke,
Gouverneur in Allemanien und vormaliger Connetable des Fränfifchen
Königs Clodovicus, fo wie auch der erfte Herr zu Beutelsbach)
habe die Stadt Pforzheim aber im Jahr 510 wieder aufgebaut.”
(Siehe M. Yalob Friſchlin's „Hiftorifche Befchreibung bes Landes Würtemberg
vom Jahr 1614. 2, Theil, Ferner; Gehres „Heine Chronik von Pforze
beim.” ©&,.10.)
Die wahrfcheinlichfte Ableitung des Namens Pforzheim if vie
von Porta Hercyniae : „das Schlußthor des Schwarzwalds,“ wie bie
Gegend unter den Römern benannt wurde.
Pforzheim und Umgegend. 387
. Enz, eine Laft von Steinen obendrauf. Nah wenig Tagen
rechte Margarethen ihr Hänblein über dem fließenden Waſſer
in bie Höhe; das fahen die Fiſcher und entſetzten ſich; bald
Tief das Volk zufammen und auch der Markgraf eilte herbei.
Es gelang den Sciffern, das Kind heraus zu ziehen, das noch
Yebte, aber, nachdem es Rache über feine Mörder gerufen, den
Geift aufgab. Der Argwohn traf die Juden; alle wurden zu⸗
.fammengefordert und wie fie dem Leichnam nahten, floß aus
deffen offenen Wunden das Blut firommeife, Die Juden und
auch das alte Weib befannten die Unthat und wurden hinge⸗
richtet. Beim Eingang der Schloßfirde zu Pforzheim, da,
wo man die Glockenſeile zum Geläute zieht, fleht der Sarg des
Kindes mit einer Inſchrift. *) Unter der Scifferzunft hat ſich
von Kind zu Kind einflimmig die Sage fortgepflanzt, daß da-
mals der Markgraf ihren Vorfahren zur Belohnung die Wacht:
freiheit, „fo lang Sonne und Mond leuchten,’ in der Stadt
Pforzheim und zugleich das Vorrecht verliehen habe, daß alle
Jahre am Faſtnachtsmarkte vierundzwanzig Schiffer mit Waffen
und Hingendem Spiel aufziehen und an diefem Tage Stadt
und Markt allein bewachen follten. Dies gilt noch heutigen
Tage.
(Siehe Grimm's „teutfhhe Sagen,” Berlin, 1816, Eher Band. S. 456. Bergl.
auch Gehres; „Pforzheimer Chronik.“ ©, 18 — 24,
*) In der Schloßkirche zu Pforzheim befindet fich links beim Ein⸗
gange, da wo man die Glockenſeile zum Gebete zieht, auf einer flei«
nernen Grabplatie folgende Infchrift:
Margaretha A Judaeis Occisa
Ob. Feliciter Anno Dom.
MCCLXVII, Cal. Jul. Fer. VI.
auf teutfh: Margaretha, von den Juden ermordet, flarb felig ben
1. Zufi 1367.
Die vierhundert Pforzheimer.
1622.
Georg von Baden zog zum Streit
In blut'ger, unheilvoller Zeit,
Bor TilLy's wilden Schaaren
Sein Vaterland zu wahren.
25*
388
Pforzheim und Umgegend.
Dem Herrfcherftab, dem Fürftenhut
Entfagt der Fürft mit keckem Muth,
Und fpricht zu feinem Sohne:
„Sit du auf meinem Throne!
„Mich ruft zum Kampf die höh’re Pflicht,
Die Noth ift groß! Hilft Gott und nicht,
Wird und das Schwert bevehren.
In Luther's reinen Lehren.
„Doch ferne fey mird, Mord und Brand
Zu Inden in mein friedlich Land!
Ich will das Schwert erfaflen
Und dir das Scepter Laffen.
„Nimm's hin, mein Sohn, und trag’ es weiß
Zu deines Volks und Gottes Preis:
Des heil'gen Nechts Beſchützer,
Der Schwachheit Unterftüger!”
Er ſprach's und ſchwang fih auf fein Roß:
„Leb wohl, du meiner Ahnen Schloß!” —
Biel heiße Thränen rannen,
Doc raſtlos gings von dannen.
Da half fein Rath, Fein warnend Wort,
Ein blind Verlangen trieb ihn fort,
Wie einft in beffern Zeiten,
In offner Schlacht zu flreiten.
„Der Feigling fucht den Hinterhalt,
Ich trau’ auf meines Arm Gewalt!
Sp rief er, — „Kühn Beginnen
Muß uns den Sieg gewinnen!"
Und unaufhaltfam rüdt er vor,
Und trifft den Feind vor Wimpfen’s Thor:
Biel Taufend’ wohl gerüftet, .
Die all des Kampfes gelüflet.
Pforzheim und Umgegend. 389
Die Trommel ruft, das Schwert wird bloß,
Wie Blite folgen Hieb und Stoß,
Es donnern die Kanonen,
Die Freund und Feind nicht ſchonen.
Und Mander flürzt’, und Mander fant,
Und mander Kämpe fterben: frant
Hat fchmeren Tod gelitten,
Denn blutig warb geftritten.
Es flah der Sonne heißer Brand
Den Fürften, der im Freien fland;
Doch fühles Obdach hatten
Die Feind’ im Waldesſchatten.
Da hat gar mander Held geklagt;
Der Marfgraf flreitet unverzagt,
Und Mander muß erbleichen
Bor feines Armes Streichen.
Doc fieh! welch ſchwarzer Höllendampf
Steigt dort empor und flört den Kampf?
Horcht wie es Fracht und wettert,
Und Alles rings zerfchmettert !
Des Fürften Heer wird ſchnell zerfprengt,
Und Herrn und Knechte fliehn vermengt;
Ein Schredensruf verkündet :
Das Pulver ift entzündet !
Umfonft war Bitte, Mahnung, Droh’n,
Sp Muth ald Ordnung war entflobn;
Doch focht, vom Feind umgeben,
Der Marfgraf für fein Leben.
Nun fpist das Ohr und hört die That,
Die nirgends ihres Gleichen hat,
Bernehmt fie, und bewundert
Bon Pforzheim die Vierhundert !
390° Pforzheim und Umgegend.
Ein Häuflein Flein, doch edler Art,
Hat um den Fürften ſich gefchaart,
Aus jener Stadt gebürtig,
Des Schwabenlandes würdig.
Sie flanden vor dem-Fürften dicht,
Wie Säulen feft, und wanften nicht,
Sein theured Haupt zu retten
Aus ew’ger Knechtichaft Ketten.
Und Mander flürzt’ und Mancher fant,
Das Blut der treuften Herzen tranf
Der nimmerfatte Boden,
Ein weites Feld von Todten.
Sie fämpften, bis der Lebte blieb —
O weinet nicht, ihr Mütter Tieb !
Der Ruhm von euern Söhnen
Wird alles Land durchtönen !
So ward der edle Fürft befreit
Durch feiner Bürger Tapferkeit;
Denn Lieb’ ift beßre Wehre,
Als Furcht und fleh’nde Heere.
Und ihr, ihr Herren eblen Bluts,
Degebt euch eures folgen Muths,
Und ehret und bewuntert
Bon Pforzheim die VBierhundert!
Eduard Brauer,
Biel gerühmt in gebundener und ungebundener Rede, neuerlich
wohl auch bezweifelt und befritielt, wurbe bie glorreiche That der vier⸗
hundert Pforzheimer. Nicht Jeder mag in unferer nüchternen Zeit
den hohen Geift begreifen, der diefe That erzeugte. Daß nicht gerade
vierhundert Bürger aus der Stadt Pforzheim die Heldenfhaar bil-
beten, welche fich für ihren Fürften aufopferten, vielmehr „das weiße
Regiment“ auch viele Angehörige ber umliegenden anderen Baden⸗Dur⸗
lachiſchen Orte in ſich faffen mochte, läßt fich Leicht denfen, aber auch
Ieicht erklären, da ber Name ber Stadt Pforzheim bei weitem der be»
Tanntefle war, und die Erneftinifche Linie die Pforzheimer genannt
wurde. Der Kern der Sage wird immerhin als eine wahre Begeben-
Pforzheim und Umgegend. .391°
heit zu betrachten ſeyn, und dieſe Begebenheit ihre richtige Erffärung
und Würdigung finden, wenn man ben Geift der weifen, väterlichen
Regierung, wodurd fi die Kürften des Zähringer Stammes von An⸗
fang fo vortheilhaft auszeichneten, und die Hiedurch begründete Gefin-
nung des Badifchen Volkes, fowie auch insbefondere die Perſönlichkeit
Georg Friedrich's in's Auge faßt. Daß ganz gleichzeitige Schriften
des Borganges nicht erwähnen, ift in der That ein Gegengrund von
fehe Teichtem Gewicht. Wie viele der Aufzeichnung würdige Züge
mögen im Getümmel bes breißigfährigen biutigen Glaubenskampfes
überfehen worden feyn! Im Jahr 1622 fand die Schlacht bei Wimpfen
ftatt; dag Theatrum europaeum, Thl. I. Seite 627, (erſchienen im Jahr
1662 die Borreve und Dedication M. Merian’s trägt die Jahres⸗
aahl 1634); erzählt das MWefentlihe der Begebenheit, und ebenfo das
mehrerwähnte Werk: „Der durchl. Fürften und Markgrafen von Baden
Leben, Regierung u. f. w.” vom Sahr 1695.
Vergl. auch Bader, „Badiſche Landesgefhichte,” S. 504.
In der intereffanten Schloßlirche zu Pforzheim, unter welcher bie
Gruft der Baden⸗Durlachiſchen Fürſten fich befindet, hat ver regierende
Großherzog den vierhundert Pforgheimern ein würdiges Denfmal errichtet.
In diefer Kirche wird auch noch die Zelle des berühmten Pforz⸗
heimer Gelehrten Reuchlin gezeigt.
(Siehe Ed. Brauers „Sagen von Baben ⁊c.“)
Die Pforzheimer Bürger.
An des Neckarſtroms Geſtade
Zog gen Wimpfen ſeine Pfade
Baden⸗Durlach's kleines Heer;
Und es ſchwangen in der Rechten,
Für das Lutherthum zu fechten,
Hoch die Krieger ihre Wehr.
Plötzlich dringt es durch die Reihen:
„Tilly naht mit ſtarker Macht!“
Und es ordnet jeder Führer
Seine Schaar zur heißen Schlacht.
Eine wetterfchwangre Wolfe,
Braußt mit feinem wilden Volke
Tilly fürchterlich heran;
Und fo weit die Augen fchauen,
Zeigen indes Landes Auen
392
Dforspeim und Umgegenb.
Feuerfäulen feine Bahn;
Markgraf Friedrich ruft im Grimme:
„Seht des Baterlandes Schmadh !
Tapfre, folgt mir, es zu retten,
In das Schlachtgetümmel nad !"
Und er jagt auf ftarfem Roſſe
In den Hagel der Gefchoffe,
Den der Feind entgegen fehidt.
Löwenmuthig fprengt zum Streite
Weimars Fürft an feiner Seite, *)
Hoch fein ſcharfes Schwert gezüdt.
Und wer ift, in weißen Röcken,
Dort die auserwählte Schaar,
Die den beiden tapfern Fürften
Folgt in jegliche Gefahr?
Wo der Nagold fanfte Wellen
Und die Würm den Enzfluß fohwellen,
Liegt ein Städtchen wohlgebaut ; **)
Dorther ſtammen jene Steeiter,
Die, als Friederichs Begleiter,
Euer Bli verwundert fchaut.
Da des Fürften Ruf erfhollen:
„Glauben gilts und Baterland !“
Legten fie die Weberfpule
Aus der Funftgeübten Hand,
Wie geprüfte Heldenfchaaren
Trotzten fie der Schlacht Gefahren
est mit frommem teutfchen Muth;
Unter ihres Schwertes Streichen
Thürmten Berge fih von Leichen,
x**) Mforzheim.
*) Herzog Wilhelm, der fib mit feinem Bruder Johann
Ernſt in der Schlacht bei Prag (1620) tapfer hervorgetfan und
(1621) dem Grafen von Mans feld 3000 Fußgänger und 600 Reiter
(unter diefen feinen jüngften Bruder Bernhard als Rittmeiſter) zu-
geführt Hatte.
Hforzpeim und Umgegend.
Und der Boden ſchwamm in Blut.
Schon verläßt des Kaifers Fahnen
Fliehend das Hispan’iche Heer,
Und zerftreuet auf ber Fläche
Furchtbar heulend fid, umber.
Aehnlich hochempörten Bächen
In der Feinde Linien brechen
Baden-Durlach's Schaaren ein,
Und die muthentſeelten Glieder
Stürzen wild ſie vor ſich nieder
Mit der Waffen Wetterſchein.
Wie auch Tilly’s Stimme tobet,
„Halt!“ den Fliehenden gebeut,
Seine ungezählten Rotten
Sind wie Spreu vom Sturm zerſtreut.
Und wie mit des Sturmes Flügel,
Flogen über Berg und Hügel
Ihnen Durlach's Krieger nad).
Da ertönt in ihrem Rüden,
Als zerbörft? ein Berg in Stüden,
Tiefbetäubendes Gekrach;
Unvermerfet fanf im Kampfe
Einer Kugel Feuerball
In den Kreis der Pulverwagen,
Zündend dort in feinem Sal. ,
Und des Tages Ticht verhüllet
Und den reinen Aether füllet,
Athem raubend, Pulvernadt,
Während rund von bangem Stöhnen
Fluren, Thal und Hügel dröhnen,
Und der Eichen Waldung Fracht.
Zaufend Tapfre find zerfihmettert,
Wälzen fi) in ihrem Blut,
Wer ed noch vermag, entfliehet
Schleunig mit gefunfnem Muth.
393
394
Pforzheim und Umgegend.
Bon den Dampfummwogten Höhen
Sieht man Feindes Fahnen wehen,
Und Berderben Allen droh’n.
In das Schlachigefilde nieder
Führet feine Rotten wieder
Der gewalt’ge Tilly ſchon,
Rufend mit Commandoftimme :
„Jaget nach dem Ketzerheer!
Und wen ihr erreicht, dem ftoßet
Durch den Körper Schwert und Speer!”
Alfo folgt im rafchen Fluge
Mordend er dem flücht’gen Zuge,
Bis er Durlach felbft gewahrt;
Wähnend ihn in feinen Händen,
Denkt fein Teben er zu enden
Auf entſetzensvolle Art.
Aber unvermuthet ftürzet
Wohlgeordnet Mann zu Dann,
Durlach treuer weißer Haufen
Gegen Tilly’s Schlachtheer an.
Tilly flaunet. „Kommt zum Heere
Ferdinando's!“ — ruft er — „Ehre
Schmüdt euch bier im höchften Grad,
Wenn zu eurem Keberfürften,
Welchen wir zu fahen dürften,
Ihr geöffnet ung den Pfad! —
Doc vergebens! AN erwiedern:
„Eher Tod dur Feindeshand,
Als Verrath dem theuern Fürften
Und dem lieben Vaterland !“'
Tilly drauf: „Ihr wollt Verderben?
Nun, ſo ſollt ihr Alle ſterben,
Eh gelingt des Fürſten Flucht!“
Und mit ſeinem ganzen Heere,
Gleich dem hochempörten Meere,
Das den Fels zu ſtürzen ſucht,
Pforzbeimund imgegend. 395
Stürmt er auf den fühnen Haufen,
Welcher unerfchüttert ftebt,
Ob auch mancher feiner Helden
Offnem Tod entgegen gebt.
Tief im Innerften beweget
Ruft von Neuem Tilly: „Leget
Eure Waffen vor mid hin!“
Aber Deimling: „Magſt fie holen!’
Mit ihm äußern, unbefohlen,
Ale Bürger gleichen Sinn,
Und erfechtend ihres Fürften
. Rettung mit der Väter Muth,
Fallen Mann für Mann, fie Alte,
Hohumftrömt von Feinded Blut.
Abolf Bube.
Die Heldenthat der vierhundert Pforzheimer ift auch in einem
größeren Gedichte gefelert, betitelt: „Die Schlacht bei Wimpfen,- ein
vaterländifhes Heldenlied von Karl Fernand, evangelifch » proteft.
Pfarrer in Egringen. (Karlsrufe, 1838. Berlag des artift. Inſti⸗
tuts.) Einen Auszug daraus theilt Baader in feinen "Sagen der
Dfalz, der Bergfiraße und des Odenwaldes“ mit. (S. 194—220.)
Eine andere poetifhe Bearbeitung deſſelben Stoffes von Anton
Dietrich findet fih im Stuttg. Morgenblatt Nr. 123. Mai 1822.
Triumphzug Eindlicher Liebe,
Am dreißigjährigen Krieg, als unfer armes Teutfchland
von der Nordfee bis an die Donau, vom Rhein bis an den
Böhmerwald blutig zerfleifcht und ſchrecklich verheert wurde,
und der eine Theil für Luther und des Evangeliums Predigt,
der andere für den Papft und die Meffe, mit heißem Eifer
fämpfte und Gut und Blut opferte, und die Kriegsfchanren, zu
jeder Zeit fchrediich, aber Damals ganz zügellos und verwilbert,
auf beiden Eeiten unerhörte Greuel verübten, geſchah es, daß
nach der Nörblinger Schlacht Anno 1635, wo die Schweden
und die Eyangelifchen gefchlagen wurden, in Würtemberg und
Daden- Durlach, zuerft die Fürften, dann auch die Unterthanen
die Flucht ergriffen, meiftens nad Straßburg und auf bie
andere Rheinfeite. ine gut evangelifche Stadt war Pfor z⸗
beim, der Geburtsort Reuchlins, der zuerft ein helles Licht
396 Pforzheim und Umgegenv.
in Teutfchland angezündet hatte, und der Ort der Schule und
Bildung Melanchton's von Bretten, bed gelehrten und
fanften Freundes Luther’, des Lehrers Teutſchlands, der auch
von den Katholifchen hochgeachtet wird. Dort floh auch Alles,
befonders als man hörte, wie in Schwaben und im Würtem-
bergifchen ed manchen Stäbten gegangen war; wie dort bie
Kroaten und Panduren und Spanier gehauft, Alles geplün-
dert, gebrannt und alle Greuel verübt hatten, auch in fol-
hen Orten, die fich mit Accord übergeben. Da dachte auch
Markgraf Ernft Friedrichs wohlbeftallter Amtskeller zu Pforz-
heim, Herr Maler, fi mit einigen wichtigen Schriften feines
Fürften auf Die Rheinſeite zu retten. Seine alte Mutter aber frug
er, ob fie nicht bleiben und das Haus bewahren wolle, fo viel
möglich ; vor ihrem Alter, hoffte er, würden auch die rohen Eol-
baten Ehrfurdt haben. Sie aber erfchrad ob diefer Zumu⸗
thung und flebte ihren Sohn dringend an, ihr hülflos Alter
nicht der blinden Wuth erbitterter Feinde ihres Glaubens preis
zu geben. Nun fuchte der Amtöfeller Pferde berbeizufchaffen,
aber in der ganzen Stadt und Gegend war fein Zugvieh
aufzutreiben. Da lud er feine wichtigflen Schriften auf ein
Feines Wägelein, auf dem man auch fonft ſchon in der Stadt
Aften und andere Sachen hin und her gefahren hatte, fette
- feine alte Mutter auch darauf, und er und feine Geſchwi⸗
fter fpannten fi) davor und zogen die gute Mutter fort an den
Rhein, wo fie ein Schiff fanden, und drüben weiter zogen
bis nad Landau. Wo fie Durchfamen und noch Einwohner an⸗
trafen, betrachtete man den frommen Zug mit Bewunderung und
Rührung, und fo nahm man ihn aud in Landau auf; wer es ſah,
wer es hörte, Kathol ſche wie Evangelifhe, yrieß als vom
Himmel gefegnet ſolche Kinder, prieß glüdlih, wenn fie auch
fonft Alles verloren, eine ſolche Mutter. Ihr Segen, der Segen
ber geretteten frommen Mutter, ruhte auf diefen ebeln Kindern,
und ruht auf ihrem noch in unferm Tagen blühenden Ge⸗
ſchlecht.
2.98.
Diefe rüprende Sage hat Sach's in feiner »Sefhichte der Mark⸗
graffhaft Baden“ (Bd. 4. S. 543) aufbewahrt. Siehe auch 3. Ba-
Porzheimund Umgegend. 397
der's „Badifhe Landesgeſchichte“ ©. 518. — Kaspar Maler, Ba-
diſcher Amtsteller und Landfchaftsfchreiber, lebte von 1580—1648.
Eduard Brauer, in feinen „Sagen und Geſchichten der Stadt
Baden und Umgegend 2c.. (Seite 148) hat diefe Kindesliebe poetifch
gefeiert.
Die Peſt in Pforzheim.
Welch Lärmen, welch Gebränge
Stört Pforzheim's Morgenrub’ ?
Was treibt in bunter Menge
Das Volk dem Rathhaus zu?
D wär ed nie gefprocden
Das ſchauervolle Wort :
„Die Peſt ift ausgebrochen !”
Sp tönt von Drt zu Drt.
Heute roth,
Morgen tobt —
Hilf uns Herr, in der legten Noth!
Und wer noch wandelt im goldenen Licht,
Gedenke des Todes, der Chriftenpflicht!
D Leid! in jedem Haufe
Kehrt Klag’ und Jammer ein;
Die Würgerin, die graufe,
Berfchont nicht Groß und Rlein;
Das Kind, den Fräft’gen Gatten,
Das Weib im Schönheitsglanz,
Den Greis, den altersmatten,
Die Braut im Myrthenkranz.
Heute voth,
Morgen todt —
Hilf ung, Herr, in der lebten Noth!
Und wer noch wandelt im goldenen Licht,
Gedenke des Todes, der Ehriftenpflicht !
Verödet ſtehn die Straßen,
Es ſchweigt der Arbeit Schall,
398
Pforzheim und Umgegend.
Des Hirten muntres Blaſen,
Geſang und Peitſchenknall;
Die Sterbglock' hört man hallen,
Der Nonnen Klagepſalm,
Viel hundert Opfer fallen
Jach wie des Graſes Halm.
Heute roth,
Morgen todt —
Hilf uns Herr, in der letzten Noth!
Und wer noch wandelt im goldenen Licht,
Gedenke des Todes, der Chriſtenpflicht!
Der Kirchhof wird zu enge,
Er ſträubt ſich mehr und mehr,
Der Todten ſchwere Menge
Zu faſſen nach Begehr;
Am Wege, vor den Thüren
Häuft ſich der Leichen Zahl;
Kein Menſch will ſie berühren,
Es ſteigt die Angſt und Qual.
Heute roth,
Morgen todt —
Hilf uns, Herr, in der letzten Noth!
Und wer noch wandelt im goldenen Licht,
Gedenfe des Todes, der Chriſtenpflicht!
Der Bruder flieht Die Schweiter,
Den Hausherren das Geſind,
Den Freund der Freund, fein befter,
Die Mutter felbft ihr Kind.
Gefprengt find alle Bande
Der Sitte, der Natur;
Wer übt noh Macht im Lande?
Die Peft ift Herrin nur!
Heute roth,
Morgen tobt —
Hilf ung, Herr, in der Testen Noth!
Und wer noch wandelt im goldenen Licht,
Gedenfe des Todes, der Chriftenpflicht !
Pforspeimundiimgegend. 399
Derweil nun peflgepeinigt
Die Stadt voll Jammers war,
Hat Rathes ſich vereinigt
Bon Bürgern eine Schaar,
Und glaubensftarf gefchloffen
Den edlen Singerbund;
Biel wahre Gildgenoffen
Gelobten ſich's zur Stund’:
„Was euch droht,
Qual und Tod,
Laßt uns lindern der Kranken Noth,
Und wer noch wandelt im goldenen Licht,
Er üb' an dem Todten die Chriſtenpflicht!“
So führten ſie mit Singen
Ihr Amt der Stadt zum Heil,
So Hohen als Geringen
Ward Hülf' und Troſt zu Theil;
Die Lieb' und Treue kehrte
Zurück ins Thal der Enz,
Und Gott im Himmel wehrte
Dem Grimm der Peſtilenz.
Heute roth,
Morgen todt — |
Hilf dem Näcften nad Gottes Gebot!
Wer weiß, wann die Noth in’d Haus dir bricht!
Gedenfe ded Todes, der Chriftenpflicht !
Eduarb Brauer,
Obiges Gedicht lehnt fih im Weſentlichen an bie Geſchichte an.
Sm Jahr 1501, als die Peſt in Pforzheim Grauen und Jammer ver«
breitete, trat eine Anzahl hochherziger Männer als Todtengeſellſchaft
(Singergefelfchaft) zuſammen, um Jedem in Noth und Tod beizuftehen,
dem Erkrankten unentgeldlich Hülfe, dem Entfchlafenen Ruhe im Grabe
zu verfchaffen. Den Namen Singer erhielten die Theilnehmer wahr-
ſcheinlich deßhalb, weit fie die Todten mit Eang und Klang zu Grab
geleiteten. Noch beftept bie Löbliche Singergefellfchaft, freilich nach den
Zeitumfländen verändert. D. O.
398
Pforzbheimund Umgegend.
Des Hirten muntres Blaſen,
Geſang und Peitſchenknall;
Die Sterbglock' hört man hallen,
Der Nonnen Klagepſalm,
Viel hundert Opfer fallen
Jach wie des Graſes Halm.
Heute roth,
Morgen todt —
Hilf uns Herr, in der letzten Noth!
Und wer noch wandelt im goldenen Licht,
Gedenke des Todes, der Chriſtenpflicht!
Der Kirchhof wird zu enge,
Er ſträubt ſich mehr und mehr,
Der Todten ſchwere Menge
Zu faſſen nach Begehr;
Am Wege, vor den Thüren
Häuft ſich der Leichen Zahl;
Kein Menſch will ſie berühren,
Es ſteigt die Angſt und Qual.
Heute roth,
Morgen todt —
Hilf uns, Herr, in der letzten Noth!
Und wer noch wandelt im goldenen Licht,
Gedenke des Todes, der Chriſtenpflicht!
Der Bruder flieht die Schweſter,
Den Hausherrn das Geſind,
Den Freund der Freund, ſein beſter,
Die Mutter ſelbſt ihr Kind.
Geſprengt ſind alle Bande
Der Sitte, der Natur; |
Wer übt noh Macht im Lande? |
Die Peft ift Herrin nur! |
Heute roth,
Morgen todt —
Hilf uns, Herr, in der letzten Noth!
Und wer noch wandelt im goldenen Licht,
Gedenke des Todes, der Chriftenpflicht !
Pforzheim und Umgegend. 399
Derweil nun peſtgepeinigt
Die Stadt voll Jammers war,
Hat Rathes ſich vereinigt
Von Bürgern eine Schaar,
Und glaubensſtark geſchloſſen
Den edlen Singerbund;
Viel wakre Gildgenoſſen
Gelobten ſich's zur Stund':
„Was euch droht,
Qual und Tod,
Laßt uns lindern der Kranken Noth,
Und wer noch wandelt im goldenen Licht,
Er üb' an dem Todten die Chriſtenpflicht!“
So führten ſie mit Singen
Ihr Amt der Stadt zum Heil,
So Hohen als Geringen
Ward Hülf' und Troſt zu Theil;
Die Lieb' und Treue kehrte
Zurück ins Thal der Enz,
Und Gott im Himmel wehrte
Dem Grimm der Peſtilenz.
Heute roth,
Morgen todt —
Hilf dem Nächſten nach Gottes Gebot!
Wer weiß, wann die Noth in's Haus dir bricht!
Gedenke des Todes, der Chriſtenpflicht!
Eduard Brauer,
Obiges Gedicht lehnt fih im Weſentlichen an die Geſchichte an.
Im Jahr 1501, als die Per in Pforzheim Grauen und Jammer ver-
breitete, trat eine Anzahl hochherziger Männer als Zodtengefelifchaft
(Singergefelifchaft) zufammen, um Jedem in Noth und Tod beizuftehen,
dem Erkrankten unentgeldlich Hülfe, dem Entſchlafenen Ruhe im Grabe
zu verfchaffen. Den Namen Singer erhielten bie Theilnehmer wahr⸗
ſcheinlich deßhalb, weil fie die Todten mit Eang und Klang zu Grab
geleiteten. Noch befteht die Löbliche Singergefellfchaft, freilich nach den
Zeitumftänden verändert. DD.
402 Pforzheim und imgegend.
Als er den Schulzen einſt getraut
Bor Schöften, Bettern, Muhmen, Bafen:
War, wie zum Hohn, der jungen Braut
Das Kränzlein flugs hinweg geblafen.
Wie oft der Schabernad gefchah,
Ich weiß es wahrlich nicht zu fagen;
Die Zauberer famen von fern und nah,
Das Blaſerle hinweg zu jagen.
Es blies, es blies bei Tag und Nacht, —
Die Bauern mußten mandes Späßchen, —
Bis fih der Pfarr in's Haus gebracht
Die flinkite Maid, fein muntres Bäschen.
Die nahm’3 mit allen Geiftern auf,!
Flog durch das Haus, treppauf, treppnieder —
Das Blaferle warb ſtill hierauf
Und plagte nie den Pfarrer wieder.
A. Nobnagel.
(Vergl. Mone's „Anzeiger“ 1834. (Bech ſt ein) „Sagen,“ M. Bd. S. 100, erzählt,
daß ſich ein fleißiger Hausgeiſt vertreiben ließ, indem der Hausbefitzer ihm einen
eigenthümlichen Ton nachaͤffte.
Die Nonnen zu Weiſtenſtein.
Zu Weißenftein bei Pforzheim fland vor alter Zeit
ein Nonnenkloſter. Es ift aber längſt verfhwunden, und auf
den Play ift die Herrenfcheuer gebaut worden, die auch nicht
mehr fteht. Die Kloflerfrauen trugen weiße und ſchwarze Kleider
und noch fieht man fie Nachts auf den Wiefen an der Nagold
umgeben. Man fieht immer nur drei beifammen; im Ganzen
find es aber neune, die fonft aus der Herrenfcheuer heraus und
hinab ins Wiefenthal giengen. Wenn man fie nicht beleidigt,
fo thun fie Einem nichts; aber einmal ging ein Mann über
die Brüde und rief ihnen zu, fie follten ihn nah Dillftein be-
gleiten, flatt fonft fpazieren zu gehen; da ward er von unfichte
baren Händen ind Waſſer geworfen und an den Singern und
im Geficht zerriffen. So fam auch einmal ein betrunfener Mann
son Pforzheim an die Brüde, wofelbft er feine Nothdurft ver⸗
Pforzheim und Umgegend. 403
richtete. Der rief ihnen aud aus Uebermuth, fie follten ihn
reinigen, worauf fogleich eine Nonne mit einem Dornwifch er-
ſchien und ihn fo übel zurichtete, Daß er lange Zeit nicht ohne
die größten Schmerzen figen Tonnte.
(Siehe Mone's „Anzeiger 26.” Jahrg. 1834.)
Der nächtliche Schlachtlärm.
Das alte Schloß Kräheneck bei Weißenftein fl
ganz verfallen und abgetragen, von Gebüfh und Gras um⸗
wucert. Wo der Weg von Huchenfeld nah Pforzheim
geht, da hört man oft Nachts ein Getös in der Burg, wie von
einer Schlacht.) Auch Haben Die Leute dort manchmal ben Burg«
herrn felbft auf feinem Schimmel reiten gefehn. Diefes Pferd
weidet zuweilen auf den Wiefen an der Nagold, die dem
Krähenecker gehörten.
(Siehe Mone's „Anzeiger 26.” Jahrg. 1834.)
Der beitrafte Saktramentfchänder.
An einer Spinnftube zu Göbrichen waren an einem
Winterabende die Burfchen und Mädchen fo ausgelaflen, daß
fie auf den Einfall gerietben, eine f. g. Katzentaufe zu
halten. Nachdem eines der Mädchen ſich wie eine Wöchnerin
ind Bett gelegt hatte, wurde die Hauskatze eingemwidelt wie ein
Kind, zu ihr gethan, alsdann von Zweien , welche die Pathen
vorftellten, abgeholt, und von einem Burfchen, der den Pfarrer
machte, förmlich getauft. Darauf festen fih Alle zu Tiſch und
hielten Iuftig das Taufmahl. Indem fie fo zechten, hörten fie
plöglich draußen am Fenfterladen klopfen und eine unbekannte
Stimme rufen: „Derjenige, welcher die Kate getauft hat, foll
herauskommen!“ Den Burſchen überfiel ein Grauen, und er
wagte fih nicht aus der Stube, obgleich bald nachher Die Thüre
zweimal halb aufgemadt und bas Nämliche hereingerufen wurbe.
Erft, nachdem dies zum Drittenmal gefchehen,, ging er auf das
dringende Zureden feiner Kameraden hinaus, war aber faum
+) Abermald das wilde Heer!
26*
404 Pforzheim und Umgegend.
vor der Thüre, als er mit einem gräßlichen Schrei zuſammen⸗
flärste. Die Andern eilten ihm zu Hülfe, fanden ihn aber an ber
Schwelle tobt, mit gebrochenem Genid Tiegen. Neben ihm auf
dem Boden waren drei frifche Blutstropfen. Bon dem Wefen,
welches ihn herausgerufen,, fonnte nirgends eine Spur entdeckt
werben.
(Siehe Mone’8 „Anzeiger 2c.” Jahrg, 1839.)
Der feurige Mann.
Huf dem Felde zwifhen Elmendingen und Nöt-
tingen geht in den heiligen Nächten ein feuriger Mann um,
welcher manchmal auch als ſchwarzer Hund erfcheint. Einft fuhr
dort, tief in der Nacht, ein Bauer von Stupfer ich, der aus
dem fiebenten Buch Moſis ſich gegen Geifter zu ſchützen wußte,
und als er den feurigen Mann erblidte, rief er ihm zu, er folle
nur herbeikommen. Diefer folgte dem Geheiß und feste fih auf
den Leiterwagen zu dem Bauern, der ihn bann fragte, warum
er bier umgehe und ob er zu erlöfen fey? Hierauf antwortete
Das Geſpenſt: „Ich babe bei meinen Lebzeiten Waifenfinder dort
um jene drei Viertel Morgen betrogen und deßhalb muß ich
jest, ohne Hoffnung auf Erlöfung, auf diefem Ackerſtück ums
gehen und fo lange Gott Gott heißt, fo lange muß ih auf
dem Plate Geift heißen.”
(Siehe Mone's „Anzeiger 2.” Jahrg. 1839.)
— m —
Kraichgau m Elfenzgan.
295>
Die Eleine Fürftengruft.
Ms man in Bruchſal zum Bau der Vetersficche ſchrei⸗
ten wollte, fragte der Baumeifter den Fürſtbiſchof Schönborn,
wie groß die fürftlihe Gruft gemacht werden folle? Der
Fürft hieß ihn nach einigen Tagen die Antwort holen, und
diefe lautete dann: Die Gruft folle nur für drei Särge ge-
baut werben; für mehr fey nicht nöthig. Zu Jedermanns
Erflaunen wurde fie demnach fo Fein gemacht; allein fie war,
wie Schönborn richtig vorbergefagt, groß genug. Unter dem
Dritten feiner Nachfolger ward nämlich das bifchöfliche Für-
ſtenthum aufgehoben und da der Zweite derfelben in Paflau
geftorben und begraben ift, reichte Die Gruft gerade für drei
Fürſtbiſchöfe aus und ift jegt auf immer gefchloffen. *)
Der Nekrut auf Philippsburg.
Bor Philippsburg der Franzmann Yag,
Die Reichsarmee barinnen,
Die Feinde meinten Tag für Tag,
Die Feſtung zu gewinnen.
Biel Bomben flogen hin und her,
Und plasten fie, fo Tracht?’ es fehr!
Das mußte man gewohnen.
*) In der That ift jene Gruft nur für drei Särge gebaut.
(Siehe Mone's „Anzeiger“ sc. Jahrg. 1838.)
Kraichgau.
Da fland beim Sturm einſt ein Rekrut
Abſeits auf einem often;
Er dacht in feinem dummen Muth:
„Bier wird's den Hals dir koſten;
Der d'Asfeld greift dort hinten an,
Hier kann ih ruhig Schildwacht ſtahn!“
Iſt aber anders kommen.
Denn juft erfahn den ſchwachen led
Der Franzen fi ein Dugend,
Und richteten die Leiter Ted,
Auf ihre Menge trugend ;
Sie meinten ſich ſchon oben drauf
Ha! Hommen fadht den Wal herauf,
Der Eine hinterm Andern.
„Ei fieh, ein ſchwarzgeſchnauzt Geftcht
Da drüben auf der Mauer!
Hal! galt mir diefe Kugel nit?
Willſt du hinab, du Lauer!
Doc weil von felber. Der nicht ging,
So wies er mit der Degenfling’
Ihn höflich in den Graben.
Nun, dacht' er, wird wohl Fried’ im Land!
Ging ruhig auf und nieder,
Doch plöglich vor der Brüftung fland
Der fhwarze Schnauzbart wieder.
„Biſt du noch einmal da, du Frag?
Und Haft noch Pulver? Pas, mach Plag!
Nun aber fommft du nimmer !“
Da hat er doch zuviel gefagt,
Denn vor der Mauer kauzte
Schon wieder, den er zwier (zweimal) verjagt,
Der leid'ge Schwarzgefchnaute.
„Ei, du verwetterter Franzos!
Wann werd’ ich Dich wohl einmal los?
Da lieg’ und fomm’ mir wieder !«
Kraichgau. 407
So ging es noch zum Viertenmal,
Zum Fuünften und fo weiter;
Er fließ die volle. Dutzendzahl
Den Franzmann von ber Leiter.
Doch endlich als die Stunde ſchlug,
Löſt' ihn der Waibel ab und frug:
„Iſt nichts zu rapportiren 9x
„sa doc, hier bat mir eingeheigt
Ein ſchwarzer Bärenhäuter,
Ich hab’ ihm oft den Kopf gebeizt,
Doch ward er nicht gefcheuter.
Wohl zwölfmal hat er angefegt,
Doch ſtill im Graben Tiegt er jetzt.“
Da Tagen aber Zwölfe.
Man frug beim Kommandanten an:
„Was ſoll er Stechgeld haben?
Nur Einen hat er abgethan,
Dog Tiegen Zwölf im Graben!“
Da lachte Der, das war ein Glüd,
Und Tieg ihm ein Halbguldenftüd
Für jedem Schnausbart reichen.
K. Simrock.
Das Gnadenbild zu Waghäuſel.
Vor etlichen hundert Jahren geſchah es, daß ein Schäfer,
der am Lußhardtwalde feine Heerde weidete, in demfelben einen
wunderfchönen Gefang vernahm. Er gieng den Klängen nach
nnd Fam an einen Sumpf, in deſſen Mitte ein abgeföpfter
Baumftamm und darauf ein feines Muttergotted Bild fand,
aus deſſen Munde der berrlichfte Gefang ertönte. Er bemühte
ſich, das Bild mit. feinem Krumftabe zu erlangen, um es zu fich
zu ziehen, war aber zu weit Davon entfernt; auf einmal rief es
ihm zu: „Wag’ es nur!” woraufermutbigt, er burdh den Sumpf
wabete und baffelbe herabholte. Freudig trug er es in feine
Hütte, aber am folgenden Morgen war es verſchwunden und
&08 Kraichgan.
wieder an ſeinem vorigen Platze. Abermals trug er es vom
Sumpfe mit ſich nach Hauſe, allein in der nächſten Frühe fand
er es wieder auf dem Baumſtumpen, nnd ebenſo, nach noch⸗
maligem Heimtragen, am dritten Morgen; worauf er es ruhig
dort ſtehen ließ. In der Folge kamen auf einer ihrer Wander⸗
ungen einige Kapuziner an dieſen Ort und bauten, nachdem
ihnen der Schäfer fein Wunderbegebniß berichtet, eine Kapelle
über den Stamm mit dem Bilde, und daneben für fih eine
Wohnung. Diefe Anfieblung erhielt, nach dem Zuruf der Ma⸗
donna „Wag’ es!“ den Namen „Waghäufel« und bald
wurde von nah und fern zu dem Wunberbilde .gewallfahrtet. *)
(S. Mone!s „Anzeiger ꝛc.“ Jahrg. 1839.)
*) Häufig ſtrebt Die Volksſage, Namen zu erklären. Solche Sagen
find meiſtens jung, weil ſie die Namen der Orte gewöhnlich mißver⸗
ſtehen und deren alte Bedeutung nicht mehr kennen, wie obiges Bei⸗
ſpiel beweiſft. Vaghäuſel hieß urſprünglic Waaghus, d.h. das
Haus bei dem ſtebenden Waſſer, von dem noch das nahegelegene Torf⸗
moor zurücgeblieben if. MM.
— — — — — —
Die Kapelle zu Waghäuſel.
Vor etlichen hundert Jahren geſchah es, daß zwei Ritter
im Lußhardtwalde ſich ein Treffen lieferten. Schon wich die Mann⸗
ſchaft des Einen; er ſelbſt lag erſchöpft unter einem Baum und
rief die feligfte Jungfrau um Beiſtand an. Da vernahm er eine
wunderbare Stimme, welche aus der Krone des Baumes ihm
zurief: wage, wage! Hierdurch mächtig gefärft, Tehrt er in
das Treffen zurüd, und erlangt einen vollfländigen Sieg. Zum
Danfe ließ er nachmals da, wo der Baum ſtand, eine Mutters
gottesfapelle bauen, die den Namen „Waghäufel” erhielt,
und bald das Ziel vieler Pilgerfahrten wurde. *)
(Siehe Mone’s „Anzeiger“ 1835.),
*) Diefe Sage hat mit der Entftehungsgefhichte der Wagh äusler Wallfahrt nur ent-
fernte Aehnlichkeit, und ſcheint ihr Dafeyn hauptfählich einer Erklärung des Ortsnamens zu
verbanten. Man vergleiche das „anmuthige Waghäusier Büchlein“, Bruchſal bei X. G. Gott⸗
—— en worin bie erwähnte Geſchichte, nach den Urkunden bes Kloſters Waghäufel,
erzahlt if.
Kraichgau. 409
Der entheiligte Gürtel,
Zu der Rapuzinerwohnung auf dem Michelsberg bei
Untergrombach pflegten häufig die Hiriche des benachbarten
Waldes zu kommen. Einem derfelben warf ein Kapuziner feinen
Gürtel um's Geweih und fchleppte den fo Gefangenen daran
nad Haufe. Wegen diefer Entheiligung des Gürteld und Ver⸗
letzung des frommen Gaftrechtd mußte der Kapuziner nadı feinem
Tode noch lange Zeit, den Gürtel um den Leib, ald Geiſt um-
gehen. *)
(Siehe Mone's „Anzeiger 20.” Jahrg. 1839).
*) Die Sagen von zauberifchen Sürteln fiheinen in das Heidenthum
zurüdzugehen; der Gürtel Thors und Brumpildg und bie Hals⸗
fetten der Schwanenkinder gehören dazu. Siehe die Sage vom
ledernen Riemen im Schloßarchive zu Wertheim.
Teufelskutſchen.
1. Eines Abende um ſieben Uhr ging eine Frau, welche nad)
Heidelsheim wollte, auf der Landftraße zwifchen Ubſtadt
und Bruchſal. Am dortigen Galgen fam eine Kutfche hinter
ihr ber, hielt bei ihr an und ein, darin ſitzender Mann lud ſie,
während die Thür aufſprang, zum Einſteigen ein. Nach eini⸗
gem Zögern ſtieg ſie ein, worauf der Schlag von ſelbſt wieder
zuging. Der Mann ſprach fein Wort, doch die Frau gewahrte
mit Schreden, daß er Bocksfüße habe. Als fie vergebens verfucht
hatte, die Kutfchenthüre zu öffnen, um heraugzufpringen, 308
fie ein Gebetbüchlein aus der Tafche und betete in Einem fort,
big fie bei Untergrombacd zu einem Kapellhen famen. Da
öffnete fi der Schlag wieder von felbft, die Frau fprang her-
aus, und unter fürchterlichem Knall verſchwand die Kutſche mit
Mann und Roffen.
2. Bor etlichen vierzig Sahren kamen ein Schneider aus
VBöffingen und feintlehrjunge, als fie Nachts vom Trais-
hof heimgingen, zu einer Rutfche, worin ein Mann und auf
dem Bode der Kutfcher ſaß, und neben welcher ein anderer Dann
in grünem Rod einherfchritt. Derfelbe Iud die Beiden zum Ein-
410 Kraichgau.
ſteigen ein, was der Lehrjunge ablehnte, der Schneider aber
annahm, worauf ihm ber Grüngekleidete hineinhalf und dann
ſelbſt einflieg. Kaum war dies gefchehen, fo erhob fich die Kutfche
in die Luft und fuhr fchnell wie der Wind über Berg und Thal,
fo dag den Schneider Die Befinnung verließ. Als er wieder zu
fih fam, war es Morgen und er lag allein am öden Meeres-
ufer, wo ein Schiff anhielt. Er wußte fi) nicht anders zu hel⸗
fen, als daß er die Schiffleute bat, ihn mitzunehmen, was fie
auch thaten. Sie fegelten nad Oſtindien. Dafelbft blieb der
Schneider zwanzig Jahre ang, nach deren Verlauf er nad
Wöffingen, woman ihn Yängft für todt gehalten, zurüd-
fehrte. Weil er aber feine Frau an jenen Lehrjungen , der unters
beffen Meifter geworben war, verheirathet fand, nahm er feine
beiden Söhne von ihr und begab fich mit ihnen an feinen voris
gen Wohnort in DOftindien, von wo er nichts mehr von fi
hat hören Yaffen.
(Siehe Mone’s „Anzeiger 20.” Jahrg. 1839.)
Das mildthätige Männlein.
Ein armes Mädchen aus Heidelsheim, welches im
dortigen Wald einem Männlein begegnete, fragte daffelbe, wo
fie Späne finden könnte. „Späne habe ich feine gefehen, wohl
aber Kohlen !« erwiederte das Männlein, führte darauf das
Mädchen zu einem Haufen Holzfohlen nnd ſprach: „Made
beinen ganzen Korb voll; fie werden gewiß gut brennen.“ Nach⸗
dem das Mädchen ſolches gethan, fchied fie von dem Männlein,
um nad Haufe zu gehn. Unterwegs ward ihr der Korb fo ſchwer,
Daß fie ihn faft nicht mehr fortbracdhte, weßhalb fie einen gerade
sorbeifahrenden Mann aus Heidelsheim bat, ihre Laft auf
feinen Wagen zu nehmen. Da er ihr dies abfchlug, warf fie
den Korb unmuthevoll auf die Erde. Kaum lagen die Kohlen
da, fo gewahrte fie, daß fie zu Tauter Gold = und Silbermüngen
geworben waren; mit Hülfe des Schulzen, der dazu fam, las
fie nun al’ das Geld forgfam auf und trug es glüdlich nad
Haufe.
(Siehe Mone's „Anzeiger ıc. Jahrg. 1838.)
Kraichgau. 411
Das Hündchen von Bretten.
Grfte Sage.
Zu Bretten überm Stabtthor fleht an u —*
Ein Hündchen ohne Schwanz,
Und über feinem Haupte weht
Ein hart verdienter Kranz.
Wer fich umfonft zu Tode zieht,
Bergnügt in ſchweren Ketten,
Dem fagt man: »Wahrlich, dir gefchieht
Noch wie dem Hund von Bretten.”
Dem Hündchen ward, dem treuen Thier,
Die Treue ſchlimm gelohnt,
Und fiher fo ergeht es Dir,
Der fih im Dienft nicht ſchont.
Es war von feinem Herrn, wie Du,
Zu Manchem abgerichtet,
Der lieg ihm feine Stunde Ruh’,
Die Chronif hats berichtet.
Wohl mochte fein geplagt’rer Gaul
Im ganzen Städtchen ſeyn;
Gab er ihm einen Korb in's Maul,
Sp lief's und kauft' ihm ein:
Beim Metzger Fleifh und Bratwurft gar,
Und Weißbrod bei dem Bäcker,
Im Korbe fagt’ ein Zettel Har,
Was nöthig war dem Schleder.
Das Hündchen Tief von Haus zu Haug,
Und Tieß fich nie verführen,
Nur einen Bißen von dem Schmaus
Des Herren anzurühren,
Wenn es ihn treulich heimgebrachtz
Doch war e8 fchon zufrieden,
Ward ihm von feiner fchweren Fracht
Ein Knöchlein nur befchieden.
412
Kraidgau
Sein Herr, ber evangelifch war,
Hielt wenig auf die Faflen,
Und ließ den Speifecommiffar
An feinem Freitag raften.
Der Hund, der täglich faften muß,
Geht feinen Weg befcheiden,
Nicht kann er, wie ein Klerifug
Den Fefttag unterfcheiden.
Da führt ihn einft fein Mißgeſchick
Zu einem Fleifcher hin,
Der als ein echter Katholik
Streng hielt die Disciplin;
Wie Der den Zettel nimmt und Lieft
Ben einer Wurft gefchrieben,
Ihn das Gelüſte baß verdrießt,
Hätt' es ihm gern vertrieben.
Im frommen Eifer hat er gleich
Das arme Thier gepadt, .
Ihm auf dem Block mit Einem Streidh
Das Schwänzlein abgehadt;
Das legt' er in den Korb dem Hund:
Da haft du Fleifh, nun troffe,
Und deinem Herren made fund,
Daß ich's ihm ſchenken wollel«
Das Hündchen, bis zum Tode wund,
Lief doch, der Pflicht gebenf,
Und trug dem Herrn fogleih zur Stund’
Sein Schwänzlein zum Geſchenk;
Legt’ ihm den Korb noch vor den Fuß
Und firedte fih daneben;
Das war fein Vetter, ſtummer Gruß,
Dann haucht' es aus fein Leben. —
Hier fleht das Bild des armen Wichts;
Den Lohn erwarb er doch,
Kraichgau.
Weil er ſein Leben lang um Nichts
Im ſauern Dienſte kroch.
Du mühe dich, nach ſeinem Brauch,
Im Joch des Undankbaren,
So mag Dir nach dem Tod wohl auch
Die Ehre wiederfahren.
K. Simrod.
Zweite Bage.
Es ift ein Hündlein, wohl befannt,
Aus rauhem Stein gehauen,
Zu Bretten auf der Kirchenwand
Am hohen Dach zu fohauen.
Die Kirche St. Laurentii
Weiß felbft nicht mehr, warum und wie
Sie zu dem Hund gelommen;
Ich aber hab's vernommen.
Ihr Herrn, die ihr mit Heldenmuth
Euch kecker Thaten rühmet:
Bor diefem Hünbdlein zieht den Hut,
Als dem die Ehre ziemet!
Denn wißet: dieſes Hünblein hat
Gerettet feine Baterflabt
Bor vielen hundert Jahren
Aus Sammer und Gefahren.
Einft war von einer Kriegerſchaar
Die fromme Stadt umgeben,
Da thät fie greulich in Gefahr
Und Todesängften ſchweben;
Es dauerte wohl Wochen lang
Des Feindes mächt'ger Waffendrang,
Doch wollt's ihm nicht gelingen,
Die Tapfern zu bezwingen.
Gewalt vermochte nimmermehr
Das Stäbtlein zu befiegen,
Doc blieb das. ganze Feindesheer
Rings um die Mauern Tiegen,
413
414
Kraichgau.
- Daß Hunger es beinah bezwang;
Schon droht den Bürgern Untergang,
Bis ſie, die Noth zu enden,
Zu einer Liſt ſich wenden.
Ein fettes Hündlein wird erſehn,
Das fchwerbebrängte Bretten
Wo möglich vor dem Untergehn
Uud Hungertod zu retten.
Man mäftet nun das Thier fo fehr,
Daß es fo feift ward, di und ſchwer,
Dem Feinde nur zum Trug doch,
Als hätt’ man Fleiſch genug noch.
ALS diefer bald darauf die Stadt
Mit flolgem Trog fo eben
Bon Neuem aufgefordert hat,
Sich endlich zu ergeben;
Da kroch gemädlicd aus dem Thor
Ein fett gemäftet Thier hervor,
Als folt’ fein voller Magen
Dem Feind die Antwort fagen.
Obwohl ihn folder Spott verbroß,
Bergaß er, fih zu rächen,
Und fand für gut, mit feinem Troß
Soforten aufzubrechen.
Er ſchickt mit zornentflammtem Blick
Schwanzlos den armen Hund zurück;
Sp hat für fette Bißen
Das Hündlein leiden müffen !
Doch um dem Hündlein für bie That
Ein Denfmal zu erbauen,
Beichloß hierauf der Magiftrat
Sein Bildnig auszubauen.
Sp fieht man feßo fpat und früh
Am Dache St. Laurentii
Den Hund, den immer fetten;
Das ift der Hund von Breiten.
Maximilian Sachs.
Kraichgau. 415
Der wachſende Stein. *)
Um Ranft der Kraich im Thale
Tritt aus der Wand ein Stein
Und wächft mit feinem Leibe
Bald in die Kraich hinein.
Er wächſt feit Mannsgedenken:
Mit jedem neuen Jahr
Stellt größer er und höher
Und mädtiger ſich dar.
Man weiß nit, was ihn wachen
Und sorwärts rüden macht,
Auch wächft er nicht am Tage,
Er wächſt nur in der Nadıt.
Man glaubt drum auch vom Steine,
Er fei des Teufels Stein,
Der trage bort allnädhtig
Mandy frifhe Seel’ hinein,
Und lade von den Seelen
Die Sünden allzufamm,
Der Pad son Sünden gebe
Stets einen größern Damm.
Den Sündendamm bebede
Als Hülle nur den Stein,
Und nur der Teufel könne
Zum Steine aus und ein;
Und fei vom Stein durchwachſen
Die Kraich, fo fchwell fie an,
Bis endlich ihre Waffer
Gebrochen ſich die Bahn.
*) Diefer Stein, der mehrere Kubikklafter Mächtigkeit hat, liegt ober vielmehr ſteht
als Ausläufer ter niebrigen Thalmand am Wege zwifchen Flehingen und Gochsheim, und foll
(dicitur) wachſen ıc.
416 . Kraichgau.
Dann ſchwemmten Steinund Sünden
Die Waffer in den Rhein,
Und dort verfchläng’ ein Strudel
Den Nachts gewachfnen Stein.
Der Teufel wol’ ihn halten,
Der Strudel geb’ nicht nach,
Es fei der Macht des Rheines
Der Teufel felbft zu ſchwach. -- *)
Drum rieth' ih großen Sünbern,
Sie wüfchen fih im Rhein, |
Waſcht der fie nicht, fo müffen
Sie wohl des Teufels feyn.
Zudwig Kieffer.
*) Das Wachfen des genannten Steines if} höchft wahrfcheinlich dahin
zu erflären, daß er aus einer Iuftbeftändigern Felsmaſſe befteht, als
bie ihn unmittelbar berührende Thalwand. Je mehr diefe durch Wit-
terungseinflüffe fih auflodert und abloͤſt, um fo mehr Test fie den
Stein bloß, um fo größer erfiheint er, ohne deßhalb heraus⸗ und in
das Thal hinein zu wachſen; der ſchon vorher in feiner ganzen Größe
vorhandene Stein wird nur fihtbarer und hat deßhalb bei dem Volke
zu diefer Redensart, er wachſe, Veranlaffung gegeben.
Der Schwabe vor Bretten.
Eine tapfere That verübten einft die Brettener im Jahr
1504, als der Herzog Ulrich von Würtemberg mit 20,000
Mann die Pfalz Eriegerifch heimfuchte und Bretten bela=
gerte. Die Schwaben lagen Nachts im beften Schlaf, wur⸗
ben aber fehr unhöflich geweckt; denn die Brettener machten
einen Ausfall und famen ihnen fo derb über den Hals, daß fie
Geſchütz und Munition im Stiche Tießen und fchleunigft Reiß⸗
aus nahmen. Bei diefer Gelegenheit hielt ein Schwabe feinen
Singer juſt vor die Mündung einer Feldfehlange, als man fie
Yosbrannte. Der Finger flog mit der Kugel weg und ber
Schwabe ſchrie:
Kraichgau. 417
„Au wai, au wai!
Noh Bretta, glaubeis nau, (nur)
Komm ih jo nimmi mai!“ (mehr)
Dieſe wahrhafte Geſchichte war ehmals an dem alten Rath⸗
| Haus abgemalt. 2.8
Ein Gefpenft pflügt.
Auf dem Bauerbacher Felde bei Bretten ging ein Gefpenft um,
welches die Buben, die am nahen Wald ihr Vieh weideten, flets
Mittags zwifchen 11 — 12 Uhr in den Furchen hin und her wan⸗
dein fahen. Um zu erfahren, was es wolle, ſchickten fie Einen
von ihnen zu ihm und ließen nad feinem Begehren frogen.
Der Geiſt erwiederte blos: „Komm morgen Mittags um 12 Uhr
mit deines Vaters Pflug und Ochfen bierber!« — und vers
fhwand, Auf Geheiß feiner Eltern, denen er bied erzählt
hatte und die auf einen Schaf hofften, fand fich der Bube mit
Pflug und Ochfen zur beftimmten Zeit wieder auf dem Kelb ein.
Das Gefpenft winfte ihm und hieß ihn vorausgehen,, ed wolle
hintennach zadern (Bolföwort für adern). Nachdem es bies
gethan und dadurch ein Stüd Feldes an dem angrenzenden
Ader gepflügt hatte, fprady es zu dem Knaben: „Gebt bin ich
ertöft! Nach fieben Jahren wirft du mir folgen und auch ein
Engel im Himmel werden.“ — Hierauf verſchwand der Geift.
Der Bube ftarb richtig nach Berfluß der fieben Jahre.
(Siehe Mone’8 „Anzeiger 20.” Jahrg. 1838.) _
Gefpenit ind Haus gebracht.
Ein Mann von Eppingen, der Nachts durch den dorti-
gen Wald fuhr, hörte feitwerts vom Wege ein Blöden und
fand, als er nachforfchte, ein Milchkalb allein dort Liegen. Er
lud es auf feinen Wagen und ſperrt' es zu Haufe in feinen
Stall. Als er vor dem Schlafengeben noch einmal nach dem
Kalbe fehen wollte, traf er flatt deffelben eine hochbejahrte
Frau in alterthümlicher Tracht an. „Fürchte dich nicht,“ — ſprach
fie zu ihm — ich thue Dir nichts zu Leide. Schon über hundert
ll. 27
418 Kraichgau.
Jahre ſchwebe ich zwiſchen Himmel und Erde und kann nicht
ertöft werben. Manchmal nehme ich die Geſtalt eines Hundes,
mandmal eines Schafes und manchmal eines Kalbes an. Weil
ich in dein Haus gebracht worben bin, gehe ich nicht mehr her⸗
aus, will mich aber gerne mit jedem Winkelchen barin begnüs
gen.” — Darauf ließ der Dann für fie einen befonderen Kaften
machen, worin der Geift noch heute fich befinden ſoll. *)
(Siehe Mone's „Anzeiger ⁊c.“ 1838.)
Die übel belohnte Hexe.
Ein Bauer in der Gegend von Eppingen hatte’ eine
Frau, welde im Ort ald Hexe verfihrieen war. Um bies
zu ergründen, gab er genau Obacht auf Alles was fie that,
da er aber trotzdem nichts heraus brachte, ließ er oft gegen
fie den Wunſch fallen: „Wenn ich doch nur heren könnte!“
— Lange fagte fie nichts darauf; ale er jedoch biefen Wunſch
ſtets eifriger wiederholte, ſprach fie endlich: „So komm heute
Nacht zwifchen 11 und 12 Uhr mit in den Hof; da will ih
dir dad Heren lehren!“ — Zu gleicher Zeit fanden ſich Beide
dort ein, der Mann mußte, gleich ihr, eine Miftgabel ergrei-
fen und fie hieß ihn Hinter ihe her um den Düngerhaufen
gehen und nachfprechen, was fie fagen werde. Sie fehritt nun
voran und ſprach:
„Ich verleugne Herrn Jeſum Chrift lu
Da fiel ihr der Bauer in die Rede:
„And ich fchlag tobt, was teuflifch ift 1
zugleich gab er ihr mit feiner Miftgabel einen ſolchen Schlag
auf den Kopf, daß fie augenblicklich tobt niederfiel.
. (S. Mone’s „Anzeiger 2.” Jahrg. 1838.)
%
2) Mer den Geiſt mit in fein Haus nimmt, dem bleibt er als Haudgeiftz dies ift
ein alter, oft wieberkehrender Zug’; bie Erlöfung in obiger Sage ift eine neue und dadurch
ſtörende Zuthat, weil die Erlöfte dennoch als Hausgeift an ben Ort gebannt bleibt, -
M.
Kraichgan. 419
Arbeit in der andern Welt.
In alter Zeit ſtarb in Flehingen eine Wöchnerin mit
ihrem neugebornen Kinde und dies wurde ihr in den Arm
gelegt und ind Grab mitgegeben. Die zwei folgenden Nächte
ſchwebte ihr Geift vor das Bett der Großmutter und bat, fie
möge ihr Faden, Nabel, Scheere, Fingerhut, Wachs und Seife
ing Grab geben, weit fie jenfeits für ihr Kind noch nähen
und wafchen müffe. Die Großmutter erfüllte dieſes Begehren,
worauf der Geift fih nicht mehr fehen Tieß.
Seitdem tft ed zu Flehingen hie und da Sitte, den Wöch⸗
nerinnen, bie mit ihren neugebornen Kindern fterben und bes
graben werben, die Dinge, welde jene Grau verlangt bat,
mit ind Grab zu geben.
(Siehe Mone's „Anzeiger 20. Jahrg. 1838, S. 473).
Scha in Flehingen.
"Sn einem Sausgarten zu Flehingen fpudte Nachts
ein weißer Mann. Einft frug ihn der Eigenthümer des Haus
fes nach feinem Begehren, worauf der Geift erwieberte: „Ich
muß wegen eines Schages umgehen, den ich bei meinen Leb⸗
zeiten bier an diefem Plage vergraben habe. Du fannft ihn
heben und mich dadurch erlöfen, mußt aber dann nad zehn
Jahren ſterben!“ — Weil der Hauseigenthümer ſchon ziemlich
bejahrt war, trug er fein Bedenken, in einer beflimmten Nacht
auf dem bezeichneten Plage zu graben. Er fand im Boden
eine Backmulde vol Geld, die er mit Hülfe unfichtbarer Hände
ſtillſchweigend zu dem Senfter brachte, das aus der Stube in
den Garten ging. Als er die Mulde zum Fenfter - hinein
ſchob und feine Frau, welche drinnen harrte, das viele Gelb
erblickte, rief fie: „Gottlob! jest ift uns geholfen; nun kön⸗
nen wir al’ unfre Schulden bezahlen "- — Bei biefen Wor-
ten verfchwand Mulde und Geld, und der Geift mußte nad
wie vor im Garten umgehen.
(S. Mone's „Anzeiger 20.” Jahrg. 1838.)
27?
420 Elſenzgan.
Sage vom alten See.
Im Elſenzgau, bei den Ruinen von Burg Steinberg,
zieht ſich eine Niederung hin, die man den „alten See“ nennt.
Schlanke Silberpappeln erheben ſich auf dem erhöhten Ufer
des ehemaligen Waſſerbettes, deſſen Gründe jetzt durch friſches
Grün und bunte Blumen das Auge weiden.
Auf dem Steinberg ſoll einſt ein greulicher Recke gehauſt
haben, welcher das Schrecken der ganzen Gegend war. Er
beraubte die harmloſen Wanderer, trieb den Hirten ihre Her⸗
den weg, und, fiel zuweilen ein hübſches Mägdlein in ſeine
Hände, fo ward es auf feine faſt unzugängliche Burg ge⸗
fhleppt. Eine Tages zog er. an einer Kapelle vorüber, bie,
von Linden umgeben, am Ufer des Sees fland, und gewahrte
in derfelben eine Jungfrau von wunderbarer Schönheit. Bor
dem Altare Tnieend verrichtete fie brünftig ihr Danfgebet zum
Himmel, der ihre Mutter yon einer fchweren Krankheit gene=
fen hatte Taffen. Der Ritter entbrannte augenblicklich in fehnd-
ber Luft, riß die Betende vom Altare weg und wollte fie fchon,
ihres Flehens und ihrer Thränen ungeachtet, auf. fein Pferd
heben, um mit ihr davon zu jagen auf fein Selfenneft, als
fie die Bitte wagte, ihr nur noch ein kurzes Gebet in der
Kapelle zu geftatten. Wiewohl ungern, willigte der Räuber doch
endlich ein. Nun warf fih die Jungfrau vor dem Muttergottes-
bilde nieder und rief mit ber Stimme der Verzweiflung: „OD du
Reine und Unbefleckte, nimm mich rein und fledenlog zu dir!“ —
Nah diefen Worten raffte fie fih auf, eilte aus dem Kirchlein,
huſch an dem Reden vorüber, und flürzte fih in den See. Aber
die Fluthen wurden ihr nicht zum Grabe; wie von unfichtbaren
Händen getragen, ſchwebte fie darüber hin zum jenfeitigen Ges
ſtade. Der Räuber, in blinder Wuth, will ihr nachſtürmen,
aber die Waffer ſchlagen über feinem Haupte zufammen und
des Abgrunds Geiſter reißen ihn hinab in ihr finfteres Reich.
Noch jetzt hört der einfame Wanderer manchmal im Dunfel
ber Nacht dumpfe, wehftöhnende Laute aus dem See; geheimniß-
voll rauſchen und flüftern die Zitterpappeln und erfüllen das
Herz mit Grauen.
(Siehe U. Schreib er's Sagen aus den Rheingegenden ꝛc.)
Elſenzgau. 421
Tiefenau.
Nahe bei der Burg Tiefenau, eine halbe Stunde vom
Rhein, Tag einft ein dunkler tiefer See. Auf der Burg lebte ein
Ritter, ber hatte eine einzige Tochter von fo wunderbarer
Schönheit, daß weit und breit ihr Preiß erſcholl und viele
Herren Tamen, um fie zu werben. Eines Tages kehrte fie nicht
wieder von ihrem Lieblingsfpaziergange unter den Bäumen am
Seegeſtade zurüd. Der beforgte Bater eilte, fie ſelbſt dort aufs
zufuchen und rief mehrmals fo laut er fonnte ihren Namen; da
Fangen ihm endlih aus dem See die Worte in klagendem
Ton entgegen:
„Ah, Vater, liehfter Vater !
Im See bin ich verfunten,
Weil ih von feinem Waffer
Aus Unbedacht getrunfen.
Nie mehr darf ich mich heben
Zum geldnen Sonnenglan;,
Hier unten muß ich Ieben,
Bis er vertrodnet ganz.
Ach Bater Tiebfter Vater,
Trink ja nicht aus dem See!
Kaum war bie Stimme leiſe verhallt, als plöglich ein engel-
holdes Knäblein vor den Ritter von Tiefenau hinhüpfte, ihm
einen goldenen Becher Darreichte und fang:
Ä „Da trink' du alter Degen,
So wird bein Töchterlein,
Die fie gefangen hegen,
Bald wieder bei dir ſeyn!“
Der Ritter wollte raſch den Becher an die Lippen füh-
ven, als er feinen Arm von einer fremden Hand zurüdgehalten
fühlte. Er wandte ſich um und erblickte einen Jüngling von ebler
Geſtalt, wiewohl in fehr befcheidener Tracht. Diefer Hatte die
Tochter des Ritters Längft im Stillen geliebt, boch feiner Ar-
muth wegen ed nie gewagt, ihr feine Minnegluth zu gefteben.
Mit den Worten: Ä |
„Trinkt nicht, mein edler Ritter!
Das Waffer iſt vom See ;“
429 | Elſenzgau.
entwand er ihm den goldnen Becher und leerte ihn ſelbſt auf
einen Zug. Kaum war dies geſchehen, als ihn das Knäblein
bei der Hand faßte und mit ihm in den See hinunterfprang.
Umfonft war der Sammer des troftlofen Baterd. Das Pärchen
fam nimmer zum Borfchein, verzweifelnd flürzte auch er ſich in
die Fluthen. —
Der See ift längft ausgetrodinet, aber auf Dem Moorboben,
den er zurüdgelaffen, fieht man oft in fliller Nacht helle Fläämm⸗
hen auf und nieder ſchweben und hört mit Geifterfiimmen bie
Worte fingen:
Das Waſſer ift faft ganz alle,
Bald werden erlöfl wir feyn,
Und gehn in die himmliche Halle
3um lieben Bater ein.
Rad Aloys Schreiber.
Die See⸗Nonnen von Tiefenau.
Die tiefe Au, fo weit ihr ſchaut,
War fonft ein See, draus Mäglich laut
Oft Nonnenfang erflungen ;
Hier ſtand voll Luft und Leppigfeit
Ein Frauenflofter in alter Zeit,
Längſt hat es die Erbe verfchlungen.
Hell gligerte die Winternacht,
Es blies der eifige Wind mit Macht,
Da pochts an der Klofterpforte:
Um Einlaß fleht und Nachtquartier -
Ein alter Pilgerömann allhier
Mit fromm befcheidenem Worte.
Vergebens; weh! die Pförtnerin
Bon dannen wies mit hartem Sinn
Den frofterflarrten Armen;
Die Frauen drinn bei Iederm Map,
Die dide Priorin zumal,
Sie fühlten ja fein Erbarmen.
Elſenzgau. 423
Ach, haͤnderingend bat der Greis
Um einen Imbiß nur zur Reiſ',
Faſt brechen ihm die Glieder; —
Umſonſt: Erbarmen war hier karg,
Nur Eine, die Novizin, barg
Ein fühlendes Herz im Mieder.
Verſtohlen reicht, was ſie erhaſcht,
Ihm dar die Maid, doch überraſcht
Verhöhnen ſie die Nonnen.
In der Angel knarrt die Pfortenthür,
Gelaͤchter ſchallt wie Spott herfür —
Weh euch, was habt ihr begonnen!
Des Fremden Auge blitzend rollt,
Sein Fluch wie dumpfer Donner grollt;
Und raſch mit ſeinem Stabe
Hat er berührt den Boden kaum,
Da lag der weite Kloſterraum
Verſunken im Erdengrabe.
Wehklage ſtöhnt aus tiefem Grund,
Rings ziſchen Flammen aus dem Schlund,
Drinn Waſſer braußen und giſchen.
An ſchwillt zum dunkeln See die Fluth,
Wie durch ein Wunder grünend ruht
Ein kleines Eiland dazwiſchen.
Hier, ſichtbarlich in Gottes Hand,
Inmitten der Zerſtörung ſtand
Die reine Kloſterlilie;
Sie führt zum Uferſtrand der Greis,
Indeß ertönt vom Waſſer leis
Des Nonnenchors Vigilie.
„Kehr' zu den Deinen,“ — ſprach er ſanft, —
„Doch morgen an der Wogen Ranft,
Daß ich Dein Herz belohne,
Um Mitmacht mit dem Liebſten hier
Zum Brautgeſchenk verehr' ich Dir
Den Schmud der Myrtenkrone!“
42 Elſenzgau.
Ob ihrer Herkunft Niedrigkeit
Geriſſen von des Theuren Seit,
So nahm fie füngft den Schleier; —
Wie fchlägt ihr Herz in Wonne jebt,
Wie hat die Hoffnung fie geletzt
Bei diefer Worte Feier !
Und ale die Geifterfiunde kam,
Wohl harrt fie mit dem Bräutigam
Erwartungsvoll der Runde.
Vom nahen Dorfe zwölfmal ſcholl
Die Glocke — Horch! da rauſcht' und ſchwoll
Die Fluth empor vom Grunde.
Auf tauchen ſtumm der Nonnen drei,
Den Brautfhas ſchleppen fie herbei,
Säde sol Gold und Juwelen;
Und wie fie Achzend der See verfchlingt,
Des Paars Gebet zum Himmel Flingt
Zur Ruh? für ihre Seelen.
Ignaz Hub.
(Driginatmittheilung.)
Das verfuntene Kloſter.
(Siefenan.)
Ein Kiofter ift verfunfen
Tief in den wilben Ger,
Die Nonnen find ertrunfen
Zufammt dem Pater, weh !
Der Nixen muntre Schaaren
Sie ſchwimmen ſtracks herbei,
Nun einmal zu erfahren,
Was in den Mauern fei.
Das plätfchert und das rauſchet
In Kreuzgang und Dorment !
Am Locutorium Taufchet
Der fihäternde Convent;
Elſenzgau.
Man hört Geſang im Chore
Und luſtig Orgelſpiel;
Das Glöcklein ruft zur Hore
Wann's ihnen juſt gefiel. ,
Bei heitrem Bollmondglanze
Lockt fie der grüne Strand
Zu einem Ringeltanze
In geiftlihem Gewand;
Die weißen Schleier flattern,
Die fhwarzen Stolen wehn,
Die Kerzenflämmchen Inattern,
Wie fie im Sprung fi drehn.
Der Kobold dort im Schutte
Der hohen Felfenwand,
Er nimmt des Paterd Kutte,
Die er am Ufer fand;
Die Tänzerinnen fehredend,
Kommt er zur Mummerei,
Sie aber tauchen nedend
Hinab in die Abtei.
Ludwig uhland.
Der Nixenquell.
(Epfenbad bei Sinsheim.)
Ein Ritter zieht mit hohem Muth,
Wenn fi) der Schatten Tängt,
Wohl an des Brunnens fühle Fluth,
Wo Liebchen ihn umfängt.
Er fragt fie nicht: wo kommſt du her?
Auch nicht: wo gehft du Hin?
Das macht ihm wenig Herzbeſchwer,
Küßt fie nur traulich ihn.
Doch wenn das Nachtgeläute ſchallt,
Beim esften Glockenſchlag,
426
Elfenzgau.
Iſt fie verfchwunden in dem Wald,
Er blickt ihr trauernd nad,
Denn länger hält fie.nicht fein Flehn,
Sein dringendes, zurück:
„Und blieb ich noch, ſo wär's geſchehn
Um unſrer Liebe Süd!” |
Der Ritter nimmt ihr Wort in Acht,
Geſchreckt von ihrem Droh'n;
Doch ach! in jeder Liebesnacht
Iſt fie zu früh entfloh'n.
Zum Glöckner eilt er drum und beut
Ihm Gold und grüne Flur, |
Verſchöb' er heut fein Nachtgeläut
Ein halbes Stündchen nur.
Nun er fein Lieb am Brunnen fand,
Nimmt er fie fert in Arm,
Daß nimmer fie fih ihm entwand,
Und herzt und küßt fie warm.
Die Arme, die von Liebe glüht,
Bergißt der Stunden Lauf;
Doch am Gebirge blutig zieht
Der Vollmond fchon herauf.
: Und wie fie den Betrug verftand :
„Was Haft du, Thor, gethan?
Du haft zerriffen unfer Band
In blinder Liebe Wahn!”
Umfonft, dag er die Hände ringt,
Wie er auch fleht und thut,
Sein trautes Liebchen flöhnend ſchwingt
Sid in die Nirenfluth.
Karl Simrock.
Die fchöne Buche.
Nahe dem Dörfchen Steinsfurth führt, an dem Ab-
hang eines Berges, ein Zußpfad durch ein freundliches Wälbchen
bis nah Kirch ardt. Ueberraſcht fühle fih hier der Wan-
— —
—
Elſenzgau. 427
derer beim Anblick eines wunderſchoͤnen Baumes. Seine Zweige
find fo dicht, daß man von fern eine große bunfelgrüne Taube
zu fehen vermeint, und in ber That, wenn bu die Zweige
auseinander biegft und in das fihattige Heiligthum eintritift,
da ergreift dich freudiges Erflaunen. Rings unter dem rei-
Sen Laubnege wölbt ſich die Tieblichfte fühle Halle, die fein
Sonnenftrahl zu durchdringen vermag.
Als ich das erfie Mal hier ruhte, drängte fich mir unwills
fürlich die finnige Dichtung ber Alten auf. Eine holde Dryade,
dachte ich, wohnt in diefer fchönen Buche, wartet ihrer mit
forgfamer Pflege und fpricht zu mir in fanftbewegten Blättern.
Ein altes Männchen mit eidgrauen Haaren, das ebenfalls
hier Schatten fuchte, erzählte mir Folgendes von biefem
Baume: |
„Schon von meiner Großmutter hörte ich, daß vor alten
Zeiten ein gelber Zwerg bier auf diefem Plage gewohnt habe.
Dft erfchien er den Leuten, befonders den armen Holzlefern,
denen er ihre Bürde aufladen half. Wenn diefe nach Haufe
famen, fanden fie meiftens einiges Geld in dem Bündel verftedt.
Diefer Zwerg fol zu feinen Lebzeiten ein ftattlicher Ritter gewefen
feyn. An der Stelle, wo die Buche fleht, fand er eines Tages bie
Leiche feiner Geliebten, weldhe von wilden Thieren zerriffen
worden war. Er begrub fie auf derfelben Stätte, pflanzte die
Buche auf ihre Grab und trauerte bafelbft viele Jahre lang, bis
auch ihn die flile Gruft mit ber Theuern vereinte. ’
„Lebende Pärchen wallfahrteten feither oft zu der geheiligten
Buche, ſchwuren fi Darunter ewige Treue, und Segen folgte
ihrer Verehelichung. Noch jest, erfcheint gleich der Zwerg
nicht mehr fihtbar, ift er Befchüger biefes Baumes. Nie-
mand wagt es, ihn zu befhädigen und folch ein Frevel würde
gewiß auch nicht ungerochen bleiben.“
(Siehe „Badiſche Wochenſchrift.“ 1807. Rr. 34. Der Name bes Einſenders
ift nicht „angegeben.)
Der Metzger bei der Hexenverſammlung.
Ein Metzger von Waibſtadt, der fpät in der Nacht
heimging, fich aber verirrt hatte, fah Licht auf einem Hügel
⸗
428 Elſenzgau.
und flieg hinauf. Oben fand er eine Menge Leue verſammelt,
bei welchen aufgefpielt und getanzt wurde. Unter benfelben
ward er feine Gevatterin gewahr, die auch ihn erblidte und
fragte, was er hier zu thun habe? Nachdem er ihr geant-
wortet, er babe fidy verirrt und fey dem Lichtichimmer nachges
gangen, fagte fie zu ihm, er könne da bleiben, was er auch
that und dem Tanze zufchaute. Gegen Mitiernacht erfundigte
fih die Gevatterin, ob er fih noch nicht fchläfrig fühle und
führte ihn, als er es bejahte, in einen nahen Saal, worin
ein feidenes Bett fand. Er Iegte fih auf ihr Geheiß barin
nieder und fchlief alsbald ein. Als er erwachte, war es Mor⸗
gen und er fah fich unter dem Waibſtadter Galgen liegen und
ringsum war fein Menfch mehr zu erbliden. Er machte fih
befhämt nun fogleich hinunter in den Ort, wo die erfle Pers
fon, welche ihm unter dem Thore begegnete, Die Gevatterin war
und ihn bat, von dem, was er auf dem Berge gefeben, Feiner
Seele was zu verratben. Dies verſprach er ihr, konnte fi
jedoch nicht enthalten, die. Sache fpäter feiner Frau zu ents
beden. Bald darauf warb er von der Gevatterin erfucht, in
ihrem Haus.ein Schwein zu fehlachten, wozu er, body erft nach
mehrmaligem Weigern, fich endlich verfland. Beim Ausnehmen
bes Schweines ward er, in den Eingeweiben befjelben wühlend,
yon etwas Spigem ſcharf in die Hand geftochen, in Folge deffen
fie ganz fchwarz wurde und er nach wenigen Tagen am Brand
fterben mußte.
(Nah mündlicher Ueberlieferung mitgetheilt von Bernhard Baader in Mone's
! „Anzeiger für Kunde ver teutfhen Vorzeit.” Jahrg. 1838.)
Der dreifüfige Dafe.
Sn der Hohlgaffe zwifchen Wiesloh und Baierthal
ſitzt allnächtlih auf dem Kreuzwege ein dreifüßiger Hafe, ber
Denjenigen, welchem es gelingt, ihn zu fangen, glüdlih zu
machen beflimmt iſt. Ein Heiner budliger Schuhmacher, der
einſtmals auch den Hafen bortfelbft erblidte, fprang, um ihn zu
haſchen, mit den Worten auf ihn zu: „Halt Häglein, bu bift
mein!" Da war im Nu der Hafe verſchwunden; quf bem
' Elfenzgau. 429
Buckel des Schufterleins aber hing ein Sad, den ed, während
er immer fihwerer und ſchwerer wurde, eine halbe Stunde weit
forttragen mußte. Alsdann fiel der Sad mit ſtarkem Plump
ab und aus der Erde rief eine Stimme: „Nun kannſt du dich
glücklich ſchätzen, daß du nur noch eine Laſt auf deinem
Rüden trägſt“! — welchen Worten ein gellendes Gelächter folgte.
(Nah mündlicher Ueberlieferung mitgetheilt von Bernharb Baader in Mone's
„Anzeiger für Kunde der teutfchen Vorzeit,“ Jahrg. 1838, S. 309.)
” “=
Der Gänsberg,
an defien Buße der Wieslocher Schwefelbrunnen Yiegt, foll
feinen Namen folgender Begebenheit zu verdanten haben: Als
einft fremde Völker unverfehens ins Land fielen, retirirte ſich
der Gänfehirt von Wiesloch mit feinem fehnatterluftigen Heere
in das Gebüſch oben am Berge. Der Feind rüdte heran, um
die Höhe zu beſetzen; plöglich rannten die aufgefchredten Gänfe
mit Donnerndem Gepraffel durch das Gebüfch : der Feind, in
der Meinung, aus einem Hinterhalte überfallen zu werben,
floh, von panifcher Angft ergriffen, jähling den Berg hinunter
und, als ob ihm der Böfe auf den Ferfen wäre, ohne Urfache
wieder über den Rhein zurück. — Ein neuer, wenn gleich Fein
Capitolinifher Evelftein in der Verbienfifrone dieſer Thiere !
(Siehe „Barifhes Magazin.” Jahrg. 1811. Nr. 156.)
Der Teufelsbeſchwörer.
Oberhalb Wiesloch geht der Pfab von Rauenberg nad
Waldorf über Die Landſtraße und bildet fomit einen Kreuzweg,
an dem ein fleinernes Cruzifix ſteht. Auf dieſem Plate verrich-
teten einft Nachts etliche Leute das fogenannte Chriſtophels⸗
gebet, um dadurch zu erwirfen, bag ber Teufel ihnen Gelb
herbeibringe. Während des Betens entftand in der Luft ein
großes Getöſe; fie blickten empor und fahen bicht über ihren
430 Elfenzgan.
Häuptern an einem bünnen Faden einen Mühlſtein hängen,
worauf fie voll Entfeten die Flucht ergriffen.
Nah mündlicher Neberlieferung mitgetheilt von Bernhard Baader in Monde
„Anzeiger für die Kunde der teutfchen Vorzeit,“ Jahrg. 1836. S. 309.)
Das beberte Kind in Nuſtloch.
Als eine Frau zu Nuß loch Mittags ihrem ſechswöchigen
Kinde Brei gab, Fam eine Krautfchneiderin in die Stube und
fragte fie, warum das Kind fo wenig Brei erhalte? Die
Frau verfegte, das gehe bie Krautfchneiberin nichts an; worauf
diefelbe voll Zorn fih entfernte. Am Abend, als das Kind
wieder Brei befommen follte, nahm es feinen an, fondern
weinte heftig und ben ganzen nädften Tag über blieb fein
Benehmen eben fo. Bekümmert trug die Frau das Kind im
Dorfe herum und fragte, ob ihm Niemand helfen fünne? Ein
alter Strumpfftrider erbot fih dazu und trug das Kind am
folgenden Morgen um 5 Uhr nad Wiesloch zu den Kapuzi⸗
nern. Nachdem diefelben lange über das Kind gebetet hatten,
fam eine große Kapfel zur Thüre herein und Tlapperte die
Worte hervor: „Mad mih auf! Mad mich auf!" — Man
öffnete fie nun und fah darin eine Menge von Pärchen liegen,
deren jebes mit einem Namen überfchrieben war. Die Kapfel
gefland nun, fie fey felbft die Krautfchneiberin und habe dag
Kinde behert; es könne jedoch von dem Zauber befreit werben,
wenn man ihm Pulver aus dem Päckchen eingebe, worauf fein
Name fiehe. Die Kapuziner fanden das Päckchen und gaben
die eine Hälfte des Pulver dem Kind ein, bie andere bem
Strumpfſtricker mit nad Haufe. Dort fagte derfelbe der Mut⸗
ter des Kindes, am Abend werde die Krautfchneiderin wieder
zu ihr fommen und fie folle derfelben dann das Pulver, wels
ches er ihr bier mitgebracht habe, in einem Stüde Brod zu
effen geben. Die Frau that wie geheißen, worauf bie Kraut
fhneiderin ganz rafend wurde und oben aus dem Schornftein
binausfuhr. Das Kind aber war wieder ganz hergeftellt und
erreichte ein Hohes Alter.
(Siehe Mone!s Anzeiger ıc, J. 1838.)
D 0 E
Mannheim
und naͤchſte Umgegend.
+30€&>
Mannem.
Pfälzer Dialeet.
Mannem! Ja, deg muß mer fage,
Wie ich mich befinn’ un waͤhl':
Mannem bleibt halt immer Mannem,
S' gibt nor eens, bei meiner Seel'!
Do der Rhein un do der Necker —
S'is der der e Paradies!
Un bie Stadt mit ihre Gaffe,
Hol mih Gott! e klee Paris.
Will mer nor deß Schloß betrachte,
Werren eem bie Ange fchen,
Wo mer hinkummt, is Doch nergends
Sp e weltmillions Gebäu.
Dod wie werd mer’s, wenn ich dran benf,
Wie der Karel Theodor
Roc gelebt hot, greine möcht’ ih —
S' fummt mer jeß ganz anerfcht vor.
Sellemol, do war e Lebe!
Freilich war ich noch e Bu,
432
Mannheim.
Sechzehn Johr alt, awer denk' is,
Schnürt mer’s fafcht die Gorgel zu.
Bin emol mit meiner Schwefter
uf de Voxall *) gange, denk!
War maskirt; no, den Spektakel,
Hofcht gemeent, du krieſchſt Die Krenk!
War der der e Menjchetruppel
Do in dem Theaterfaal,
Wann er noch emol fo groß wär,
Wär er doch zu korz un ſchmal.
Kummt e Paff zu meiner Schwefter
Un e Nunn kummt zu mer bin,
In der Paff, des war der Korferfcht, *)
Un die Nunn die Korferfchtin.
No, hab ich gebenkt, du kumſcht mer
Recht, du biſcht emal nit faul;
Un mein Oos vun ere Schweiter
Die nimmt a keen Blatt vor’d Maul.
Un do han mer dann bie Herzer
Ausgeleert, recht di un binn,
Un getanzt, fie mit dem Korferſcht,
Un ich mit der Korferſchtin.
Regifchtrater wär ich worre,
Odder fo e Sefretär,
Wann nit e verfluchter Zufall
Uns derzwifche Tumme wär.
Rumpelt der e Pärche z’amme,
Un die Ann’re driver naug,
Un ich fall mer dann zum Unglüd
Gleich e fuͤrchterliche Brauß.
*) Vauxhall. Großer Maskenball.
++) Kurfürſt.
Mannheim. 433
Jetz war's al! Was war ze made?
S' Klotte’s Bube have g’fagt:
„Die bio Chlaue) Daub (Taube) is halt beim Deivel!⸗
Ham mid aus dem Staab gemadht.
Selli Zeite Tumme nimmer,
Aber deſſentwege is
Mannem halt noch immer Mannem,
Is e wahres Paradies.
S' gibt nor eens, ich kann's Euch ſage,
Wie ich mich beſinn un wähl':
Mannem bleibt halt immer Mannem,
©’ gibt nor eend, bei meiner Seel!
(Dies haracteriftifche Lied if, ohne Namensangabe des Berfaf-
fers, mitgetheilt im Mannheimer „Stadbt- und Landbothen.“ Jahrg.
1834. ©. 1005.)
‘
Mannheim's Urſprung.
Einige wollen behaupten, ein Mannus, König der Deutfchen,
habe vor Ehrifti Geburt ſchon hier eine Stadt gegründet. Daß
die Römer bier eine Niederlaffung hatten, dafür ſpricht Vie
les, befonders mehrere bier gefundene Müuzen, Scherben an-
tifer Gefäße und ein Stein, der im alten Rathöhaufe einge-
mauert war, auf dem man eine heidnifhe Sündenabwafchung
mit dem Blute ‚von Opferftieren unterfcheiden Tonnte. Heller
wird Mannheims Gefchichte vom Jahr 764 an, wo es noch
Mannenheim hieß; *) im dreizehnten Jahrhundert warb
es Rurpfälzifch und blieb es bis ind neunzehnte Jahrhundert.
Kurfürft Friedrich IV. der eifrige Reformationsfreund, baute
*) Der Boden, auf dem Mannheim gebaut ift, hieß in den altgermanifdhen Zeiten
bald; „Mannheim,“ bald „Mann im Hain“ d. i. Schusgeift ded Waldes. Der
Plass war alfo geheiligt als naturwüchſiger Nationaltempel, Götterhain. Früher gehörte
dieſe Stätte zum alten Lob⸗den⸗Gau, nämlich zu der Zeit, als fie no ein Dorf war;
doch hat der Nedar feither feinen Kauf verändert, da er noch zur Zeit der Karolinger
oberhalb Mannheim, gegen Nedarau zu, fi) mit dem Rheine vereinigte,
(Siehe Hegewalds „Mannheims romantifhe Borzeit,”)
I. 28
434 Mannheim.
hier 1606 eine fefte Burg, die Friedrichsburg; Wallonen,
(8.1. Niederländer) von dem Tyrannen Alba vertrieben, fiebels
ten fih an und vermehrten die Bevölferung um ein Bebeu-
tendes. Der dreißigiährige Krieg brachte au) Mannheim gänz-
liche Verwuſtung; doch die von Natur begünftigte Lage ber
Stadt und biefe große Freiheiten, deren fie genoß , lockten bald
wieder viele Anfiedler; auch die Peft, welche im fiebzehnten Jahr⸗
hundert bier wüthete, der ſch warze Tod genannt, vermochte
nicht, das Emporblühen diefer Stabt zu vernichten. Kurfürft
Karl ludwig baute hier die Concordien-Kirche, worin auch
feine geliebte Degenfeld ihre Ruheſtätte fand. Alle chrift-
lichen Eonfeffionen follten bier in inniger Eintracht Gott ihre
Verehrung barbringen. — Neue Noth. brachten die folgenden
Kriege, bis endlich Kurfürft Karl Philipp, mit Heidelberg
in Zerwürfnig gerathen, feine Reſidenz hieher verlegte.
AS der eigentliche Schöpfer von Mannheims jebiger Größe
und Schönheit iſt Karl Theodor zu betrachten.
8.9.8.
!
Die weiße Dame,
Um Mitternacht: geht bei der Uhr im Schloß ein ſchwarzer
Hund um und in den Gängen eine vornehme Hofbame, die
ein weißes Seidenkleid mit ſchwarzen Blumen an hat. Um
fih vor ihr zu ſchützen, Tehrten ehedem Die Schildwachen, wenn
fie an ihnen vorüberging, die Gewehre um, fo daß bie ge⸗
weihten Slintenfolben oben waren. Einem Soldaten, welder
dies einmal unterließ, gab dieſe weiße Dame eine tüchtige
Ofrfeige.
Der Nheingeiſt.
Im Schloßgarten, der ſich laͤngs des Rheines hinzieht,
iſt in der Abenddämmerung ſchon manchmal ber Rheingeiſt
Mannheim. 435
als grauer Mann erſchienen. Auch läßt ſich daſelbſt das durchs
dringende Gewimmer eines Gefpenftes halbe Nächte ang hören.
(Nach mündlicher Meberlieferung mitgetheilt von Bernhard Bader
in Mone's Anzeiger ıc. Sahrg. 1838.)
Der Saft in der Nheinmühle.
Wohl war es um die Mitternacht,
Den Müller treibt zur Mühle;
Es gleitet durch die Wellen facht
Sein Kahn im Mondfchein Fühle.
Tief ruht die Stadt; — das Mühlenrad
Sp ſchläfrig geht’s im Kreife;
Die Waſſer wallen ihren Pfad
Traumfeierlicher Weiſe.
Und aus dem Nachen leiſe leis
Der Müller tritt zur ‘Mühle,
Dar fieh | mit langem Bart ein Greis
Ruht Hier auf ſchilf'gem Pfuͤhle.
„He, fauler Knecht! wen herbergſt du?“
Der Müller riefs im Zorne. —
„Herr, gönnt dem müden Alten Ruh!
Er ſchadet nicht dem Korne.“
„Und wärs der müde Herrgott auch —
Die Schlote wollen rauchen!
Hinaus mit dir, du alter Gauch!
Kann nicht Faullenzer brauchen!“
Das Waſſer ſchwoll, der Sturmwind ſchnob
Wild brauſend um die Muͤhle;
Mit drohender Gebärde hob
Der Alte fih vom Pfühle:
28*
436 Mannheim.
„Gemahlen hab’ ich dir die Frucht
Sahraus, jahrein mit Seife;
Ein Stündden Schlaf, das ich geſucht,
Bereitelt dein Geheiße!
„Dein Herz ift wie ein Mühlenflein,
Bol Undank iſt's, voll Wucher !
Ich geb’, — doch wiſſ': der Alte vom Rhein,
War felber Dein Befucher.
„Dir aber, braver Müllerfnecht !
Bleib' dankbar ich ergeben;
Befteig den Kahn und rudre recht!
Lang’ freu’ Dich meiner Neben !“'
So ſprach der Nheingeift und zerfloß
Im grauen Fluthgewühle,
Und wirbelnd fammt dem Müller ſchoß
Zum tieffien Grund die Mühle.
Ignaz Sub,
(Driginalmittheilung,)
Da3 Feuer und der Trappgaul.
Von dem Haupteingange des abgebrannten Schloßflügels
in Mannheim fieht man das Thor des Fatholifchen Kirchhofg,
der am andern Ende der Stadt liegt. An beiden Thoren brennt
in den heiligen Nächten eine helle Flamme; wer aber an
dem einen oder dem andern ſteht, fieht nicht das dortige, ſon⸗
dern nur das entgegengefeßte Feuer.
Ferner ſpukt in den Straßen Mannheims ein großes Pferd,
der „Trappgaul“ genannt, welches fihon viele Leute flunden-
Yang irre geführt hat. |
Berge, Mone’s „Anzeiger 20.” Jahrg. 1839.)
Mannheim.
Die Teufelskaroſſe.
Zu Mannheim um die Mitternacht
Ein Wagen fährt mit ſeltner Fracht
Gaß' auf, Gaß' ab; nehmt euch in Acht!
Des Teufels Staatstaroffe.
Einmal, — ed war ein Pietift,
Kopfhängeriſch, voll Trug und Liſt, —
Vor's Fenfter Tugt der falfche Chriſt,
Der Thurmuhr Räder fohnarrten.
Fünf — fieben — zwölf! Die Geifterftund’
Hallt dumpf aus vollem Glockenmund,
Aufſchauert tief von Seelengrund
Gewiſſensbang der Heuchler.
Horch, Räderraffeln, Peitfchenfnall !
Bierfpännig rollt heran mit Schall
Der Wagen, daß vom Widerhall
Die Häufer rings erbeben.
Bon hohem Bord, reich gallonirt,
Der Kutfcher das Gefpann regiert, -
Das Funken fchlagend galoppirt
Und aus den Nüftern flammet.
Der Mann am Fenfter ſchreckt zurüd;
Zum Schlag heraus, den Blid voll Tu,
Mit feuriger Allongeperrüf’
Gruß nit ihm zu der Teufel!
Er will zurüd, — zum Riefentopf
Schwillt ihm der Kopf, zum Thurmesknopf,
Und greulic, flarren ihm am Schopf
Wie Zgelborften die Haare.
Die Peitfche Enallt von fern; es dröhnt
Das Pflafter Hohl; Gekicher höhnt
Ihn allerwerts; er feucht und flöhnt,
Die Augen Freifen wie Zeller.
437
438 Mannheim.
Des Schadels zentnerfhwere Lafl,
Sie droht ihn zu erbrüden fafl,
Noch vor dem Fenfter ohne Raſt
Sein Haupt fi wölbt und weitet.
Um Hülfe fehreit fein Jammerlaut,
Bis daß der Morgenhimmel graut
Und man das Ungeheuer ſchaut.
Des Kopfs des Pietiſten.
Man riß den Fenſterkreuzſtock ein,
Des Haupts Koloß auf ſchwankem Bein
Ward erſt allmälig wieder klein, —
Doch war ſein Verſtand des Teufels.
Ignaz Hub,
(DOriginafmittheilung.)
(Bergl. „die feurige Rutfche” in Mone's „Anzeiger 20.” Jahrg. 1836.)
Die Here und der Mühlknecht.
Eine Müllersfrau zu Mannheim, die eine Here war, ber
gab fih jede Mittwochs- und Freitagsnacht zum Herentange, wels
cher im freien Feld unter einem großen Baum gehalten wurbe,
Wenn fie fih dahin aufmachen wollte, verwandelte fie einen
Strohwiſch oder ein Stüd Holz in ihre eigene Geftalt, legte
das Blendwerk zu ihrem Manne ind Bett, ging dann in bie
- Kammer bes LTehrfungen, über welchen fle Gewalt hatte, legte
dem Schlafenden einen Zaum an, verzauberte den Knaben in
ein Pferd und ritt darauf hinaus. Ebenſo Fehrte fie fpäter wies
ber heim und der Junge wachte am Morgen ganz ermübet in
feinem Bette auf, ohne von dem Vorgange nur das Mindeſte
zu ahnen. Weil er darüber nach und nach außerordentlich abs
magerte, fehöpfte der Mühlfnecht Verdacht, daß es nicht mit
rechten Dingen zugebe. Derfelbe hatte früher bei einem. Scharfs
richter gedient und von ihm mancherlei geheime Künfte gelernt.
Nachdem er ſich mit dem Jungen beſprochen, mußte biefer in
Mannheim. 439
ber nächſten Freitagsnacht mit ihm die Schlafftätte wechſeln.
Zur gewöhnlichen Zeit kam die Müllersfrau an das Bett, worin
jegt der Knecht lag, zäumte denfelben, in der Meinung es fey
der Junge, auf, gab ihm Pferdsgeftalt und ritt auf ihm das
von, was er alles ruhig gefchehen ließ. In der Nähe der Herens
verfammlung band fie den fo verwandelten Knecht an einen
Baum, nahm ihm den Zaum ab und begab ſich allein gu dem
Feſt. Als folches zu Ende war, kehrte fie zurüd und wollte ihm.
den Zaum wieder anlegen, er aber padte denſelben, warf ihn
geſchickt ihr felbft über, verwandelte fie damit in ein Pferd,
fhwang fih, nun wieder in feiner eigenen Geflalt, darauf,
und fprengte nach der Stadt und gerade nor eine Schmiede.
Dort ließ er das Pferd an allen vier Hufen befchlagen, ritt
dann in die Mühle und ging, das Pferd fich felbft überlaffend,
zu Bette, um noch auszuruhen. Am Morgen gab ſich die Mül-
lerin für frank aus und hülfte ſich forgfältig in die Beitdecke,
aber ihr Mann, welchem allein der Knecht die Sache mittheilte,
nöthigte fie, ihm ihre Hände und Füße zu zeigen, woran die
Hufeifen noch feft faßen. Diefe nahm er ihr zwar unter Gebet»
ſprüchen glüdlich ab, jedoch mußte fie hoch und theuer ihm ges
Ioben, fich zu befehren und vornehmlich auf immer der Hexerei
zu entfagen, welches Berfprechen fie auch, mit Gottes Beiftand,
treulich erfüllt hat.
(Nah mündlicher Meberlieferung mitgetheilt von Bernhard
Baader in Mone's „Anzeiger ꝛc.“ Jahrg. 1839, ©. 182).
Der Rofengarten.
(Erzählung nad) der Wolksfage.)
Gleich außerhalb der Feſtung Mannheim, am bieffeitigen
Neckarufer, ftand eine Hütte auf einer Kleinen Anhöhe, die das
Hochwaſſer nicht überfluthete. Um die Hütte zog fich ein freunds
liches Särtchen. Hier wohnte der alte Fifher Hamm mit
feinem Weib und feinem Sohne, einem ſtarken gefunden Burs
fhen von neunzehn Jahren, der feinem Bater im Geſchaͤfte
treulich beiftand. Der Junge hieß Baftian, die Fifcher aber
nannten ihn nur den Singbaftel, denn er johlte den ganzen
Tag und war voll Durchtriebener Einfälle, jedoch ein ehrlicher
440 Mannpeim.
Kauz, der wohl den Muth gehabt hätte, dem Lieben Herrgoit
felber frei ind Antlig zu ſchauen. Jegt war er Bräutigam,
oder fand im Begriffe, fih nad Oſtern einen eigenen Haus⸗
balt zu gründen, das heißt, Die Hütte feines Vaters etwas
zu vergrößern und bie ftille Samilie zum Anfang um ein Glied
zu vermehren. Seine Braut Liesbeth war ein frifches bra⸗
ves Maͤdchen, deren ganze Ausftattung jedoch nur in ihrem
guten Muthe und einem Paar fleifiger Hände befland. Ihre
Aeltern hatte fie früh verloren, daher fie dann im Dienfle
fremder Leute ſich ſpärlich durchbrachte. Auch Baftian befaß
nur wenige Gulden, die er fi mit raſtloſem Fleiße zufammen-
gefpart Hatte, um, was bie Hochzeit und die Einrichtung etwa
foften möchten, damit zu beftreiten; deßungeachtet fah das
Brautpaar den Himmel voller Geigen und hatte feinen fehn-
licheren Wunfch, als wenn nur erft Oftern vorüber wäre. Das
Vierteljahr, das noch dazwiſchen Tag, glaubten fie faum er⸗
leben zu fünnen.
Es war ein kalter fpäter Winterabend; der alte Hamm ſaß
bei feiner Frau, die Krankheitshalber darniederlag, am Bette
und plauberte mit ihr vom fünftigen Hausſtande ihres Sohnes.
Diefer war heute ungewöhnlich Tange auf dem Fifchfange aus⸗
geblieben und eben wollte Die Mutter ihre Beforgniffe darüber
äußern, als beffen ſchon von fern ertönendes fröhliches Gejol
diefelben auf einmal zerfireute. Gleich darauf trat Baſtian
in befonders luſtiger Stimmung zur Kammer herein und er
zählte lachend, welch ein Glück ihm heute begegnet ſey. „Hört
nur,” — hnb er an — „in der Stadt iſt ein Leben, fo
etwas hab’ ich mein Lebtage nicht gefehn! Um bie Sriedriche-
burg und am Sand hin ift Alles voll Buben und Ständen, und
zwei Regelbahnen nebeneinander, und Zelte zum Tanzen —
das muß fa Morgen eine Luft geben, wie im Paradies; benkt
nur! al’ meine Fifche hab’ ich an den Durlacherhof-Wirth ver-
fauft und ihm felhft ind Haus bringen müffen. So viel Geld
follten wir alle Tag Iöfen, da feht einmal her, Vater!“ Mit
biefen Worten fehüttete Baflian feine Tafche voll blanker Münze
auf den Tiſch auf; der Vater ſtrich fehmunzelnd ein und über«
reichte das Geld der Mutter, die e8 auf dem Dedbette behag⸗
Lich nachzählte. „Als ich die Fifche hinbrachte — fuhr Baſtian
Mannheim. 441
indeffen fort,“ — fagte der Witrh zu mir: Da, Baſtian, fep’
dich her und iſſ und trinP, fo lang's die gut ſchmeckt! — Ich ließ
mir das natürlich nicht zweimal fagen. Da faß aud der Ja⸗
ger des Grafen — den Namen hab’ ich vergefien — der ift
ein Tyroler, ein Treuzlufliger Kerl; wir haben miteinander ge=
fungen und angeftoßen, nun, da konnt' ich nicht fo leicht fort⸗
fommen; die Säfte faßen um uns herum, horchten zu und
ſchenkten ung immer die Gläſer wieder voll; fonft wär’ ich ſchon
lange zu Haufe! Ich weiß auch jet, was die Jubelmeſſe
morgen bedeutet; es hat's mir Einer erzählt: der Churfürft
hätte vor dreizehn Jahren die Gerechtigfeiten der Stadt bes
willigt, und zum Andenken an biefen Freudentag wären eben
biefe Feftlichkeiten zur allfährigen Feier .feftgefegt worden.”
„Ja, jo verhält es fih wirklich!“ — bemerkte der alte
Hamm — „aber Baflian, Junge, du haft, ſcheint's mir, ein
wenig zu tief in's Glas gegudt, ich denke, du thuft nun am
beften, du legſt dich zu Bette und fohläfft aus.” — „Ia, aber
der Tyroler⸗ — begann Baftian wieder mit Laden — „der
fann’s! Trinkt der doch den Wein hinab, wie wenn’s Nedars
wafjer wäre; und der Wirth hat gefagt, ich follte nur zu⸗
trinfen, es koſte nichts, und follte morgen in fein Zelt fommen,
da könnt' ich tanzen, fo Yang’ id wollte, — die Mufifanten
wären frei. Gelt, Vater, da darf ich hin mit meiner Tiefe? —
und doch tanz’ ih — und da tanzen wir — und —“ Der
Bater wurbe jetzt etwas verdrießlich und fagte: „in, ja! geh’
nur jett und leg' dich ſchlafen!“ was denn aud gleich
geſchah.
„Froh bin ich,“ — ſprach der Vater, als er nun wieder
mit ſeinem Weib allein war — „wenn der Junge einmal ver⸗
heurathet iſt; ich fürchte ſonſt, er wird mir noch lüderlich!“
Das wollte Die Mutter aber nicht aufkommen laſſen. „O geh!
— verfeßte fie — „was iſt denn Arges daran, wenn er nun
einmal ein Glas über den Durft getrunfen! Er ift das
nicht gewohnt — du weißt, -wie ordentlich er fonft iſt!“ Im
ſolchen Fällen hat eine Mutter immer taufend Entfchuldigungen
für den einzigen Sohn.
Am andern Tage ging Baſtian wirklich mit feiner Verlobten
zum Tanze. Die Mutter drückte ihm verfiohlen noch ein Geld⸗
442 . Mannheim.
fili in die Hand, machte ihm aber zur firengen Pflicht, ja
nicht fo ſpät heimzukommen, weil fie fonft in taufend Sorgen
feben müſſe. Baftian verſprach Alles, was fie wollte, ſteckte
noch al fein erjpartes Geld in die Taſche und als Tiefe ihm
darüber ſchüchtern Borftellungen machte, warf er ihr hin: „Pah!
wenn man’s auch nicht ausgibt, fo ſteht's dem Bräutigam doch
wohl an, wenn ihm beim Tanz die blanfen Thaler in ber
Tafche klingen!“
Zubelnder Frohſinn erfüllte die Straßen Mannheims; unter
freiem Himmel wurde gefotten und gebraten, getrunfen und
geſchmaußt; reihenweife faßen die luſtigen Zecher, fröhliche Lies
der ſchallten durch das Getümmel des Volks, dazwiſchen tönten
nah' und fern die Pfeifen und Geigen der Muſikanten, die
allerlei ſchöne Tanzweiſen aufſpielten. Baſtian und ſeine Lieſe
wähnten ſich im Himmel; beide tanzten heute zum Erſtenmale,
fo gut e8 eben ging, aber die Neuheit diefes Vergnügens wirfte
auf fie mit ihrem ganzen Reize. Minuten erft fehienen vors
übergeflogen,, da war ber Abend ſchon da, da war bie Stunde
gefommen, die Tiefen nach Haufe rief. Mit biutendem Herzen
verließ fie das herrliche Zelt, doch wollte fie dem Gebot ihrer
Dienftherrfchaft nicht ungehorfam feyn und Baſtian begleitete
fie bi8 an ihre Wohnung, wo er ihr auf der Schwelle feier-
lich verſprach, fih gleichfalls unverzüglich nach Haufe zu bes
geben. In der That war bies auch Baftians fefter Wille und
Vorſatz. Der Rückweg nach feines Vaters Hütte führte ihn
wieder über den „Sand.“ in neues Vergnügen wär’ ed ihm
jet gewefen, das Feft ald Zufchauer zu überbliden, Doch, feines
Verſprechens eingedenk, ging er mit fchnellen Schritten vor⸗
über, nur zuweilen ſich noch nad dem Indenden Schauplage
umſehend.
Um einen großen Tiſch, auf dem mehrere Lichter brannten,
drängten ſich viele Menſchen, meiſtens Soldaten; ihr oft
wiederholtes Gejubel und Beifallsklatſchen reizte Baſtians Neu⸗
gier, und als er näher trat, erkannte er den Tyroler, mit dem
er Tags zuvor im Durlacher Hofe geſungen und gezecht hatte.
Der Tyroler würfelte mit einem Juden um Geld und gewann
faſt immer. Nebenbei wetteten viele der Umſtehenden, theils
auf den Juden, theils auf den Tyroler, und das Alles ging
Mannheim. 443
ungemein Vebhaft zu. Der Tyroler hatte alle Tafchen vol
- Geld. Indeſſen war Baftian bis zum Tifche vorgebrungen.
Kaum erblickte ihn der Tyroler, fo rief er ihm freudig zu.:
„Srüß dich Gott, Bruderherz, komm ber, verfuche dein Glück
ebenfalls! Da, der Wurf fol für Dich gelten!“ — „Gilt 1“
— fragte der Jude. — „Meinetwegen!” — rief Baftian, ſelbſt
nicht wiffend, wie ihm geſchah. Die Würfel rollten, Baſtian
hatte gewonnen; der Jude zahlte mit verbiffenem Grimme und
warf von Neuem. Zum zweitenmale gewann Baflian und
foielte nun weiter. Der Tyroler war verſchwunden. Baftian
gewann noch einigemale, dann aber wendete ſich das Glück,
das Spiel ſchwankte herüber, hinüber, und auf einmal verlor
Baftian hintereinander nicht nur fein bereits gewonnenes, fon-
bern auch den größten Theil feines mitgebrachten Geldes. Da
zitterte feine Hand; er wollte den Würfelbedyer niederlegen,
doch ein alter bärtiger MWachtmeifter, mit ernſtem grämlichem
Geſichte, der Hinter ihm fland, brummte ihm in die Ohren :
„Nicht nachgelaffen! Das Glück dreht fich wieder; Doppelt ges
fest!” Baſtian wagte, verlor, und fland wie vernichtet. —
„Da haft du Geld!“ — raunte ihm der Wachtmeifter wieder
zu, ihm einen Beutel in die Hand fehiebend — „ſetz' nur frifch
zu, das Glück dreht fih doch noch!” Baſtian war in ber
größten Beklommenheit; er wollte wegen bes Geldes feine
Beforgniß äußern, er möchte unvermögend feyn, es je wieder
zurüdzuerftatten, allein der Wachtmeifter ließ ihn nicht zu
Worte fommen und fagte immerfort: „Spiel nur, ſpiel'!“
Baftian griff abermals nad dem verhängnißvollen Becher.
Aber auch nicht ein einzigesmal mehr gewannen feine Würfel
und nicht lange, fo war auch ber geliehene Beutel in des Juden
Händen. „Jetzt bift du mir fünfzehn Gulden fhulbigl» —
flüfterte ihm der Wachtmeifter zu und folgte dem vor Entfeßen
Wanfenden aus dem Gebränge, führte ihn in ein abgelegenes
Zelt, ließ Wein fommen und ſprach dem betäubten unglüdlt
hen Baſtian fo lange zu, bis dieſer aus lauter Berzweiflung
mehrere Släfer raſch nacheinander Ieerte. Sein ohnehin aufs
geregted Blut gerieth durch das Feuer des Weines in noch hef-
tigere Bewegung. Sein Yested klares Bewußtfeyn ſchwand,
noch zwei Soldaten feßten fih an den Tifch; Baftian tranf mit
444 Mannheim.
Allen, wurde vertrauter, nannte ſie Kameraden, Freunde und
Brüder, verſprach, bei ihnen zu bleiben, nahm Handgeld und
ward die Beute der Werber. Er wußte nichts mehr von ſich
und ſank in einen tiefen Schlaf.
Als er am andern Tage ſpät erwachte, fand er ſich auf
einem Wagen liegend, mit einem alten Mantel bedeckt; vor
ihm ſaßen ein Offizier und zwei Soldaten, hinter dem Wagen
her kam noch ein ganzer Trupp Angeworbener, in den verſchie⸗
denſten Trachten. Den Zug ſchloß eine Anzahl Bewaffneter
und fo gings langſam fort der Heerſtraße nach, dem ſchwäbiſchen
Kreife zu. Baſtian war in flummer Verzweiflung und big fi
in die Lippen, um fie nicht laut werben zu Taffenz ihm bot füch
feine Ausſicht auf Hülfe, auf Rettung. Heiße Thränen ſtrömten
über feine Wangen bei dem Gedanfen an feine Braut, feine
Aeltern. Der Zug wälzte fih ohne Aufenthalt Tangfam fort.
Ba mußte auch Baftian den Wagen verlaflen, um fich den
übrigen Gefährten Hinten anzufchließen. Welchen Troft hätte
ihm jest der Anblick eines Freundes gewährt! Aber unter Allen
ſah er feinen einzigen Befannten. |
Baſtian's Mutter hatte jene unglüdlihe Nacht qualvoll
durchwacht, der Bater Fein Auge geſchloſſen, nur Liesbeth ahnte
nichts Schlimmes. Fröhlich hatte fie fich zu Bette gelegt, das
Fe im Traume noch einmal durchlebt und ihr erſter Gedanfe
beim Erwachen war der Wunſch, den Geliebten heute recht
bald wiederzufehn. So trat fie munter ihre Tagwerf an.
Statt Baftians fam aber deſſen Bater mit forgenvnller Miene
zu ihr und als auch Liesbeth ihm Feine weitere Auskunft über feinen
Sohn geben konnte, als daß er fie geflern Abends heimbegleitet
und ihr verfprochen habe, fi) ebenfalld gleich nach Haufe zu
begeben, da ftieg feine Angft noch weit höher. Er ging von
Straße zu Straße und forfchte bei all feinen Bekannten nad,
auch Liesbeth gab fich alle Mühe, Doch vergebens. Erft nad) eis
nigen Tagen verbreitete fih das Gerücht, Baftian habe fi,
vom Weine bethört, anmwerben laſſen, die näheren Umftände
aber wußte Niemand anzugeben.
Für Baftians Tranfe Mutter war diefe Nachricht ein Todes
ſtoß, den fie nicht lange überlebte; noch vor. Oflern ward fie zu
Grabe getragen. |
Mannheim. 445
Der alte Hamm ſah ſich nun allein, verlaffen von aller
Welt, ein bülflofer Greis, und wäünfchte gleichfalls zu fterben.
Da kam Liesbeth in der Tiefe ihres eigenen Schmerzes zu ihm,
verfuchte ihn zu tröften, entfchloß ſich bei ihm zu wohnen, ihm
bei feiner Arbeit zu helfen und nach ihren Kräften die verlorene
Stüge zu erfeben. Ihre fleißigen Hände ſchafften bald eine
beffere Ordnung in die Hütte und in den Heinen Haushalt; fie
pflegte den alten Hamm mit der kindlichſten Sorgfalt, nannte
ihn Vater, verkaufte die Fifche, die er fing, ſpann nebenher
zierlihed Garn, flocht Nepe zum Berfaufe und den Sommer
über prangten im Gärtchen die berrlichfien Rofen auf weit und
breit, aus welchen fie manchen ſchönen Batzen auf dem Markte
loͤſte. Ueberhaupt fehlen Gottes Segen ihren Fleiß zu loh⸗
nen; die Dürftigkeit ſchwand immer mehr aus der Hütte,
Zufriedenheit wohnte unter dem flilen Dache, nur dem Andenfen
bes verfchollenen Baftians flogen zuweilen flille Thränen. Ob
er noch lebe ober den Tod gefunden, darüber fam nirgendsher
Kunde; nur fo viel verlautete, daß er mit nad) Böhmen babe
ziehen müſſen. Die Nachrichten aus diefem Lande Fangen für
die Pfälzer nichts weniger ale erfreulich ; die Schlacht am weis
Ben Berge war bereits verloren, Friedrichs Heer zer-
freut, der Kurfürft ein Flüchtling geworden. Creigniffe von
der höchſten Wichtigkeit flunden in drohender Ausfiht. So
verfirich ein trübfeliger Winter. Mit dem erflen Frühlingshauch
aber grünte Hamms Gärtchen wieder, die Rofen trieben boff-
nungsvolle Knospen, Liesbeth wartete der zarten Erftlinge mit
emfiger Sorgfalt und dankbar lohnte ihr dieſe mit dem reichften
Bluͤthenflore.
Eines Morgens weckte den alten Hamm verworrenes Ge⸗
tümmel aus der Ferne. Erſchrocken ſtund er auf und trat vor
die Hüttenthüre: die ganze Gegend wimmelte von Soldaten.
Die Bayern hatten in jener Nacht unter Til ly's Anführung
die Feſtung Mannheim eingefchloffen und die Landſtraße war
bedeckt mit Gefhügen und Fouragewagen, die noch nachkamen.
Da ftand der Greis wie vor einem unvermeiblichen Abgrunde
und dachte: nun ift Alles verloren; es ift zu ſpät, noch in bie
Stadt zu flüchten; die wilden Kriegsſchaaren werben auch biefe
Stelle nicht verfchonen und mir Alles zerfiören — ad! und
446 Mannheim.
was wird aus meiner guten Lieſe werden! — In dieſem Au⸗
genblick kam ihm die treue Pflegerin, die er eben wecken und
auf das Aergſte vorbereiten wollte, gefaßt und ruhigen Antlitzes
entgegen. „Wir ſtehen ja in ber Hand des lieben Gottes;“ —
fagte fie, bereits unterrichtet von der drohenden Gefahr —
„Bürchtet Euch nicht, Bäterhen! Das Schlimmfte, was und
etwa treffen mag, iſt der Tod, und al’ unfre Lieben find ung
bereits vorausgegangen in den Himmel! — Nach diefen Wor-
ten kleidete fie fich forgfältig an und verrichtete mit dem Vater
ein herzliches Gebet. Kaum aber war dies zu Ende, als
an der Hüttenthüre ein heftiges Pochen erfchol. Der Alte
öffnete mit bangem Zagen. Ein Hauptmann trat herein, ges
folgt von zwei Soldaten und viele andere blieben zur Bewa⸗
fung draußen zurüd. Der Hauptmann fragte nad) des Fiſchers
Namen, ſprach ihm Muth ein und verfierte ihm, daß ihm
fein Leid widerfahren folle, jedoch nur unter der Bedingung,
Daß er ſich ruhig verhalte und keinen Schritt außerhalb ber
Hütte thue. Denfelben Befehl gab er auch dem Mädchen,
ftellte hierauf zwei Mann als Wade vor die Thüre, entfernte
fih wieder und ließ nahe bei der Hütte fein Zelt auffchlagen.
Rings herum lagerte feine Mannfchaft.
Fortwährend mehrie fi) das Kriegsgetümmel. So weit
das Auge reichte, blinften Rüftungen und Waffen; Wagenges
raſſel, Trommetengefchmetter Tärmten durcheinander und in ber
Berne raufchte Die Feldmuſik. Nicht minder lebhaft ging es
in der Stabt zu; die Wachen wurden vermehrt; die Thore
verrammelt, beim Gefchüge ftanden die Kanoniere mit brens
nenden Lunten; mit allen Gloden wurde gefäutet. Hamm und
Liefe konnten von ihrem Fenfter aus Alles überfehen. Ihre
Herzen fpochten allmälig ruhiger, je mehr fich ihre Augen an
ben betrübenden Anblid gewöhnten; als aber plöglih, an der
Spige feines Gefolges, der Städteverwüfter Tilly vorbeiritt,
ba fühlte fich Liefe von einer folchen Angft überfallen, daß fie
mit dem Schrei „Gott fey und gnädig!“ in die Arme des nit
minder bebenden Greiſes fanf. |
Bald darauf begann der Donner des Gefchüges, die Troms
mein wirbelten zum Sturme, bazwifchen hallte das Gefchrei
ber Krieger und ber erfle Angriff auf die Stabt erfolgte, Vers
Mannheim, 447
zweifelte Gegenwehr vermehrte die Wuth der Feinde, Jeder
Tag gebar neues Entfegen. Der mörberifhe Kampf dauerte
drei volle Wochen — endlich fiel die unglüdliche Feſtung in bie
* Hände der Bayern, und Tylli's Augenweide, der rothe Hahn,
fhwang feine Flügel über Die Dächer Mannheims.
Liesberh land wieder am Fenſter, die Züge mit Leichenbläffe
übergofien. Eben brachten Die Soldaten einen Verwundeten in
das Zelt, das nächſt der Hütte aufgefchlagen war. Auf dem
Angefichte der Krieger lag Trauer um ben geliebten Haupt⸗
mann; eine Kugel hatte ihm das rechte Bein zerfchmettert.
Wenige Stunden naher wurden Hamm und tiefe in das
Zelt gerufen. Der Hauptmann lag noch angefleivet auf einem
Schragen, um ihn fanden einige Freunde, fein Diener faß am
Untertbeil des Betted und barg das verweinte Antlig in die
faltigen Deden.
„Tretet näher, gute Leute!” — ſprach der Hauptmann mit
matter Stimme, — „ber Unfall, der mid) heute betroffen hat,
ruft mir die alte Lehre in's Gedächtniß, daß man nichts zu
lang aufſchieben folle, denn ungewiß ift uns die nächfle Stunde.
Hört, was ich euch erzählen will.
„Die naͤchſte Woche wirb’s gerad?’ zwei Jahre, daß wir bei
Prag den weißen Berg erflürmten, auf dem fich die Böhmen
mit den Pfälzern gelagert hatten. Die Schlacht war furz, doch
fanf ich im Gedränge, von einem Kolbenfchlag aufs Haupt ges
troffen. Dicht an meiner Seite fiel ein Pfälzer, von meiner
Hand verwundet. Wir wurben Beide, als die Schlacht ge⸗
wonnen war, in's Hospital getragen und kamen burd ein
Spiel des Zufalls nebeneinander zu liegen. Der Pfälzer genaß
in wenigen Wochen, auch meine Wunde war bald geheilt, aber
nun überfielen mich plöglich die fürchterlichiten Kopfſchmerzen.
Mein Zuftand glich dem eined Wahnfinnigen. In einem Anfall
ſolcher Raferei fprang ich an’s Fenſter, mich binauszuftürzen.
Schon hatte ich mich auf das Geſims gefchwungen und war
des Todes fiher, hätte nicht der Pfälzer, der mir nachges
ſchlichen, mich gepadt und zurüdgeriffen. Bon diefem Augen
blid an hielt fr an meinem Krankenlager beſtaͤndig Wache, er
pflegte mich wie ber warerfte Kamerad; bald war ich genefen,
und weil ich ihm das Leben dankte, behielt ich ihn als treuen
448 Mannheim.
Gefährten bei mir. Er diente mir mit feltener Anhänglichkeit,
begleitete mich auf biefem Zuge hieher und als wir nun erfuh-
ren, daß feine Braut noch lebe und fein Bater, da wünfchte
ich das freudige Wiederſehen ald Zeuge mitzugenießen. Damit
mir dieſe Wohne ganz ungeflört zu Theil werde, wollte ich
warten, bie es mit der Stabt in's Reine gekommen feyn
würde. Jetzt darf ich aber nicht länger fäumen. Fon, Maͤd⸗
chen, komm!“
Mit dieſen Worten ergriff er Liesbeths Hand, — fein « am Bette
knieender Diener richtete fi auf — „Baſtian!“ fchrie Tiefe —
die Liebenden flogen fih in bie Arme, der alte Hamm weinte
laut vor Freude, die Hand. des Hauptmanns mit Küffen be⸗
deckend, und ſelbſt in den Augen ber umftehenden bärtigen Krie⸗
ger perlten Thränen der Rührung.
Baftian und Liesbeth wichen von nun an nicht mehr vom
Kranfenlager des edeln Hauptmanns, aber ihrer Pflege gelang
die erwünfchte Nettung nicht, der Brand kam an die Wunde
und der großherzige Mann flarb wenige Tage darauf, nachdem
er noch das Brautpaar zu Erben feiner bedeutenden Baarſchaft
eingeſetzt hatte.
Hinter der Hütte in dem Gärtchen, in einem üppigwu⸗
hernden Rofenbeete, warb er begraben, uud zwar mit allen
Feierlichkeiten, womit man tapfere Krieger ehrt. Das ganze
Regiment betrauerte den Berluft eines milden Führers, eines
väterlichen Freundes.
Aber die heißeften Thränen um ihren Befchüger vergoßen
Baftian und Liefe. Das dankbare Pärchen, das kurz darauf
feine Hochzeit feierte, unterhielt die Roſen auf feinem Grab-
hügel mit forgfamfter Pflege noch viele Jahre eines glücklichen
Eheftandes hindurch,
Noch heißt jene Stelle bei Mannheim der Rofengarten.
Den Luftwandelnden umfpielen dort füge Wehmuthsgefühle und
verfiohlene Liebespärchen lenken gerne dahin auf dem einfamen
Fußpfade.
Das Teufelsloch.
Ohngefähr auf dem halben Wege zwiſchen Mannheim
‚und Feudenheim führte von der Heidelberger Heerſtraße
Mannheim. 249:
rechtsabwerts ein einfamer Feldweg, an dem Schützenhäuschen
vorüber, durch die menfchenleere Flur. Schwermüthige Stille
umgibt den Wanderer; nur zuweilen noch tönt der Knall einer
Peitfihe son der Straße herüber, bald aber verliert ſich auch
Diefe Spur des Lebens in der fchauerlichen Einöde. Der Wan⸗
derer überläßt fich ernfler Betrachtung. Plötzlich wedt ihn
ein Geräuſch; er wendet Die Augen rechts, ein Schwarm aufges
ſcheuchter Staare ſchwirrt Freifchend aus rauſchendem Schilfe
und hier iſt das Teufelsloch, eine grauenvolle, ſumpfige
Tiefe, von Uufen bewohnt und ſcheußlichen Molchen. Durch
den Nebel der Vorzeit lispelt Die geheimnißvolle Sage.
In dem Dorfe Dornheim, weldhes mit dem benachbarten
Mannheim zur Burg Rheinhaufen gehörte, wohnten einft
drei wohlhabende Brüder, Die ſich theild vom Fiſchfang, theils
som Aderbau nährten. Sie befaßen, faft am Ende der Ge-
marfung, ein großes Stüd Aderland, auf Das fie, feiner Frucht
barfeit wegen, befonderen Fleiß verwendeten. Sie wänfchten,
da e8 ihnen an Waffer fehlte, dort einen Brunnen zu haben
und begannen auch einen foldhen zu graben. Durch vereinte
Anftrengung gelangten fie bald in bedeutende Tiefe, Doch fanden
fie, feltfamer Weife, feine Spur von Waſſer. Ueberbies be⸗
gegneten ihnen bei dieſer Arbeit allerlei Unfälle. Oefters rote
die aufgegrabene Erde wieder hinunter und verfchüttete vie
Tiefe; zuweilen zerbrachen ihre Schaufeln in lockerem Sande;
ja einmal festen fich zahllofe Naben ringe um die Grube und
Frächzten aufs Wildefte; ein andermal als die Brüber gerade
zur Arbeit famen, fahen fie eine weiße Frau in der Grube
ſchweben, u. |. w. Doch ließen fie fich Durch Alles Das nicht abhalten,
weiter zu graben. Endlich fließen fie mit ihren Spaten auf
eine große, eiferne Platte; Die Schläge Darauf mit Der Hade
widerhallen dumpf; nur um fo emfiger fchürften die Brüber,
aber Die Erbe wurde fo ſchwer und Dicht, Daß bie Gefchirre faft bet
jeder Anftrengung brachen. Angftfchweis roflte yon den Stirnen
der Brüder; fie Tonnten bie Arbeit unmöglich weiter förbern.
Der Jüngfte von ihnen eilte in Das Dorf, um Hülfe zu holen,
indeffen die beiden Andern fich wieder an's Werk machten.
Da war's ihnen plößlich, als hörte fie dumpfes Donnerrolfen
tief im Innern der Erde. Erſchrocken hielten fie eine geraume
I 29
450 Mannheim.
Weile ein, aber Alles war wieder flille geworben. Der jüngfte
Bruder kehrte nun mit Helferöhelfern und allerlei Werkzeugen
zurüd und bie Arbeit begann aufs Neue. Den vielen Händen
gelang es endlich, nach unfäglicher Mühe, die eiferne Platte zu
heben; wie flaunten fie aber, als fie darunter einen großen
Sarg von blantem Silber erblidten, der eine prächtige In⸗
fehrift trug. Es drängten ſich Alle herbei, um ihre Lefung zu
verſuchen, da hörte man plöglich wieder den unterirbifchen
Donner, der Sarg wankte, ein gewaltiger Wafferfirom brach
aus ber Tiefe hervor und füllte die ganze Grube aus. Nur
Wenige konnten fi reiten, Die Meiften wurben die Beute bes
Todes, die Erde ſank ringsum in die Tiefe hinab und begrub
auch die Brüder auf ewig.
Die Wenigen, die fih zu reiten vermocht, flohen nad
Dornheim zurüd und erzählten die gräßliche Geſchichte. Alt
und Jung eilte hinaus an die Stelle: ein tiefer Teih war
daraus entftanden, deſſen finfteres Waſſer alle Hoffnung und
Neugier und Habfucht für immer verfchlang.
Das Dorf Dornheim if fpurlod untergegangen im
Strom der Zeit, au die Burg Rheinhaufen befteht nit
mehr; jenen Teich aber fehen wir heute noch und fein Namen
allein ſchon füllt Die Seele mit Schauer.
(Siche Mannheimer Stabt » und Landbote v. 3. 183%. Nr. 40,)
(Ohne Namen des Berfaflers.)
Das Seläute von Ladenburg. *)
Im Schwabenheimer Wäldchen bei Ladenburg hatte ſich
ein Fräulein aus dem in dieſem Städtchen blühenden Gefchlechte
von Sickingen verirrt und nur der Ton einer Ladenbur⸗
ger Glocke führte fie wieder zurecht. Seit jener Zeit wird nun
jede Nacht um 11 Uhr ein Zeichen mit einer Glode gegeben .
und einmal jede Woche das aus einem Malter Korn gebadene
Brod vom Güterſchaffner an die Armen von Ladenburg vertheilt.
(Aus 8. Hegewald's; „Mannheim's romantifhe Vorzeit, in feiner Umgebung
dargeftellt,”)
*) Das altrömifche Lopodunum. Später Hauptort bes ehmaligen Bohbengau’s.
— 29
Bälger- Bergitraite,
50€»
Der Edle von Handſchuchsheim.
Ein Ritter fromm, von edlem Muth,
An Sitten hochgeehrt und gut,
Bing täglich in die Kirch zur Zeit,
Bon feiner Burg nicht fonder weit.
Und einmal trug es ſich da zu,
Daß er fich nieberfegt in Ruh,
Und einfchläft betend vor'm Altar,
Der Sanct Kathrina heilig war.
Ein’ Jungfrau fah er vor fi ſtehn,
Mit einer Krone blinkend fchön,
Wie Spinngeweb’ vol Himmelsthau,
Wenn Morgenlicht auf Rofen fchaut,
Bon Diemant fehien es eine Laube,
Bol Strahlen fchien hindurch der Glaube.
An ihrer Seite fonnt er ſchauen
Zwei jchöne fchwebende Jungfrauen,
Doch wie viel ſchöner die Gefrönte!
Aus taufend bunten Vögeln tönte.
Der Jüngling fürcht' fih vor dem Wunder,
Er neigt ſich, ſchlägt Die Augen unter;
Sie ſprach: „Da du doch edel biſt,
Wie zeigft du Dich unadelich,
Wir fommen barum, wie wir _folfen,
29*
452
Pfälzer-Bergſtraße.
Daß wir dich jetzt anſehen wollen,
So deckſt du deine Augen zu,
In dieſer deiner müden Ruh;
Willſt du dir ein Gemahl gern freien
Hier unter uns erwähl von dreien!“
Da er nun dieſe Wort' gehört,
Aus ſeinem Schlaf geſchwind auffaͤhrt,
Erwacht mit himmliſcher Lieb durchgoſſen,
Seine Augen rannen von ihm erſchloſſen.
Ein' Jungfrau ſprach zu ihm da gnädig:
„Nimm Die, ſo jetzt mit dir geredet,
Denn, wie ſie ſchöner iſt als wir,
Kann ich jetzund verſprechen dir,
Alſo iſt ſie vor Gott auch höher,
Und deiner Bitt Gewährung näher;
Ihr Namen iſt dir wohlbekannt,
Sanct Katharina iſt fie genannt.“
Darauf der Füngling fie thät grüßen
Und fiel der Jungfrau fill zu Füßen,
Hub an zu weinen inniglich,
Und bat die Heilige demüthiglich,
Sie wolle feiner fi, des Armen,
Allzeiten über ihn erbarmen.
Sie fest? ihm auf einen Rofenfranz,
Der gab von fi ein’n Sonnenglanz,
Und ſprach: „Nimm diefen Kranz der Liebe
Bon mir, die ſollſt du ftetig üben!”
Verſchwand alfo vor feinen Augen,
Mit ihren zweien Beljungfrauen.
Da nun der Ritter jetzt erwacht,
Hat er des Roſenkranz gebacht ;
Auf feinem Haupt thät er den finden,
Thät ihn mit Wohlgeruch umminden.
Nachdem es aber fich begab,
Daß man dem Nitter fehr oblag,
Pfälzer-Bergfaße.
Und wider Willen muß er freien,
Das ihm Doch übel thät gereuen! —
Ihm ward in feinem jungen Leben
Ein’ fchöne, edle Jungfrau geben;
Ließ doch von ber Gewohnheit nit,
AU Tag er Katharinen bit’,
Daß fie darum ihn nicht wol? Hafen,
In feinen Nöthen nicht verlaffen.
Da nun fein? Hausfrau ſchwanger ging,
Sie einen Argwohn auch empfing,
Wenn er ging nad Kath’rinen Kirche,
Thät fie in ihrem Herzen fürditen,
Er möchr vielleicht in dieſen Tagen
Ein’ Andre lieber, dann fie, haben.
Einsmals beftellt fie eine Mag,
Zu der fie dieſe Worte ſagt:
„Wo geht mein Herr allmorgen Hin?" —
Die Magd Tagt ihr aus böſem Sinn:
„Ich weiß wohl, wo er hingegangen;
Hat nah des Pfaffen Schwefter Verlangen.”
Die Frau ward ob dem Wort betrübt,
Weil fie der Ritter allein nicht Tiebt.
- Da nun ber Herr zurüde kam,
Der Frauen Traurigkeit vernahm,
Fragt er, warum fie traurig wär ?
Sie fagt, fie hörte Höfe Mähr,
Wie er ging täglich umher buhlen,
Zu des Pfarr's Schwefter in die Schulen,
Er fagt: „Du haft nicht recht gehört,
Dover bift fonft worden bethört,
Die ich lieb Hab in meiner Pflicht,
Die ift des Pfarres Schwefter nliht,
Es ift ein? Andere zur Frift,
Die tauſendmal viel fhöner iſt.“ —
Stand alfo auf von feiner Belt,
#53
ASA
Ppfaͤlzer⸗Bergſtraße.
Als wenn er noch zu buhlen hätt,
Ging doch nur wieder von ihr bin,
Wie vor auch zu Sanct Katharin.
Ob diefer Antwort das Gemüth
Der eblen Frau war tief beteübt,
Sie fprang im Zorn vom Bett herab,
Und ſtach fich felbft die Kehle ab.
Der Ritter vom Gebet heim Fam,
Die Trauerbotfchaft nun vernahm,
Sah fein Gemahl des Tods verfchieben,
Und dort im Blut umwälgzet liegen,
Erfchrad er fehr, fein Herz warb kühl,
Daß er in ein Ohnmacht hinftel.
Da er nun wieder zu fih kam,
Hub bitterlich zu weinen an,
Klopft an fein Herz, rauft aus fein Haar,
Und ſprach zu fi) in der Gefahr:
„O beilge, heilge Katharin,
Sieh an, in welcher Noth ich bin!
Ad, ich hab’ meine Treu verloren,
Und bin meineidig an dir worden!”
Mit diefen Worten Tief er hin
Zur Kirche der Sanct Katharin,
Mit Seufzen er fein’ Bitt vorbracht,
Dis um ihn her war dunkle Nacht,
Und traurig prächtig Stern bei Stern
Durch's Kirchenfenfter ſah von fern.
Mit ihren Jungfrau’n da erfchien
Die heilge Jungfrau Ratharin,
Dem Ritter, der vor dem Altar
Da lag und halb entichlafen war;
Ging zu ihm hin, wifcht feine Augen,
Mit ihren beiden Beifungfrauen.
Pfalzer⸗Bergſtraße. 455
Sie ſprach zu ihm: „Haſt Unrecht than,
Daß du mich ſo verlaſſen, Mann!
Auf dich genommen andre Laſt,
Dein' Treu an mir gebrochen haſt;
Doch haſt du mich zierlichermaßen
Geliebt und doch nicht ganz verlaſſen.
Steh’ auf und geh mit Freuden heim,
Dir fol diesmal geholfen feyn.
Dein’ Hausfrau ift ledendig worden,
Hat eine Tochter dir geboren.
Die wird dir lange Zeit nachleben,
Der folft du meinen Namen geben,
Sn ihrem Gebet wird fie fih üben,
Daß Gott der Herr fie fehr wird Lieben:
Alfo, daß fie in einem Jahr
Den Großvater aus großer Gefahr
Des Fegfeuers erlöfen wird,
Der immer noch im Feuer irrt.” —
Sie neigt fi ihm, wifcht feine Augen,
Die Thränen ihre Händ’ einfaugen.
- Doc wie der Birken weiße Rinde,
Sp wächſt ein Hand ſchuh davon geſchwinde
Auf ihren Händen weiß wie Schnee,
Den ftreift fie ab und ſchwebt zur Hoͤh;
Der fällt und wedt ihn am Altar,
Da er vor Kummer fehlafen war.
Da findet er den Handfhuh weiß,
Wie Niemand ihn zu weben weiß.
Ein Bote kam: „Herr, kommt herüber,
Denn Euer Gemahl, die Iebet wieder,
Und hat in diefe Welt geboren,
Ein’ ſchöne Tochter auserforen.”
Ob diefer fröhlichen Botfchaft
Erhielt er ſchnell zurüd die Kraft,
Stand auf und dankte Katharin,
Den Handſchuh ſteckt zum Helme kühn,
456 Pfälzer⸗Bergſtraße.
Zog wiederum zu ſeiner Frauen,
Die er mit Freuden an thut ſchauen,
Und küßt das Kind, umfängt das Weib,
Drüdt fie zu fih an feinen Leib,
Ting an zu weinen gleich dem Kind,
Dat um Berzeihung feiner Sünd.
Drauf ſprach die Frau: „Wir follen loben
Sanct Katharin im Himmel vroben,
Denn da ich mich vor Leid getödtet,
Und lag in allen meinen Nöthen
Zu mir ſchon kamen höll'ſche Knaben,
Mein’ Seel fie wollten genommen haben,
Da hat die heilge Katharin
Für mid) gebeten; Gott verziehn,
Daß er den Leib der Seel noch Tieße,
Daß fie in ihm noch konnte büßen.“
Die Frau ließ drum ein Klofler bauen,
Die Heilge im Gebet zu ſchauen; 1)
Der Ritter zog in's heilge Land,
Vom Handſchuh große Kraft empfand ;
Den Rofenfranz,, ven Handſchuh weiß,
In's Klofler gab nach feiner Reif’;
Ein Dorf thät fih um's Klofter banen,
Dort ift der Handfhuh noch zu fhauen, 2)
Und manch ein Lied und manch ein Reim
Preißt noch die Heren von Handfhuchsheim. 3)
1) An der Weftfeite der Kirche im »Nonnengarten“ trifft man Fun⸗
damente und Gewölbe des Frauenkloſters, welches einft hier beftand
und unter dem Ramen ber „Jungfrauen inder Klaufe,- fo
wie der „Mutter und Shweftern inder Klaufe” in alten
Weißthümern des fechszehnten Jahrhunderts und im Lorſcher Judi⸗
cialbuche vorfommt.
(Leonhards „Fremdenbuch für'Heidelberg x.” S. 189).
3) In der Kirche zu Handſchuchsheim befinden ſich viele Grabfleine,
Monumente, Wappen ꝛc. welche fih auf die Edlen von Handſchuchsheim
beziehen und durch dag Familienwappen, einen filbernen Ha nd. ⸗
ſſchuh im blauen Felde, kenntlich find.
Pfälzer⸗Bergſtraße. 457
3) Ueber 500 Jahre hindurch fand das uralte Geſchlecht der Hand⸗
ſchuchsheimer in Blüthe und großem Unfehen, big der Lehte des Stam⸗
mes, Johann von Handfhuchsheim, im Jahr 1600 von Friederich
von Hirfhhorn in einem Zmweilampfe auf dem Marktplatze zu
Heidefberg erfiochen wurde. Ein Denkmal in der Handſchuchsheimer
Kirche, den Ießten Heren von Handſchuchsheim in voller Kriegsrüftung
barfieflend, mit einem Löwen zu Füßen, bat folgende, auf jene
That bezügliche Inſchrift:
„Als man zahlt 1593 Jahr,
Sn der Nacht den 25. Juni zwar,
Ward geboren Hanns von Hantfchuchsheim.
Auf Einen flunde der Adeliche ſtamm allein.’
Bon Kurfürft Friedrichen Pfalzgraven bei Rhein
Ward befchrieben gen hoffe zu reiten ein.
Zu dienen flellt ex ſich gehorſamlich dar,
Sein’s Alters fünfzehn und ein halbes Jahr.
Zu Heidelberg auf dem Markt bei Nacht
Friedrich von Hirfhhorn in hardt flach
Den 14. Decembris im fechgehnhundertfien Jahr.
Ueber fiebenzehn Tag hernach fein Leben endet gapr.
Alles ift gegeben in des Herrn handt.
Er lößt keine Nebelthat ohnbelandt.
Ob ich ſchon zeitlich werde gerücket hin,
Sterben iſt meines lebens gewinn.“
Obige alte Legende nebſt ven Anmerkungen iſt mitgetheilt in J. Baader's „Sagen
Ihrn der Bergſtraße und des Odenwalds.“ (Mannheim, Verlag von Baſſermann,
.u. f.)
Gertraut von Gemmingen zu Hand⸗
ſchuchsheim.
Bon dieſer Frau, der Gattin Diethers von Hands
ſchuchsheim, erzählt Piſtorius in feiner „Gemmingen’-
ſchen Geſchichte:“ Die aufrührifhe Bauern zogen für das Schloß
zu Handſchuchs heim, foldhes einzunehmen, da faflet die
Frau Gertraut ein Herz, zoge die Brüden auf, und, nadh-
dem fie Niemand in dem Schloß hatte, als den Thorwart und
ihre Magd, lude fie mit Hülfe derfelden die Stücklein in dem
Schloß, ſchoſſe unter Die Bauern, und trieb fie hinweg. Das
Gefchrey kam bald nad Heidelberg, da eilte Einer von
458 Dfälzer-Bergfiraße.
Adel, welcher nur Gefchwiftert Kind mit diefer Gertraut von
Gemmingen war (ed kann ein Dahlburger, Münchinger ober
Erlacher gewefen feyn), vor Handſchuchsheim, wollte ihr fammt
feinen ©efellen helfen und fie entſchütten (entfegen), aber weil
fie ihn nicht Tannte unter dem Tumult, und vielmehr vor ihren
Feind hielte, warb er bald erfchoffen, und fol fie, zum Unglüd,
ſolches Geſchoß mit eigener Hand geladen und Iosgebrannt ha-
ben; da fie ed erfuhr, ward fie hochbekümmert, aber gefchehen
war gefchehen.«
(Obiger Auszug findet fi) abgebrudt in Julius Lampadius (Leihtlin) „Bei-
träge zur Vaterlandsgeſchichte“ S. 78.)
Die Todten wollen begraben ſeyn.
Gegen Ende des vorigen Jahrhunderts gefchah es in einem
alten Haufe zu Weinheim, daß, wenn in der Schlaflammer bes
unteren Stodes das Licht ausgelöfcht war, jedesmal eine weiße
Taube an der nämlichen Wand hin und her flatterte. Die Leute
fuchten Hülfe bei den Karmelitern, allein venfelben gelang es
nicht, den Spud zu vertreiben. Endlich wurde die Wand genau
unterfucht und in einem verborgenen Raume das Gerippe eines
neugeborenen Kindes gefunden. Man begrub folches auf dem
Kirchhofe, und feitdem hat Die Taube ſich niemals wieder fehen
laſſen.
(Siehe Mone’s „Anzeiger für Kunde ver teutſchen Vorzeit.“ Jahrg. 1839.)
Mein aus den Brunnen.
Bu Weinheim flritten einmal zwei Bürger darüber, ob in
der Ehrifinacht aus den Brunnen Wein Taufe. Um zu erfahren,
wer Recht habe, ftellte der Eine in der Chrifinacht feinen Knecht
an einen Röhrbrunnen, feinem Haufe gegenüber; er aber und
der andere Bürger paßten mit einander am Fenſter auf. Schon.
einige Mal hatte ber Knecht am Brunnen verkoftet, aber es war
nur Waſſer, als es aber zwölf fhlug, tranf er wieder, und
rief:
Pfälzer⸗Bergſtraße. 459
„Ach, jest Yauft Wein!’ —
„„Und Du bift mein!“
fprach eine ſchwarze Geftalt, die plöglich hinter ihm fland und
ihn ergriff, und auf immer mit ihm verfchwand.
(Siege Mone's „Anzeiger für Kunde der teutſchen Vorzeit.“ Jahrgang 1839.)
Sage vom Schloß Windeck.“)
Der Graf Walther, Bogt von Weinheim, war ein
reicher, hochgeehrter Mann. Am Marftplage, ver Kirche gerade
gegenüber, lag fein flattliches Wohnhaus, freundlich von Außen,
doch im Innern zehnmal freundlicher, denn fein fröhlicher Muth
ſchien alle Wände zu befeelen. Ernft, pünktlich und unverbroffen
trug der Graf die Sorge für die Stadt, feine Mühe war ihm
zn viel, Feine Arbeit zu fchwer, wenn er nur Abende ein Stünb-
chen erübrigte, Das er ganz fein nennen und mit einem verfläns
digen Manne verplaudern fonnte, wobei denn das Kelchglas
mit füßem Behagen öfters geleert zu werden pflegte. Aber
außer der guten Laune bes alten Herrn, außer dem perlenden
Nebenfafte, gab ed im Haufe noch eine weit Föftlichere Würze:
*) Der Name der Stadt Weinheim, urfprünglid Winenheim, wie
auch der der Burg Windel (Win⸗deck, eine Dede des Weine), fol das
her rühren, bag im Innern des Berges eine große Menge von Wein
verfchloffen if. In den Rhein. Provinzialblättern, Jahrg. 1838, März
und Aprilheft, wird dieſe von Ehamiflo fo ſchön bearbeitete Sage
etwas verändert und ziemlich breitgetreten erzählt; dem ungenannten
Berfaffer ſchwebte gewiß Al. Schreiders Sage von Neu-Winded „bie
todte Braut“ (f. den Sagenchklus von Bühl und Umgegend) vor, wäh.
rend Chamifſo's Gage eine Bariante der. Sage von Aug. Stoͤbers
„Kellermeiſter auf Arnsburg” if. (S. Stöbers „Elfälfifhes Sagen-
bud, ©. 384).
Dem Bolfsglauben nach geht auch auf Windel ein Koch oder Keller⸗
meifter herum, vorzüglich am Gründonnerstage. „Da wird man ges
worfen oder fonft genedt.” Zum Belege diefer Sage wirb erzäplt, ein
Pfälziſcher Kammerherr fei auf diefen Tag einmal mit großen Schmerzen
an den Füßen von da zurüdgelommen. (Grimm, Borzeit und Gegen-
wart an ber Bergfiraße 2c. ©. 168.)
ci: hie) aaders Sagen der Pfalz, ver Bergſtraße und des Odenwaldes ıc,
A60 _ _ Pfälger-Bergfiraße.
bes. Grafen Tochter, Adelheid, ſchön und lieblich wie Die
erfie Rofe des Frühlings. Sie pflegte an ihres Vaters Seite
zu figen, pflegte mitzureden im verfländigen Gefpräche, und der
Saft, dem fie den Becher kredenzte, batte wohl Mühe, das hofde
Fräulein wieder zu vergeffen, denn ihre Liebenswürdigkeit fand
ihres Gleichen in der weiten Runde nimmer.
Zu jener Zeit war bie zerflörte Burg Winded gegen Ver⸗
taufhung wieder an das Kfofter Lorſch zurüdgefallen. Der
Abt Heinrih, um fich hier einen Träftigen Sthirmoogt nieder-
zufegen, ließ fie wieder aufbauen, fchöner und fefter als zuvor.
Die Oberaufficht dieſes Werkes Teitete der Dombaumeifter
Pilgram von Worms, ein fehr erfahrener Meifter, der dem⸗
nach) in Diefer Angelegenheit häufig nach Weinheim kam, wo er
feine Abendftunden gewöhnlich bei dem Grafen Walther zü-
brachte. Pilgram war ein feltener Mann, ſchlicht und einfach
in feinem Benehmen, aber geiftreich und voll gründfichen Wiſſens.
Durch eine lange Reihe von Sahren hatten viefe widrige Schick⸗
fale feinen Naden gebeugt; unter feinen grauen, bufchigen Au⸗
genbrauen wohnte ein tiefer, ernfter, wehmüthiger Blick, der bie
Schattenfeite des Lebens gefehen hatte, jedoch fich alsbald freund-
lich verflärte, wenn er fih Jemanden näherte und die mifbe
Nede leicht von feinen Tippen floß. Er hatte in Ungarn ſich
ein Weib genommen, glüdliche Jahre verlebt, den Wechfel des
Schickſals mit ihr geduldig ertragen und fie viel zu früh ver-
Ioren. An dem Ufer der Themfe war es, wo er unter einer
fhattigen Eiche ihren Grabeshügel wölbte Sie hatte ihm
einen Sohn geboren, der jest, zum Sünglinge berangereift, des
Vaters Troft und Freude war. Er widmete fich ebenfallg ber
Baukunſt und arbeitete oben an der Wiederherftellung der Burg
Windel mit.
Der Graf Walther hielt in einem Schrein einen filbernen
Becher verfchloffen, auf dem die Sonne, zwei Säulen und aller-
lei Maurergeräthe abgebildet waren. Wenn Meifter Pilgram
feinen Abend bei dem Grafen zubrachte, tranfen Beide aus dem⸗
felben Becher, nannten ſich Brüder und führten viel geheimniß-
volle Reden. Zumweilen war auch Albrecht, Pilgrams Sohn,
in der Gefellfchaft, da Fam jener Becher aber nicht auf den Tiſch
und das Gefpräcd auf feine geheimen Gegenftände.
Pfälger-Bergfiraße. A61
Albrecht war ein ſchoͤner Juͤngling von ſtattlichem Wuchs
und.blühendem Antlig, Um feinen Nacken fpielten dunkle Roden,
die braunen Augen blisten belle Funfen und um die milden
Züge. feines Mundes begann ein weicher Bart hervorzufproffen.
Gebildet Durch den Umgang feines Vaters, war er gewandt im
Reden, ſcherzte gern und fühlte fich im Junerften beglädt, wenn
er bei Tifche, dem Grafen und dem Vater gegenüber, an ber
Seite des Tieblichen Fräuleind fa. So war ihm manch won⸗
niger Abend dahingeflogen; Fein Wunder, wenn in dem Buſen
bes Zünglings Ahnungen dämmerten und Träume von der höch-
ſten Erbenfeligfeit.
Einft ſaß das Fräulein Adelheid im Garten in einer blühen-
ben Hollunderlaube, wo die Bergſtraße vorüberzog und bag
Auge frei Hinüberfchaute nach Der Burg, Die bereits hochgethürmt
auf der Spite des Berges fand. Der Tag neigte ſich zu Ende,
fern über dem Rheine fanf die Sonne hinter das blaue Gebirge
und im fanften Rofenfchimmer des Himmels weideten taufend
Iuftige Lämmer.
Ein Geräuſch werte das Fräulein aus den fehnenden Träu-
men, in die fie der Tiebliche Abend gewiegt hatte; fie blickte um
fih und Albrecht trat in die Laube mit ehrfurchtsvollem Gruße.
„Fräulein,“ — fprad er — „mich führt ein Geſuch zu Euch,
das Ihr mir nicht abfchlagen dürft, weil Euch die Gewährung
wenig foftet und mich unendlich glüdlich machen wird. Morgen
halte ich den Bauſpruch droben auf der Burg. Ein bunter
Kranz fol mir das Feft verfchönen, und an dem Kranze foll ein
Band, von Euch gefchenft, als höchftes Kleinod prangen; nicht
wahr, Ihr ſchenkt mir ein ſolches Band ?
Des Fünglinge Wangen ftrahlten hohe Röthe, als er dieß
ſprach, das Fräulein aber nahın ohne Ziererei ein blaues Band
aus ihren Lodenflechten und gab es ihm holdlaͤchelnd mit den
Worten: „Iſt das gut genug?“ Bol Entzücen erhafchte
Albrecht gleich mit dem Geſchenk auch die Hand Adelheids und
preßite fie voll Inbrunft an die Lippen, worauf er ohne Worte
Davon eilte.
Rod lange ſaß das Fräulein in der Laube tief beffommen
und ohne zu wiffen, was ihr den Bufen fo bewegte; taufend
Gedanken durchkreuzten ihre Stirne, taufend Bilder umgaufelten
462 Bfälzger-Bergfiraße.
ihre Seele, doch im Hintergrunde fand immer Das Bild Albrechts
mit feinem wonneverflärten Blicke. Das Fräulein freute fi
auf den kommenden Fefttag , fie fonnte faft die ganze Nacht nicht
ruben vor Erwartung, fi aber auch unerflärlicher Weife einer
bangen Ahnung nicht erwehren, die wie eine finftere Wolfe durch
den Himmel ihrer Seele glitt.
Der Morgen fam, es wurde Nachmittag, doch die Sonne
wollte fich nicht blicken laſſen und blieb in einem trüben Schleier
verhüllt, während ein rauber Wind durch das Thal ſtrich. Deffen-
ungeachtet ſammelten fi) eine Menge Säfte und Zufchauer zu
bem fefllichen Schaufpiel; auch der Graf Walther fand ſich ein,
und an feiner Seite fchritt in ftattlichem Puge die fchöne Adel⸗
heid. Heller Jubel erfüllte die Mauern der Burg. heller Jubel
wieberhaftte Draußen unter dem verfammelten Bolfe. Da fehien
felöft der Himmel freundlicher zu werben, die Wolfen theilten
fih und ein heiterer Sonnenblid überftrahlte die ganze lachende
Landſchaft. Jetzt trat Albrecht, ſchön geziert mit feſtlichem Gewande,
auf die hohe Zinne der neuverjüngten Burg. Neben ihm, an einem
bort aufgepflanzten grünen Lerchenflamme, hing der Kranz, mit
Adelheids daran flatterndem Bande. Kühn und frei um ſich blickend
ftand Albrecht auf dem erhabenen Mauergipfel, der Lärm bes
Volkes verftummte, Alles Taufchte nur dem Bauſpruche und der
Süngling begann :
„Bir haben feſt auf Gott vertraut
Und diefe Mauern aufgebaut;
Gott ſchützte Alle die da waren,
Kein Unglüd iſt und wiberfahren.
„Drum blidt mit dankerfülltem Sinn
Zum treuen Himmelsvater hin,
Das Herz zu ihm emporgehoben,
Laßt uns fein göttlich Walten Toben!”
Hier ward ihm ein Becher vol Wein gereicht; hoch ſchwang
er ihn empor und ſprach fort:
Dfälger-Bergfiraße 463
„Jetzund auch auf des Burghern Wohl
Schenkt' mir der Knab’ den Becher voll:
Nie fol die Burg vor'm Feinde beben;
Der edle Herr fol friedlich leben!“
Er Teerte den Becher und fchleuderte ihn weit hinaus unter
das Volk, das ihn mit donnerndem Jubelrufen auffing. Ein
zweiter Pokal ward ihm nun, bargereicht, worauf er fortfuhr;
„Dem Meifter, fo den Plan entwarf,
Den Riß gezogen fein und ſcharf,
Die Bogen wölbte und die Hallen,
Ihm fol das zweite Hoch erfchallen !“
Er leerte den Becher; der Volksjubel wiederholte fih, er
aber redete weiter:
„Zum Dritten iſt der Becher voll;
Den leer ich auf der Herrin Wohl,
Um die ih ringen will und werben,
Für die ich leben will und ſterben.
„And wenn fie mich nicht minnen will,
Sp duld' und leid' ich ewig ſtill;
Hoch ftehen auch des Himmels Sterne,
Do labt ihr Blick in weiter Ferne.“
Ploͤtzlich riß der Wind das blaue Band, Adelheids Gefchent,
vom Kranze; der Jüngling will es noch erhafchen, aber zu weit
fich vorbeugend, ftürzt er herab von der fehwindelnden Höhe.
Entfegen betäubt die Zufchauer, zerfchmettert Tiegt der Jüngling
unten auf den Felfenplatten, Adelheid, gleich einer ftarren Leiche,
in den Armen ihres Vaters. Unbefchreiblich jammervoll war
der Zuftand des alten Baumeifters Pilgram, der nun das leute
Glück feines Lebens vernichtet ſah; fein namenlofer Schmerz Tieß
ihm Teine lindernde Thräne. Unter den allgemeinen Wehklagen
der Menge verflang das Felt.
Albrecht ward an der Stelle begraben, wo er den Tod ges
funden. Ueber feiner Gruft baute fih Pilgram eine Hütte,
464 Pfalzer-Bergſtraße.
worin er den Reſt ſeiner Tage in frommer Betrachtung und
ſtiller Trauer verbrachte. Von Zeit zu Zeit beſuchte ihn dort
die nun allen Lebensfreuden erſtorbene Adelheid, netzte ſeine
weißen Locken mit ihren Thränen und ſchmückte das Grabmal
des geliebten Jünglings mit vielen Blumen, deren ſorgſame
Pflege jetzt noch ihr einziger Troſt war. —
Die Zeit iſt alt geworden, Epheu rankt ſich längſt um die
Reſte der Burg, auf jener Stelle ruht aber noch immer eine
heilige Weihe und der Freund der Natur findet dort ſchöne ſeltene
Pflanzen, wie deren gleichen der ganze Umkreis des Gebirges
ihm keine mehr bietet.
(Ohne Namen des Verfaſſers mitgetheilt im Mannheimer Stadt⸗ und Landboten
Jahrg. 1831, S. Nr. 78 und 79.
Der Spruch auf der Burg Windeck.
Das Mauerwerk fehon fertig fand;
Es rührt der Zimmermann die Hand,
Und aufgefchlagen fleht der Bau;
Das Thurmdach ragt ins Himmelsblau,
Und wo die Sparren ſich verbinden,
Da ftedt der Strauß, ein Spiel den Winden.
Die Bänder wehn von Tannenftrauß
Ss Yuftig Iodend weit hinaus;
Den Burgmweg firdömt das Volk hinan,
Es hörte gern den Spruch mit an.
Der Bauherr fommt von Lorfch geritten,
Abt Diemo in der Brüder Mitten.
Es ift ein Feft für Jung und Alt,
Und Alles nah Burg Windeck wall;
Die Ritter nah’n und Edelfrau'n,
Des Feſtes Luft mit anzuſchau'n;
Und was der Hof vermag zu fallen,
Wird freundlich auch hereingelaffen.
Dfälger Bergfiraße. 465
Der Knabe fleigt zum Thurm hinaus;
Jetzt flebt er bei dem Tannenſtrauß,
Und als das Volk erwartend ſchweigt,
Er dreimal fich befcheiden neigt,
Beginnet laut und ohne Zagen
Den frommen Zimmerfpruch zu fagen.
Und drauf er mit dem Becher winkt,
Den er aufs Wohl des Bauherrn trinft.
Man fchhenft den Becher wieder voll:
„Dem Ritter, der hier wohnen fol,
„ven Klofter fei er Schug, und Wehre,
„Dem Ritterfiande Ruhm und, Ehre!"
Die Bänder flattern um den Strauß;
Der Wind reißt manches mit hinaus,
Der Knabe ſieht's und bei ſich ſpricht:
„Nimm alle, nur das eine nicht,
„Das blaue Band, das Sie gegeben,
„Ich laſſ' es nur mit meinem Leben.“
„Zum dritten Male ſchenkt mir ein!
„Der Becher gilt der Liebſten mein!
„Und wenn ſie mich nicht minnen will,
„Bleib' ich doch treu, und minne ſtill.
„Stehn auch zu hoch des Himmels Sterne,
„Labt doch ihr Blick in tiefer Ferne.“
Der Knabe ſpricht bewegt das Wort;
Da reißt der Sturm das Band ihm fort,
Es fliegt vorbei, — er haſcht darnach, —
Er beugt fih vor, — er flürzt ihm nad),
Im Sturze will er’s noch erfaffen —
Er fann es nur im Tode Yaffen.
(Aus Grimm’s Werke: „Die Bergftraße ꝛc).“
II. 30
465 Pfälzer Bergftraße,
Der Hexenthurm in Weinheim.
Diefer Thurm, den der Grundelbach von dem Schloßberge
trennt, fleht ganz nahe bei dem Mülheimer Thorthurme. In
jener ummölften Zeit, wo fo mancher Unfchuldige, als der Zau⸗
berei verdächtigt, gefoltert und dem Scheiterhaufen übergeben
- wurde, bat man auch diejenigen Perfonen Weinheims und der
Umgegend, welche der Hererei befehuldigt wurden, in dieſen
Thurm gefperrt. Da jedoch damals der Glaube herrfchte, bag
foihe Teufelögenoffen ihre Zaubermacht augenblicklich wieder
befämen, fobald fie mit bloßer Haut die Erbe berührten, fo hat
man fie auf Yuftigen Bahren und Stiegen in das obere Berhör-
zimmer des Müllheimer Thorthurmes gebracht.
(Nah mündlicher Neberlieferung mitgetheilt von Lehrer Zimmermann.)
Der Geift des Burgkochs auf Windeck.
Saum lebt noch in weniger Leute Munde die Sage von dem
geifterhaften Burgfoh von Winded. Wo folcherlei alte Kun-
den noch den Stoff zur Unterhaltung Tiefern, da wirb gewöhn⸗
Yich auch die Urfache der Strafe des betreffenden Geiſtes mit
Nachdruck und als Eingang der Erzählung beigefügt; aber gerade
hier tritt der Fall nicht ein.
Worin nun das Verbrechen des Windeder Küchenmeifters
beftanden, — ob er durch Giftmifcherei, Mord, oder durch Ent-
wendung großer Geldſummen fich feine Buße zugezogen? — dar»
über erzählt man fich nichts Gewiſſes. Daß er aber eine
frevelhafte That an einem grünen Donnerstage verübte,
das findet die Erzählung fhon in diem Umftand als wahr be⸗
gründet, weil der Geift blos am genannten Tage fein Wefen in
der Burg treibt. Kurzum, es fpudte, — denn gegenwärtig
fpudt e8 nicht mehr — jedesmal am grünen Donnerdtage auf
der Burg. Mancher Waghals erbreiftete fih, an biefem Tage
die Burg zu betreten. Mit Steinwürfen aber empfangen, warb
er auch mit Steinwürfen wieder entlaffen, und doch war feine
menfchliche Seele allda zu fehen, noch zu hören.
Einft befuchte auch ein verwegener Kammerherr am grünen
Donnerstage diefe Burg. Da fausten ihm plöglich vechts und
Pfälzer Bergftraße. 467
links Steine hart am Ohre vorbei, ohne daß trog feines freunds
lichen Zurufs darin Einhalt geſchah. AlsLer nun aber zu
ſchimpfen und zu fluchen begann, fehmetterte ein ganzer Hagel
von Steinen auf ihn los. Noch obendrein dur unſichtbare
Prügelfauft von Kopf bis Fuß Durchgewalft, gelang es ihm nur
mühfam , von der Burg fih zu fihleppen und bluttriefend bie
Stadt zu erreihen, wo er mehrere Wochen zu feiner Heilung
verwenden mußte. Die Sage fügt noch bei, der Geift des Burg⸗
kochs habe auch folches Alles verübt.
(Rad) mündl. Ueberlief. mitgetheilt von Lehrer Zimmermann.)
Die zwei legten Burgherren.
Die lebten Sproffen der Familie von Winde waren zwei
Brüder, die fi) aus Geiz nie verheiratheten, und überhaupt
auf Alles, woran ein gewöhnliches Menfchentind Luft und Freude
findet, verzichtet hatten. Eine einzige Gefellfchafterin war im
Schloſſe, welche ihnen deſſen leere Hallen etwas beleben Half,
nämlich eine Meife, die fie täglich, troß ihres Geizes, mit einer
ganzen Nuß regalirten. Eines Tages jedoch erwogen fie, wels
cher entfeglichen Anzahl von Nüffen fie das Jahr hindurch zum
Unterhalte des Heinen Lieblings ‚bedürften, und ber Schreden
über diefe arge Verſchwendung wirkte fo ſtark auf ihr Gemüth,
daß fie nicht allein das hafbverhungerte Thierlein fofort zum '
Senfter hinaus fliegen Tießen, fondern am folgenden Tage, zur
Freude der Stadt Weinheim, aus Gram über die verfchwenbeten
Nüffe, des Todes verblichen.
‚(Siehe I. Baader's „Sagen der Bergftraße, des Odenwalds ꝛc).“
Das Burgfräulein von Windeck.
Halt an den fchnaubenden Rappen,
Berblenbeter Ritteramann !
Gen Winde fleucht, Dich verlodend,
Der Yuftige Hirfch hinan.
30*
468
Pfälger-Bergfiraße.
Und vor den mächtigen Thürmen,
Vom äußern verfallenen Thor,
Durchſchweifte fein Auge die Trümmer,
Worunter das Wild fich verlor,
Da war e3 fo einfam und ftille,
Es brannte die Sonne fo heiß,
Er trodnete tiefaufathmend
Bon feiner Stirne den Schweiß.
„Ah, würde des köſtlichen Weines
Mir nur ein Trinthorn vol,
Den bier der verfchüttete Keller
Berborgen noch hegen ſoll!“
Kaum waren bie Worte beflügelt
Bon feinen Lippen geflohn,
Sp bog um die Epheumauer
Die forgende Schaffnerin ſchon.
Die zarte, die herrliche Jungfrau,
In biendend weißen Gewand,
Den Schlüffelbund im Gürtel,
Das Trinthorn hoch in der Hand.
Er fohlürfte mit gierigem Munde
Den würzig Eöfllihen Wein,
Er fchlürfte verzehrende Flammen
In feinen Bufen hinein.
Des Auges Tlare Tiefe!
Der Locken flüffiges Gold! —
Es falteten feine Hände
Sid, flehend um Minnefold.
Sie fah ihn an mitleidig
Und ernft und wunderbar,
Pfälzer-Bergſtraße. 469
Und war ſo ſchnell verſchwunden,
Wie ſchnell ſie erſchienen war.
Er hat ſeit dieſer Stunde,
An Windecks Trümmern gebannt,
Nicht Ruh noch Raſt gefunden,
Und feine Hoffnung gefannt.
Er fhlih im wachen Traume, -
Geſpenſtig, ſiech und bleich,
Zu ſterben nicht vermögend
Und keinem Lebendigen gleich.
Sie ſagen: ſie ſey ihm noch einmal
Erſchienen nach langer Zeit,
Und hab' ihn geküßt auf die Lippen,
Und ſo ihn vom Leben befreit.
Adalbert von Chamiffo,
Die Stiftung von Heiligkreuz.
Drei Stunden von Heidelberg, und eine Stunde von Wein-
heim, an der herlichen Bergftraße, liegt das Dorf Groß-
ſach ſen, weldesfich bis in das liebliche Thälchen „Heilig-
kreuzerthal“ guannt, erftredet. Ein fehr angenehmer Weg,
links dichtes Gebüfch, in welchem ſich hunderte von Nadtigallen
.bören laffen, rechts dr „Apfelbach“ mit mehreren ſchönen Müh⸗
len und grünenden Wefen, führet in das, eine halbe Stunde
entfernte, von Bergen engefchloffene Dörflein „Heiligfrenz.“
Am Eingange ded Dörleins, rechts, vom Bache befpült und
vom Friedhofe umgeben, ftehet die Kirche, wovon das Chor
und der Thurm aus alter Zeiten herſtammen.
Bon der Entftehung deſer Kirche, geht folgende Sage:
Zur Zeit, ald Deutſchlads Grenze duch Ludwig XIV.
noch nicht geſchmälert worda und das flarfe Straßburg noch
von Deutfhen befegt wa, lebte in dem oben befchries
470 Pfälzer-Bergſtraße.
benen Thale, wo jetzt die Kirche ſteht, lein Bauer, welcher
einen einzigen Sohn hatte. Wie es heute dort noch gebräuch⸗
lich iſt, ſo hatte auch dieſer ſchon, in einem Nebenbau, ſeine
Taglöhnerfamilie wohnen. Trotz dem Unterſchiede des Reichen
und Armen, des Herrn und Taglöhners, lebten ſie miteinander in
gutmüthiger, altdeutſcher Redlichkeit Des Bauern Sohn „Hars⸗
förg” entzweite fh mit feinem Vater, lief fort, und wurde
Reichsſoldat. Nach zwei Jahren erfuhr der Bater, daß fein
verlorener Sohn in Straßburg diene und freute ſich, daß fein
Einziger noch bei Leben fey.
Auch die Familie des Taglöhners nahm herzlichen Antheil-
an der Nachricht; befonders aber des Taglühners einziger
„Jörgnickel,“ der treue Jugendgefährte des „Hansjörgs.“
Um dieſe Zeit träumte nun dem „Jörgnickel,“ daf er zu
Straßburg auf der Brüde einen großen Schag gefunder hätte,
Morgens erzählte er diefen Traum feinem Vater, welger aber,
da er den großen Schat nicht fah, nichts aus dem Traume
madte. Allein der Bater wurde aufınerffamer, ab ihm ber
Sohn denfelben Traum, am andern Morgen, abemals mit,
theilte, Bedenklicher wurde dem Vater die Sade, ald er am
dritten Morgen hörte, daß fein „Sörgnidel« zum drittenmale
daſſelbe geträumt hatte.
Endlich befprach er fich mit feinem Sohne und agte: „Hörel
unſers Bauern Sohn, dein Ramerad „Hansjdrg‘ ift in Straß-
burg; wenn du dem Bauern fagteft, du wolltft feinen Sohn
befuchen, fo wird er dir gerne Geld und Flaſch, Brod und
Käfe mit auf den Weg geben. Findeft du den Schatz, fo werben
wir glücklich, und findeft du ihn nicht, fo hat du doc Straß⸗
burg gefehen !«
Der Bauer horchte Hoch auf und war ver die Sreundfchaft
zu feinem Sohn voller Freude, — Es wude ſogleich ein gan⸗
zer Zwergſack voll Dürrfleifh, Handfäfe, Brod und auch Geld
zufammengepadt. „Sörgnidel” machte fid, von vielen Segens⸗
wünfchen begleitet, auf den Weg und fam am britten Tage
bei Straßburg an. Anftatt des oft fürhterlichen: „Wer da?“
erſcholl eine befannte Stimme von dan Waͤchtpoſten: „Zörg-
nickel! grüß dich Gott!” — Der Sflaunte fah richtig feinen
Freund „Hansjörg“ mit der Hellebate vor ſich ſtehen.
Pfalzer⸗Bergſtraße. 4711
Zuerft wurden bie vielen Grüße, unter Hinweifung auf ben
Zwergfad, ausgerichtet und dann bemerft, daß Die Wache balb
abgelöft würde. Als der Poften abgelöft war und die beiden
Freunde fi in der großen Stadt, in einem Wirthshaufe, uns
ter Zuzug des väterlichen. Mundvorraths, gütlich thaten, ſpräch
Hansjörg: „Sage Jörgnidel, wie kamſt du auf ben Eins
fall, hierher zu gehen?” Diefer fagte nun offen und ehrlich, daß
fein dreifacher Traum die Veranlaffung geweſen wäre, jedoch,
daß er auf der Brüde feinen Schag, troß aller Aufmerkſam⸗
feit, gefunden habe. Unfer Reichsfoldat war ſchon aufgeflärt und
lachte über den Traum und ſprach: „Gerade fo habe ich drei⸗
mal nah einander geträumt, in dem Garten meines Vaters,
unter dem großen Holderftod, hätte ich einen herrlichen Schag ger
funden,, und darum gehe ich Doch nicht heim. Doch es iſt recht,
bag du bier bift. Wir wollen recht luſtig ſeyn und dann geheft
du wieder in den Odenwald, grüßeft Vater, Mutter und bie
Deinen herzlich und fagft, daß ich nach einem Sabre komme!“
Nach zwei Tagen ging „Jorgnickel“ wieber fort, kam zur Freude
der Seinigen gefund an und richtete Alles pünflich aus. — Als
er mit dem Bater allein war, erzählte er, daß er feinen Schag
gefunden, aber auch von „Hansjörg einen ähnlichen Traum
erzählt befommen habe. — Dem Bater war die Sache nicht
gleichgültig. In der Nacht nahm er fein Grabfcheit, ging zu
dem befannten Holderbufche und fand einen großen, eifernen
Hafen voll Geld. Diefes Geld hielt er verborgen, faufte ſich
nur langfam nah und nad) eigened Gut und wurbe ein vers
mögender Mann. Da aber fein ehemaliger Bauer und beffen
Sohn geftorben waren, Faufte er auch noch deſſen Gut und
übergab es feinem Sohne.
Als er aber auf das Todesbett kam, Tieß ihm fein Gewiffen
feine Ruhe und er entdeckte feinem Beichtvater, daß er ches
mals in feines Bauern Garten einen großen Scha& gefunden
und behalten babe. Der Beichtvater gab ihm den Troft, weil
man doch nicht beflimmt wüßte, wem das Gelb gehört hätte,
er folle für die Ruhe feiner Seele, zu Ehren des heiligen
Kreuzes, eine Kirche ſtiften.
Diefes geſchah und fomit flarb der Mann beruhigt. Heuti⸗
472 Pfälzer-Bergſtraße.
gen Tages aber ſteht noch die Kirche und von ihr erhielt das
dabei entſtandene Dörflein „Heiligfreug‘ feinen Namen.
Mit diefer Sage fteht aber eng in Verbindung die Sage
pop den „Teufelstrappen.”
Es ift befannt, Daß dem Teufel nichts widermwärtiger ifl,
als das Kreuz Da er aber vernahm, wie ein Bauer eine
Kiche zu Ehren des heiligen Kreuzes geftiftet habe, entwarf
er Pläne, wie er diefes Vorhaben hintertreiben könnte.
Was kann ein Teufel niht? — Er merfte bald, daß her
Schulze des Thälchens über das Vermächtniß des ehemaligen
Zaglöhners erbost war, weil er fah, wie dieſe Familie täg⸗
lich reicher , er aber fogar ärmer wurde. Der Teufel fpornte
bie Gläubiger des Schulzen mächtig an und als der bald ganz
verarmte Schulze in die Enge getrieben war, erfchien ihm Sa⸗
tan, als Jäger gekleidet, und brachte ihn bald dahin, einen
DBertrag mit ihm einzugehen.
Der Bertrag wurde folgendermaßen abgefhloffen: Der Teu⸗
fel mußte auf jedes Verlangen dem Schulen eine jede beliebige
Summe Geldes bringen, dagegen mußte der Schulze die Er-
bauung einer Kirche zum heiligen Kreuz verhindern. Würde aber
Die Kirche gebaut, ehe der Schulz flürbe, fo verfiele derfelbe dem
Teufel lebendig. Lange Zeit verhinderte der reich und über—
müthig gewordene Schulze den Bau der neuen Kirche, aber
endlich beftund der Bifchof auf den Bau, und gegen alle Ein:
wendungen des Schulgen wurde derfelbe nun angefangen.
Kaum war ber erfle Stein gemauert, ald Herr Satan er»
fhien und den Schulgen abholen wollte, Doc durd vernünftige
Borftellungen, daß doch nicht ausgemacht wäre, der Bau bürfte
nicht. beginnen, und daß er jedenfalls, ehe die Einrichtung ber
Kirche flatt finde, deren Abbruch wieder bewirfen würde, ließ
der Teufel fich beruhigen.
Alle aufgewandte Mühe des Schulzen mar vergebens. Der
Tag der Einweihung erfihien. Das Volk aus dem Odenwalde
und der Bergftraße firömte herbei, nur der Schulze hoffte noch
voll Angft jeden Augenbli auf einen hochbezahlten Einhalts-
befehl. Jedoch, fobald die Einweihung begonnen hatte, entſtund
ein fürchterliches Gebrüll und Geheul in der Luft, die From⸗—
Pfälger-Bergfiraße. 473
men erfchraden ſehr und drangen aus der Kirche. O Schreden |
der Teufel Fam in höllifcher Freude, beladen mit dem verzwei⸗
felten Schulgen im Galopp daher.
Bis vor zehn Fahren fonnte der aufmerffame Wanderer,
nur einige hundert Schritte von der Kirche, in einem Granit:
felfen die Seifentrappen unter dem Namen Teufels⸗
trappen” fehen, über welchen der Teufel mit feinem Schulzen
davon fprengte.
est ift der fchaurige Felſen herausgebrochen.
(Nah mündlicher NHeberlieferung mitgetheilt von Lehrer Zimmermann.)
0
Deidelberg?
und nächte Umgebung.
S0
An Heidelberg.
Lange lieb' ich dich ſchon, möchte dich, mir zur Luſt,
Mutter nennen und dir ſchenken ein kunſtlos Lied,
Du, der Vaterlandsſtädie,
Ländlich fchönfte, fo vie ich ſah!
Wie der Vogel des Walde über die Gipfel fliegt,
Schwingt ſich überden Strom, wo er vorbei dir glänzt,
Leicht und Fräftig die Brüde,
Die von Wagen und Menfchen tönt.
Wie von Göttern gefandt, feſſelt' ein Zauber einft
Auf die Brüde mich an, da ich vorüberging
Und herein in die Berge
Mir die reizende Ferne ſchien;
Und der Jüngling, ber Strom, fort in Die Ebne 308,
Traurig frob, wie das Herz, wenn es, ſich felbft zu ſchön,
Liebend unterzugehen,
In die Fluthen der Zeit ſich wirft.
*) Siehe die Note nach dem Gedichte.
Heidelberg. 475
\
Duellen hatteft du ihm, batteft dem Klüchtigen
Kühle Schatten geſchenkt; und die Geftade fah’n
Ar ihm nach, und es bebte
Aus den Wellen ihr Yieblich Bild.
Aber ſchwer in das Thal hing bie gigantifche
Schickſalskundige Burg, nieder bis auf den Grund
Bon den Wettern geriffen; -
Doch die ewige Sonne goß
Ihr verfüngendes Licht über das alternde
Riefenbild, und umher grünte lebendiger
Epheu ; freundliche Wälder
Rauſchten über die Burg herab;
Sträuche blühten herab, bis wo im heitern Thal,
An den Hügel gelehnt, oder dem Ufer hold,
Deine fröhlichen Gaſſen
Unter duftenden Gärten ruh’n.
3. Eh. Hölderlin,
9 Heidelbergs Urſprung.
Ueber den Urſprung der Stadt und ihres Namens find die Mei⸗
nungen ſehr getheilt. Einige wollen ihre Benennung von dem fenfeits
des Nedars ſich erhebenden Heiligenberg herleiten, ber, wie fie
behaupten, entweder in Bezug auf die einft dort angefledelten Römer,
oder auf altgermanifche Wohnpläge,, nach Einführung des Chriſtenthums
Heidenberg genannt worden und fobann den jeßigen Namen er-
hielt. Andere dachten an eitel Berge,, weil der Ort mit fo viel
- Höhen umgeben ifl, und noch Andere an Edelberg. Die gründlichften
Gelehrten aber nehmen an, daß die Stadt ihren Namen von der Menge
der in den Walbungen des Gaisbergs und hinter dem Schloße wachſen⸗
den Heidelbeeren erhielt. Sie begründen ihre Meinung, die unftreitig
viel Wahrfcheinliches Hat, durch den Umfland , daß ſich auf einem alten
‚ Bappenftein eine Abbildung des Berges mit Heidelbeerſtauden und zu⸗
gleich eine Jungfrau befindet, welche einen Strauß von biefer Frucht
in der Hand trägt, und daß ferner der Löwe auf dem älteflen Gtabt:
fiegel mit einem Heidelbeerkranze gefhmüdt if. — Was die Geſchichte
bes Ortes betrifft, fo weiß man darüber nichts Genaues aus der alt«
germanifchen Zeit. Ohne Zweifel faß damals hier ein teutfcher Volks⸗
4716 Heidelberg.
ftamm, der zu bem großen Sueviſchen Bunde gehörte. Die Römer,
® welche unter Kaiſer Au guftus das Land in Beſitz nahmen, legten
wahrſcheinlich Caftele auf den Bergen umher, fo wie eine Zuhrt am
Nedar, bei dem feßigen Heidelberg, an. Mehrere auf dem Heiligen»
berg und andern Punkten der Gegend gefundene Alterthümer zeugen
binlänglich von römifcher Niederlaffung. So mögen denn am Eingange
des Thales mehr und mehr Wohnungen, und endlich ein, wenn auch
noch unbeträchtlicher Ort entflanten feyn. Erſt im zwölften Jahrhun⸗
dert warb berfelbe bedeutender, ald Konrad von Sohenftaufen
im Jahr 1156 den bisher in Bacharach gewefenen Sib der Pfalzgrafen
nah Heidelberg verlegte.
(Bergl, Kari Geib's „Maleriſch Hiftorifhe Schilderung der Nedargegenden” Franl⸗
furt 1843 ©, 12 und ff.)
Mit Pfalzgraf Konrad von Hohbenftaufen, des Kaifers
Friedrich Barbarofia’s Halbbruder, (farb 1195), welcher Heidelberg zur
Refidenz der Pfalzgrafen erhob und in der obern Burg des Gais—⸗
berges refipirte, gewinnt die Geſchichte diefer Stadt mehr Licht. Pfalz-
graf Otto der Erlauchte fuchte feine Herrfchaft durch eine Heirath
mit des vertriebenen Pfalzgrafen Heinrich Tochter, Agnefe, zu
befeftigen; worauf jene Berfe im alten Speifefaale deuten:
„Otto der Erſt, Pfalzgraf bei Rhein
Hätt Pfalzgrafs Heinrichs ZTöchterlein,
Mit Mannheit er’s alfo erfecht,
Das die Chur blieb feinem Geſchlecht.“
Sein Sohn Ludwig ſah die Thalftadt durch ſchreckliche Ueber⸗
ſchwemmung verwüſtet; fpäter, 1278, feine ganze Refivenz in Flammen
aufgeben, felbft die alte Burg aufdem Jettenbühl ward eine Beute
derfelben ; die abgelegene Kapelle „zur heiligen Yungfrau« in der Ein-
öde, blieb allein verfchont.
L. H. B.
Ludwig V. ſah Luther hier, der zu Fuße von Wittenberg
herkam, und bier den ſchönen Bund mit dem ſanften Jüngling Philipp
Melanchton ſchloß.
Die Heidelberger Ruine.
Freundlich grünen dieſe Hügel,
Heimlich weht es durch den Hain,
Spielen Laub und Mondenfchein,
Rauſcht der Wehmuth Teifer Flügel.
Wo nun Gras und Staude Ieben,
Hat in froher Kraft geblüht
Heidelberg. 477
Iſt zur Afche bald verglüht
Manches reiche Menfchenleben.
Mag der Hügel noch fo grünen;
Was dort die Ruine fpricht
Mit verflörtem Angeficht,
Kann er nimmer doch verfühnen.
Mit gleihgültiger Gebärbe
Spielt die Blum’ mit Farb’ und Duft,
Wo an einer Menfchengruft
Ihren Jubel treibt die Erde.
Kann ein Grollen nicht verhüten;
Ob fie holde Düfte wehn
Und mit flillem Zauber fehn,
Kalt und roh find diefe Blüthen.
Ueber ihrer Schweftern Leichen,
Die der rauhe Nord erfchlug,
Nehmen fie den frohen Zug,
. ®ibt der Lenz fein Siegeszeichen.
Der Natur bewegte Kräfte
Eilen fort im Rampfgewüht,
Fremd ift weiches Mitgefühl ;
Ihrem rüftigen Gefchäfte. —
Unten braußt der Fluß im Thale,
Und der Häufer bunte Reih'n,
Buntes Leben fchließend ein,
Schimmern hell im Mondenftrahle.
Auf den Frohen, der genießet,
Seft Die Freude hält im Arm,
Auf den Trüben, der in Harm
Weldt, und Thränen viel vergießet;
Auf der Thaten kühnen Fechter
Winft hinab voll Bitterfeit
478
Heidelberg.
Die Ruine dort, der Zeit
Steinern ſtilles Hohngelächter. —
Doch hier wacht noch eine Seele:
Sey gegrüßt in deinem Straud),
Sende mir den bangen Haud,
Wunderbare Philomele!
Wohl verftehft du die Ruine,
Und du Flagft es tief und Taut,
Daß durch al’ die Blüthen ſchaut
Eine firenge Todesmiene.
Tolgft dem Lenz auf feinen Zügen,
Treu zu warnen unfer Herz
Bor der Täufchung bittrem Schmerz,
Straft ihn deine Stimme Lügen.
Doch nun fehmweigft du, wie zu laufchen,
Ob in dieſer Maiennacht
Heimlich nicht noch Andres wacht,
Als der Lüfte leiſes Rauſchen.
Die der Tod dahin genommen,
Die hier einſt ſo glücklich war,
Der geſchiednen Seelen Schaar —
Nachtigall, du hörſt ſie kommen.
Von den öden Schattenheiden
Rief des Frühlings mächtig Wort
Sie zurüf zum fchönen Ort
Ihrer hingeſchwundnen Freuden.
An den blüthenvollen Zweigen
Sammelt ſich der Geiſterſchwall,
Wo du lauſcheſt, Nachtigall,
Halten ſie den ſtummen Reigen.
Und ſie ſtreifen und ſie draͤngen,
Sänger, dir allein bewußt,
Heidelberg. 479
Deine weiche, warme Bruft
Rühren fie zu füßen Klängen.
* Selber fünnen fie nicht Fünden,
Seit der Leib im Leichentuch,
Shren nächtlichen Beſuch
Diefen treugeliebten Gründen.
Nun fie wieder müffen eilen
In das öde Schattenreich,
Rufeft du fo dringend weich
Ihnen nach, fie möchten weilen. —
Blüthen feh ich nieberfchauern ;
Die mein Kummer roh und kalt
Gegen ihre Schweftern fchalt,
Jetzo muß ich fie bedauern ;
Denn mich bünft, ihr ſchwellend Drängen
Iſt der Sehnſucht Weiterziehn,
Mit den Blüthen, Die dahin,
Um fo bälder ſich zu mengen.
Hat die Veichten Blüthenfloden
Hingeweht der Abendwind ?
Iſt des Frühlings zartes Kind
Ob dem Geifterzug erfchroden ?
Nikolaus Lenau.
Neckarſage.
(Heidelberger Mundart.)
Wann d'je in der Ghannsnacht ) fiſche faͤhrſcht
Uf de Neckar, in der dunkle Nacht, —
Bann Dim Schtrom um Hülf was rufe hörſcht,
Junger, merk der's un nemm dich in Acht!
Un wann's laut, wie wann Eener vertrinke will, —
Bleib ſchtill, um Goddes Wille! bleib ſchtill,
Johannisnacht.
480 Heidelberg.
Der Nedar is helwer, er hot die Macht,
Er verlangt e lewendigi Seel die Nadıt.
Wann in der Ghannsdagsnacdıt Eener bad’t
Im Nedarfchtrom, in der warme Nacht,
Befehl er fi Goddes allmächdiger Gnad,
Er is hin, wann en bie nib bewacht.
Wann's Wafler reißt, do hebt fih e Hand,
Die zieht ’n in Schtrom , — er meent an's Land!
Der Nedar-Geifcht is es, er hot die Macht,
Er verlangt e lewendigi Seel die Nadıt.
"Drei Dag lang findt mar de Dodte nit,
Drei Dag lang un drei Nacht;
Am virde erfcht bringt’ n's Gewäffer mit
Aus 'm Grund ruf, un raufht mit Macht; —
Do feht ’r jo, — "8 is keenn nadürliches Ding, —
Er hot um de Hals rum en blove Ring!
Der Nedar-Geifcht, war 's, — er hot Die Macht,
Er Holt ſich e Seel in der Ghannsdagsnacht.
K. G. Radler.
(Driginalausgabe.) u
Der Pfalzgraf am Nhein. *)
Es wohnt ein Pfalzgraf an dem Rhein,
Der ließ verjagen fein Schwefterlein,
Da fam der Küchenjung zu ihm:
„Wilkommen, wilfommen, Pfalzgraf am Rhein!
*) Diefe Ballade , offenbar eine der tragiſchſten, welche im Munde
des Volkes erhalten iſt, läßt fih den fchönften altenglifchen, ſchotti⸗
fen und dänifhen Balladen an die Seite fielen. Sie ift weit ver.
breitet und in mehreren Berfionen auf ung gefommen. Die im Wunder»
horn, II. Band Seite 272 abgedruckte, ift wohl von Brentano felbft
gebichtet. Am neueften ift offenbar die Bearbeitung beffelben Stoffes
in Baader’s und. Mori’ Sagen der bayrifchen Pfalz. (Stutt-
gart bei Göpel. Seite 851.) Ihr gar zu romantifhes Gewand dere
räth ihre Unächtheit.
(Siehe J. Baader's „Sagen ber Pfalz und bed Redarthalé 20.@
*
Heidelberg.
Wo iſt dein fchönes Schwefterlein ?“ —
Mein Schwefterlein, die Frigft du nicht,
Sie ift dir viel zu abelich,
Und du gehörft zur Küch' hinein.”
Warum folt ich fie krigen nit?
Sie hat von mir ein Kindelein!“ —
„Hat fie von dir ein Kindelein,
Soll fie nicht mehr mein Schwefter feyn I‘
Er Tieß fie geißeln drei ganze Tag,
Bis man ihr Lung’ uno Leber fah:
„Hör auf, hör' auf, es ift genung,
Es gehört dem König aus Engelland 1
„Gehoͤrt e8 dem König von Engelland,
So koſtet's mich mein ganzes Land,
Mein ganzes Land tft nicht genug,
Mein Leben muß auch noch dazu.”
Es ftund nicht Länger als drei Tag an,
Da kam der König aus Engelland:
„Willkommen, willfommen Pfalzgraf am Rhein,
Wo ift, wo ift dein Schwefterlein ?“
mMein Schwefterlein, die ift ſchon tobt,
Sie Tiegt begraben röslinroth!““
„Liegt fie begraben röslinroth,
Sp mußt du leiden den bittern Tod!“
Selbft zog er fein ſchweres goldnes Schwert
Und flach es dem Pfalzgrafen durch fein Herz;
„Hat fie müßen leiden den bittern Tod,
So mußt du leiden den Schmerz.“
Altes Volkstieb.
II. 31
481
482
” Heidelberg.
Eberhard der Heilige.
1147,
Bimbeln ertönen und Paufen erfchallen,
Jubel durchrauſchet Die gaftlihen Hallen,
Freundlich bewirthet auf Heidelbergs Veſte
Drängen fi wader die flattlichen Gäfte;
Konrad der Pfälzer gibt jeglichen Tag
Köſtliche Mahlzeit und fürftlich Gelag.
Edele Ritter und züchtige Frauen,
Zierlihe Mädchen, gar minnig zu fchauen,
Lieben und fcherzen im Pfälzifchen Haufe,
Lachen und jauchzen bei reichlihem Schmaufe,
Spotten der Zeiten ermahnenden Drang
Jubelnd son Dannen mit Spiel und Gefang.
Eberhard einzig, er fehleichet fich Teile
sort aus der Freuden beraufchendem Kreife;
Hin, wo die waldigen Berge ſich fenken,
Sudet der Jüngling, die Schritte zu lenken;
Dort, wo ihn Einſamkeit friedlich umweht,
Liegt er oft Stunden im frommen Gebet.
Konrad, der Gründer der Pfälzifchen Staaten,
Ehrte des Chriſtenthums heilige Saaten;
Tapfer in Schlachten und bieder im Leben,
Wupte dem Glauben er Früchte zu geben ;
Darum erwählt er zum Lehrer fortan
Klüglich den Söhnen den heiligen Mann.
Aber des Lebens urfräftiges Walten
Sollte fein heuchlerifch Wefen erfalten ;
Darum verbot er mit ernfllihen Worten,
Frömmelndes Treiben an jeglichen Orten:
„Saget ihr taufend Gebete aud) her,
Recht thun,“— ſo riefer— „gilt dorten noch mehr!"
Heidelberg. 483
Aber nicht gleich find des Lebens Geflalten,
Wie fih Die Herzen verfchieden entfalten:
So auch dem Ritter war Fräftiges Streben —
Diefem nur heilige Sehnfucht gegeben ;
Göttliche Liebe, fo innig und heiß,
War ihm des Lebens entzüdender Preis.
Darum erbauet in einfamer Stille,
Daß er dad Sehnen des Herzens erfülle,
Einen Altar fi der Jüngling behende,
Zieret mit Laub ihm die fteinernen Wände,
Zündet der Kerzen hellflammendes Licht,
Knieet dann nieder und betet und fpricht:
„Ewige Liebe, du Lieb’ fonder Gleichen,
Habe Erbarmen und gib mir ein Zeichen,
Ob ich den Machtſpruch des Herrſchers ſoll ehren,
Oder fol brünftig hieher wiederfehren ?
Liegt Doch mein Herz nunim Kampf mit der Pflicht.”
Und er erhebt ſich und löſchet das Licht,
Siehe, der Gott, zu dem fromm er fich wendet,
Dat ihm auch ſchnell feine Botfchaft gefendet:
Denn fo oft er zum Altare noch fchreitet,
Findet er immer die Kerzen bereitet
leuchtend in wunderbar ftrahlender Pracht,
Hell durch des Waldes grün Dämmernde Nacht.“)
Heribert Rau.
3% Palzgraf Konrad übertrug, der Sage nah, die Erziehung
feiner Söhne Konrad und Friedrich dem heiligen Eberhard
von Stalede, der fih eine Kapelle in der Nähe des Königsſtuhls
erbaut haben fol und ſo fromm war, daß die Engel ihn mehrmals
von Heidelberg nach Stalede, (der früheren Nefidenz der Pfalzarafen)
und von Stalede nad Heidelberg zurüdtrugen. Ein zweites Wunder
erzählt obige Legende von 9. Rau.
(Eiche 3. Baaders „Sagen der Pfalz und des Obenwaldes.”)
31*
484 Heidelberg.
Herzog Otto der Erlauchte und die ſchöne
Welfentochter.
(Bier Romanzen von Eduard Duller.)
| 1.
Des Welfischen Pfalsgrafen Heinrich Abendruhe.
Auf hohem luftigem Söller — fein Thron im Nedarthal, —
Da faß der Welfen Pfalzgraf, Herr Heinrich, 1) froh beim Mahl
Und hob den goldnen Becher und fah hinab mit Luft,
Wie fich der Pfalz mit Inbrunſt der Rhein ſchmiegt an die Bruft. 2)
Und fah dann gegen Himmel und wieder auf das Land,
Das Alles. ift fein eigen, was rings fein Auge fand!
Doc plöglich denkt er trüber des Welfenruhms zurüd,
Er denkt des alten Löwen und bangt für’s alte Glüd.
est ſchaut er auf die Tochter, die ihm zur Seite ſteht,
Bon Holder Scham geröthet,, von füßem Reiz ummeht,
Das blaue Kleid umringet des Gürtels goldner Glanz,
Ihr blondes Haar durchſchlinget ein blauer Cyanenfran;.
Ihr Auge fo Har und freundlich, fo mild und ernft zugleich,
Sp anſpruchslos beſcheiden — und doch wie überreich!
Sie ſchenkt dem alten Manne vom beften teutfchen Wein
Aus feingetriebner Kanne zum filbernen Schoppen ein.
Und mit Behagen blidt fie der Vater lächelnd an:
„Hätt' ich auch Feine Grafſchaft, — ich wär ein reicher Dann !
's ift Doch die Lieb’ auf Erden ein unfhäsbares Wort; —
Mein Bruder, Kaifer Otto, hat feinen beffern Hort !”
„Wie lächelt ung rings im Frieden das Land fo Tieblih an,
Wie zieht der Strom danieden fo Har die blaue Bahn,
Wo golpne Aehren wogen und mit den Häuptern niden,
Als dankten fie der Sonne für Vollkraft und Erquiden !“
„Die Sonne fcheint ja wärmer und leuchtet Doppelt ſchön,
Auf friedliches Gelände herab von ihren Höh'n,
Die Sterne funfeln reiner und frömmer im Azur,
Als wenn fie Haß befcheinen auf blutgedüngter Flur!“
Heidelberg. i85
„ie heil zu meinen Füßen, im golbnen Abendfchein,
Die Städte friedlich grüßen bis fernhinab am Rhein !
’8 ift großer Feierabend! — Das Leben geht zur Raft,
Der Schlaf ſucht fill die Herberg, ein füß gebetner Gaſt!“
„Ihr Burgen und ihr Städte! Ihr Felder und ihr Au’n,
So weit euch kann der Herrfcher mit Vaterblick erſchau'n,
Mög’ Friede nie euch laſſen, mögt ihr ihn immer hegen,
Dann will ich gern erblaffen! — Das ift mein Abendſegen! —
Kaum hat's der Fürft geſprochen, wird's unten lauti im Schloß,
Es ſchallt wie Hufgeklapper von manchem tüchtigen Roß. —
Wer kommt ſoſpat?“— ruft Heinrich. —Sieh zu mein Töchterlein,
Und iſt's ein Gaſt, nach teutſchem Brauch ſoll er willkommen ſeyn!“
Die Tochter eilt geſchäftig hinab die Wendelſtieg';
Da hört fie plötzlich rufen von hundert Stimmen: „Krieg!“ —
Ein Herold hält zu Roſſe, mit Reichsfarb' angethan,
Stolz, königlich zu ſchauen, der fchönfte teutfhe Mann |
Vom Haupt in reichfter Fülle die braune Tode wallt,
Sein Blick, fiegreich erobernd, bezwingt mit Allgewalt ;
Hochfürſtlich, wie ein Gebieter, fleht er im Schloffe da
‘ Und ſpricht, wie er am Söller den Welfengrafen fah:
„Aus iſt's mit Eurem Herrſchen, Pfalzgraf, in diefem Land!
Das fpricht zu Euch der Kaiſer! Ihr feyd vom Reich verbannt!" —
„Wie? fendet dies der Kaifer ? Ihr feyd bei frobem Muth! —
Der Kaifer ift mein Bruder, und meint es fletd mir gut!“)
„Ihr ſprecht, fo wie's geweſen;“ — verjett der Herold drauf, —
„Ders Dtto Fiegt im Banne; — mich ſchickt ein Hohenftauf!
Es iſt der zweite Friedrich, der Euch entbeut dies Wort,
Die Pfalz ift Ludwig von Wittelsbach perlieh'n auf
immerfort! —“
„„Wein ift die Pfalz nach Rechten!“ — grollt nun der alte
Graf —
„„Laßt ung im Krieg drum würfeln, #) und fehn, wer minder traf;
486 Heidelberg.
Zwar lieb’ ich Frieden wahrhaft, doch führ ich auch das Schwert;
Pfalz! Pfalz! beim ewigen Himmel! Du biſt des Kampfes
werth!“ —
„So rüſtet!“ — donnert der Herold — „Wir zwingen das
Geſchick!
Kampf ſey's auf Tod und Leben! —“ Da trifft ihn der Jungfrau
Blick,
Da ſinkt, im Zorne gehoben, der Arm ihm wie gebannt —
Fort traͤgt ihn der ſcääumende Rappe. —Sie ſinnt ganz unverwandt.
2.
Der Peſuch.
Es brauſt herauf vom Thale, es ſauſt durch den Eichenwald,
Ein dumpfes Waffenklirren herauf zum Schloſſe ſchallt;
Bang ſorgend um den Vater, dort in des Treffens Reih'n,
Sitzt Agnes, die ſchöne Welfin, im Garten bleich allein.
Sie ſtützt das Haupt aufs Händchen; das Herz iſt ihr ſo ſchwer,
Sie ſieht im Geiſt nur Einen, ſonſt iſt die Welt ihr leer;
Sein Aug', ſein Gang, ſeine Rede, ſein edler Fürſtenglanz,
Das nahm die armen Sinne der Maid gefangen ganz.
Und wie ſie ſieht und denket, ſteht's ploͤtzlich jetzt vor ihr,
So ſonnenhell und leuchtend! — kein Sinn betrügt ſie hier —
Ein Mann in voller Rüſtung, dem jungen Kriegsgott gleich
An Schönheit, Kraft, Blick, Haltung — an aller Hoheit reich.
Sie hält die Hand vor's Auge und blickt ihn bangend an,
Das Herz, es will nicht ſchweigen, wenn's auch die Lippe kann;
Sie ſieht, kann's doch nicht glauben, und ſieht's doch wieder klar:
Was ihre Träume ſprachen, der Morgen macht es wahr.
Der Ritter aber neiget ſich ihr mit Beſcheidenheit:
„Ob Ihr, o füße Herrin! dem Kühnen wohl verzeiht? —
Als ich zuerſt Euch ſchaute, da fprach es laut in mir:
Die Eine vor allen Andern ift teutfcher Frauen Zier!“
Heidelberg. 487
„Da ward’s mir klar im Herzen, wozu bem Mann die Kraft;
Euch zu verdienen ſchwor ich den Eid der Nitterfchaft.
Was gilt Gefahr und Streben, darf ich Dich wieberfchauen,
Um beine Huld zu werben, Du Schönfte aller Frauen !«
Die Jungfrau, flumm erröthend, den Blid zur Erbe kehrt. —
„Sen nit die edle Stirne, bu, aller Kronen werth!
‚Sungfräulich holde Rofe, wie deine Wangen glühn !
Als Königin der Blumen erheb’ dein Antlie kühn!«
Die Jungfrau lächelt milde, fie reicht ihm ſtill die Hand,
Als ihrer Gegenliebe geweihtes Unterpfand. —
„Run, fo vernimm, du Holde, was nod mein Mund nicht fprach :
Ih, jener Waffenherold, bin Sohn des Wittelsbach!“ —
„Ein Wittelsbacher bift du ? — Weh mir, ein fchlimmes Wort |
Sp find wir fireng gefchieden, fo mußt du ſchleunig fort!
Gott, wenn fie hier dich finden, fie ſchonen deiner nicht,
Ob aud) darob mir Armen das Herz vor Sorgen bricht!“ —
»D weine nicht, Geliebte! Und ob mir auch zum Krieg
Die Welt entgegenzöge — Dein Lieben gibt mir Sieg!
Noch immer Thränen, Agnes? O welch ein koſtbar Gut!
Wer möchte nicht vergießen um fie das Herzensblut?
„Zwar gegen Deinen Vater iſt nun gelähmt mein Arm —
Horch! die Drommete fehmettert! Auf, in der Feinde Schwarm!
Dein Nam’ ift meine Lofung ! Er feiet meinen Stahl;
Leb’ wohl du füße Herrin! — Leb' wohl viel taufendmal !”
3.
Der Abfdied.
Hm Brunnen dort im Schloßhof, vol Fühler Labefluth,
Ein Pilger jung von Jahren, wie wandermübe ruht;
Zu manchem Fenfter fchaut er mit Sehnfuchtsblid empor,
Nah mander Pforte lauſcht er mit aufmerffamem Ohr.
A88 Heidelberg.
Da wandelt bleich, beffommen, vom flolgen Grafenhaus,
Die ſchöne Welfentochter zur Gottesluft heraus,
Sept fih aufs Marmorbänflein, nah bei dem fühlen Duell’
Und fingt ein altes Webchen, drein flimmen bie Wellen hell.
Aus ihrem Bufen ringe fih dann mander Seufzer ſchwer,
Ihr Auge ſchweift, wie fuchend, mit feuchtem Blick umber,
Aus ihren Locken nimmt fie das Kränzlein frifch gepflüdt,
Und aus dem Kranz die Blüthen, bis daß er war zerſtückt.
Dann fenft fie ſtill das Köpfchen und legt Die Händ' in Schoog,
Das Herz ift ihr beklommen, das Leid iſt ihr zu groß,
Sie denkt der Schlacht und Otto's — von Schmerzen überfchwillt
hr liebend Herz, ihr Auge von Thränen überquillt. |
Da tritt der Pilger näher und rührt fie leis am Arm,
Und wie nach ihm fie wendet das Angeficht voll Harm,
Bebt fie zurüd erfchroden — doch gleich, mit banger Luft
Erfennt fie den Geliebten und finkt ihm an die Bruft:
„So müſſen wir und alfo, mein Dtto, wiederjehn,
Wenn unfrer Hoffnung Sterne in Sturmesnadt vergehn !’ —
„Nur einen Kuß begehr? ich — raſch muß ich wieder fort,
Berrath und Mord umzingelt mich hier an jedem Ort!
„Wohl ift die Schlacht gefchlagen, doch unfer Sieg dahin,
Das find der Bayern Schaaren, die dort im Thale fliehn,
Mein Bater Rudwig felber, gefangen in der Schlacht,
Wird von dem Deinen, Agnes, in ftrenger Hut bewacht. —“
„Und mußt du eilig flüchten, fo den? an mich manchmal,
Gedenk' an meine Liebe und namenlofe Dual —
DenP, daß ih Dir nur lebe — kann's ja nicht ohne Dich!
Und wenn mein Herz gebrochen — dent’ manchmal noch an mid 1» —
„O Agnes, füße Herrin! Laß noch der Hoffnung Raum,
Auch dieſes Leid wird fehwinden, gleich einem bangen Traum!
Wir fcheiden nicht auf ewig, ein Wiederfehn giebts noch,,
Das Leben ift nicht das Höchfte, die Lieb’ ift drüber Hoch !
Heidelberg. 489
„Doch, hilft mir Gott, fo ſchwör' ich, fo wahr die Sterne ſich
dDrehn,
Daß ih Dich will noch einmal und herrlich wieberfehn ;
Was no im Bayernlande von fühnen Männern lebt,
Die bier’ ih auf zum Kampfe — was noch die Klinge hebt!
„And beim dreieinigen Gotte und meiner Ritterfchaft!
Den Bater will ich löſen aus feiner büftern Haft,
Und an demfelben Tage, der feine Freiheit fchaut,
Führ' ich Dich heim nad) Bayern als berzogliche Braut!“ —
Doch faum hat er’s gefchworen,, faßt ihn der Pfalzgraf an,
Der leis herbeigefhlihen: „Halt ein, du ſtolzer Hahn !
Nimm Deinen Eid zurüde, denn der wird nie vollbracht ;
Solg mir, Du Feder Freier! — Du bift in meiner Macht!“
4.
Der Gefangene.
In hoher, enger Kammer, von Welfen ſtreng bewacht,
Steht Ludwig, Bayerns Herzog, gefangen in der Schlacht,
Er ſieht durchs Gitterfenſter hinaus ins freie Land,
Wie fühlt er ſich gezogen von ſeiner Sehnſucht Band!:
„Wie frei die Lüfte ſich regen, dort außen vor meiner Haft,
Wie frei die Aeſte ſchwanken in reifend rüſtiger Kraft!
Das Bögelein schlägt an's Fenſter, als neck' es mid) ob dem Bann,
Drinn ich hier muß verkümmern als ein geſchlagener Mann!
„O Freiheit, ſüße Freiheit! Des Lebens beſter Theil!
Du aller Weſen Sonne, Du aller Kräfte Heil!
Den Schwachen ſchaffſt du zum Rieſen, den Sterbenden geſund,
Und ich darf dein nicht genießen auf eignem Land und Grund!“
Inmitten ſeiner Klagen tritt ſtolz der Pfalzgraf ein
Und ruft: „Verwegner Streiter! wer nennt die Pfalz jetzt ſein?
Du wollteſt Alles mir rauben, was Gott mir zugetheilt;
O Ludwig, Bayernherzog, das war doch übereilt!
490 Heidelberg.
„Der Fürſten Loos auf Erden, es liegt in Gottes Hand,
Drum wollt ich nicht verzagen, drum firitt ich um mein Land;
Doc als dein Spiel verloren, warft du felbft noch fo blind,
Mein Liebſtes mir zu verloden durch deinen Sohn : — mein Kind!
„Ich hab’ auf Erden wahrlich fein Föftlicheres Gut,
Als meine Tochter Agnes, die Teste vom Welfenblut,
Sie, die mir mehr als Alles, ald Ruhm und Leben gilt,
Die war mir auch zu rauben Dein fühner Sohn gewillt;
„And als ich Died vernommen und ala ich dies erfannt,
Gelobt' ich zu vereiteln, wornach er heiß entbrannt;
Er fhwor, dich zu befreien und mir mein Kind zu nehmen,
Da müßt ich alter Weigbart mich fa zu Tode grämen!
„Drum, was er auch gefchworen — fürwahr, er thut es nie!
Er wollte Agnes rauben; nun benn, ich geb’ ihm fie!
Er ſchwor, Dich zu befreien — ich felber geb’ Dich frei!
Und wilft Du Freund mir werben — fchlag ein, ich bin dabei!
„Denn fieh! im Treffen mitten, da fann ich dies bei mir:
Ich flerb’ des Stammes Lepter, und laß’ als Erbin bier
Die einz’ge Tochter Agnes! Warum fließt teutfches Blut ?
Eint füch Die Pfalz mit Bayern, — dann hat ſie's, denk' ich, gut! —“
Da finft der Witrelsbacher dem Welfen in den Arm;
Er drüdt ihn an den Bufen recht männertreu und warm,
Da tritt die Jungfrau fchüchtern und kühn ihr Freier ein, —
„Macht Hochzeit" — ruft der Pfalzgraf— „zu Straubing fol fie
ſeyn!“ °)
Und als fie Hochzeit hielten bei Sattenfpiel und Tanz, |
Bei goldnen Weines Perlen in goldner Kannen Glanz,
Der Herzog hob den Becher: „Hoch Pfalz und Bayerland,
Kein Feind mehr fey der Brecher von foldhem edlen Band!“
Eduard Duller.
Heidelberg. 491
1) Diefer Welfifhe Pfalzgraf vom Rhein war ber erfigeborene
Sohn des ehemals ſogewaltigen Welfen, Heinrichs des Löwen, Bruder
des im Jahr 1197, neben Philipp von Schwaben erwählten teut-
fhen Könige Otto IV.
2) Zu diefen Pfalzlanden beim Rhein gehörten ein großer Theil
bes fruchtbaren Kraichgau's, Heidelberg mit ihren beiden Beften, bie
Refivenz des Pfalzgrafen, ein Landſtrich der alten Grafſchaft Zwei«
brüden, dazu die Hersfhaft Bahararch amNheine, mit der Burg
Stapled und vielen Rein» und Getraidebauenden Dorffhaften. —
Kein Pfalzgraf Hand in andern Ländern fo hoch, mächtig und hochan⸗
gefehen, als der Pfalzgraf bei Rhein; denn er war dafelbſt eigen-
herrlicher Gebieter, von feinen Landſtaͤnden beſchränkt; er vertrat
den König, wenn der Thron des Reiches ledig, und
verwahrte deffen Kleinodien für den fünftigen Herrſcher, den ex ſelbſt
trönen half. ıc.
(Siehe Z3ſchokke's Bayrifhe Geſchichte U. Band, IH. Buch, V. Abfchnitt.)
3) Kaifer war damals Otto VL, des Pfalzgrafen bei Rhein
Bruter, Heinrich des Löwen zweiter Sohn. — Was hier zum leich-
texen Ueberblick und durch dichterifche Zorm bedingt auf Einen Moment
zufammengedrängt erfcheint, ergab fih, der Geſchichte nah, im
Berlauf mehrerer Jahre. Im November des Jahres 1311 nämlich,
hatte bereits Pal Innocenz IV. König Otto IV., nachdem cr
ihn vor zwei Jahren zum Kaiſer gefrönt, in den Bann gethan. Erſt
im Jahr 1218 am 6. Dezember ward Friedrich IL. von Hohen-
ftaufen,, auf den fohon früher das Auge der Wähler gefallen war | zu
Mainz geſalbt. 1214 geſchah die Schlacht bei Bowines in Flandern,
die Otto's letzte Hoffnung ſtürzte; 1215 wurde König Friedrich zu
Aachen durch den Mainzer Erzbifhof Stegfried zum Kaifer gekrönt,
ter Welfifche Pfalzgraf Heinrich in die Acht erklärt, und beflen
herrliche Rheinpfalz dem Herzog Ludwig von Bayern , dem Sohne
Otto's J. gegeben.
4) Der Krieg deßhalben, zwiſchen dem Bapernperzog und dem
Pfalggrafen, begann bald darauf, und währte länger, als in obigen
Romanzen angedeutet if. Herzog Ludwig verlor im Jahr 1315 die
Sreiheit und mußte gefangen von Schloß auf Schloß In der Rheinpfalz
wandern, bis die Ehe zwifchen feinem Sohne und des Pfalzgrafen
Tochter, Agnes, die beiden Gegner verföhnte.!
5) Zu Straubing ward das Beilager mit ungemeiner Pracht
vollzogen. Das dritte Wandgemälde in den Arkaden des Münchner Hof-
gartens flellt die Verlobung des Liebenden Paares und die Berföhnung-
der feindlichen Gefchlechter dar.
(Dbige trei Tegte Notizen find aus Dullers „Wittelsbacher“ gezogen.)
492 . Heidelberg.
Ludwig der Strenge.
Von den Hohenftaufen ging die Rheinpfalz , unter Kaifer
Friedrich IT., auf das ihm Durch Heirath verwandte Gefchlecht
der Wittelsbacher, und zwar auf Ludwig I. über, dem
für feine treuen Dienfte bei der Kaiferwahl Rudolf von
Habsburg nicht allein die Hand einer feiner Töchter gab,
fondern die duch den Tod Konradin's erlebigten Hohen⸗
ftaufifchen Güter in diefer Gegend überließ. Dies ift Ludwig,
der Strenge genannt, und zwar wegen ber graufamen Strafe,
die er feiner erflen Gemahlin, Maria, des Herzogs von
Brabant Tochter, widerfahren Yieß. Diefe wohnte nämlich feit
ihrer VBermählung in Donauwörth und hatte von hier aus
dem Pfalzgrafen gefchrieben ; diefer Brief aber wurde aus Ver⸗
fehen mit einem andern verwechjelt, den fie an einen Raus
grafen gerichtet, und in welchem einige Ausdrüde vorfamen,
welche die Eiferfucht Ludwigs entflammten. Er eilte fogleich nad)
Donauwörth, erdolchte mit eigener Hand Maria’d Ge⸗
fpielin, ein Fräulein von Bremberg, flürzte die Hofmar-
fhallin von den Zinnen des Schloffes, und ließ feine Gemahlin
durch Henfers Hand flerben. Zu fpät erfannte der Marfgraf
den Irrwahn feiner Leidenfohaftz er wandte ſich reuig an die
Kirche, und der Papft legte ihm zur Sühne die Gründung ber
‚ Eifterzienfer-Abtei Fürftenfeld auf, in welcher er auch be-
graben liegt. Er farb 1294 zu Heidelberg, welche Stadt er mit
der Burg von dem Bifchof von Worms zu Lehen trug.
(Siehe Mar von Rings „Malerifhe Anſichten der NRitterburgen Teutſchlands“
11. AötHeilung, Seite 65.)
Sriedrichs I. Nettung aus Weiber - und
Pfaffenliſt.
Ludwig dem III., dem Pfalzgrafen, folgten ſeine beiden Söhne,
Ludwig W. und Friedrich J., einander ſehr ungleich an
geiſtiger Kraft, in der Regierung; die eigene Schwäche füh-
lend, theilte der Aeltere diejelbe gern mir dem Bruder. Die
Heidelberg. 493
Beſitzungen des Pfalzgrafen dehnten ſich in dieſer Zeit ſchon
bis an die Vogheſen; unter andern hatten ſie einen Antheil an
den Veſten der Grafen von Lützelburg (la petite Pierre),
bie jeboch dieſe Rechte fireitig machten. Die Feindfrhaft ver-
mehrte wohl die von Friedrich I. verlaffene Schwefter des
Grafen, Eleonore, feittem Klara Dettin von Augg-
burg, das fchöne Hoffräulein,-ihn an den Münchner Hof ges
feffelt. Die Tügelfteiner fuchten zulegt den Pfalzgrafen Ludwig
gegen feinen Bruder mit Mißtrauen zu erfüllen und zum Werk⸗
zeug ihrer Race zu machen. Kemnat, Friedrichs Erzieher
und Biograph, hat uns die Gefchichte der ſchwarzen Hinters
fift erzählt, welche das Verderben feines Zöglings herbeiführen
follte.
Schon hatten die feilen weftphäliichen Gerichte, durch den
Einfluß der Grafen von Lügelflein gewonnen, dad Todesurtheil
über den ber Keterei angeflagten Friedrich gefprochen, und zur
Vollziehung deflelben waren zwei fremde Ritter an bes Pfalz
grafen Hof nach Heidelberg gefommen, die binnen kurzer Zeit
fich des Zutrauens Ludwigs bemächtigten, ohne jedoch ihn zur
Mitwirkung an ihrem Vorhaben beftimmen zu können. Da nah⸗
men fie zu nächtlichen Trug und Blendwerk ihre Zuflucht; mit
ihnen traten Eleonore und der Beichtvater des Pfalzgrafen in
den Bund. In der Mitternachtftunde erfchien die heilige Jung⸗
frau in dem Schlafgemache Ludwigs , und rief ihn zur Beſtra⸗
fung feines Bruders: Friedrich, der die alleinig wahre Kirche
verfhmähe und, durch Ehrgeiz verleitet, im Begriff fey, an
ihm felbft zum Verbrecher zu werben; fie felbft (die heil. Jungs
frau) habe den Fürften der Höfe in der Burg angetroffen, mit
bem ber ruchlofe Berräther in enger Verbindung ſtehe. Durch
ihre himmliſche Macht bezwungen, läge nun aber der böfe Feind
gefeffelt draußen in dem Vorſaale. Noch zweifelte Ludwig, als
plöglicd; das Ungeheuer brüllend in das Schlafgemach Drang,
und, fih vor bie Heilige hinwälzend, fih von ihr demüthig
ihren Fuß auf den Naden fegen ließ. Der Schrecken brachte den
Pfalzgrafen um die Befinnung, und ald er wieder zu fich Fam,
fand er fi in den Armen jener beiden Ritter, welche in büfter
glänzender Rüftung an feinem Lager flanden. Ihrem Zureden
folgte er endlich in des Bruders Schlafgemach. Hier war in-
404 Heidelberg.
deffen der Betrug ſchon zur Hälfte gelöfl. Kemnat hatte die
Entwürfe der Lügelfteiner ausgekundſchaftet, die nächtlichen Zu⸗
fammenfünfte Eleonorens mit dem Mönch und ben fremden
Rittern in dem Auguftinerflofter hatten feinen Verdacht aufgeregt
und ihn bewogen, feinen Zögling zu bitten, Vorfihtömaßregen
zu treffen. Zwei feiner Hofjunfer, ein Gemmingen und ein
Geispigheim, hielten abwechfelnd bei ihm die Nachtwache.
Als die Unthat verübt werben jollte, war die Reihe der Wache
an dem Erſtern. Der muthige Ritter blieb unerſchrocken, als
der Mönſch, nachdem er feine Rolle als Satan ausgefpielt
hatte, noch in der ganzen Hülle deffelben in Friedrichs Zimmer
trat, vermutblih um die Ausführung des Unternommenen zu
fihern. Gemmingen, verwundert über biefe Zeufelserfcheinung,
zieht das Schwert, dringt auf dad Ungeheuer ein, erfennt fo-
gleich an dem gezüdten Dolce den gedungenen Mörder und
ftößt ihn nieder. In diefem Augenblick erfcheinen auch die beiden
Ritter, den bebenden Ludwig mit ſich führend. Kaum aber fehen
fie, was indeſſen vorgefallen, und daß ihr Plan gefcheitert ift,
fo ergreifen fie die Flucht. Am Morgen nad) diefer Nacht war
aud Eleonore verfehwunden.
Sp war Friedrich I. gerettet; Ludwig IV. aber, auf
ben diefe Begebenheit geifteögerrüttend gewirkt hatte, farb bald
darauf, nachdem er feinem Bruder die Vormundſchaft über fei-
nen noch unmündigen Sohn übertragen. Friedrich, fpäter der
teutfhe Achilles, oder der Siegreiche genannt, herrichte
nun allein über die Pfalz, und die Zeit feiner Regierung (1450 —
1476) bildet die glänzendſte Periode jenes Landes.
(Siehe Mar v. Ring’s „Malerifhe Anfidten der Ritterburgen Teutſchlands.“
II. Abteilung, Seite 67).
Derbe Warnung.
Als Kurfürft Friedrich J. von der Pfalz, der Siegreide
genannt, einft auf der Jagd eine fteile Bergklippe hinaneilte,
fing ein altes Weiblein, fo nicht weit davon Holz las, heftig
an zu fchelten, und rief ihm zu: „Haft bu nun feinen andern
Weg finden Fönnen? Hat Dich der Teufel da hinaufgeführt, fo
Heidelberg. A495
führe dich Gott wieder herab!» — Der Kurfürft, nicht wenig
erftaunt über biefen Verweis, ritt auf die Frau zu und fragte
fie, ob fie auch wiffe, mit wem fie fo gröblich rede ? — „Wohl
weiß ich ed” -- erwiederte die Alte — „Bift du nicht der Kurs
fürft, und fängft du nicht mit Jedermann Händel und Krieg
an? Wenn du dich nun durch deine gottfträfliche Verwegenheit
ſelbſt in folche Gefahr begibft, mit dem Pferb von der Kippe
herabftürzeft und das Genick brächſt, wer geriethbe dann wohl
in größere Noth, ald wir, deine armen Unterthbanen? Wenn
du Deiner nicht fohonen willft, fo follteft du doch wenigſtens
auf diefe Rüdficht nehmen!” — Der Kurfürft lachte herzlich
über dieſe Worte, reichte der Frau ein Geldſtück und fagte:
„Mütterchen, du haft recht, ich fol das hinfort mir nicht ‚mehr
zu Schulden fommen Tafien !«-
(S. Weidner’s „Apophthegmata” II. Theil, Seite 18.)
Das Lied der Markgrafen.
Wollt Ihr hören ein neues Gefchicht ?
Zu dem Pfalzgrafen Hat fich verpflicht,
Ru merfet, wie ich fag’:
Ein Niederlag geſchehen ift
Uff Mittewoch für unfer Frauen Tag.
Der da ging vornen an der Ehen,
Bierhundert ung das bewehrn;
Da drei Fürften famen in das Land,
Marfgrafe Karle und Marfgrafe Jörge,
Der Grafe von Würtemberg find euch benannt.
Marfgrafe Karle hätt? auch ein böfes Fürnehmen,
Wein und Frucht wollt’ er umb Heidelberg fchlemmen,
Das Uebel mocht ihnen Gott nit überfehen;
Gegen Heidelberg er inne gführt warb,
Ueber fein Baden Tiefen ihm abe feine Threhen.
=
496 Heidelberg.
Das Nedarthale wollten fie gar han verbrannt
Mit den Namen fie Euch vor hin benannt.
Der Pfalzgrafe wollt das nit von ihne leiden,
Er folget ihne nach mit feinem Gezüge
Dei Nedargemünd in dem Feld mußt er fie beftreiten.
Herr Dietrih von Iſenburg was babet,
Daß (ale) die Herrn gefangen wurben alle drei.
Lob follen wir unferm Herrn allezeit fagen.
Zween Grafen und ein Bannerberr in dem Feld blieben.
Zu Hauf vierzig wurden ber Feind’ erfchlagen.
Herr Dietrich von Ifenburg Bifhof zu Mainz.
In der dreien Herren Land ift ein groß Geweins
Bon Kindern, Frauen und auch Mannen.
Das Necht fie Euch dick abgefchlagen haben,
Das fummt ihne jegund zu großen Schanden.
Der Pfalzgrafe hat das dick mit Euch begehrt,
Zum Rechten zu fommen wurd er nie gewährt.
Sie unterftunden Euch ganz zu vertreiben.
Daß ihr allmegen das Recht geboten habt,
Darumb fo will der Pfalggraf bei Euch bleiben.
Dem Pfalzgrafen haben fie Did Schmachheit erbotten,
Mit dem Leuen fie fin Ahne wollten fpotten;
Sie ſprachen: er fchlief und Eunnte nimme fragen,
Und wo die Buben bei dem Wein faßen,
Sie funnten nit anders dann von dem Leuen ſchwatzen.
Sie ſprachen, der Leue wäre entfchlafen,
Darumb der Maler fehre ift zu ftrafen, |
Der Klaen (Klauen) hat er an ihme vergefjen,
Als er ihne zu Durlach gemalet hat,
Nach Liedmaß hat Ihne nit ußgemeffen.
Der Säger hat den Leuen auch uffgeweckt,
Der Leue hat den Markgrafen und fein Bruder erfchredit,
Heidelberg. 497
Er bat auch fo grimmiglichen geſchrüwen,
Daß fie alle in den. Krieg je fommen find, -
Das hat fie und ihre Ritterfehaft fehr berümwen.
Der Leue bat fein Hals ußgeftredt,
Und bat fein guten Fründe uffgewedt;
Der Ritterſchaft hat er fein Noth geklagt,
Bei dem Leuen der Pfalzgrafe bedütet ift,
In dem Feld fahe man Ihne nie verzagt.
Dem Leuen traten fie uff feinen Schwanz,
Mit den Feinden hatt’ er einen wilden Tanz,
Ihr Springen währet nit gar langen,
Nach dem als ich verfianden han,
Ueber vierhundert find Ihr worden gefangen.
Dem Leuen fein Klaen wohl gefchliffen,
Durch Küraß und Harnifch hat er gegriffen,
Daß fie worden find von Blut roth.
Welcher da bei dem Leben blieben ift,
Sprit wohle: er kumme nie in größer Noth.
Mit dreihundert Pferden find etlich abgeftiegen,
Bon ihren Herren find fie in den Nöthen gewichen ;
Etlich Ritterbüblein fie auch haben erfchlagen,
Da fie die Flucht alfo genommen haben;
Nu merfend was Ehre mochten fie da bejagen.
Uff beiden Seiten ftritten die Herren ritterlich,
Das mag ih Euch fürwahre fagen ficherlich,
Als Ritter und Knecht das wohle erfennen.
Welche aber alfo von ihnen geflohen find,
Der kann ih Euch nit mit Blamen genennen.
Etlich waren auch alfo fehr erfchroden,
Die Schwerbt bie klingen ihnen als die Glocken;
Die da alfo von ihnen abe waren gewichen,
Wo man fie auch in den Wälden fand,
Ihr Antlige waren an Farben gar erblichen. :
II. | 32
498 Heidelberg.
Der Teue gewann uff denfelben Tag den Preiß,
Ale fein Ritterſchaft thet mit ihme auch ganzen Fleiß,
Das Feld haben fie auch mit Ehre behalten,
Der heilig Sanft Peter ihr Geleitömann war,
Der Ritter Sanft Jörg des Stritts ſollt walten.
Ich han von den Gefangen auch etlich vernommen,
Da fie mit ihren Herren in das Feld find kommen,
Was über fieben Jahr wär, follten fie erftechen.
Der Pfalzgrafe fih daran nit hat gefehret,
. Er wollt’ auch Args mit Argem nit rächen.
O Leue! du thatft wohle alle die Gelangen,
Den Jäger haft du für (vor) deiner Thüre gefangen.
Bon Stud (ttg) arten ift er herabe geritten,
Zwen Markgrafen hat er mit ihme bracht,
In eime weiten Feld haft du ihr gebitten.
Markgrafe Karle, Fürft und Herr zu Baden!
Den Bifchof von Mes haft du in das Feld igeladen,
Mit dem von Wirtenberg wollt er beiffen,
Dem Leuen in feinem Land reiten,
Zu Zorn und Grimmigfeit wollt’ er ihn reiffen.
Markgrafe Jörg, Herr und Bischof zu Metze!
Zu Heidelberg hat ihr gern gehöret die Tepe,
Der Meifter ift Euch zu rechten Zeit fommen,
Märet ihr daheim in eurem Bisthum blieben,
Eines geiftlichen Herren hätt das wohl angezommen.
Des Pfalzgrafen Diener kunnen das wohl bewehren,
Wie man einem Bifchof die Platt folle feheren;
Das Handwerf haben fie Tang getrieben,
Und hätt die Ritterfchaft nit fo gewehrt,
Für den Buwern (Bauern) wär’ er nit lebendig blieben.
O Leue, laß jedermann fagen was er will,
Die Pfalz gewann bei ihren Tagen nie beſſer Federſpiel.
Heidelberg. 499
Mir reinem Waidwerk haft du fie betrogen.
Ritter und Knecht der haft du viel,
Mit den haft du fie Iuftiglichen umbzogen.
Dein Garn haft du fo weit uffgefpreit,
Mit noßbaumen Laub wärft du wohl gefleit.
Die Buwern funnten das eben gemerfen,
Eilfhundert Pferde du in dem Felde hätt;
Mit fechstaufend Buwern moͤchteſt du dich wohlftärfen.
Der Leue bat ſich ange Zeit fehr gewehrt,
Bis ihme Gott nu drei Falken hat beichert?
Die lange Federn folle er ihne usrupfen,
Daß fie ihme in fein Schloß kunnen gefliegen,
Neben feind Lande laß er fie hinhupfen.
Redelich Schellen , die hafte ihnen an!
Nimm Guts genug und heiß fie werden Mann, -
Daß fie Dich mit der Abfolution nit betriegen.
Burgen, Siegel und Brief die heiß dir geben,
Ehe du die Falken wieder Läffeft fliegen :
D ihr Hauptftäbte alle uff dem Rhein !
Den Leuen laſſet Euch mit Fleiß befohlen feyn,
Denfelben follt Ihr allwegen weiben,
Wann ihr gen Frankfurt in die Meffe wollt:
So fann er Euch geben das recht Geleide.
Der dies Gedicht hat gemacht,
Zwar er hat es wohle betradıt.
Nachdem es auch ift gefchehen,
Gott gebe ihm hie auch lange Frift,
Der Wahrheit mußt’ er fi verjehen. *)
*) Der von dem Pfalzgrafen Friedrich gegen ben Markgrafen
Karivon Baden, feinen Bruder, den Bilhof von Me, und
den Grafen Ulrich von Würtemberg, welche in das Amt Hei⸗
delberg eingefallen waren, erfochtene Steg fand flatt im Jahr
32*
500 Heidelberg.
146%. Die genannten drei Zürflen wurden gefangen und mit ihnen
ein Graf von Werdenberg und einer von Leiningen, fo wie
mehrere andere Ritter und Knechte. Ein Herr von Brandis, ein
Graf von HSelfenftein und fonft nor ettliche von der Ritterfchaft
blieben auf der Wahlſtatt. Bon Seiten des Pfalzgrafen Hat Niemand,
denn ein Ritter, Herr Wiprecht von Helmftadt, fein Leben
Dabei verloren.
Dus Lied ift aus einer alten Handfchrift auf der Heidelberger Bi-
bliothek. Siehe auch die Volkslieder der Deutſchen, herausgegeben von
örhr. v. Erlach. Band H. Seite 254 und fg. Siehe ferner Wolff’s
hiftor. Volkslieder, Seite 240.
Man vergleiche mit dieſem Liede G. Schwab's Romanze: „Das
Mahl zu Heidelberg.“ Siehe diefelben weiter unten, Seite 509.
Kurfürft Zriedrich der Sieghafte von der
Pfalz Ä
Balladen von Eduard Duller.
1.
Widmung.
Sin diefen neuen Zeiten blüht manch ein alter Stamm,
Geſchmückt ftatt goldner Früchte mit Ehren wunderfam,
Und jedes frifche Zweiglein grünt wie ein.neuer Ruhm,
Und aus der Krone fchallet gar lauter Preis ringsum.
Sanft rubt es fih im Schatten vor'm ſchwülen Sonnenbrand,
Dabei wird nicht ermatten Das Volk und aud das Land.
Drum fleigt man zu den Wurzeln tief in die Erd’ entlang,
Und gräbt and dunkeln Schacdhten die Kraft und den Geſang.
Einft wuchs im Bayerlande ein Baum von feltner Art,
In zwei gewalt’gen Aeften durch Dopyelfraft gepaart;
Zwei Ströme raufchten drunter, die Donau und der Rhein,
Zwei Bölfer faßen drunter in traulichem Verein.
Heidelberg. 5091
Die Rheinpfalz hieß das Eine, dad trug ein edles Reis,
Herr Friedrich war fein Name; ihn ſchmückte mancher Preis,
Es mochten Feinde drohen, fo weit man Teutfche nennt,
Die Sonne riß doch Keiner herab vom Firmament.
So viel auch Männer ftritten mit Waffen aller Art,
Nie hat er Schmach gelitten; die Pfalz war treu bewahrt;
Sieghaft muß man ifn nennen bis an die fernfie Zeit,
Der Sieg war ja fein Banner, die Ehre fein Geleit.
Auch zeugt’ er ein Gefchlecdhte, ſtark bis zum jüngften Glied,
Davon fol manche Kunde end bringen dieſes Lied’;
Wer nit vom Beften finget, verliert die Kraft zum Gang,
In diefen neuen Zeiten thut noth ein alter Klang.
2.
| Pie Seinde in der Pfalz.
1462,
O Maugraf Karl von Baden! O Graf von Würtemberg!
Was ſchließ ihr fefte Binde zu einem kühnen Werk! ?)
Biel Räthe tehn beifammen und fprechen manchen Rath, —
Was nügt de Rede Warmıng, wenn men nit feheut bie
Thaı?
Bon Würtembeg Herr Ulrich, von Baden auch der Graf,
Die fpraden: „Hu' dich, Pfälziein, eb dich der Hieſch nach
traf,
Der Hirſch hat ſcharf eweihe, ) und wie nach frifchem Queil,
©» dürſtet er, zu bat im Pfälzer Blute heil.
„Du auf dem grünen xügel, du Heihelberger Schlaf!
Bald fol dein Weingeländ zerſtampfen unfer Roß, °)
In deine Friedenshallen zieh; ein der rauhe Krieg,
Dann grüßeft du wohl Andre, als Friedrich, mit dem Sieg!“
502 Heidelberg.
Herr Ulrich fpradı hinwieder: „Das ift befondrer Brauch,
Daß Friedrich fieghaft heige und Würtemberg nicht auch;
Der Pfälzer mag es büßen, wer geizt fo mit dem Ruhm?
Dies Schwert in Schwabenfäuften bringt wohl den Pfälzer
drum.
„Ich mag nicht gern es hören, dag man alleine fpricht
Bom Pfälzer nur in Ehren und von dem Schwaben nicht;
Mag fich’s fein fühner Vetter in Landshut wohl verfehn,
Biel Flüger iſt's, alleine den Waghals zu beſtehn!“
Das hört ein Würtemberger, Hans Rechberg war fein
Nam’,
Der fprach zum Grafen Utrich: „Eu’r Hoffen, Herr, ift lahn!
Mich deucht, es geht auf Krücken, ſobald's die Pfalz betritt,
Indeß das Glück und Friedrich fletd halten gleichen Schrit.
„Ich fag’ Dies unmaßgeblich; 's ift eines Mann's Geranke,
Der niemals daran dachte, daß er im Kampfe wanfe;
Ich mein’, auf jene Hügel trat noch fein Schwahbenrof, _
Es hat gar feſte Mauern das Heidelberger Schloß!” —
Da fprad Graf Ulrich wieder: „Hans NRechbers, laß das
feyn!
Wir ziehn in diefem Monde zu Heidelberg noch eit;
Wir wollen dich dran mahnen, wenn wir beim Siegesmahl
Dort in dem Schloffe figen im ſtolzen Ritterſaa!“ —
Und es gefhah im Sommer, da ritt mit Gaus und Braus,
Bon Stuttgart hochgemuthet der Graf, Hrr Ulrich, aus;
Bei Pforzheim aber harrte, geborgen im Sebirg
Mit Speyr’s und Badens Knechten von eg der Biſchof Jürg.
So ging verftärft nun weiter die ſetne Pılgerfahrt,
Bis man vom hohen Marfftein die ziche Pfalz gewahrt.
Das ift der Zaubergarten, worin it ſtolzer Pracht
Der Himmel feinen Segen aufſchütet und bewacht.
Heidelberg. 503
Don Rebengolb und Aehren trägt die Natur den Kranz,
Goldfrüchte rings verflären die Flur mit buntem Glanz,
Der Rhein zeigt hell im Spiegel des Landes Wonnebild,
Mit jungfräulihem Koſen umfpielt die Luft es mild.
Graf Ulrich und der Bifchof erfehn die reiche Zier,
Da wird ihr Herz ergriffen von Neid und von Begier;
Zu größrer Eile fpornet die Habfucht noch ihre Roß,
Und Staubgewölfe wirbeln ſich dicht um ihren Troß.
Sp gehts im Sturmesfluge voran von Ort zu Drt,
Wer ſchirmt vor Roffeshufen der Saaten goldnen Hort?
Zur höchſten Frechheit fteigert ihr Uebermuth fich bald,
Und haufenweife brechen fie Acfte aus dem Wald;
Und binden fie ben Schweifen von ihren Roffen an,
Sp ward zerflampft, zermalmet die Saat auf ihrer Bahn; °)
Wie Hagelwolken fohmettern fie Alles vor ſich hin
Es fleht das Volk nah Rettern vom völligen Ruin.
Der Bıfchof und die Grafen find taub für jeden Fluch,
„O mög’ der Himmel firafen fo hoͤlliſchen Befuch !”
So ziehn die wilden Horden von Dorf zu Dorf durchs Land
Mit Sengen und mit Morden bis an bes Rheines Strand, ©)
1) Anno praenotato dominicae incarnationis MCCCCLXII Carolus
Marchio de Baden, Georgius Episcopus Metensis frater ejus, Johannes
Nix Episcopus Spirensis et Udalricus Comes Wirtembergensis simul coadu-
nati congregaverunt exercitum et contra Fridericum Comitem Palatinum
procedentes, (quem putabant procul absentem) omnem terram ejus una
cum oppido mansionis ejus Heidelberg in praedam sibi promiserunt.
(Trithem. Chron. Sponh. ad a. 1462. pag. 375).
3) Der Hirfh im Würtemberger Wappen.
3) „Und hatten fih vermeffen, Sy woulben die Wyngarben our Heydel-
berg, dan des Pfalzraven Wonunge 18, affhauen und ym ander vill ſma⸗
heit (Schmach) andoin. Canthun.)
(Chronika van der billigen ſtadt Cölln. Fol. 314.)
4) Als in Stuttgart über biefen Feldzug berathen wurde, geriet
der verfländige Hans von Rech berg zulebt fo in Eifer, daß er feinem
Herrn, dem Grafen Ulrich, in's Geficht fagte: „Gnädiger Herr, Ir
wöllent dem allermännlichfien und mächtigften Fürſten, der in Zeutichland
504 Heidelberg.
wohnt, im fein Land ziefen: Und Zürwar, fo verden Sr Ja vor fehen,
und mit Im ferhten mäflen,, als wahr ich die Wand vor mir fehe, over
Ir mueſſet Im flüchtig entrinnen.“
5) Graf Ulrich vom Wärtemberg ſchrieb dieſes aus dem Feldlager
vor Heidelsheim (dat. d. 27. Juni) an Markgraf Albrecht von Branvden-
burg, und: „Daß er den 26. am Herabziehen vor Bretheim (Bretten) das
Korn gewäftet, welches fle auch uf Dato 27. Juni) vor Heidelsheim in
fteter Uebung und vorhabens ſeyen, ven 78. ſortzuziehen, und bie Feind
zu ſchedigen.“
(S. Steinhofer's „Würtembergifihe Chronik“ Tam. II. p. 59, unn Keemer'a
„Geſchichte Friedrichs“ d. S. Tom. I. pag. 292.)
6) Darnach umb fant Johans Baptiften Tag des obgenannten jars
(1462) da Yauft ſich Markgrave Carle von Baden, grav Ulrich vom Wir⸗
temberg , der Biſchof von Mebs, der Biſchof von Speyer und ander jre
guten Freund und Herren; madten ein wagenkurg und hatten Darin zu
roß und Fuß bei 8000 mannen guts volfs wol bereit mit aller zugehü-
rung, und zogen naher Heidelberg zu, Und da fie kamen bei Sanct keon,
da lieſſen fle die wagenburg mit dem’ volk im Felt, und trabten bie Her⸗
ren, der marfgrave von Baden, der von Wirtemberg und mit jnen ver
Bifchof von Mes; heiten bei Die 700 Pferden, als man fagt, rikten
zwufchen Heydelberg und Mannheim bei eine Dorf, heißt Seden-
heim, und lieflen bie wagenhburg und alles volk hinter ine me dan zwo
meilen wegs; ritten alfo da mutwillen in hochmut.
„Diß wart der pfalggrave aswar und hei nach dem alten bifchof von
Maintz geſchickt, daß er fürderlichen zu im Fam, Der kam mit 500 pfer-
den und uf2000 oder me zu fuße. Das wißten vie herren alles nit, ver⸗
meinten, der pfalzgrav heit nit Aber 500 pfert, alfo Hett ine ihr botſchaft
geſagt.“
(S. Fikhart's Arztes Geſchichte fr. Zeit, mitgetheilt in Mone's Archiv. Bd. V.
pag. 262 u. ff.)
3.
Bie Schlacht bei Aechenheim.
(Den 29. Juni 1462.)
Bei Sedendeim im Felde liegt ein gewaltiger Leu,
Biel Rittersleut' in Waffen bewacht er ſcharf und treu;
Er hat von Gold die Mähnen, und Krallen gut zum Fang,
Es ift der Pfälzer Löwe! Noch wird ber Pfalz nicht bang!
Ein andrer Loͤwe fehreitet umher bei Jung und Akt,
As echter Landeshüter in fürftlicher Geftatt ;
Heidelberg. 505
Reich unterm golbnen Helme drängt fi das goldne Haar,
Die Kraft hat er vom Leuen, das Auge von dem Aar.
Es war im hohen Sommer, ein heißer Schnittertag,
ALS, zwifchen Rhein und Nedar bes Pfälzers Heerbann lag;
Da fehritt in frober Ahnung zu einem alten Mann
Der junge Pfälzer Kurfürft und ſprach den Ritter an:
„O stelverfuchter Ritter, Ihr tragt ein herrlich Schwert,
Das mandhem ſtolzen Degen der Scharten viel befcheert;
Hört eines Manns Begehren, der gern umarmt den Ruhm,
Weiht Uns zu hohen Ehren, zum edlen Ritterthum |"
Da fpricht der alte Degen, Herr Wipprecht zubenannt;
Kein Herz ſchlägt allerwegen fo ſtolz im teutfchen Land,
Als wie das meine, da ich von Euch dies Wort vernahm,
Nie flog aus meiner Scheide dies Schwert fo wonnefam !"'
Bor ihm kniet Kurfürſt Friedrich; der alte Degen ſpricht:
„Heil mir, daß ich's noch fchaute, bevor mein Auge bricht!
Sp fchlag’ ih Euch zum Ritter und fe’ mein Leben ein:
Wird man. Sieghafte nennen, man nennt nur Euch allein!
„Jetzt will ich freudig fterben, und bet’ aus voller SeeP:
Du Gott im Himmel, löſe mich rein von allem Fehl!
Nach diefer letzten Ehre taugt nur mein Schwert allein
Zum Testen frohen Siege, fall’ ich, fenfr’s mit mir ein!“ — !)
Set aber, wie ein Sturmwind ſich durch zwei Wetter drängt,
Zerbricht der Kampf die Feffeln, in die er war gezwängt.
Nun Baden, bad’ im Bfute, und Mes, web’ dein Gefchoß!
Ihr Hirſchgeweihe zittert! — Der Leu fcheut nicht den Stoß!
Das nennt man doch ein Treffen, meil viel getroffen wird:
Der Hirſch und mit der Heerde der rauhe Seelenhirt.
Um Gott! wer flürzt den Leuen dort in den dichtſten Kampf?
Er ſinkt. — Richt mehr zu Fennen ift er in Qualm und Dampf.
506 Heidelberg.
Herr Wipprecht fieht’s von ferne, und blutig ſpornt er’s
Roß:
„Mein Seel! des Friedrichs Rappen traf eben das Geſchoß! 2)
Da flürzt fein edler Nenner! ſchon find die Feinde nah!
O Friedrich! wadrer Pfälzer! vertrau nur, ich bin dal"
So ruft der alte Degen und eilt zu feinem Herrn,
Herr Wipprecht ſinkt getroffen, und ſpricht: „Das leid’ ich
gern!“ 9)
Der Kurfürft aber ſchwingt ſich raſch auf ein andres Pferd,
GSetrennt zwar von den Seinen, Doch fiegreich bligt fein Schwert.
Er firedt mit eignen Händen wohl Manchen in den Sand,
Da ſchallt's von allen Enden: „Sieg! Sieg! du Pfälzerland!"
Nun bad’ im Blute Baden! Es ift dein eigens Blut!
Der Hirich wirft fein Geweihel Der Leu traf ihn zu gut!
Man fing viel edle Herren und Grafen auch dabei,
Bon Würtemberg und Baden ſind's ihrer wackre zwei, *)
Der junge. Pfälzer Kurfürft erblickt den edlen Fang,
„Ein feltnes Jagen!" — ruft er — „Euch Füchfe fuhr’ ich lang!“
Da regt ſich's ihm zur Seite — e8 war ein flerbender Mann,
Der ſchaut mit freudigen Bliden den jungen Sieger an;
Herr Wipprecht war's von Helmftätt: „Bott ſchütze mei-
nen Herrn!
„Denn fieghaft wird er beißen! jest flerb’ ich, wahrlich,
gern!
„Denn ich fchlug ihn zum Nitter, ich alter Degen, ja!
Man wird von Friedrich fprechen mit Ruhme fern und nah,
Mit mir fol man begraben dies Schwert, das ſtets ich trug,
Das war es ja, mit dem ih ihn heut zum Ritter ſchlug!“ *)
1) In Kremer’s Gefhichte des Karfürſten Friebrih I. von der
Pfalz, T.I. pag. 299 finden fi in der Rote 2 die Namen aller Der-
jenigen, welche bei diefer Gelegenheit zu Rittern gefchlagen wurden.
2) „Der Streit wurde hartnädig und allgemein. Die Berzweiflung
that bei dem Feind ihre natürliche Wirkung fo ſtark, daß ein gewiffer Ge⸗
ſchichtſchreiber verfichert, daß unfre Reiterei ſich beinahe nach der Flucht
Heidelberg. 507
umgefehen hätte, und daß dem Kurfürſten bas Pferd unterm Leib erſtoch en
worden, fo daß er eine Zeitlang zu Fuß fechten müſſen.“ (Kremer, Cap. I.
p. 301).
3) ..... und Her Wiprecht von Helmflat Ritter, der den Pfalzgraffen
Ritter hatte geflagen, wart off des Pfalzgraffen fitten erfchlagen. (Altes
Manufeript.)
4) Und alfo gewan der pfalsgrave den krieg und fieng die obge-
nanten brei furften mit 350 pferben ober me ald man fagt; der marf-
grave von Baden wart gefangen mit 41 graven, herren, ritter und
knechten, on arme knecht'; der von Wirtemberg wart gefangen mit 40
graven, herren, rittern und knechten, on arme knecht'; ber bifchof ven
Metzs wart gefangen mii 31 graven, herren, rittern und Pnechten, on
arme knecht; und wurden uf 40 manne erſtochen, unter denen waren
drei graven, einer von Helfenflein in Schwaben, -item ein herr von
Prandis und rawgrave, Das andere waren edel nnd arme knechte.“
(Fit, Art zt's Geſch. f. Zeit. Erſtes Kap.)
5) Zum Gedächtniß dieſes Sieges ließ Friedrich auf der Wahl⸗
ftatt ein Reinernes Erucifir errichten mit der Inſchrift:
„Als man zalte nach Gottes Geburte MCCCCLXU jar vff fant Pau»
Ius Gedechtnuß Tag fint uff diefer Wallſtatt durch Herzog Friederich
Pfalzgrave by Ryne ꝛc. und Kurfürften nyder geworffen worden Her
Zörg Biſchoff zu Metz, Markgrave Karle, von Baden und Graue Bl⸗
ri von Wirtemberg mit eyner merglichen Zale Ir Diener, Grafen,
Ritter und Knecht; und derfelben die in folichem Gefcheffte tod bliben
find wolle Gott barmperzig fin und vff denfelben Tag fint viel zu Rit-
ter gefchlagen.”
(Obige Noten find aus $. Baaders „Sagen ber Pfalz ꝛc.“ gezogen.)
A.
Das Mahl auf dem Heidelberger Schlofe.
Zu Heidelberg im Echloffe figt froh im fehönften Saal
Der Pfälzer Kurfürft Sriedrich beim ſtolzen Siegesmahl;
Auch die gefangnen Grafen fie figen mit am Tifch,
Da fest man, köftlich duftend, vor Beide Braten und Fiſch.
Es fhäumt in goldnen Kannen der goldne Rebentranf:
„Den Becher — rief der Kurfürft — „bring’ ich dem Sieg zum
Danf!
Sieg, fey mir treu vor allen, wie meine Pfalz fo treu!
Wie meint ihr, gute Grafen, ob ich verlaffen ſey?“
508 , Heidelberg.
Stumm blieten beide Grafen auf's goldene Geſchirr;
Gar üppig ſchmeckt der Braten. — Bas benft ihr Herrn
von mir ?« —
Sp ruft der Kurfürft freundlich — „Bin ich ein fchlechter
Wirth ?
Ich hab’ euch eingeladen und ſicher hergeführt." —
„Mit Nichten!“ — fpricht Herr Ulrich — „Ihr haltet guten
Tiſch;
Gar würzig ſchmeckt der Braten, gar köſtlich lockt der Fiſch;
Nur Brod allein vermiſſ ich; das Brod würzt Speif und
Trank...
Da ſpricht im Zorn der Kurfürf: „Das nenn’ ich ſchlechten
Dankl“⸗
Und von dem Mahle geht er an's offne Fenſter hin,
Die Gäſte folgen ſtaunend; er ſpricht: „Seht den Gewinn!
„Schaut hin auf alle Felder, die ihr zu früh gemäht;
Jetzt faßt euch ſelbſt die Sichel, die ihren Herrn verräth!
„Speiſt doch vom lockern Brode der Saat, die ihr zerſtört!
Er, werdet ſatt vom Segen, den euer Schwert verheert! —
Euch duften zwar andre Spyeifen, das Brot fehlt euch allein;
Doch Mancher feufzt und betet: wär’ nur ein Krümden fein!
„Ihr folgen Herrn und Grafen! Was gilt Euch Volk und
Ä Land? —
Wär Gott nicht da, zu ſtrafen, ihr legtet wohl die Hand
Nicht blos an Brot und Saaten, nein, an des Bolfes Mark!
Doch Gott im Himmel richtet und meine Fauft if ſtark.
Ihr Gäſt' an meiner Tafel, laßt euch nicht ſtören mehr!
Füllt an die goldnen Becher; der meine, feht! ift Teer.
Und vollgeſchenkt aufs Neue, bring’ ich's dem Volke aus;
Das Volk hat Lieb’ und Treue, der Leu bewacht fein Haus!
Eduard Duller.
Die gefangenen Zürften blieben an die °/, Jahr in firengem Ge⸗
wahrfam und wurden nur gegen ein bedeutendes Löfegeld frei gegeben.
Fik. Art zt (Geſch. fr. 3. Cap. I fagt hierüber:
Heidelberg. 509
„Nachvolgends umb unfer fraven tag lichtmeß A. D. 1463 da wart
der bifhof von Meb ausgeleidingt mit feiner ritterfchaft wol umb 70,000
Gulden, als man ſagt; und Teidingt da furter finen Bruder den mark⸗
graven aus der gefengniß,, besglidhen den von Wirtemberg mit aller
irer ritterſchaft, alfo: der marfgrave von Baden folt geben 100,000
Gulden, und dafur folt ex dem pfalggraven ingeben die gravſchaft von
Spanheim zu Cruzenach mit feiner zugehörde, darzu Beildheim vor
25,000 und Beinheim vor 10,000 Gulden, auch fonft eine große Summa
in barem gelt oder uf ziel. Ind follen alle obgenannten Herren mit
iren bienern dem pfalggraven ewiglich verbunden feyn. Doc fo wart
dem markgraven ufgefeßt ein gelt 30,000 Gulden, wer’ es, das er den
pfalzgraven aufferm Banne fhufe, dieweil er gar wol mit dem papft
daran wer’. Doch wollt’ es der papfl nit tun. Diefe leiding als der
markgrav aus kam, beſchach nechſt mitwoch vor Georgis (80. April)
A. D. 1463. Darnach uf mitwoch nach fant Gorgentag (27. April) des
itztgenannten jars kam der von Wirtemberg auch aus umb 100,000
Gulden und gab dem widdem (Wittpum) , den fin hausfrav hette von
der Pfalz, wider, wan fie bes jungen pfalzggraven Mutter was, darzu
alle die cleinoter, die ir der pfalagrave vormals geben hette, als man
dazumal fagte.“
(Außer diefer und Guſt. Schwab’s Bearbeitung *) der Ge⸗
ſchichte der Sedenheimer Schlacht hat fie auch Simrock in feinen Rhein⸗
fagen poetifch gefeiert.)
Das Mahl zu Seidelberg.
Von Würtemberg und Baden
Die Herren zogen aus;
Bon Mey des Biſchofs Gnaden
Vergaß das Gotteshaus:
Sie zogen aus zu kriegen
Wohl in die Pfalz; am Rhein; ?)
Sie fahen da fie liegen
Im Sommerfonnenfdein.
Umfonft die Rebenblüthe
Sie tränft mit mildem Duft,
Umfonft des Himmels Güte
Aus Aechrenfeldern ruft:
*) Wir würden es und als Vergehen anrechnen, w ir di
nicht ———— geh chnen, wenn wir dieſe treffliche Romanze hier
510
Heidelberg.
Sie brannten Hof und Scheuer,
Daß beulte Groß und Klein;
Da Teuchtete vom Feuer
Der Nedar und der Rhein.
Mit Sram von feinem Schloffe
Sieht ed der Pfälzer Frig,
Heißt fpringen auf die Roffe,
Zwei Mann auf einen Sie.
Mit enggedrängtem Bolfe
Sprengt er dur Feld und Wald,
Doch ward bie Feine Wolfe
Zum Wetterhimmel bald. 2)
Sie wollen feiner fpotten :
Da find fie ſchon umringt,
Und über ihren Rotten
Sein Schwert ber Sieger fohwingt.
Bom Hügel fieht man prangen
Das Heidelberger Schloß:
Dahin führt er gefangen
Die Fürften fammt dem Troß.
Zu binterfi an der Mauer,
Da ragt ein Thurm fo feft:
Das iſt ein Sit der Trauer,
Der Schlang’ und Eule Neft.
Dort follen fie ihm büßen
Im Kerfer trüb und kalt;
Es gähnt zu ihren Füßen
Ein Schlund und finftrer Wald.
Hier lernt vom Grimme raften
Der Würtemberger 19;
Der Biſchof hält ein Faften,
Der Markgraf läßt vom Trutz.
Heidelberg. 511
Sie mochten fehon in Sorgen
Um Leib und Leben feyn:
Da trat am andern Morgen
Der ftolze Pfälzer ein.
„Herauf, ihr Herrn, gefliegen
In meinen hellen Saal!
Ihr ſollt nicht fürber Tiegen
In Finfterniß und Dual.
Ein Mahl ift euch gerüftet,
Die Tafel ift gebedt:
Drum, wenn ed euch gefüftet,
Verſucht, ob es euch ſchmeckt!“
Sie lauſchen mit Gefallen,
Wie er ſo lächelnd ſpricht;
Sie wandeln durch die Hallen
An's goldne Tageslicht.
Und in dem Saale winket
Ein herrliches Gelag:
Es dampfet und es blinket,
Was nur das Land vermag.
Es ſatzten ſich die Fürſten.
Da mocht' es ſeltſam ſeyn:
Sie hungern und ſie dürſten
Beim Braten und beim Wein.
„Nun, will's euch nicht behagen?
Es fehlt doch, deucht mir, nichts;
Worüber iſt zu klagen?
An was, ihr Herrn, gebrichts?
„Es ſchickt zu meinem Tiſche
Der Odenwald das Schwein,
Der Neckar ſeine Fiſche,
Den edlen Trank der Rhein.
512
Heidelberg.
Ihr habt ja fonft erfahren,
Mas meine Pfalz befcheert:
Was wollt ihr heute fparen,
Wo Keiner es euch wehrt 2«
Die Fürften fahn verlegen
Den andern Jeder an;
Am Ende Doch verwegen
Der Ulrich da begann: -
„Herr, , fürftlich ift dein Biffen;
Doch Eines thut ihm Noth,
Das mag fein Knecht vermiſſen:
Wo ließeſt du dag Brot?"
„Wo ich das Brot gelaſſen?“
Sprach da der Pfälzer Fritz;
Er traf, die bei ihm ſaßen,
Mit ſeiner Augen Blitz;
Er that die Fenſterpforten
Weit auf im hohen Saal:
Da ſah man aller Orten
In's offne Nedarthal.
Sie fprangen von den Stühlen
Und blidten in das Land:
Da rauchten alle Mühlen
Rings von des Krieges Brand;
Kein Hof ift da zu ſchauen,
Wo nicht die Scheune dampft;
Bon Roſſes Huf und Klauen
Iſt alles Feld zerftampft.
Run fprecdht, von weſſen Schulden
Iſt fo mein Mahl beftelt ?
Ihr müßt euch wohl gebulden,
Dis ihr beſät mein Feld,
Heidelberg. 543°
Bis in des Sommerd Schwäle
Mir reifet eure Sadt,
Und bis mir in der Mühle
Sich wieder dreht ein Rab.
„She feht, der Weltwind fächelt
Sn -Stoppeln und Gefträud ;
Ihr feht, Die Sonne lächelt:
Sie wartet nur auf eud.
Drum fendet flugs die Schlüffel
Und öffnet euren Schaß: °)
Sp findet bei der Schüffel
Das Brot den rechten Play !"
Guftav Schwab.
N „Vohl in die Pfalz am Rhein” ıc.
Graf Ulrich von Würtemberg, Karl J., Markgraf von
Baden, Schwager des Kaiſers Friedrich III., und fein Bruder
Georg, Bilhof von Me, zogen ald Bundesgenoſſen Ad oLf’s von
Naſſau aus, um Diefem das dem Grafen Diether von Ifen-
burg durch den Papſt abgefprodene Kurfürftentfum Mainz zu er-
obern. Diether fand aber an Friedrich dem Sieghaften, Kur-
fürften und Pfalzgrafen am Rhein, eine fräftige Hülfe,
2) Zum Wetterhimmel bald" ıc.
Friedrich hatte 800 Mann zu Pferd und 200 zu Fuß. Bor dem
Schwezinger Wald ſtieß noch Diether und ber Graf von Kapen-
ellenbogen mit 300 Reitern zu ihm.
3) „And Öffnet euren Schatz.“
Georg mußte fich mit 50,000, UlIrich und Karl, nach breizehne
monatlicher Sefangenfihaft, Jeder mit 100,000 Gulden löſen; bis zur
völligen Abzahlung wurden ihre Ländereien verpfändet. Die Walftatt
Seckenheim bezeichnet ein fteinernes Crucifix mit einer Infchrift.
Diether biieb Kurfürft, und verpfändete (1463) die Bergfirtaße an
Friedrich für 100,000 fl. Der unternehmende Friedrich mag ſo⸗
mit der Pfalzgraf feyn, ber, nach der Sage, vergeblihe Anftalten
machte, die Riefenfäule vom Felsberg wegzuſchaffen.
II. 33
514 | Heidelberg.
5.
Trutzkaiſer.
(1474.)
„In dieſen ſchlimmen Zeiten wer baut mir einen Thurm,
Darin mein Haupt kann ruhen bei Hagel und bei Sturm?
Der Hagel ſchlägt die Saaten; die meinen ſind der Ruhm,
Die ſchlägt ſo leicht kein Hagel, kein Sturmwind wirft ſie um!
„Wo iſt der kundige Meiſter, der ſolchen Thurm mir bau'?
Der ſtarr und unbezwinglich aufs Land herniederſchau'?
So wie im Sonnenlichte aufs Volk der Herrſcher blickt,
So ſey der Thurm ein König, der ſich vor Niemand bückt!“
Sp ſprach der Pfälzer Kurfürſt, da trat ein Both’ herein,
Der brachte Plän’ und Riffe, ihm folgte hinterbrein
Ein andrer Both’ in Eile, der irug ein Pergamen,
Blaß waren feine Wangen vom fhnellen Ritt zu fehn.
Der Kurfürft nahm die Rollen und las mit raſchem Blick,
Und rief: „Hier mag man fchauen, wie launig das Gefhid!
Ich prüfe Plän und Riffe zum Thurm und zum Verließ,
Mein Feind, der Kaifer aber macht mir im Plan 'nen Riß.
„Das nenn’ ich viel gewogen auf ein geringes Blatt,
Kurfürſt fol mich nun nimmer benennen Land und Stadt,
Ein Brief befiegt den Degen, den nie bezwang die Schlacht;
Dies Blättchen, fehwarzbefchrieben, Yegt mich in Reiches—
" Acht!“
Er wiegt das leichte Blättchen, der Degen unverzagt,
„Ei!“ — ruft er dann mit Lächeln, — „Das hab’ ich ſtets ges
fagt::
Es find gar fchlimme Zeiten, wenn fol ein Wetter droht,
Da ſucht ein armer Kriegsmann ein Häuslein in der Noth.
Heidelberg. 515
Mag mich der Kaiſer fchelten! Er fchilt im fihern Haug,
Bei Sanct Georg! Gemächlich fpricht er Die Acht hier aus.
Drum, wenn’ behagt dem Kaifer, in Wien fo zu geruh'n,
Bringt's auch der Pfalz nicht Schande, nad gleichem Sinn zu
thun |
„Schafft mir funftfert'ge Meifter von allen Enden ber!
Manch Werk hab’ ich vollendet, das flürzt fo Leicht nicht mehr!
Die Luft am Bauen hab id von meinem Stamm geerbt,
Doch fehn’ ih mid nach Ruhe, von Narben tief geferbt.
„Langweil'ger alter Kaifer ! nicht acht? ich deiner Acht!
Mir hat mehr Lorbeerreißer, als dir, die Zeit gebracht!
Drum will ich Ted e8 wagen und bau mir einen Thurm,
Dran fih umfonft zerfehlagen die Flügel mag dein Sturm!" —
So fam’s zu langem Kampfe und Mancher nad) der Schlacht
Schlief nah dem Tangen Tage die Tängite düſtre Nacht.
Weit ſcholl im teutfchen Lande des flarfen Friedrichs Lob;
Der Kaifer, gleiches Namens, Fein Wort davon erhob.
Die Acht ward weit verkündet feit jenem Tag im Mai,
Sp oft man fprad) das Wörtlein, der Pfälzer Yacht dabei;
Wie ſollt' er auch fie fcheuen? Kein Mann im ganzen Land
Hätt' zu der Acht Vollſtreckung geliehen feine Hand.
Nach wenig Wochen aber fland auch der Thurm erbaut,
Der von dem hohen Berge ind Land herniederfchaut.
„Wie tauf ich doch ‚mein Thürmlein ?” — Der Kurfürft fragt
| und lacht, —
„Nichts bleibe ohne Namen was meine Kraft vollbracht!
„Run denn, zu Schus und Trutze brauch’ ich Gevattern
auch,
Es kommt mir nur zu Nutze der alte gute Brauch;
Mein Schutz iſt Schwerteseiſen, mein Trutz ſey dieſer Thurm!
Trutzkaiſer ſoll er heißen und trotzen jedem Sturm! *)
Eduard Duller.
33*
916 Heidelberg.
*) „Es hat felbigen (ren Thurm Trutz Kaiſer) der Kurfürſt Frie⸗
derich I. im Jahr 1461 oder 1462 erbaut, als er fih des Erzbiſchofs
und Kurfürften Diether von Mayntz annahm, ihn wider feine Feinde
befhügen Half und deßwegen von tem Papft in den Bann, vom Kapſer
aber in die Acht erklärt, und von verfehiebenen Armeen zugleich an⸗
gegriffen wurde. Um aber zu zeigen, daß er weder nach dem päpfl-
lichen Banne, noch der Kayferlichen Achts⸗Erklärung etwas fragte, ließ
er diefe Veſte gegen pas Ende der Speyerer Borfladt in der Mitte des
Geißbergs aufwerfen und felbige Trutz-Kaiſer nennen. Weit aber
+ diefes Schloß oder Echang in dem dreißigfährigen Krieg fehr verfallen
und verdorben worden, ließ Kurfürſt Karl Ludwig foldhes wiederum
ausbeflern und auf's Neue befeftigen; fchaffte den verhaßten und dem
Anfepen Kayferliher Maieftät zumiderlaufenden Namen ab, und ließ
e8 nach der Figur, die fie hatte, den Stern oder Sternſchantz nen:
nen; zu dem Ende gab er im 3. 1666 im September einen fcharfen
Befehl Heraus, des Inhalts, daß künftighin bei Hofer Straf fih Nies
mand mehr follte gelüften laſſen, die neue Sternfhang Trug-Kaifer
zu heißen, und follten diejenigen, fo fie einmapl alfo nennten, um
einen Ducat, zum zweitenmahl um 3100, zum Drittenmapl um drey Du⸗
caten, zum viertenmahl aber gar am Leib geftraft werden Im letzten
Sranzöftfchen Krieg if fie völlig zerfiört und zu einem Steinhaufen ge-
mat worden, fo daB man anjeßo nichts ale die bloßen Rudera da⸗
von fiehet.”
(5, Kayfers „Hiſtor. Schauplag.” Seite 168 — 69.)
Britfchen : Peter.
Diefer Mann Iebte als luſtiger Rath bei Friedrich IV.,
Kurfürften von der Pfalz, und war ein wißiger Kopf.
Der Kurfürft war einft unwillig auf ihn und befahl ihm,
den Hof zu räumen. „Sch bins zufrieden,” — antwortete ber
Narr — „aber laßt mich mit der Silberfammer den An-
fang machen!“
Sn einem Wirthshaufe zu Heidelbers ſtand der Vers
angeſchrieben:
„Wer vor zwanzig Jahren nicht ſchön,
Vor dreißig Jahren nicht ſtark,
Vor vierzig Jahren nicht witzig,
Bor fünfzig Jahren nicht reich,
An dem ift alle Hoffnung verloren.”
Heidelberg. 517
Dies las einft Jemand Petern vor, welcher darauf ants
wortete: „Nun, fo ift Alles an mir verloren! Schön bin ich
nit, das feht ihr wohl; flarf bin ich nicht, das weiß ich
wohl, Klug bin ih nicht, fonft wär’ ich nit Pritſchen—
Peter. Reich bin ich auch nicht, fonft borgte mir jeder Wirth
gleich eine Kanne Weind, was aber nie der Kal if. Drum
möge mir Gott und mein gnädiger Herr helfen!“
Einmal hieß ihn Jemand einen Narrenfreffer, dem gab
er zur Antwort: „Da iſt's ein Wunder, daß du noch am Te-
ben bift; oder du mußt noch nicht lange zu Hofe oder bier in
der Stadt feyn!« .
Ein Anderer fagte zu ihm: „Ich wollte, du wärft entwes
der ein ganzer, oder gar fein Narr, fo Fönnte man beffer
mit dir zu recht fommen!“ — worauf er verfeßte: „Gib mir
deinen Sparren zu dem meinigen, fo bin ich ein ganzer
Narr!“
Als ihn Einer fragte, warum die meiſten Narren keine Wei⸗
ber hätten, oder warum, wenn fie auch welche hätten, fie
doc feine Kinder befämen? entgegnete Peter: „Mein! weißt
du den Spruch nidt: „Die Welt ift fo vol Narren, daß
feine mehr nöthig find 1’
(S. Weidners „Apophthegmata.” S. 326.)
Konrad Pocher.
Konrad Pocher oder Bocher hütete als armer Junge in
einem Dorfe der Pfalz die Kühe um den Taglohn. Einft gab
man ihm zur Beihülfe einen andern Knaben mit; da biefer
aber mit der Kräße behaftet wurbe, fonnte er ihm feine Dienfte
Ieiften. Pocher, der erft kürzlich gefehen Hatte, wie ein Jäger
einen räubigen Hund aufhing, henfte, in der Meinung, Dies
jey ein probates Mittel gegen diefe Krankheit, feinen Genoſſen
bei den Füßen an einem Baum auf. Abends darauf trieb er
feine Kühe allein nah Haufe und erzählte den Leuten ganz
arglos das Geſchehene. Man warf ihn alsbald ins Gefängniß
und ftellte ihn auf allerlei Weife auf die Probe, um ſich zu
überzeugen, ob er wirftich blödfinnig fey; in der That war
520 Heidelberg.
Am Enude der alten Pfalz ragt eine Warte herver, das
‚weite Land zu überfchauen. Hiex lag eine unermeßlide Menge
Pulvers verwahrt. Lin Donnerſchlag, — das Gebirg rings
umber zittert zufammen,, bie Mauern bes Thurms fpalten ſich,
der zündende Strahl fällt in die Tonnen — die Erbe bebt,
der Hügel wanket — das Schloß liegt am Boden, Ballen
und Steine fliegen in die Stadt herab, Thüren und Fenſter
fpringen aus ihren Angeln, Häufer ſtürzen ein und begraben
ihre Bewohner ; beizübt flieht, wer fich noch flüchten kann, doch
weiß er nit wohin. Einige bergen fih in Kellern, Andere
rennen ins Freie, flumm vor Entjegen fchmiegen ſich die Kin⸗
ber in den Schoos ihrer Mütter; ganze Familien flüchten aus
ihren Behaufungen und geben ihr Eigenthbum preis; Diele
ſtehen wie an den Boben geheftes, ſtarr und befinnungsios.
Aber auch Biele fanden ihren Tod in der Zerflörung und
exit das wieberfehrende Licht machte die Verwüſtung recht
fihtbar.”
Heinrich von Valois, Herzog von Anjou.
1573,
„Staubwolfen fliegen auf — Ha, Reiter ohne Zahl!
Sie fprengen Tuflig Her Durchs grüne Nedarthal. —
Das bligt und funfelt ja, daB mir bie Augen brennen! —
Jetzt rollt ihr Banner guf — fett kann ich fie erkennen!“ —
„Es find Franzoſen, Here! — doch ſicher nicht zum Streit
Erſchienen fie vor Euch; fie führen Feſtgeleit!“
Alfo vom Thurme hoch der Wächter eifrig foricht
Zum frommen Friederichz der fagt: „Sch bin bereit
Sie freundlih zu empfah'n; dem Gaſt reich ich Die Hand.
Heinrih von Valois iſt's, der jetzt nach Polenland
Mit feinen Mannen zieht, die Krone zu empfangen.
Ihn treibt zu und, glaubt mir, nicht eigenes Berlangen;
Er trauet ſicherlich uns Hugenotten nicht;
Doch macht's fein Bruder ihm, der König, wohl. zur Pflicht,
Heidelberg.
Damit Tein Unbill er im fremden Tand erfahre,
Und fih der Teutfchen Gunft im Voraus fchon bewahre.
Er fomme nur getroft und ziehe friedlich ein!
Zwar werden wir ihm bier ein firenger Mahner feyn,
Doc dinget man bei uns nicht blutbegier’ge Horden,
Den Andersdenfen im Schlafe hinzumorden.“
Der Kurfürft fprichts mit Ernſt, ertheilet die Befehle,
Und zieht fih dann zurüd in feines Schloffes Säle.
Indeſſen war die Schaar ber Franken angelommen
Und hat auf flinfem Roß den Burgmeg bald erffommen.
Welch zierlich präcdt’ger Trupp! Wie bligen die Gewande
Bon Gold und Edelftein! Was felbft die fernften Lande
An auserlenem Schmud, an einzig fhönen Gaben,
An Farbenpracht und Werth nur darzubieten haben,
Dies Alles fieht man hier in feltenem Verein.
Der Perle reinen Glanz, des Demants Wunderfchein,
Des Tigers ſcheckig Fell, des Hermelines Pelz,
Die Perlenmutter auch in Lichtem Farbenfchmelz,
Vom Reiher und vom Strauß die reiche Federnpracht,
Bon Helm und Harnifch dir mit Luft entgegenladt.
Doch prangt vor Allen wohl im ganzen Reitertroß
Heinrich von Valois auf.feinem Berberroß;
Hoch ſieht man ihn empor aus ihrer Mitte ragen,
521
Stolz wieget ſich ſein Haupt, beſtimmt die Kron' zu tragen.
Jetzt iſt das Thor erreicht; weit öffnet es die Flügel;
Der Herzog ſprengt herein, ſchwingt raſch ſich aus dem Bügel,
Wirft Peitſch' und Zügel ab — Doch wie? Was ſoll das ſeyn? —
Er findet ſich erſtaunt im weiten Hof allein!
Kein Diener iſt zu ſehn von Nahe noch von Fern;
Welch' ſchmählicher Willkomm ſo königlichem Herrn!
Mit unterdrücktem Zorn, mit wuthgebleichten Wangen,
Wird endlich an der Thür' der ſtolze Gaſt empfangen.
Zwei teutſche Edelleut', gepanzert ganz in Stahl,
Die führen ſchweigend ihn bis zu dem Kaiſerſaal.
Da plöglih öffnet fih die zwiegefpaltne Pforte —
Der Herzog fieht erblaßt — ihm fehlen alle Worte;
522 Heidelberg.
Er blickt entfegt umher — weld eine Schredengftunde ?
Denn dicht gedrängt um fi) gewahrt er in der Runde
Nur Hugenotten, die, der Mordnacht jüngft entflohn,
Hier Schug und Schirm gefucht an Kurfürſt Friedrichs Thron;
Und ihm entgegenblidt, hoch an des Saaled Wand
Eoligny, wie er flirbt, gemalt von Meifterhand ;
Wie von Begeifterung das Antlig übergoffen,
Der greife Held erblaßt durch Valois's Mordgenoſſen. —
Noch farrt der Herzog ſtumm hin nad) dem graufen Bild,
Da grüßt der Kurfürft ihn mit Worten fanft und mild,
Und wünfht ihm alles Glück zu feiner neuen Krone,
. Und frieblid) Regiment auf Polens fchönem Throne.
Drauf muß der Franfenfürft au ſtrenge Worte hören
Bon jenem ſchändlichen biutdürftigen Verſchwören
Der unglüdfeligen Bartholomäusnacht,
Die blinder wilder Haß undriftlich angefacht 5
Bon Franfreihs Hinterlift und oft gebrochner Treue,
Und daß der Hof fich nicht der frechften Laſter ſcheue. —
So fpricht der teutfche Fürft mit würbenoller Ruh,
Dem ftolzen fränffchen Gaſt an feinem Hofe zu.
Dann läßt er föniglich und reich bewirthen ihn,
Doch mundet's Valois nicht, er fehnt ſich, fortzuziehn.
Bon Heidelberg herab, dem fchönen Felfenihloß,
Eilt ſchweigend und beſchämt alsbald der fremde Troß.
Es biigen Gold und Stein von Harnifchen, den blanfen,
Es weht der Federnfhmud im Wind mit flolgem Schwanfen,
Doch hört der Pförtner noch den Herzog Anfjou ſchwören:
Bon nun an fol Fein Gott ihn jemals mehr bethören,
Selbft in der größten Noth, bei ſolchen beutihen Bären,
— Noch gar auf Heidelberg — je wieder einzufehren.
SBeribert Rau.
As zu Ende des Jahres 1573 und zu Anfang des folgenden,
Heinrich, Bruder des Franzöfifchen Könige Karl IX. und deffen
Nachfolger, als erwählter König von Polen, dahin durch Deutſchland
teifte, wurde ihm Ludwig, Graf von Löwenſtein und Herr von
Heitelberg. 5233
Sharfened als Kaiferlicher oberfier Begleitungscommiffär beige-
geben. Ein ungenannter Sekretär beffelben hielt hierüber ein umftänd-
liches Tagebuch , welches auf fieben Bogen in Quart gedbrudt erfchienen
if. Hierin fommt unter andern intereffanten Zügen, auch folgende
Anikdote vor:
„Auf wiederholte Einladung Kurfürftens Friedrich II. zu Pfalz,
durch feinen zum Empfang und Geleit entgegengefandten Prinzen
Chriſtoph, daß, weil er Reibesichwachheit halber nah Dppenheim
nicht kommen könne, ter König ihn zu Heidelberg befuhen mönte,
begab fich diefer am 11. Dezember dahin. Der Kurfürft lag unwohl zu
Bette und konnte deßwegen feiner Freude mit dem König pflegen oder
fih viel mit ihm befprechen. Auf deflen Anregung aber lad ihm, ale
er ein wenig erwarmt war, Sraf Ludwig von Naffau, bes
Prinzen von Oranten Bruder, im Kurfürfliden Gemache bei ge⸗
nommener Gelegenheit eine ernfllihe Collerte (Tert), wegen des vor
einem Jahre in Paris und andern Orten Frankreichs, wider alle
Treue und Slauben an dem Admiral von Eoligny und feinen Blau:
bensgenoffen unmenſchlicher Weiſe verübten Morde, (Parifer Blut-
hochzeit) , welches Gott nicht ungefraft Taffen würde. Der König fuchte
denfelben damit zu entfchuldigen, der Apmiral habe auf der Hochzeit
eine heimliche Meuterei anrichten , und den König, feinen Bruder, über-
fallen wollen. Der Kurfürft aber fragte ipn flugs: „Lieber! Wie flarf
ift der Admiral mit allen feinen Hugenotten auf tie Hochzeit kommen ?,
Und da der König (Balois) geantwortet: „Auf taufend Pferde ſtark;“
fragte der Kurfürft weiter: „IA gut, Lieber! Wie Fark iſt aber der
König wohl da geweſt?“ -- Auf Valois Antwort: „Auf Dreituufend,”' —
fagte der KAurfürft : „Da liegt's. Wie hätten Taufend wider Dreitau-
fend etwas anfangen dürfen, in einer folhen großen Stadt, wo maͤn⸗
niglich gern die Hände in der Hugenotten Blut gewaſchen hätte? Sehet
felbft, wie es fo gar nicht Plappte, und Eure Reden wider Euch felbft
zeugen !« — Diefe verdrüßliche Vorhaltung fol in die fünf Stunden
lang gewährt haben, worüber fih auch des Königs Kanzler in Oppen-
heim hernach fehr befchwert hat.“
(Aus Freifr. von Hormayr's Tafhenbud von 1833. Seite 43—AA.)
Andere Chroniften erzählen diefe Scen: mit verfchiedenen Bari»
anten, teren eine H. Rau zu feinem Gedichte benüßt hat. Man ver-
gleiche hierüber die Worte des Hiftorifers de Thou, des P. Daniel
und Kayfer’s Schauplag, Seite 305. Ferner 4. Schreibers
„Vaterl. Blätter“ 181%. Nr. 183. ıc.
524 Heidelberg.
Mäſtigkeitsvereine.
Schon Anno 1524 wurde zu Heidelberg bei einem fröh-
lichen Armbruftfchießen eine ſolche Berbrüderung von 15 Fürften
und Bifchdfen, fammt einer großen Zahl Grafen und Edel-
Teuten gefchloffen, wobei fie erklärten, fie ſelbſt wollten ſich des
vollen und halben Zutrinfeng enthalten und ihre Diener verab-
ſchieden, die fich deffen nicht enthalten wollten, alfo, daß dieſe
bei allen verbrüberten Herrn feinen Dienft mehr finden follten.
Einige Jahre darauf findet ſich ebenfalls ein Orden gegen das
Saufen zu Heidelberg, vielleicht aus dem erften entflanden. Die
Mitglieder waren theild Nitter, theils nicht ritterbürtig, und
trugen zum Wahrzeichen einen goldenen Ring. Wer gegen das
Berbot Andern zutranf, mußte den Armen einen Gsldgulden
geben , und den Ring zurüdliefern. Ein Mitglied, Leodius,
wurde von feinem Herrn, dem Kurfürften Sriedrid IL,
in einer Angelegenheit zu dem englifhen König, Hein-
rich VIII., gefendet, Der reblihe Mann gefiel dem wunber-
lihen König fo fehr, daß er ihn einer befondern Bertraulich-
feit würdigte. Einſtmals rief Heinrich nach einem langen Spa-
ziergang: Mic, dürfte, man bringe mir zwei der Riejenbecher,
einen vol Wein, den andern voll Bier. Hierauf Tieß er dem
Leodius die Wahl: Einen aber, feste er hinzu, mußt bu mir
zubringen, damit bu fiehft, daß die Engländer und der König
felbft auf gut teutfch trinken, und Deinem Fürſten melden
fannft, ed werde ihm, wenn er nad England fommen wolle,
an Zechbrüdern nicht fehlen. Leodius ſträubte fich gegen die
Anmuthung, und berief fih auf fein Ordensgelübde. Heinrich
aber fette ihm fo heftig zu, daß Leodius endlich in Verzweiflung
ben ungeheuren Pokal ergriff und in vier fchweren Zügen leerte,
indefjen der König fein Bier in einem Schlud hinabgefagt hatte,
Bei feiner Abreife verehrte ihm Heinrich unter andern Geſchenken
60 goldene Ringe, welche wider den Krampf gut feyn follten,
und gab ihm für feinen Pfalzgrafen einen goldenen Becher.
Sobald Teodius heimgefommen war, erzählte er den Vorfall
feinem Herrn, als Ordensmeiſter, im Bertrauen. Diefer ver-
fammelte auf den Abend die Brüderfchaft, und trug die Sache
Heidelberg. 525
vor. Die Mitglieder erklärten ihn einftimmig für ſchuldlos und
Yeerten, der Ordnung nach, den mitgebrachten Becher. Leodius
war für ſolche Nachſicht dankbar, und ſchenkte jedem Anwefens
den einen Krampfring. |
Im Jahr 1600 wurde ebenfalls zu Heidelberg der Heffifche
Drden der Mäßigfeit gefliftet, jedoch, wohl aus Nüdficht auf
die teutfohe Trinfnatur, nur auf zwei Jahre. Kein Mitglied
durfte täglich mehr als 14 Ordensbecher voll Wein trinfen.
Der kleinere Sünder gegen dieſes Gebot wurde ein Jahr von
allem Ritterſpiel, der ſchwerere Verbrecher auf zwei Jahr von
allem Wein ausgefchloffen, und der Haupffrevler zahlte zur
Strafe 300 Thaler, oder gab zwei feiner beften Roffe. Diejen
Strafen unterwarf fih auch Kurfürft Friedrich V.
Alle diefe Gegenanftalten halfen wenig und diefe Gegenfauf-
orden waren von furzer Dauer. Ed wurden fernerhin Trinfge-
fechte geliefert, und mit lauter Gefundheitstrinfen brachte
. it.
man fih um die Gefundhei 2.9.8.
Des Palzgrafen bölzerner Dom.
(1591.)
Pfälzer Mundart.)
Zu Köln, in der heilig Schtadt Köllen am Nheinn,
Do wahfe die Kerchephörn‘) wild;
Do fohteht en großmächbiger fchteenerner Dum , **)
Un Prozeffione gehn rings drum erum;
Biel ſchöne Aldär un mand) gnadereich Bild
Is dort zu Köllen am Rheinn.
Am Rheinn, vun de Felfeberg hoch üwwerm Rheinn,
Do gude die Burge ins Dhal,
Biel Burge mit runde un edige Dhörn
Die fage zum Schtrom als gebiedende Herrn:
Rheinn, nemm dich hübſch zfamme un ſchnür dich feinn ſchmal,
„Mir wolle's, gehorch ung, o Rheinn!“
*) Kirchenthürme.
+) Dom,
526 Heidelberg.
Der Palzgraf bei Rheinn is e fröhlider Mann,
Der baut an de Berg hinn fein Weinn,
Der baut fih e Burg, un die Burg is feinn Schtolz,
Der baut fih en Dum, un der Dum id vun Holz,
Un ſächt ald e gnädiger Herr zu feim Rheinn :
„Mach Er fi fo breet als Er kann!“
Zu Haydelberg in der Palzgrafeburg
Do fiht mar den holzerne Dum ;*)
Un is er nit edig, fo is er doch rund,
Un Wallfahrer fumme noch heut uf die Schtund
Aus aller Herrn Länder noch Haydelberg frumm
Zum Palzgraf feim Dum uf der Burg.
Gott grüß dich, du runder dickbauchiger Dum,
Gebaut vum Palzgrafe bei Nheinn !
Dem Herrn zu Lieb wähl ich de geifchtliche Sqhtand
Un meld mich als holzerner Dumdechant,
Un bet for de Palzgraf, un trink'm ſein Weinn,
Un ſing vor ſeim holzerne Dum.
O weh! der fröhliche Herr is lang dodt
Un feinn holzerner Dum e Ruin!
Dod fließt durch feinn Rand noch der goldene Rheinn,
Doch wachſt uf de Berg noch der feurige Weinn; —
E Hoch uf fein Weinn, uf der Rheinn un uf Ihn,
»M Palzgraf e Hoc noch im Dodt!
K. ©. Nadler.
(Driginalmittheilung.)
*) Das Heidelberger Faß.
Nachdem zur Zeit des 30jährigen Krieges das alte, ſchon 1591
auf Befehl des Pfalzgrafen Johann Cafimir verfertigte große Faß
morſch und dem Verfalle nahe war, ließ an deffen Statt der Kurfürft
Karl Ludwig i. 3.1664 ein neues und weit größeres erbauen. Dies
fes fonnte man mittelfi einer Treppe von 50 Staffeln erfteigen. Oben
auf dem Kaffe befand fih ein 20 Schuh langer Altan mit einem Sei-
tengang, worauf ehedem 6 Perfonen ganz bequem tanzen konnten. Born
an dem Fafle prangte das Kurfürfllihe Wappen; oben darauf faß ein
Bacchus mit einem großen Kelch in der Hand; links und rechts neben
ihm waren viele Satyrs und Bilder von „verfoffenen Brüdern“ ange-
Heidelberg. 527
bracht; ferner war das, wie das ältere, mit 24 eifernen Reifen um-
ſchloſſene Faß, welches 204 Zuber, 3 Ohm und 4 Biertel Wein in fi
faßte, aud fo hoch, daB ein Dann mit einem Spieße aufrecht darin
ftehn konnte. Da nun in der Folge, und zwar gelegentlich bes fran-
zöſiſchen Einfals in die Pfalz, durch bie Zerflörung der Stadt und
des Sclofles Heidelberg, auch dieſes Faß verborben und ganz un⸗
brauchbar geworden und dann vierzig Jahre hindurch leer gelegen war,
fo ließ der nachherige Kurfürſt Karl Philipp folches wieder aug-
beffern und herſtellen, und, nachdem dies i. 3. 1728 völlig zu Stande
selommen, am 1. Maf felbigen Jahres, gerade auf feinen Namens⸗
tag, mit Nurpfälzifhem Landweine vollfüllen. Zuvor war es mit einer
doppelten Treppe verfehen, mit des Kurfürſten vergoldetem Wappen,
fowie mit allerhand Sinnbildern und neuen Verſen gefhmüdt worden.
Ein Strophe lautete:
„Kart Philipps Jahr und Leben
Nach der Zahl Toll neeflen wohl,
So viel Tropfen ung thut geben,
Wann das Faß gefüllet voll.”
Unten daran ſteht noch ein Iateinifcher Vers, der die Jahrzahl der
Renovation diefes Faffes folgendermaßen für die Nachwelt aufbehielt:
3„‚Stat BaCChi renoVata DoMVs VInogVe sVperblt.““
Bier und zwanzig eiferne Reife pielten es zufammen, und es faßte
dasſelbe 204 Fuder, 3 Ohm und 4 Biertel Wein in fih. An demſelben
las man auch viele Reime, 3. 2. u
Bir können vieler Ding’ entbehren,
Und dieß und jenes nicht begehren ;
Doch werben wenig Männer feyn,
Die Weiber haflen und den Wein.
Ferner auch:
Man braut Bier im Lande Meißen,
In Sacfen, Pommern, Holland, Preußen,
Gottlob! die Liebe Pfalz am Rhein,
Gibt uns und ihnen guten Wein.
Als diefes Faß auch wieder zu alt wurde, ließ der Kurfürft Kart
Theodor ein neues, größeres Faß machen, welches 14 Fuder Wein
mehr als das alte enthält.
528 Heidelberg.
Dans von Dandichuchöheim Tod *).
1.
Herausforderung.
Zu Heidelberg am Schloffe, das jugendlich noch ftand,
Berfehrt nicht von der Menfchen und nicht von Gottes Hand,
Da lachten alle Zinnen mit abendlihem Roth,
Als könnt’ es nimmer trauern, als ob fein Sturm ihm droht”.
Und drinnen in den Hallen ging eine Yaute Luft,
Die Becher firömten über, die Herzen aus der Bruſt;
ed’ Auge fah zum Himmel und fand ein golden Schloß,
Drin bei der ſchönſten Jungfrau ein ewger Frühling flo.
Der Pfälzer Kurfürft Friedrich mit feiner Liebſten Hold
Saß oben an der Tafel bei Bechern voller Gold;
Bon Lüneburg der Herzog, Johann von Brandenburg,
Bon Heffen Landgraf Moriz und Philipp von der Murg.
Die fagen zwifchen Frauen, wie zwischen Blumenlicht
Sich's Dunfelgrün der Blätter mit goldnem Thau verflicht;
Bei einem füßen Fräulein, die fehönfte Blum’ im Kranz,
Sag mild Friedrih von Hirfhhorn und ſtolz der Junfer
Hang
Bon Handfhuhsheim; der Junker faſt noch ein Knabe
war,
Drum trug er auch fo trugig um's Kinn das frauje Haar;
Er drohte ferne Thaten, die er einmal noch thät’,
Ging aus geträumten Schlachten, wie man ald Sieger gebt.
*) Der Zweikampf — welder unferm Dichter den Stoff zu vorfle-
hender Romanze gab, fiel zu Heidelberg vor, am Poflager des Kur-
fürften Friedrich IV., den 11. December 1600. Johann von
Handſchuchsheim farb an feiner Wunde den 31. December 1600,
als der LTebte feines Sefchledhts. Seine Mutter war Ammel Beufs
ferin von und zu Ingelheim.
Heidelberg. 599
Drum fordert er auch Ehre von jedem Frauenbild,
Ars hätt' fchon taufend Wunden fein träumerifcher Schild;
Drum flammt auch eiferfüchtig fein Blick aus finſtern Brau'n,
Das feiner fünftigen Thaten nicht achteten die Frau'n.
Der Erbtruhfeg")von Hirfhhorn, der frommen Mutter
Sohn,
Dflegt’ im befcheidnen Herzen getreu der Religion;
Doch wie des Thales Fruchthain zum dunklen Forſte wild,
Sp flieg zum wilden Muthe des Jünglings mildes Bild.
Denn auf der Heimath Bergen bezähmt’ er manches Roß,
Sn Forften fanf manch Wildfchwein von feinem Jagdgeſchoß;
Er flug mit Nedars Stürmen, mit Bligen mande Schlacht;
Ihn mochte nur bezwingen der Schöpfung ſtille Pracht.
Sp wuchs er wie die Eiche in Tachender Natur,
Das weihe Haar umwallte fein Fräftig Antlig nur;
Drum liebte mande Jungfrau ihn ſehnſuchtsvollen Traums,
Möcht' ihre Locken ſchmücken mit Blättern dieſes Baums.
Drum wandte Hil degarde zu ihm ihr Angeſicht;
Drum aus des Junkers Seele der Zorngedanke bricht:
„Mein gnädig Fräulein, dreht Euch doch ganz zum Hirſch⸗
horn um,
Das Hälslein, fürcht' ih, wächſt Euch fonft häßlich gar und
frumm !”
Blaß bebet Hildegarbe, wie an der Gluth die Roſ',
Und ehrt die fhönen Augen herniever in den Schooß;
*) Das Erbtruchſeßamt (Truchſeß, dapifer), von Trug (Effen)
und fegen (auftragen), das des Seneſchals, der die Oberaufficht über
Küche und Oekonomie der Kaiſerl. Hofpaltung führte und bei dem feier»
lichen Gaſtmahle, welches der Krönung des teutfchen Kaiſers folgte,
viel filberne Schüffeln mit Rindfleifh auf die Tafel zu ſetz en hatte,
war am teutfchen Kaiferhofe eine der höchften erblichen Würden des
Reichs, gehörte feit frühefter Zeit zu Bayern; von 1356 — 1623 den
Kurfürften von ber Pfalz und von da, bis zur Auflöfung des teutfrhen
Reichs, noch zu Bayerns Privilegien.
II. 34 ’
530 Heidelberg.
Doc Friederich der Truchſeß, ein flammenb Augenpaar,
Wie wenn der Blitz in Söller herabgefahren war :
„Herr Sunfer! ... feiger Knabe, was fchimpfeft du fo fühn?
Die Jungfrau madht die Galle dir im Geſicht erglühn?
Bei Gott! Hör’ ich, und räche nicht Unglimpf teutfcher Traun,
So werd’ aus deinem Schlunde die Zunge nit gehau'n!“
„Sieh da, der fanfte Kofer, wie wird er rittertich !
Sp füße bei den Frauen, den Männern bitterlich !
Mie feinen Rindern will er die Zunge aus mir hau’n,
Derfteht wohl umzugehen mit Rind, doch nicht mit Frau'n.“ —
„Herr Kurfürft! weifet gnädig den frechen Hohn zu Recht,
Erfaubet meinem Degen, jebt trifft er mir nicht ſchlecht!“
Noch wehte fanft die Freude in der VBerfammlung Kreis,
Wie fanfte Lüfte wehen im Blüthenwald des Mars:
Da aus ber Zwietracht Wolfe fuhr Tichter Blige Loh',
Daß aus dem Kreis die Freude mit allem Wise floh;
Da ward e8 plöglich ftille, wie vor Gewittern fill,
Und horchte man zum Donner, was feine Stimme will.
Doch Jene fürmen eilig felbander aus dem Saal,
Die Mitternacht erwarten im fehönen Nedarthal;
Denn ernft verwies ber Kurfürft des Zornes frevien Streit,
Und dieſes Streites Schlichtung zur eignen Tapferkeit.
Wie glänzt im tiefen Dunfel der weite Markt fo Licht,
Das find der Schwerter Funfen, wie flieben die fo Dicht;
Weh dir, o Handſchuchsheimer, dein Gegner flicht dich aus,
Weh dir, bald ift erlofchen mit dir bein altes Haus!
Heidelberg. 531
2.
Der Sutter Fluch.
Um Mittnacht auf dem Markte liegt Hans von Hands
ſchuchsheim,
Er liegt in feinem Blute; die Mutter ſchläft daheim;
Er Tiegt jo ftill, fo frieblich, es ift fein letzter Schlaf —
Der Trucfeß mit dem Degen tief in das Herz ihn. traf.
. gest ift aus feinem Bufen der laute Haß geflohn;
Die Mutter fhläft zu Haufe; im Blut der einz’ge Sohn,
Er lächelt wie ein Kindlein, als hätt’ er nie gegrolt,
Als hätte nichts als Liebe fein Blut von je gerollt.
Sie tragen über'n Nedar ihn ftumm nad Handſchuchsheim,
Den einz’gen Sohn der Wittwe; die Mutter fchläft daheim;
Sie tragen ihn zum Schloffe, fie pochen an der Thür,
Da tritt mit einer Lampe die Mutter bang herfür. _
Da zudet um die Leiche der Fackeln rother Schein,
Ihr Angefiht, das bleiche, wird ſelbſt wie todter Stein,
Auf blutbefledter Bahre fieht fie den-theuren Sohn,
Ergraut find ihre Haare — ihr Athem ift entflohn.
Und wie fie wieder aufwacht und wieder kennt den Sohn,
Sie hell zum Himmel aufladht wie aller Welt zum Hohn.
„So hüllt man dich in Roſen, mein guted armes Kind!
O fagt, durch wen fie ſproßen? O fagt’s mir an geſchwind.“
„Durch Sriederih von Hirfhhorn,” — töntd aus der Träs
| ger Mund.
„Ha, Friederih von Hirfhhorn! fo möge mir zur Stund,
Der Herr des Himmels leihen ſolch einen Racheſtrahl,
Daß ich den Mörder zeichne für Ein und alle Mar!
„Mein Fluch fol diefer Blitz feyn, fein Name foll verflucht,
Berflucht fein Stamm und Sig feyn, und wenn er Ruhe ſucht,
34”
532 Heidelberg,
Soll immerfort ihn hegen der Hölle wildes Heer,
Und felbft im Grabe Teen foll keine Raft ihn mehr!
„Gott mög’ ihm nie verzeihen, ihm nie barmherzig feyn!
Mein Sohn, um Rache fehreien fol felbft dein Leichenftein,
‚Und wie mit dir, mein Leben, des Vaters Stamm erlifcht,
Sey auch der Name Hirfhhorn im Lebensbuch verwiſcht!“ —
Sie hören Al’ erbleihend der Mutter graufen Fluch,
Als müßte felbft Die Leiche auffchreden aus dem Tuch;
Doc lächelt fie voll Frieden, aus ihren Zügen fpricht:
Dom Haß bin ich geſchieden, dort oben zürnt man nicht.”
©. Schuler.
Die Ahnung.
(1655.)
Barum fo trüb, geftrenger Herr ?
Warum denn fo allein?
Ihr fhaut ja in dad Abendroth,
Und nicht in's Grab hinein! —
„Ich fchaue in das Abendroth,
Mir deucht's ein See von Blut;
Mir deucht's ein weites Slammenmeer
In feiner dunklen Gluth.
„And feht nur, wie ed gierig fich
An meine Burgen legt,
Und aus den Fenftern, aus den Höh’n
Mit Purpurzungen ſchlägt!“ —
Herr Pfalzgraf, eil was fehlt Euch denn ?
Sp ſah ih Euch noch nie;
Welch tolle Bilder malet Doch
Erhigte Fantaſie! —
„Nicht Fantafie, mein Burgvogt, nein!’
Ich fühl's im Herzen tief,
Heidelberg. 533
Zur Wahrheit wird das Unglückswort
Das jene Stimme rief" —
Mein edler Herr, Gott Tchüge Euch !
Ich kann Euch nicht verftehn;
Sprecht Ihr von böfer Ahnung denn,
Habt Geifter Ihr gefehn?
„Ich fa in meinem Speiſeſaal
Und aß, wie ſtets, allein,
Da tönt der mitternächt'ge Schlag
Durchs Fenſter bumpf herein.
Und wie der legte Schall erftirbt,
Da wird fo bang es mir,
Und eine Stimme, hohl und tief,
Ruft: „Wehe Pfalz! Web’ dir")
„Ich hab in mander heißen Schlacht
Den Tod ſchon angefchaut,
Es hat mir nie vor feiner Macht,
Bor feinem Ruf gegraut.
Doch diefer Stimme Grabeston
Die dreimal ich gehört,
Hat meinen Muth, hat meine Kraft,
Mein ganzes Marf verzehrt.
*) „Dann wird's mit der Pfalz bei Rhein verloren feyn! Was
vor eine Menge von Truppen, was vor Lärmen und Gedränge I" —
Mit diefen Worten fuhr der kranke Kurfürft Karl eines Tages ploͤtz⸗
lich aus dem Schlafe auf! Der bei ihm wachende Arzt erſchrak darüber,
aber nicht wegen des Inhalts der Worte — wie konnte erahnen, wel
traurige Weiffagung fie enthielten? — Sichtbar fihwanden von nun
mit jedem Tage die Kräfte des Kurfürften, und nach fünf Wochen um
die Mittagszeit des 16. Mai 1685 erlofh fein abgezehrtes Leben."
(S. 3. Baader!s „Badenia,“ I. Jahrg. ©. 277.
Karls Tod — mit ihm endigte die Simmern’fche Linie des Pfäl-
ziſchen Haufes — führte den Orleans'ſchen Krieg megen der Pfaälziſchen
Erbfolge herbei, der fo verderblich für die Pfalz ward.
534
Heidelberg.
„Es drang der Ruf aus jener Welt
Mir tief in’d Herz hinein —
Bald wird bie fhöne ſtolze Burg
Ein Scheiterhaufen feyn !«
Der Pfalzgraf ſprachs und fchleicht davon,
Das Herz ward ihm zu ſchwer;
Das Leben war ihm öb’ und falt,
Er lächelte nie mehr!
Heribert Rau,
Der Malzgraf. *)
Es reitet die Gräfin weit über das Feld,
Mit ihrem gelbhaarigen Töchterlein fein,
Sie reiten wohl in des Pfalzgrafen fein Zelt,
Und wollen fein fröhlich und luſtig feyn.
Frau Gräfin, was jagt ihr fo früh ſchon hinaus?
D reitet mit Eurem fein Liebchen nach Hang,
Der Pfalzgraf kommt felber gleich zu euch hinab,
Sie tragen ihn morgen hinunter ins Grab:
Es hat ihn eine Kugel fo tödlich verwundt,
Da ftarb er fogleich in der nämlichen Stund,
Da ſchickt er dem Fräulein ein Ningelein fein,
Soll feiner beim Scheiden nod) eingedent ſeyn.
„Dat dich o Pfalzgraf, die Kugel getroffen,
Wär’ ich viel lieber im Nedar erfoffen;
Zrägt man den Tiebften zum Kirchhof herein,
Steig ich wohl mit ihm in's Brautbett hinein.
„Wil reichen ihm meinen jungfräulichen Kranz,
Wil flerben und fcheiden von Güter und Glanz;
*) Wahrſcheinlich des Kurfürfien Philipp Wilhelms Sopn,
Pfalzaraf Friedrich Wilhelm, erfhoflen vor Mainz, 1689 den
30. Juli.
Heidetberg. 535
Lieb Mutter, fe Du mir den Kranz in das Haar
Auf daß ich fchön ruben kann auf der Bahr.
„Ste mir an den Finger das Ringlein fein,
Er mit mir foll liegen ing Grab hinein,
Ein ſchneeweißes Hembelein zieh du mir an,
Auf dag ich kann fchlafen bei meinem Mann.
„Auf Töchterleinsg Grab ſollſt legen ein Stein,
Drauf follen die Worte gefchrieben ſeyn:
Hier ruhet der Pfalzgraf und feine Braut;
Da bat man den beiden das Brautbett gebaut.”
(Siehe „Des Knaben Wunderhorn ⁊c.“ IE. Band).
Der Big.
(1764.)
Geendet ift der Streit;
Des Krieges Furie fehweiget,
Aus Schutt und Afche fteiget
In junger Herrlichkeit,
Degrüßt durch Jubellieder,
Der Phönix Friede nieder.
Was mit Barbarenwuth,
Der Schande unbefümmert,
Auch Frankreichs Haß zertrüämmert,
Strebt nun mit neuem Muth,
In Teutſchlands ſchönſten Gauen
Der Teutſche aufzubauen.
So aus dem Schutt empor
Iſt in den Pfälzer Landen
Auch Heidelberg erſtanden.
Es will Karl Theodor
Dort allen Glanz entfalten,
Noch heut den Einzug halten.
536
Hetdbelberg.
Der Tag iſt drüdend Tchwäl;
Kein Lüftchen will ſich regen,
Kein Blaͤttchen fi bewegen.
Ein ängftliches Gefühl,
Ein wunderbares Bangen
. Hält Menfch und Thier umfangen.
Da kommt in finftrer Pracht
Am fernen Himmelsbogen
Allmählig hergezogen
Die dichte Wolkennacht,
Auf ihren ſchwarzen Schwingen
Derderben herzubringen.
Wie düſter liegt das Schloß —
Gleich einem rieſ'gen Drachen,
Den Thalgrund zu bewachen —
Der Finſterniß im Schooß.
Wie ragen ſeine hohen
Thürme mit ſtolzem Drohen! —
Jetzt bricht das Wetter aus,
Und wie aus Höllenrachen
Ertönt des Donners Krachen,
Der Stürme wild Gebraus!
Doch wehe! welch ein Schlag!
Welch Feuermeer! — Es ziſchet
Raſch Blitz auf Blitz und miſchet
Die Nacht mit lichtem Tag.
Hört ihr! es wimmert Sturm!
Es ſteht das Schloß in Flammen!
Schon ſtürzt es dort zuſammen
Nah bei dem Glockenthurm.
Wie wild der Sturmwind ſchnaubt,
Und aller Half zum Hohne
Heidelberg. 537
Drüdt er die Flammenkrone
Der ſtolzen Burg aufs Haupt. *)
Es ift um fie geſchehen —
Die Zinnen find gefallen,
Veroͤdet ſtehn die Hallen,
‚Gepeitfcht von Windesweh’n.
Du trogteft kühn der Zeit
Gefräß’gem Ungehener,
Nun hat des Himmels Feuer,
Zerflört die Herrlichkeit.
Träum’ fanft! — In Todesnacht,
Bift felbft du noch erhaben,
Wirft noch die Nachwelt laben
Mit deiner alten Pracht!
Seribert Nas.
*) Die Feigheit des Stadtcommandanten, General Heidersdorf
hatte im Orleans'ſchen Exrbfolgefriege Stadt und Schloß Heibelberg _
den Sranzofen in die Hände. gefpielt. Feſtungswerke, Thürme und
die Nedarbrüde wurden gefprengt und Stadt und Schloß in Brand
geſteckt. Das Glück wur für Heidelberg dahin. Zwar ließen bie Kur⸗
fürflen Zopann Wilhelm und Karl Philipp, Stadt, Schloß
und Brüde wieder herfiellen, da jeboch Lebterer wegen der Kirche zum
heiligen Geift mit den Bürgern in Streit gerieth, verlegte er fofort
feine Refivenz von Heidelberg nah Mannheim, wo er bad neue
Schloß und die Sefuitenfirche bauen ließ. Sein Nachfolger Karl
Theodor befuchte an einem heitern Früplingstage die veröbeten Hal-
len des Sitzes feiner Vorgänger. Das Geläute ber Gloden , eine über
den Schloßberg wallende Proceffion, die Erinnerung an bie vergan-
gene Herrlichkeit und der Zauber der malerifhen Umgebungen machten
einen ſolchen Eindrud auf ihn, daß er fi entfchloß, den Kurfürftlichen
Sitz Hier wieder aufzufchlagen. Schon war Alles zu feinem Empfange
feftlic$ bereit, als am 24. Juni 1764 der Bli alle vom Kriege no
verfchont gebliebenen wohnlichen Reſte zertrümmerte und verbrannte.
Karl Theodor, der fehr abergläubifh war, hielt dies für einen war⸗
nenden Fingerzeig Gottes, und wagte nicht, das Schloß wieder aus
feinem Schutte zu erheben.
(Siehe Baader's „Sagen der Pfalz 10.” Seite 102).
538 Heidelberg.
Auf Dem Schiofie zu Heidelberg.
(Im Julius 1814.)
Es zieht ein leiſes Klagen
Um dieſes Hügeld Rand;
Das klingt wie alte Sagen
Vom lieben teutfchen Land.
Es ſpricht in ſolchen Tönen
Sich Geiſterſehnſucht aus:
Die theuern Väter ſehnen
Sich nach dem alten Haus.
Wo der wilde Sturm nun ſauſet,
Hat in ſeiner Majeſtät
König Ruprecht einſt gehauſet,
Den der Fürſten Kraft erhöht;
Sänger kamen hergegangen
Zu dem freien Königsmahl,
Und die goldnen Becher klangen
In dem weiten Ritterſaal.
Wo die granitnen Säulen
Noch ſtehn aus Karl's Palaſt,
Sah man die Herrſcher weilen
Bei kühler Brunnen Raſt.
Und wo zwei Engel koſen, )
Der Bundespforte Wacht,
Zeigt uns von ſieben Roſen
Ein Kranz, was ſie gedacht.
Ach! es iſt in Staub geſunken
All der Stolz, die Herrlichkeit!
Brüder, daß ihr letzter Funken
Nicht erſterb' in dieſer Zeit,
Laßt uns hier ein Bündniß ſtiften,
Unſre Vorzeit zu erneu'n
Aus den Grüften, aus den Schriften
Ihre Geiſter zu befrei’n,
Heidelberg.
Vor Allen, die geſeſſen
Auf Ruprechts hohem Thron,
War Einem zugemeffen ?)
Der Erde höchſter Lohn.
Wie jauchzten rings die Lande
Am Nedar jener Zeit,
Als er vom Engellande
Das Königskind befreit.
Biel der keckſten Ritter kamen,
Ihrem Dienfte fi zu weih’n.
Dort wo noch mit ihrem Namen
Prangt ein Thor von rothem Stein,
Ließ fie fern die Blide fchweifen
Sn das weite grüne Thal;
Nach dem Fernen foll fie greifen
In des Herrfchens falſchet Wahr.
Da kam wie Meereöwogen,
Wie rother Feuersbrand,
Ein bittres Weh gezogen
Zum lieben Vaterland.
Die alten Beften bebten,
Es ſchwand des Glaubend Schein,
Und finftre Mächte ftrebten,
Die Fremden zogen ein.
Weit erfhallt wie Rirchengloden,
Teutfchland, deine Herrlichkeit,
Und es wedt fo füßes Locken
Immerdar des Wälfchen Neid.
Wunden mag er gerne fhlagen
Dir mit frevelvoller Hand,
Wie er in der Väter Tagen
Die gepriefne Pfalz verbrannt.
Zu lang nur hat gegolten
Die fchmähliche Geduld;
539
940
OHeidelb erg.
Doch was wir büßen follten,
Wie groß auch unfre Schuld, —
Rein ift fie abgewafchen
In warmem Friedesblut,
Und herrlich aus der Afchen
Steigt unfer altes Gut.
Lange hielten drum die Wache
Jene Ritter an dem Thurm, °)
Ob nicht kaͤm' der Tag der Race,
Ob nicht brauße Gottes Sturm.
est erwarmen fie am Scheine
Bon dem hohen Freiheitslicht,
Daß die Bruft von hartem Steine
Schier vor Wonn’ und Liebe bricht.
So flieg nach dreißig Jahren
Elifabeth, dein Sohn, *)
Der manches Land durchfahren,
Auf feines Vaters Thron.
Er that wie Ritter pflegen,
War feined Landes Schug,
Und bot mit fühnem Degen
Dem Wälfhen Schimpf und Trug.
Nimm denn fett auf Deinem Throne,
Theurer höchſter Heldenfchag,
Angethan mit goldner Krone,
Teutſchland, wieder deinen Pas !
Alles will für dich erglühen
Alte Tugend ziehet ein,
Und Die teutfchen Würden blühen
An dem Nedar wie am Rhein!
Mar von Schentenborf.
1) Ruprecht IL, Römifher König, erbaute 1400 den Theil
des Schlofles, der jetzt noch feinen Namen trägt, und beflen vordere
Band fi noch bis heut erhalten hat; mehrere hiſtoriſche Merkwürdig⸗
leiten befinden ſich an derſelben, als: der einfache NReichsabler , das
Heidelberg. 541
alte pfälziſche Wappen, und vor allem bie Berzierung über dem Haupt-
eingang diefed Bau’s: Zwei Engel halten einen Kranz von fieben
Roſen, in deffen Mitte fih ein aufrecht ſtehender Zirkel befindet.
8) Friedrich V., der Gemahl der Prinzeffin Eliſabeth von
England, einer der fchönften, aber auch ehrgeizigften und unglüdlich-
ſten Fürftinnen. Die ebelften Ritter bewarben fih um ihren Dienft;
Chriſt ian von Braunfhweig trug ihren Handſchuh am Hut und
ließ in feine Fahnen feßen: Kür Gott und Ste.“ Friedrich V.
erbaute ihr zu Liebe den fogenannten englifchen Bau, von dem nur noch
wenige Trümmer erhalten find.
3) Im fogenannten Stüdgarten flieht ein vierediger Eingangs»
thurm, in deffen Zrümmern fih die Bilder biefer zwei Ritter befinden;
es find eigentlich etwas unförmlide Schildwappen, bie troß ihres ko⸗
loſſalen Gliederbaues ſich ihre diden Spieße mit fammt dem filbernen
Pfälziſchen Wappen, welches fie zu bewachen hatten, von ben Franzo⸗
fen entwenden ließen.
4) Karl Ludwig, der Sohn Friedrichs und Eliſabeths, war
33 Jahre alt, als ex nad dreißigjähriger Verbannung in fein Bater-
fand zurüdfehrte. Die Pfalz war unterdeß eine Wüfte und dag Heidel,
berger Schloß unbewohnbar worden. Diefer edle Fürft that Alles, was
in feinen Kräften fland, um den äußern Wohlſtand, die bürgerliche
Ordnung und bie Sicherheit feiner Länder wieder berzuftellen. Bor.
feinem Ende mußte er aber noch die von Frankreich einbrechende neue
Verwüſtung derfelben erleben. Da zeigte fh feine Gefinnung auf eine
echt fürſtliche und ritterliche Weife. Als Ludwig XIV. die Republik
Holland anfiel, hielt der Kurfürft zur rechten, entgegengefeßten Partei.
Mehrere feindliche Heerhaufen verwüſteten die Pfalz und die gefammten
Rheiniſchen Lande. Der Kurfürf, der fi von Heidelberg nad ber
von ihm wieder erbauten Friepridhsburg begeben hatte, fah den
Brand längs der Bergfiraße und wankte nicht. „So lange ih nur
diefes habe» — ſprach er, ein Stück Schwarzbrod eſſend, — "fol
mich feine Gewalt ſchrecken!“ — Es ift hier der Ort, zu erwähnen,
bag der fogar von den Teutfchen hochgefeierte Türenne damals ein
eben To arger Mordbrenner und Räuber war, ale Rochefort und
Baubrün, als fpäterhfin Melac und Düras, als in unfern Ta-
gen Davouft und Vandamme. Der gutmütbige Teutfhe hat aber
von jeher diejenigen feiner Feinde, welche bie ärgfien find, weil fie
durch einen Schein von Großherzigkeit gleifen, hochgeprießen und das _
gegen feiner eigenen Helden vergeſſen. Als der Kurfürft das Elend ber Pfalz
nicht länger mit anfehen konnte, forderte er den franzöfifhen General
zum Zweifampf. „Was Sie an meinem Rande verüben,” — fihrieb ex
ihm — „kann unmöglich auf Befehl |des allerchriftlichfien ‚Königs ge⸗
ſchehn; ich muß es als Wirkung eines perfönlichen Grolls gegen mid
betrachten, Es iſt aber unbillig, daB meine armen Unterthanen büßen,
542 Heidelberg.
was Sie vielleicht gegen mich auf dem Bergen haben, darum mögen
Sie Zeit, Ort und Waffen beftinmen , unfern Zwift abzuthun.“ —
Der große Türenne ftellte ſich aber nicht.
Das Leben Karl Ludwigs böte einen ſchönen Stoff zu einer
teutfchen Odyſſee. Seine Geburt von fo herrfihen Eltern, der Fall
feines Haufes, feine Flucht als Kind, feine Wanderfhaft zum Groß⸗
vater nach England, die Wievereinfegung in feine Ränder, bie neue
Berwüftung berfelben, und gleich nach feinem Tode der Ausbruch des
Krieges wegen der Orleans'ſchen Erbfolge, der durch die unglüdliche
Bermählung feiner Tochter veranlaßt war, verflochten mit den Ge:
fhichten der Neformationen und des breißigjährigen Krieges; fein
frommer Traum von der Bereinigung aller chrifilichen Eonfeffionen,
welchen er einen Tempel der Eintracht in Frieprichsburg er⸗
baute, worin er neben feiner geliebten Raugräfin, Luiſe von De»
genfeld, beflattet wurde, u. f. w., ein fo vielfältig beiwegtes Leben
gäbe eine Fülle von Stoff für ein großes Gedicht.
(Obige Roten von Mar von Schenkendorf ſelbſt, befinden fid in der Samm⸗
lung feiner fämmtlihen Gedichte. Berlin 1837. Seite 390 und ff.)
Der SHerenbif.
Am Heidelberger Schloß, am großen Thor,
Da hängt ein dider Ring von Eifen vor.
Wer ihn durchbeißt, erhält das Schloß zu eigen?
Hat Niemand Luft, der Zähne Kraft zu zeigen.
Ihr, die fo viele Haar’ ihr trägt darauf,
Ihr Herrn Studenten, beißt doch an, wohlauf!
An jenem Ringe fieht man noch den Riß,
Den eine Her’ einft in fein Eifen biß;
Beißt nach in's Loch, das fie vorausgefchafft!
Und zeigt, daß Eure Kraft noch unerfchlafft!
(Berge, Mone!s „Anzeiger 2,” 1835. ©. 306.)
A. Schir.
Heidelberg.
Der Wiefenftein.
Wo lockend das evele Heidelberg Liegt,
Sich gaſtlich am grünlichen Nedar hinfchmiegt ;
Da lagern viel ftattliche Berge gethürmt,
Bon braufenden Winden und Wettern umflürmt.
Noch prangete nicht auf dem Berge das Schloß,
Nur's Städtlein fih thalwärts zum Nedar ergoß.
Die milderen Lüfte, das üppige Grün,
Das Raufchen der Waffer, im Thale das Blühn,
Das hatte den Riefen gelodt und verführt,
Der einen der Berge zur Wohnung erführt.
Und als er zum erflenmal hält feine Raſt,
Sieht's Städtlein mit Graun den unheimlichen Gaft;
Er ſteht auf ber Kuppe ded Berges bort,
Den Sohn auf dem Rüden an fiherem Ort.
Gewanderrt feyn mußt’ er aus fremdem Land,
Gar feltfame Pflanzen trug feine Hand;
Mit Nägeln gar ſcharf gräbt er ihnen ein Grab,
Und fenfet die Wurzeln der Neben hinab.
Es wandert der Alte oft einfam aus,
Und läßt den blühenden Knaben zu Haug;
Der thut dann zum luſtigen Zeitvertreib
Den Schiffern im Nedar viel arges Leid.
Sp oft fih ein Segel den Bergen naht,
Da finnt Schon der Erzfchelm auf böfen Verrath;
Reißt Fichernd den, mächtigften Felsblock los,
Und fchleudert ihn Teicht in der Waffer Schooß.
844 | Heidelberg.
Wenn hoch fi die Woge dann Fräufelt und fhäumt,
Empor gleich dem Roffe der Kahn fi baͤumt;
Dann fühlet der Knabe die fröhlichfte Luſt,
Er wird ſich der eigenen Kraft bewußt;
Vrergnüuget fih fo manch einfamen Tag,
Treibt's Spielwerf den Schiffern zur Noth und Plag.
Er ftauet mit Steinen den Nedar fo voll,
Daß öfters aus feinen Ufern er quoll;
Er fchleudert die Selfen fo Eunftreih und klug,
Als ob eine Brück' er den Städtern ſchlug. —
Einft fehrt von der Wandrung der Alte nah Haus,
Er hatte beftanden den rühmlichften Strauß.
Es jauchzt ihm das Herze, ale hoch auf den Höhn,
Er fieht feinen Jungen fo ftattlih und fchön:
„Ihr ziehet die Stirne ſtets finfter und kraus,
Herr Vater, fo oft Ihr nur wandert hinaus;
„Doch kehret Ihr mieder zur Heimath zurüd,
Dann ftrahlet fo freudenverflärt Euer Blid.
„Mich dürſtet's nach Thaten, es treibt mich zum Kampf,
Aufwirbeln nur feh’ ih vom Stäbtlein den Dampf.
„Herr Vater verfucht ed und nehmet mich mit,
Zufrieden feyn follt Ihr mit meinem Ritt!” —
mn Was fommt dir zu Sinnen, du winziger Daus?
Du willſt in die Welt mir vor Zeiten hinaus
„Herr Vater, fo prüfet nur einmal die Kraft,
Die weichlih durch Müßiggang endlich erfchlafft 1" —
„Und willſt du denn opfern ben Frieden zu Haus
Dem Kampf mit dem Zwergen, dem nächtlichen Graus:
‚Heidelberg. 545
„So will ich zur Probe dir fegen ein Ziel,
Das felbft deinem Bater nicht dünfet ein Spiel;
„Und Löfeft vieleicht du's in Jahresfrift,
Dann mögeft du wandern nad) eignem Gelüſt!“
Los reißt nun der Alte. den riefigften Stein
Und wieget ihn erſt in den Händen fein;
Er fchleudert ihn hoch und es braufet die Luft,
Wild brauſt e8 das Echo durch Thäler und Kluft;
Erft jenfeits des Nedar’s der Urgranit
Mit Donnergepolter hernieberglitt.
Als das der Junge vollendet fieht,
Bor Freude fein ganzes Wefen erglüht;
Er reißt einen Felsblock fi) Tachend los,
Noch einmal fo ſchwer, noch einmal fo groß,
Und ſchleudert ihn hoch — daß die Gegend erbebt —
Auf den erften, den er im Falle begräbt.
Als nun dieſes Wunder ber Vater erfchaut, i
Vor'm eignen Sohne dem Alten es graut.
Nachdem er noch einmal gemeſſen ben Sohn,
Dreht flumm er den Rüden und fchreitet davon.
Und fröhlichen Sinnes, ein mächtiger Held,
Zieht jubelnd der Sohn in bie weite Welt,
Wohin die beiden Riefen gewallt,
Die Kunde davon wohl nirgends erfchallt.
Nur beide Felfen im fühlen Grund
Nennt Riefenftein noch des Volkes Mund.
Heinrich Künzel.
Aus be Pedichtſammlung: „Fliegende Blätter” von H. Künzel. Frankfurt
Il. 39
546 Heidelberg.
Der Wolfsbrunnen.
Als der bei. Heidelberg liegende, nun Settenbühl genannte
Hügel noch dichter Wald war, wohnte in feinen Schatten eine
Seherin, Namens Jetta. Doch und würdevoll warihre Geftalt und
in Schönheit und Anmuth der einer Unfterblichen glei. Ein ebler
Jüngling aus dem Franfenvolfe, zu dem der Ruf von dieſer
Seherin gedrungen war, faßte den Entſchluß, fie aufzuſuchen
und fie über fein Fünftiges Schidfal zu befragen. Sein Herz
fannte feine Furcht; ald er aber nun in ihrem Haine vor ihr
fand und eine Jungfrau aus Walhalla zu erbliden wähnte, ge-
rieth er in Verwirrung und konnte vor einer Weile feine Ans
rede nicht vorbringen. Endlich fprach er in fhüchternem Tone:
„Hohe Jungfrau! Dir ift, wie mir der Ruf verfündet, bie gött-
lihe Gabe verliehen, Kar in die Zufunft zu ſehen; wollteft du
mir nicht auch weiffagen, welch ein Loos meiner wartet?“ —
Setta warf einen forfihenden Blick, der aber bald in ein wohl-
gefälliges Lächeln überging, auf den jungen Helden und er-
wieberte:
„Morgen Abend, fobald fi) die Sonne zum Untergange
neigt, ftelle Dich wieder hier bei mir ein; ich will indeflen bie
Runen über deine Zukunft befragen !«
Der Ssüngling verfehlte nicht, des andern Tages pünktlich
um die beflimmte Zeit im geweihten Haine zu erfheinen. Er
traf die Seherin in trübe Gedanken verfunfen. „Was haben die
Runen geantwortet ?” frug er leife. Jetta fehüttelte wehmüthig
das Indigte Haupt und erwieberte mit einem Seufjer: „Die
Deutung ift mir nicht ganz klar geworden; allein ich fürchte,
unfre Lebenöfterne berühren ſich.“
„Dann wär’ ich ja überglücklich!“ — rief der Jüngling, ihr
zu Füßen flürzend und ihre Hand ergreifend, bie er mit glü-
henden Küffen bebedte. — „Wilft Du denn bein Loos an das
meinige fnüpfen 2” — fragte die Jungfrau. "Der Jüngling ſchwur
ihr bei allen Göttern, fortan nur ihr allein anzugehören.
„Dann muß unfer Glück vor ben Augen ber Menfchen vers
borgen bleiben!“ — flüfterte mit bebenden Tippen bie Seherin
und bezeichnete ihm die Duelle, die nahe bei jenem Haine fprus
Heidelberg. 547
delte, zum Ort ihrer ferneren Zufammenfünfte, wozu jedoch
nur die Nacht gewählt werben dürfe. Aber ſchon in der erften
Nacht, als der Liebeglühende Jüngling zur Duelle fam, bot
fih ihm ein entfegliches Schaufpiel dar: Jetta Tag, bereits leb⸗
los, unter den Klauen eines mächtigen Wolfes, der ihre zarten
Glieder zerfleifchte,, zu Boden. Der Mond beleuchtete die gräß-
liche Scene. Der Jüngling flürzte augenblidlic mit gezücktem
Schwert auf das Unthier los, welches ihm nach kurzer Gegen-
wehr, von feiner Klinge durch den dampfenden Schlund ge-
bohrt, erlag.
Dann begrub er feine geliebte Jetta unter heißen Thränen
an der Duelle und fih felbft in die Waldeseinfamfeit einer
Klaufe nahe dabei, "wo er wenige Monde darauf aus Schmerz
auch fein Leben verhauchte.
Seit jener Zeit führt die Quelle den Namen Wolfs⸗
brunnen.
(S. Al. Schreiber's „Sagen 2c.”)
(Ferner: „Die Sage vom Volfsbrunnen.‘ Bon Amalie von Hel⸗
wig, geb. v. Imhof. Holbg. Engelmann. In verfchiedenen Ausgaben.)
Die Sage vom Wolfsbrunnen.
- (Metrifhe Berfion.)
Schon fpiegelt auf des Nedars Fluth
Der Mond fein wachfend Horn ;
Wer wallt noch flinf und wohlgemuth
Waldein zum grünen Born?
Ein Mägdlein iſt's, vom Settenbühl
Die fhöne Seherin;
Setreuer Minne Machtgefühl
Ermuthigt ihren Sinn.
Allabendlih zum Waldborn fam
Ein fremder Jägersmann,
35
548
Heidelberg.
Ein Rede fühn und minnefam,
Den Jetta liebgewann.
Dft bei Des Mondes Dämmerſtrahl
Hat fie der Duell belaufcht,
Da ward gefoft fo manches Mal -
Und Kuß um Kuß getauft.
Auch heute wagt fie ihm zur Huld
Den fpäten Pilgergang,
Bor heißer Herzensungeduld
Deucht ihr der Pfad fo lang.
Sie hat nicht Ruh, le Hat nicht Raft,
Es drängt fie mehr und mehr,
Waldvöglein fang vom Tannenaft:
„O eile nicht fo ſehr!“
Bald naht dem Ziel ihr flinfer Fuß,
Sie fieht, von Buſch umzweigt,
Den Buhlen fhon: „Mein Schag, biſt du's 9*
Er vegt ſich nicht und ſchweigt.
Da flog das Mägdlein fehnfuchtsfchnell
Ihm zu — mit Ungeftüm
Umfängt fie, weh! nicht ihr Gefell, —
Ein lechzend Ungethüm.
Ein Wolf, der dort den Durft geftillt,
Hält gierig fie umflaut,
Vom Blut, das ihrem Leib entquillt,
Wird Bufh und Moos bethaut.
Hört in der Runde denn fein Ohr
Ihr herzzerreißend Schrei’n ?
„DO Baidmann! Waldmann, fomm hervor,
Dein Liebchen zu befrei'n!“
Heidelberg. 549
Horch auf! er if’, er eilt herbei,
Gewaltig trifft fein Streid,
Das Unthier flürzt, bie Maid ift frei,
Doc leichenkalt und bleich.
Sie blickt zum letzten Mal ihn an,
Der Glück und Tod ihr gab,
„Bahr wohl, berzlieber Jaͤgersmann!
Mein Brautkranz fällt in’d Grab.”
Ihr Auge brach am Jettenbühl,
Wo lebend ſie gehauſt;
Da ruht die Jungfrau tief und kühl,
Von Neckarfluth umbrauſt.
Bei Heidelberg im Pfälzerland
Begab fich dieſes Leid;
Wolfsbrunnen ward der Duell genannt
Sofort von jener Zeit.
Dies Lied findet fi, ohne Angabe des Verfaflers, in 3. Baader’s
„Sagen des Nedarthals, der Bergſtraße und des Odenwalds sc. (Mann
heim. Baffermann. ©. 137 und ff.) nebft folgenden Noten :
Die ältefte Kunde berichtet: Einf habe die Zauberin Jetta, bie
auf dem Schloßhügel bei Heidelberg haufle, an einem fonnigen
Tage ihre Wohnung, eine alte Kapelle, verlaffen, um ihren müben
Geift durch einen Spaziergang auf den Bergen zu erquiden. Das Schick⸗
fal Habe ihre Schritte über die Hügel in ein Thälchen geleitet, wo bie
bichtefte Waldung den moofigen Boden bededte. Entzüdt von dem rau»
ſchenden Gewäfler und dem fühlen Schattengrunde, fey fie an der Duelle
daſelbſt niedergefnieet, um die glühenden Lippen in den klaren Wellen
‚zu erfrifchen. Da habe eine hungernde Wölftn fle erblickt, und plötzlich
mit ihren Jungen aus dem Gebüfche hervorſtürzend, die Weiffagerin,
bie flehend ihre Hände um Rettung zum Himmel erhob, auf der Stelle
in Stüde zerriſſen ıc.
Nach mehreren Schriftftellern fol diefe Jetta Niemand anders
als die Belleda der Bructerer gewefen ſeyn, was jedoch gewiß
eine grundloſe Behauptung iſt. Aus römifchen Hiftorilern erfehen wir
blos, daß Velleda gefingen nad Rom geführt wurbe; daß fie aber
jemas zurückgekehrt, darüber mangeln uns alle Nachrichten. Sehr an⸗
muthig erzäpft Hat Amalie von Helmwig, geb. v. Imhofkt, die
„Sage vom Wolfsbrunnen.“
550 Heidelberg.
Der Rolfsprunnen bei Heidelberg.
(Andere Berfion.)
Sinnend unter Buchenbäumen
Setta faß, die Seherin,
Saß vertieft in ihren Träumen,
Blickte traurig vor fich hin.
Und zu ihren Füßen fpielte
Kiefelflar ein frifher Duell;
Jetta, warum bu fo düſter,
Und die Duelle doc fo heil?
Fraget nicht, fie hat gelefen
In den Runen ihr Geſchick.
Heiter war ſie einſt geweſen;
Ach, zerſtört nun iſt ihr Glück!
Fluch dem Blick in künft'ge Tage!
Unglückſel'ge Seherin!
Haft dein Todesloos erſpaͤhet!
Deine Ruhe iſt dahin!
Sp, in Träume hingeſunken,
Hörte ſie den Jüngling nicht,
Der, die Aeſte vor ſich theilend,
Aus dem Buchendunkel bricht;
Sah nicht, wie er, tief erſchüttert,
Stille ſteht vor ihrem Bild,
Wie vom Götterſtrahl getroffen,
Wie von Himmelsluſt erfüllt!
Und ſo ſtand der Juͤngling lange,
Bis ſie, aus dem tiefen Traum
Aufgewacht, nach Oben ſchaute
Zu dem blauen Himmelsraum.
Da, geheimnißvoll durchſchauert,
Fiel auf ihn ihr Seherblid,
Und von höh’rer Luft ergriffen
Fuhr er gluthentbrannt zurück:
Seidelberg. 551
„Seherin, ich bin gelommen
Aus dem fernen Franfenland,
Mein Geſchick von dir zu hören,
Wie fih’3 in den Runen fand.”
Und er wollte weiter reden,
Doch im Herzen blieb das Wort,
Nur die Röthe feiner Wangen
Sprad es Teife für fih fort.
Und, wie von ber Abendröthe
Nofenfcheine überftrahlt,
Glühend roth die Wolfen glänzen,
Keurig fih der Himmel malt,
Alfo faß, von Gluth umfloflen,
Setta bier am Quellenrand:
„Morgen folft du Alles hören,
Wie ich's in den Runen fand !"
Als der Morgen war gefonmen,
Stand der Jüngling wieder ba,
Und die Seherin verfündet,
Was fie in den Runen fah:'
„Fremdling, deines Lebens Loofe
Knüpfen fih an meine an;
Denn mit Jetta follft Du geben
Zu Walhalla's Burg hinan !«
Da, im Uebermaß der Wonne,
Daß nicht Wahnfinn fey fein Traum,
Wirft er fich zu ihren Füßen
Freudetrunken, glaubt es kaum;
Und wie einem Heil’genbilbe
Küßt er zagend ihre Band;
Und die Herzen find vereinet,
Und gefchlungen ift das Band.
Bon der Heimath weit getrennet,
Ferne von des Baterd Haus,
Heidelberg.
Hat er Setta ſich verſchworen,
Bis ihm loͤſch' Das Auge aus.
Hier, beim Schein der flillen Sterne,
Sol er ruhn an ihrer Bruft,
Sn dem heil'gen Buchenhaine
Trinken füge Liebesluſt.
Sp von Sehnſucht heiß erglühet,
Bis Die Sonne wieder finkt,
Und zum fel’gen Wiederfehen
Abendſtern ihm freundlich winkt,
Irrt er auf den grünen Hügeln,
Auf den Schlöffern rings umher;
Denfet nur der Sternenflunden,
Denft nicht feiner Heimath mehr!
Aber, ah! als er fo glühend
Dei dem nächſten Sternenfchein
Zu der Duelle wieder eilet,
Hin zu Jeita's heil’gem Hainz
Ach! die Seele muß vergehen
Bor dem fohredlichen Geficht,
Das fich gräßlich ihm enthüllet,
Als er durch die Zweige bricht.
Die er wähnte zu begrüßen,
Zu umfaffen liebentbrannt, —
Setta liegt im Todesblute
An der fühlen Felfenwand !
Wo ihr himmelblaues Auge
Lächelte ihn freundlich an,
Grinft ein Wolf und firedt die Zunge
‚Blutgefärbt zu ihm heran!
Bon Berzweifelung ergriffen
Stredt er ſchnell das Unthier hin,
Mirft ſich auf die ſchöne Leihe —
Eine Sonne im Berglühn! —
Heidelberg. 553
Und, von wilden Zahn zerfleifchet,
Liegen Glieder rings herum!
Eine free Mördergrube
Iſt das file Heiligthum!
Biele Jahre find verfloffen,
Doch die Duelle riefelt fort 5
Und die Buchenbäume flüftern
immer noch von Jetta's Mord;
Selbſt die Goldforellen unten
Sn des Brunnens tiefem Grund,
Laufchend auf der Blätter Säufeln,
Tragen ihn von Mund zu Mund!
Fliegendes Blatt.
Am Wolfsbrunnen bei Deidelberg.
Du edler Brunnen du, mit Ruh und Luft umgeben,
Mit Bergen hier und dort ald einer Burg umringt,
Du herrlichſter der Quell'n, aus welchem Waffer dringt,
Anmuthiger denn Milch und Föftlicher denn Reben. _
Du unfers Landes Kron’ und Haupt, in feinem Leben
Die werthe Nymph' oft felbft die lange Zeit verbringt,
Du, dep’ Geflügel ihr zu Ehren Lieblich fingt,
Wo nur Ergöglichkeit und keuſche Wolluſt ſchweben.
Vergeblich bift Du nicht in dieſes grüne Thal
Beichloffen von Gebirg und Klippen überall;
Die fünftfiche Natur hat darum dich umfangen
Mit Klippen und Gebüfh, auf dag man wiſſen foll,
Daß alle Fröhlichfeit fey müh- und arbeitsvoll,
Und daß auch nichts fo ſchön, es fey ſchwer zu erlangen.
Martin Opig.
954
Deidelberg.
Der Settabühl.
Als noch im Reiche der Germanen
Der Adler Roms fein Neft gebaut,
Als in den Wäldern unfrer Ahnen
Des Ehriftenthumes Morgen graut’,
Und unter taufendfähr’gen Eichen
Der Barde feine Lieder fang,
Da war ed, als aus diefen Zweigen
Prophetifch manches Wort erflang.
Noch prangten hier nicht kühn Paläfte,
Bon wilden Leben laut durchbrauſt,
Noch wehte Frieden Durch die Aefte,
In deren Schatten Jetta hauft.
Bon Gottes Geift hHinweggeriffen
Aus einer Welt vol Wahn und Schein,
Sog aus des Waldes Finfterniffen
Sie hier nur Troft und Frieden ein.
Don der Begeiftrung Schwung getragen,
Umrauſchet von der Dichtung Weh’n,
War ihr die Zukunft aufgefchlagen,
Das Fernfte fah fie vor fih flehn.
Bon nah und weit, von jedem Orte
Zog man zum Settahügel hin,
Zu laufchen dort dem Seherworte
Der jungfräulichen Zauberin. ?)
So ftand fle einſt im Abendftrahfe,
Weit flatterte ihr weiß Gewand,
Die Blicke ruhten auf dem Thale
Und auf dem Bufen ihre Hand.
Wie glänzen ihre blauen Augen
In wunderbarem, büftern Licht!
Ein höh’red Sein ſcheint aufzutauchen,
Entzücken ftrahlet ihr Geficht.
Heidelberg. 555
„Ihr alten Eichen, ihr müßt fallen!” —
Sp ruft fie hochbegeiftert aus —
„An eurer Stätte tragen Hallen
Und fohlanfe Säulen bald ein Haus,
Das, wechfelnd in der Zeiten Drange,
Erglänzen wird in ſtolzer Pracht,
Und deſſen Ruhm Jahrhundert lange
Durchleuchten wird des Reiches Nacht.
„Doch Frühlingsluft weicht Sommersgluthen,
Dem Winter wird der Herbſt zum Raub,
Allmächtig iſt der Zeiten Fluthen,
Es reift die Frucht, es ſinkt das Laub.
So wird auch dieſes Schloß zertrümmern,
Zerſtäuben ſeine Herrlichkeit;
Doch feine Söhne werden ſchimmern
Im Glanze der Unfterblichfeit !
„Und wenn die rohe Kraft erlegen,
Dann wird die Weisheit auferflehn,
Und fröhlich wird ihr reicher Segen
Durch diefes Thales Gründe wehn.
Erwachen wird ein edles Streben
In jedes guten Menfchen Bruft,
In Harmonie löſt fih das Leben,
Und felbft das Sterben wird zur Luft.” —
So rief fie Taut, und Ahnungeſchauer
Durchrieſelten die Scherin.
Wehmüthig raufcht, in tiefer Trauer,
Der Wind durch ihre Eichen Hin.
Sie ging, gebeugt von heilgen Sorgen,
Wohl tiefer in den düftern Wald,
Doch fand fie fhon der nächſte Morgen
Am Fuß des Hügeld tobt und Falt.
Heribert Nam.
1) Nach den alten Epronifen und der allgemeinen Volksſage wohnte
zur Zeit der Brufterifchen Seherin Velleda eine Jungfrau, Namens
Jetta, auf dem Hügel, worauf jeßt das Heidelberger Schloß fteht
556 Heidelberg.
und welcher noch der Jettabühl genannt wird. Sie hielt fih in
einer uralten Kapelle auf, deren Trümmer noch zur Zeit, als der Pfalz
oraf Frie der ich (um's Jahr 1544) einen ſchönen Palaft baute, wel⸗
then man den „neuen Hof” nennt, zu fehen waren. Diefes Weib war
wegen ihrer Wahrſagekunſt weit und breit berühmt, verließ aber nur
felten ihre Kapelle, wahrſcheinlich um fih ein geheimnißvolleres An-
fehen zu geben. Ward fie um Rath gefragt, fo gab fie Antwort durd
ein kleines Fenſter, ohne fich felbft fehen zu laffen. Unter Anderm ver»
fündigte fie in Reimfprüdhen: ⸗Es wäre über ihren Hügel befchloffen,
daß er in künftigen Zeiten von hochfürſtlichen Männern, welche fie mit
Namen nannte, follte bewohnt, bewehrt und geziert, und das Thal
unter demſelben mit vielem Volk befeßt werden.“
(3. Baader’s „Sagen ver Pfalz, des Redarthals 20.)
Der Königsſtuhl. *)
Gar treuherzig erzählen Joh. Sabellicus und Johann
Agrikola, auf der Spise dieſes Berges habe ein alter teut-
fher König, Eftermann mitNamen, fid) um 2250 vor der
riftlichen Zeitrechnung einen Stuhl oder Sit gebaut, und
diefer fey von Caroceus im Jahr 442 nah Chr. G. zerftärt
worden, ‘
Noch in fpäter Zeit fland auf der Spike des Berges eine
mächtige Eiche mit Sigen, welche man den Königsſtuhl nannte,
Es ift Darum nicht unwahrfcheinlich, daß einer der fränfifchen
oder teutfchen Könige diefen Berg beftiegen, ſich unter der Eiche
ausgerubt, und die Stelle Davon den Namen erhalten. Oder
follte der gepflafterte Hinweg auf ein höheres Alter deuten und
auf diefer Höhe ein Kaftell geftanden haben ?
(S. „Heidelberg und feine Umgebungen,” von A, Schreiber, Heidbg. 1811.)
*) Seit Kaifer Franz t. 3. 1815 diefen Ort befuchte, wurde ber
Name zum Kaiſerſtuhl erhoben. Auf der Spibe des Berges warb
1832 , aus freiwilligen Beiträgen, um der herrlichen Ausficht willen,
ein Thurm erbaut.
— — — — —
Heidelberg. 557
Der Heiligenberg.
Vom fhöngglegenen Dorfe Neuenheim *) aus führt der
"am wenigftien mühfame Weg auf diefen Berg, ber fi 1320
Pariſer Fuß über den Spiegel ded Mittelmeers erheben fol.
Ein Pfad windet ſich durch reiche Pflanzungen von Reben, Obft-
und Kaftanienbäumen zu feinem Gipfel empor, den anmuthige
Laubwaldung umfränzt. Wahrfcheinlich ift Diefer Berg der Mons
Pyrus, welchen Ammianus Marcellinus erwähnt. Die Römer
meihten ihn dem Merkur. Zwei bier befindliche Höhlen, Die
Heidenlöher genannt, und mancherlei daſelbſt gefundene
Alterthümer erinnern fowohl an römische Nicderlaffungen, als
an bie urteutfche Zeit; auch hat man noch Refte eines römifchen
Kaſtells entdedt, das ohne Zweifel von den Franken ober
Alemannen zerflört wurde. In der hriftlichen Zeit erhielt
diefe Höhe den Namen Abrabamsberg, und die Abtei
Lorfch ließ hier ein Benedictinerffofter bauen, von dem man
nur noch einige Trümmer fieht. Die Benennung Heiligen
berg fol im eilften Jahrhundert entftanden feyn, weil Damals
ber von feinen Mönchen vertriebene Abt des Kloſters Hirfhau
bei diefen Benedictinern eine Zufluchtsftätte gefunden, und fpäter
unter die Heiligen verfegt wurde. Nach der Volksſage war
au in der Vorzeit eind der Heidenlöcher durch einen un-
terirdifchen Gang, der einen Tunnel unter dem Nedar bildete,
mit den Gewölben des Heidelberger Schloffes verbunden. **)
Auf dem Gipfel des Berges entzüdt ung eine herrliche Ausficht.
(Bergleihe K. Geib'!8 „Malerifh Hiftorifhe Schilterung der Nedargegenden 20.
Seite 37).
*) Im Ichten Haufe diefes Dorfes fol Luther auf feiner Reife
zum Wormfer Reichstag übernachtet haben.
xx) Vom Schloſſe geht ein unterirdifcher Bang, unter dem Nedar
binweg, auf den Heiligenberg, in beflen Tiefe reiche Schäße,
und auch die zwölf Apoflel von gediegenem Silber, verborgen Liegen.
(Siehe Mone's „Anzeiger 20,” Jahrg, 1838.)
508 Heidelberg.
Puncker von Rohrbach.
(Seitenftüd zur Wilhelm Tell’ 8-Sage.)
Der Pfalzgraf zu Nhein, Ludwig der Bärtige ge
nannt, weil er feinen Bart mit bejonderer Sorgfalt pflegte,
hielt im Jahr 1426, nachdem feinem Gebiete Kaiferliche Län⸗
bereien zugefallen waren, das feſte Schloß Lindendbrunnen
um deßhalb belagert, weil die Burgbewohner mehrmals räu-
berifche Streifzüge in die Umgegend unternommen hatten. In
feinem Gefolge befand ſich ein Scharffehüge, Namens Punder
von Rohrbach, *) welcher im Gerude der Zauberei fland
und ein folcher Künftler auf der Armbruft war, daß er auf)
das Hleinfte und fernfte Ziel niemals verfehlte. In kurzer Zeit
war bie ganze Befagung des belagerten Schloffes, auf ihren
jeweiligen Ausfällen, den Bolzen des furchtbaren Scharfihügen
erlegen.
Ein folder Dann konnte nicht anders als dem Pfalzgrafen
gefährlich erfcheinen und mußte ihn für fich ſelbſt fürchten laſſen,
fo treffliche Dienfte im Feld und auf der Jagd er ihm Teiitete,
Um ihm nun eine Falle zu ftellen und ihn zum eigenen Ge⸗
fländniß feiner Zaubereien zu bringen, befahl er ihm eines Ta=
ges, feinen Knaben fih zum Ziele zu nehmen, demfelben einen
Pfennig aufs Barett zu legen und dieſen, ohne das Barett zu
verlegen, mit einem Pfeile vom Kopfe feines Söhnchens her-
unterzufchießen. Erfül? er dieſe Bedingung nicht, fo fey er des
Todes. Lange weigerte fih Punder, mit der Entfehuldigung,
der Teufel könne ihm möglicherweife die fonft fo fichere Hand
fehllenfen, und dann fey er ihm und dem ewigen Untergang
verfallen. Doch alle Bitten und Befchwörungen fiheiterten an
bem harten Herzen des Pfalzgrafen: Der Knabe, mit dem
Barett und dem Pfennig auf dem Kopfe, mußte fih in einer
gewiffen Entfernung als Ziel ftelen. Da zog der unglüdliche
Bater, nachdem er einen Bolzen der Armbruft aufgelegt hatte,
einen zweiten Pfeil hervor und ftedte ihn in feinen Koller,
worauf er losdrückte und den Pfennig, ohne das Barett nur
zu fireifen, glüdlih vom Haupte des Knaben herunterfchoß.
*) Dorf, 1 Stunde fühweitlih von Heidelberg.
Heidelberg. 559
Auf die Frage des Pfalzgrafen, zu welchem Zwed er einen
zweiten Pfeil in fein Koller geftedt habe, gab ibm Punder
zur Antwort: „Wenn id, von dem Teufel, ob folder Ver⸗
fuchung mißlenft, meinen Knaben erfchoffen hätte, dann Herr,
würde ih augenblidiih, da ich Doch in dieſem Falle dem
Tod wäre geweiht gewefen, Euch felbft mit diefem andern
Pfeile durchbohrt, und fo meineg Sohn gerochen haben!”
Ueber das Weitere fchweigt die Sage, welche Tateinifch im berüch-
tigten Buche: ‚‚Malleus Maleficarum ‚‘“ („Heren-danmer-), lib. I.
cap. XVI. und als Auszug auch im II. Bande der „Schriften des Ba-
diſchen Altertfumsvereing ‚« Seite 250, zu finden ifl. Im Teßterem
fügt Mone folgende Anmerkung bei:
„Die Heimath dieſes Mannes iſt in dieſer Sage auch genannt,
nämlih Rohrbach (bei Heidelberg) Wormatiensis dioecesis. (Im
Wormfer Kirchenfprengel). Die Mebereinftimmung mit der Sage vom
Tell if augenfällig, nur if der Schuß noch Fünftlicher, nämlich nad
einem Pfennig (denarium) flatt nach einem Apfel; deshalb erklärt
aber auch bie Sage den Punder für einen Herenmeifter (Maleficus).
Der Malleus maleficarum wurde um 1396 gefchrieben, und da der
Berfafler in biefer Sage um 60 Jahre zurüdweift, fo würde der Scharf-
fhüße Punder in das Jahr 1426 fallen und ver bärtige (bort unge
nannte) Fürſt war demnach Tein anderer, als der Pfalggraf Ludwig
Der Bärtige, welcher 1436 flarb.-
AH. Schzlr.
+29 Ge
Neckarthal und Odenwald.
S0
Der Ritter von Angeloch. *)
Als der heil. Bernhard im Dome zu Speyer das Kreuz
predigte, ließen fich viele Edle am Rhein damit bezeichnen und
unter ihnen auch der Ritter von Angeloch, deffen Burg einige
Stunden von Heidelberg lag. Er hatte eine junge ſchöne Gat-
- tin und zwei hoffnungsvolle Knaben; aber fo fehr auch fein
Herz an Weib und Kindern hing, fo fiegte Doch die fromme
Schwärmerei jener Zeit über feine zärtlichen Gefühle, und er
ſchloß fich den Zügen der Kreusfahrer an, nachdem er feine Lie⸗
ben dem Schuße des Ritters Konrad von Asbach empfohlen,
der am Nedar wohnte und zwar ein tapferer, aber auch) äußerft
habfüchtiger, überdies fchnöden Lüften ergebener Mann war,
welche Fehler der Ritter von Angeloch freilich nicht in ihm ver⸗
muthete.
Ein Jahr war ſeit des Letzteren Abreiſe verfloſſen, als ein
Knecht deſſelben mit der Trauerbotſchaft aus Paläſtina heim⸗
kehrte, ſein Herr ſey in einem Gefechte mit den Ungläubigen an
feiner Seite gefallen. Als Wahrzeichen übergab er der Frau
Irma den Ring, welchen er ihrem fterbenden Gatten vom
Singer gezogen.
Die unglüklihe Wittwe verfanf in troftlofen Schmerz. Ste
hüllte fih in Trauerkleider und ließ viele Meſſen Iefen für bie
Ruhe des Hingefhhiedenen.
Sp gingen ſechs Monate vorüber, während welder Zeit
*) Schloß und Pfarrdorf, von Nedargemünd anderthalb Stunden ſüdöſtlich entfernt.
Redartpalund Odenwald, 564
Frau Irma eingezogener als eine Wittwe Iebte und fi außer
ihren gottesdienftlichen Uebungen blos noch der Erziehung ihrer
beiden Knaben widmete. Da befuchte fie eines Tages der Ritter
von Asbad auf ihrer Burg und warb um ihre Hand, was fie
aber auf glimpfliche Weiſe ablehnte. Dies hielt ihn jedoch nicht
ab, feine Bewerbungen, und zwar immer zubringlicher, zu
wiederholen, bis Frau Jrma rund und beftiimmt erklärte, fie
werbe niemals zu einer zweiten Ehe fchreiten. Nun warf ber
ungeflüme Dränger bie heuchlerifche Maske ab, die er ald Schußs
best der Wittwe angenommen und Yieß diefelbe willen, fie habe
nun feine andere Wahl mehr, als feine Hand oder feine Feind⸗
fhaft, die auch ihre Söhne nicht verfchonen werbe.
Frau Irma wurde von Todesangft ergriffen. Gerne hätte
fie das Leben für ihre Kinder hingegeben, allein das Opfer,
welches fie bringen follte, war größer. Nichte aber iſt zu fchwer
für ein Mutterherz. Sie entfchloß fich endlich, die Gattin bes
yon ihr verabfcheuten Mannes zu werden, nur bat fie, das
Trauerjahr als Wittwe ganz vollenden zu dürfen, welche Be⸗
willigung fie nur mit Mühe vom Ritter von Asbach erhielt.
Wieder gingen ſechs Monate vorüber und der Tag rüdte
heran, an welchem Irma ihren Wittwenfchleier mit dem Braute
gewande vertaufihen follte. Je näher aber der gefürchtete Zeit-
punkt fam, defto unfäglicher warb ihre Dual. Sie zerfloß in
Gebet und Thränen und verließ am leuten Tage vor der Ver⸗
mählung faum für Augenblide die Schloßfayelle. Ihr Beicht-
vater fprac ihr Troft zu und ermahnte fie zum Vertrauen auf
Gott, der ja dem Menfchen nicht mehr aufzulegen pflege, als
er zu tragen im Stande. Da ihr Leiden ein unverfchuldetes fey,
bleibe ihr ja der Troftg eines reinen Gewiſſens. — Die Worte bes
frommen SPriefters übten eine wunderbare Wirkung auf die ges
beugte Frau, fie fühlte fih im Innerſten erleichtert und ver⸗
ließ die Kapelle weit gefaßter, als fie diefelbe betreten hatte,
Noch am Abend des nämlichen Tages kam ein Pilger in
das Dorf, welches in geringer Entfernung von Burg Anges
loch lag. Der Mann war in einen langen, dunklen Mantel
gehüllt; aus ber zurüdgefchlagenen Kaputze blisten ein paar
fühne Augen; das Haar fehlen frühzeitig ergraut; die Züge
bes Antliges waren fein, die Wangen yon -Wind und Wetter
II 36
562 Redartbalund Odenwald.
gebräunt; um bie ſchön geformten Lippen lag aber ein Aus;
druck von Bitterfeit, der nur zuweilen einem freundlichen, vers
traueneinflößenden Lächeln wid).
Auf feinem Gange durch das Dorf fehien der Fremde noch
unentfchloffen, wo er einfehren follte, bis er endlich den Weg
zu ber Schenfe einfhlug, die das äußerſte Haus des Dorfes
war. Hier zog er feine Kaputze über den Kopf und trat in bie
Stube.
„Volt Ihr einem Pilger eine Nachtherberge geben ?” —
frug er den Wirth,
„Recht gerne, warum denn nicht?” — erwieberte biefer
freundlich und wies dem neuen Gafte einen Platz an dem Tifche
an, woran bereits der Schmied, der Wagner und der Fleifcher
des Dorfes bei einigen Kannen Bier faßen. Der Pilgrim zog
es jedoch vor, fih an einem Nebentifche niederzulaffen und
ſchien wenig Luft zu haben, an der Unterhaltung der Anderen
Theil zu nehmen. Bald aber lenkte ihr Geſpräch, welches fi
über die morgen flattfindende Bermählung der Edelfrau von
Angeloch verbreitete, feine volle Aufmerffamfeit auf fih. Wer
ihn in diefem Augenblide beobachtet hätte, müßte bemerft has
ben, daß eine Leichenbläffe fein Antlig überzog und er am
ganzen Körper zitterte, wie vom Fieberfrofte gerüttelt. — „Die
arme gnädige Frau!” — rief der Wirth — „man raunt fich
fchredfiche Dinge ind Ohr über das Verhältniß des Ritters
yon Asbach zu ihr.’ — „Nein, man fagt’s fa laut und öffent⸗
lich“ — fiel der Schmied ein; „der ſchlimme Ritter hat ihr
gedroht, ihre Kinder umbringen zu laſſen, wenn fie nicht mor⸗
gen freiwillig ihm ihre Hand vor dem Altare reiche.“
„Weiß man denn fo gewiß, daß ihr Gemahl in Paläftina
den Tod gefunden?” fragte jet der Pilger mit bebender
Stimme.
Der Wirth erzählte den Bericht des Knechtes, welcher ben
Ring des Ritters von Angelo ald Wahrzeichen heimgehracht
hatte. “
„Der Knecht hat nicht gelogen ;” — verfehte der Pilger —
„deffenungeachtet befindet fi aber ber Ritter von Angelo
noch unter den Lebenden.”
Nedartpalund Odenwald. 563
„Waͤr's möglich!” — riefen Wirth und Gäfte wie aus einem
Munde.
„Sp iſt es;“ — erwiederte der Pilger, — „denn ich habe
bie Nüdreife aus Paläftina nach Teutfchland an feiner Seite
gemadt.«
„Seine Wunde war alfo nicht tödtlich 9" fragte der Wirth.
„Er lag ſchwer getroffen von einem Kolbenfchlage wie ein
Todter unter dem Haufen der Gefallenen; aber glüdlicher Weife
blieben die Chriften zulegt Herren des Schlachtfeldes, und als
man den Ritter von Angeloch mit den übrigen Erfchlagenen be⸗
graben wollte, ward man noch einige Zeichen des Lebens an
ibm gewahr und brachte ihn in ein benachbartes Hospital, wo
er, obwohl äußerfi langſam, doc endlich ganz von feinen
Wunden genaß. Ohne Zweifel wird er noch zeitig genug bier
eintreffen, um dem Hochzeitfeft auf feiner Burg zuvorzufommen.»
„Wollte Gott, dem gefchähe fo!” riefen bie Anwefenden
einhällig.
„Kann er wohl noch auf feine Unterthanen rechnen ?’ —
fragte der Pilger.
„Das will ich meinen ’—fchrieen der Schmied und ber Flei⸗
fer, ihre flämmigen Fäufte auf den Tiſch fchlagend, daß die
Flaſchen Hirten — „Wir Alle geben Gut und Blut für unfern
gnäbigen Herrn !“
est ſchlug der Pilger feine Kappe zurüd: „Seht ihn hier
vor Euch ſtehn!“ rief er und bot ihnen bie Hand, die fie mit
Küffen überdedten.
Nah dem erften Erguß ihrer Freude über Diefe unerwartete
Heimkehr wurde verabredet, der Schmied, der Wagner und
der Fleiſcher follten alsbald in Angeloch und in der ganzen Um⸗
gegend foviel waffenfähige Mannfchaft zufammenbieten als
möglich, und fie noch im Laufe derfelben Nacht heimlich auf die
Burg führen; der Wirth aber übernahm es, ‚die Edelfrau auf
. die Erſcheinung ihres Gatten vorzubereiten, bamit ihr die
Ueberrafchung nicht Tebensgefährlich werben möge.
Sp gefhah es auch. Am andern Morgen um die neunte
Stunde nahte fih ein großer Zug von Neitern der Burg An⸗
geloch; ihnen voran fprengte der Ritter von Asbach in präch⸗
tigem Schmude, von drei anderen Edelleuten begleitet, die er
36”
564 Rekartpalund Odenwald.
als Zeugen zu der Trauung eingeladen hatte. In einiger Ent-
fernung folgte ein großer Kaufe anderer Bewaffneter. Kaum
war aber der rohe Bräutigam mit feinen drei Genoffen über
die Zugbrüde in den Schloßhof geritten, ald jene plöglih auf-
gezogen und er fomit von feinem übrigen Gefolge abgeſchnit—⸗
ten wurde. Wüthend. fhwang er fih vom Pferde und befahl,
die Brücke fogleich wieder aufzuziehen, da trat unverfeheng ein
ganz in Stahl gewappneter Ritter mit gefchloffenem Viſier aus
der Burgpforte auf ihn zu, grüßte defien Begleiter auf fittige
Weife und fprach dann mit ernfiem Tone:
„Edle Männer, was verdient wohl Derjenige, welcher das
Bertrauen eines Biedermannes, ber feinem Schuße fein theuer-
fies Gut empfohlen, auf das Schändlichfte mißbrauchte 2"
„Daß man ihin fein Wappenfchild und Schwert zerbredhe
und vor die Füße werfe!“ — antwortete der Aelteſte der Edel⸗
leute.
„Wohlan, ſo fol dir auch gefchehen, ehrlofer Ritter von
Asbach! !— donnerte jetzt der Gewappnete und offnete ſein
Viſier.
„Ha! der Ritter von Angeloch!“ — ſcholl es aus Aller
Kehlen, indefien Ritter Konrad zufammenbebte wie ein Ver⸗
bredher, dem fein Schuldbrief vorgelefen wird, und außer
Stande war, ein Wort zu feiner Bertheidigung hervorzubringen,
Der Ritter von Angeloch gab alsbald Befehl, die Zug-
brüde für den Elenden nieberzulaffen, der fih auch eiligft, von
den Spotitufen der Burgleute verfolgt, unter vielen Flüchen
entfernte. Die Edelleute, welche venfelben hieher begleitet hat⸗
ten, nahmen gern bie Einladung Des Herrn von Angelo an,
ftatt einer Hochzeit das Feſt feiner glüdlichen Heimfehr mit
ihm zu feiern, das auch unter überfirömendem Jubel feiner
Gattin und Kinder begangen wurde.
Der entehrte Ritter von Asbach befehdete zwar Furze Zeit
darauf den von Angeloch und fügte ihm großen Schaden bei,
aber der Pfalzgraf, als deſſen Lehnsherr, zwang jenen nicht
nur zum völligen Schabenerfage, fondern ließ auch fpäter die
Burg Asbach zerſtören, weil deren unverbefferlicher Eigenthüs
mer es wiederholt wagte, den Landfrieden zu brechen.
(S. Al. Schreiber's „Sagen auß den Rheingegenden und dem Schwarzwalde.“ 4829.)
——
Neckarthalund Odenwald. 565
Dilsberg.
Von dieſer oberhalb Nedargemünd liegenden ehemaligen
Bergveſte geht ohngefähr dieſelbe Sage, wie die von Muggen⸗
fturm. Auch von dieſer Burg aus ſoll nämlich einſt ein feindlicher
Sturm bloß durch herabgefehleuderte Bienenflöde, deren Be⸗
wohner über die Belagerer berfielen, zurüdgefchlagen wor⸗
ben feyn. — Im Jahr 1799 fuchten die Franzofen die Veſte zu
nehmen, wurben aber von den bort garnifonivenden Invaliden
und einem Haufen Odenwälder Bauern mit einem Verluft von
mehr als 70 Todten zurüdgeworfen. Noch zeigt man den |. g.
Tranzofenhügel, wo diefe Leichen ruhen.
Die Hochzeitfeier.
Am Grafenſchloß beim Kerzenfchein
Steht eine ſchwarze Bahre,
Drin ruht ein blaßes Mägdelein
Mit langem blondem Haare;
Im Antlig zucdt ihr noch der Schmerz,
Der ihr den Tod gegeben,
Doc flille flieht dag arme Herz
Und ruhet aus vom Leben.
Ein mächt'ger Herzog, ſchön und fein,
Hatt? ihr die Treu verſprochen
Und doch dem armen Mägbdelein
Nachher fein Wort gebrochen;
Hat ihr geraubt der Unſchuld Glück,
Sie treulos Dann gemieden,
Da brad der Tod den trüben Blid,
. Und gab ihr feinen Frieden.
. Am Sarge fieht der alte Graf,
Kein Wörtlein läßt er hören,
Als fürchtet er, aus füßem Schlaf
Die Tochter aufzuftören ;
566 Redartpalund Odenwald.
Doc wie er hinblidt auf den Sarg,
Denkt an ihr frühes Ende,
Da wird fein Schmerz zu tief und arg,
Als dag er Thränen fände.
Und endlich rafft der Greis fih auf,
Und rufet feine Knechte:
„Wer ift, der wohl im ſchnellſten Lauf
Dem Herzog Kunde bräcdte?
Der möge, daß in ftiller Nacht
Don heut nach dreien Tagen
Mein blaßes Mädchen Hochzeit macht,
Dem ſtolzen Herzog ſagen.
„Der lad' ihn auch fein höflich ein,
Er mög' es nicht verſchmähen,
Mit mir und meinem Töchterlein
Die Hochzeit zu begehen.
Der fag’ ihm auch, man warte fein
In Liebe und in Freude,
Gefhmüdt fey fchon das Bräutchen fein
Mit ihrem Hochzeitkleide.“
So fpricht der Greis und ſchnell enteilt
Ein Knecht mit flüchrrgen Schritten
Den Herzog, der zu Hofe weilt,
Zur Hochzeit herzubitten.
Er tritt hinein zum flolgen Mann,
Und bringt mit keckem Munde,
Sieht gleich der Fürft ihn ſinſter an,
Die aufgetragne Kunde.
Der Herzog flaunt den Bothen an,
Und ſpricht: „Ich werde kommen!
Daß fie des Leids ſich abgethan,
Mag Eurer Herrin frommen !’ —
Nedartpalund Odenwald,
Der Diener fieht den Herzog an,
Und ſpricht: „So iſt's geicheben,
Daß fie des Leids ſich abgethan,
Ihr werbet felbft es ſehen!“ —
Nach dreien Tagen in der Nadıt
Glänzt hell vom Fadelfcheine
Des Grafen Schloß in büftrer Pracht
Aus danfelm Eichenhaine;
Doc fill if’ drinnen in dem Schloß
Mit Werfen und mit Worten;
Da fommt der Herzog bach zu Roß,
Und donnert an bie Pforten.
Der alte Graf läßt ſchnell ihn ein,
Und beißt ihn ernft willlommen,
Daß er zu feinem Töchterlein
Zur Hochzeit hergefammen ;
Drauf führt er ihn Durch einen Gang
In feierlichem Schritte
Die Trepp’ hinauf die Hal entlang
Dis in des Hofes Mitte.
Doch ſtill und ftumm iſt's überall,
Erftorben fcheint Die Runde,
Der hohen Mauern Wiederhall
Giebt Feines Feftes Kunde;
Da tönt fein Jubel, tönt fein Klang
Der an die Hochzeit mahne, .
Der Wind nur fauft die Burg entlang,
Am Thurme knarrt die Fahne.
Scheu bleibt der Herzog flehn und fpricht :
„Wie fol ich Diefes deuten ?
So ſtumm und traurig pflegt man nicht
Die Hochzeit zu bereiten! —“
867
568
— Rekartpalund Odenwald.
Der Graf ſpricht: „Laßt nur gut es ſeyn,
Es darf Euch nicht erſchrecken;
Noch ſchläft mein ſüßes Töchterlein
Und Niemand will es wecken!“
Und weiter gehn fie Beide ſtumm
Und treten in die Halle, |
Da flehn der Männer viel’ ringsum
Sn fchwarzer Kleidung alle;
Sie ftehen da und fprechen nicht,
Und ſchauen vor fich nieder,
Bleich iſt und flarr ihr Angeficht,
Und regungslog die Glieder.
Scheu bleibt der Herzog ftehn und fpricht
„Wie ſoll ich Diefes deuten?
So feiert man die Hochzeit nicht
Mit ftillen fchwarzen Leuten !’
Der Graf ſpricht: „Laßt nur gut es feyn,
Es find die Hochzeitgäfte,
So wünfchte fie mein Töchterlein
Bei ihrem Hochzeitfefte !-' .
Und wieder fill wird’s in der Hal,
Stumm fteht die bleiche Runde,
Da tönt herab mit dumpfem Schall
Der Schlag der Mittinachtftunde ;
Und plöglich Hingt ein Grabgefang
Bon fügen Frauenſtimmen;
Sn Thränen muß bei diefem Klang
Wohl jedes Auge ſchwimmen.
Da wird’s dem Herzog weh und bang,
Er frägt: „Was foll das heißen?
Das ift Fein Hochzeitlicher Klang,
Das find ja Grabesweiſen!“
Redarthbalund Odenwald.
Der Graf ſpricht: „Laßt nur gut ed feyn!
Gleich wird die Braut erfeheinen,
Gar gerne fieht’8 mein Töchterlein,
Wenn ihre Säfte weinen.‘
Und plöglich öffnet fi die Thür’,
Und fhweigend, Paar an Paare,
Tritt eine Schaar von Frau'n herfür,
Mit einer ſchwarzen Bahre;
Drauf Tiegt ein ſchneebleich Mägdelein,
Mit langem blonden Haare,
Und Frau'n und Männer wechfelnd ſtreuſn
Ihr Blumen auf die Bahre.
Der Herzog bebt, ſein Haar es ſträubt
Sich auf, die Wangen bleichen;
Wie auch die Angſt ihn drängt und treibt,
Er ſteht und kann nicht weichen;
Sein Auge rollt er wirr und wild.
Umher im düſtern Kreife,
Und vor dem blaßen Engelsbild
Erftarrt fein Blut zu Eife.
Da padt der Graf ihn bei der Hand:
„Run Herzog, auf zum Tanze!
Siehft du die Braut im Feflgewand,
In ihrem Hochzeitfrange ?
Spielt auf, ihr Leute, nun beginnt
Der frobfte Hochzeitreigen :
Der Bräut’gam wird mit meinem Kind
In's fühle Brautbett fteigen !"
Schon packt des Wahnfinnd wilder Arm
Dem Herzog die Gedanten ;
Wild tanzt um ihn der Lichter Schwarm
Und alfe Wände wanfen;
569
570 Nedartpalund Ddenwald.
Er flieht hinweg mit wirrem Lauf,
Er hört nur „Weh dir!“ heulen;
Rings flattern bang gefchredet auf
Die Käuzlein und die Eulen.
Und endlich fleht er auf dem Thurm
Am jähen Abgrunds⸗Rande,
In feinen Loden wählt der Sfurm,
In feiner Bruft die Schande.
Und wie er brunten hört beim Grab
Die legten Sterbelieber,
Da flürzt er in die Tief hinab
Und finft zerfehmettert nieder. *)
B Wenzel.
*) Veber die Zeit, in welcher dieſe tragifche Geſchichte vorgefallen,
weichen die Sugen bedeutend von einander ab. Einige verlegen fie in die
Zeiten Dagoberts, der längere Zeit in Mosbach am Nedar
“wohnte, Andere in viel fpätere Jahrhunderte. Nach einer mündlichen
Erzählung fol es ein Graf Bruno von Laufen gewefen feyn,
der ibm Jahr 1100 dem Kraich⸗, Enz- und Elfenzgaue vorfland nnd
feinen Wohnſitz auf dem Schloffe Dil sberg bei Nedargemünd hatte.
Er war der Sohn des Grafen Arnold von Laufen. Aus Schmerz
über den Berfuft feiner einzigen Tochter trat er in den geiſtlichen Stand,
übergab die Grafſchaft feinem Bruter Popp o und fliftete zum ewi⸗
sen Gedächtniß, und zum Seelenpeil feines Kindes, im Jahr 1122
Bas Klofter Odenheim bei Brudfat.
(Siehe J. Baader's „Sagen der Pfalz und des Nedarthals,” S. 139.)
Nitter Landſchaden.
Zwei Stunden oberhalb Heidelberg, wo das Neckar⸗
thal einen offenen Halbkreis bildet, ſpiegelt ſich das Städtchen
Neckarſteinach am Fuße mächtiger grauer Felſen im Strome,
und auf bedeutenden Höhen liegen vier zerfallene Ritterburgen,
die Sige ber Landfhaden von Steinad, in geringer
Entfernung von einander. Die ältefte, mit ihrem Taufnamen
Schadeck genannt, heißt im Munde des Volkes dag Schwal-
benneft.
LU
Neckarthal und Dvdenwalb. 571
Die Kirche von Neckarſteinach bewahrt viele Grabſteine ber
Nitter von Landfchaden. Der ältefte und ſchönſte trägt die ein-
fache Umfchrift : 1369 in die Sancti Michael’ ob. Ulricus Land-
schad. Miles. Es ift eine alte Rittergeftalt mit vor fich gejenf-
tem Schwert. Zwei Engel halten ihm ein Siffen unter das
Haupt; zu feinen Füßen fchmiegt fih ein Hund; zur Rechten
hat er eine Harfe, zur Linfen einen gefrönten Heidenkopf. An
Diefen U {rich knüpft fich Die Volksſage von der Entftehung der
Landfhaden. Sein Vater, Bliggervon Steinad, war
wild wie Die Gegend, die er bewohnte, fein Herz fo hart, wie
das Felsgeftein, auf dem er horftete. Kaifer Rudolf von
Habsburg hatte verordnet, „bag Niemand eine Burg haben
folle, e8 gefchehe denn ohne des Landes Schaden.” Blig-
ger aber, von Raub und Morde Iebend, war der Schreden
der ganzen Gegend, ein wirklicher Landfchaden. Vom Kaifer
vor Gericht berufen, blieb er auf feiner unzugänglichen Burg,
bis Acht und Aberacht über ihn ausgeſprochen warb und er
feinen Weg mehr ficher betreten Tonnte. Die Ruhe war dem
wilden Raubritter unerträglich, und eines Morgens warb er
entfeelt im Burghofe liegend gefunden. — Sein Sohn Ulrich
Landfhade von Steinacd hatte den fohlimmen Namen
feines Vaters, aber nicht fein böfes Gemüth geerbt. Deffen
Miffethaten zu büßen und fih mit Kaifer und Reich zu ver-
fühnen, nahm er das Kreuz und zog gegen die Sarazenen. Er
half Smyrna belagern und erobern, vernichtete mit feinem
Häuflein eine breimal flärfere Schaar von Feinden, hieb end-
lidy dem Sultan, in deſſen Hoflager er fich als Harfner ver-
leidet, eingefchlihen und in deffen Gunft er fih durch fein
Saitenfpiel eingefehmeichelt hatte, den Kopf ab, und brachte die
reiche Beute zu feinem jubelnden Heere. Jetzt beftätigte ihm
der Kaifer feierlich feine Ritterwürde, verlieh ihm den bisheri⸗
gen Schimpfnamen, „Landſchaden“ als ritterlichen und ehr-
lichen Geſchlechtsnamen, und geftattete ihm, den Kopf ded er-
legten Feindes als Helmzierde im Wappen zu führen.
Guftau Schwab.
(S. deffen „Wanderungen durch Schwaben.” 2, Section des „‚malerifhen und roman⸗
tifhen Teutſchlands.“ Leipzig Wigand. ©, 64 und 65).
572 Nedartpalund Odenwald.
Die heilige Sildegunde zu Schönau. *)
In der Nähe der Stadt Köln Tebten zwei fromme Ehe-
feute in Wohlftand und Anfehen. Eines fehlte aber zu ihrem
volffommenen Glücke: ihre Ehe war nämlich feither kinderlos
geblieben. Alle Gebete und Gelübde, die fie gen Himmel fchid-
ten, fihienen lange nicht Erhörung zu finden. Als eine befon-
dere Gunft deffelben fahen fie daher die endlich erfolgte glüd-
liche Geburt zweier Zwillingsfchweflern an. Eine berfelben war
Hildegunde. Kaum waren die beiden Schweftern den Jahren
der bülfsbedürftigen Kindheit entwachfen, fo brachten fie die
Eltern, um ihr Danfgelöbnig zu erfüllen, in ein Srauenflo-
fier zu Neuß, damit fie dort erzogen würden und begaben ſich
auf die weite Pilgerreife nad dem gelobten Lande.
Kein Unfall flörte die Neife des frommen Paares und e8
fehrte glüdlich in die Heimath zurüd. Allein bald darauf flarh
die Mutter. Da entfchloß fich der Vater, vom Drange feined
gatterfüllten Herzend getrieben, noch einmal die heiligen Stel-
len zu befuhen, wo der Heiland gelebt und gelitten. Als er
Hildegunden fein Borhaben mittheilte, Tag fie ihm mit Bitten
und Thränen fo lange an, bi er ihr erlaubte, ihn zu be⸗
gleiten. Schnell waren ihre Zurüflungen gemacht, und um
jedem Anftoße vorzubeugen, den ihr Gefchlecht auf ber weiten
Reife hervorrufen möchte, zog fie, als junger Pilgerdmann
verffeibet, mit ihrem Vater aus der Heimath auf die Wall-
fahrt, indem fie fi den Namen Joſeph beilegte. Ein ein-
ziger Knecht folgte ihnen.
Allein auf der langen Seereife überfiel ihren Vater eine
Krankheit, welche rafch feinem Leben ein Ende machte. Den:
noch feste fie unerfchroden ihre Reife fort, gelangte glücklich
nad Paläftina und befuchte ſchon die heiligen Stellen, wo
ber Herr einft gewandelt, gelehrt und gewirkt hatte.
Noch war fie aber nicht bis Jerufalem gekommen, al3
eines Tages ihr treulofer Knecht mit al’ ihrer- Habe fih aus
dem Staube machte und fie hülflos und arm in dem fremden
Lande zurückließ. J
Ein frommer Mann ſah ihre Noth und mitleidig nahm er
*) Städtchen, von Heidelberg 2 Stunden nordöſtlich, liegt in einem von der Steinach
gebildeten Seitenthale.
Neckarthal und Odenwald. 573
den jungen Pilgerknaben mit ſich nach Jeruſalem, wo er ihn
bei den Tempelherren unterbrachte. Dieſe behielten ihn ein
ganzes Jahr bei ſich, bis ſie endlich in einem Landsmann einen
Begleiter für ihn fanden, der ihn nach Köln zurückbrachte.
Obwohl nun der Heimath fo nahe, war Hildegunde doch in
Köln ganz fremd. Sie behielt ihre Kleidung und den Namen
Sofeph bei, und trat, hülflos wie fie war, bei einem Kanonikus
in Dienfte. Gefchäfte riefen Diefen bald darauf nah Nom. Er
machte die Reife zu Pferde, und Hildegunde-Joſeph, als fein
Diener, mußte ihın zu Fuße folgen. Da gefellte ſich auf freiem
Felde einft ein Mann zu ihm, der einen Sad auf feinem Rü-
en trug. Sie waren ſchon eine gute Strede miteinander ger
sangen, als ihnen einige Männer eilig nachfolgten: „Wii
du nicht fo gut ſeyn,“ — ſprach da fein Gefährte zu ihm —
„meinen Sad eine Strede zu tragen? Dort im Walde will
ich mir nur einen Reifelterfen ſchneiden. Geh indeffen nur Tang-
fam voran, ich hole dich bald wieder ein.
Nichts Arges ahnend, nahm ihm der gutmüthige Joſeph
den Sad ab, hängte ihn auf feinen Rüden und ſchritt damit
langfam weiter, während fein Gefährte fchnell nad dem nahen
Walde feitwärts eilte und in dem Didicht deſſelben verſchwand.
Die nacheilenden Männer waren inzwifchen näher und nä-
ber gefommen und Sofeph hörte fie num deutlich rufen: „Hal⸗
tet den Dieb!" — Bei diefem Rufe fah er fih um, den Dieb
mit den Augen ſuchend, der Da gehalten werden ſollte. Da er
aber Niemanden erblickte, hielt er das Ganze für einen Scherz
und ſchritt unbeforgt weiter, est hatten ihn aber die Männer
eingeholt und fielen mit Ungeftüm über ihn her, entriffen ihm
den Sad und führten den Armen unter Schlägen und wilden
Drohreden in das nächfte Städtchen.
„Warum mißhandelt ihr mich alſo?“ — fragte Joſeph. —
„Wie? du fragft noch?“ — verfegten die Männer — „Haſt
bu doch deinen Anfläger, den Sack mit dem geftohlenen Gute,
felbft auf dem Rüden getragen! Du mußt hängen!" — Unter
biefen und ähnlichen Vorwürfen warb der Knabe vor den Orts⸗
sichter gebracht. Hier ſprach er: „Sch bin unfchuldig ! Ich erfenne
nun aber, dag man mich für ſchuldig halten muß. Denn ber
Schuldige bat ſich indeffen gerettet und dafür mich mit dieſem
n
574 Redartihalund Ddenwald.
Sade in den Berbacht gebracht. Ich bin bereit, meine Unſchuld
durch ein Gottesurtheil zu bemeifen.“
„Es ſey,“ — fprach der Richter. Darauf brachte man eine
glühende Pflugfehar und unverfehrt wandelte der Beflagte lang⸗
famen Schrittes mit bloßen Füßen darüber hin. Richter und
Kläger ſahens mit Staunen und riefen: „Unfchuldig!« And
nun erzählte Joſeph den Hergang, wie er zu dem Sade ge-
fommen. Dabei befchrieb er den Dieb fo genau, daß man in
ihm einen Einwohner derfelben Stadt erfannte. Der Richter
laͤßt ihn fogleich berbeiholen. Er war inzwifchen auf Neben-
wegen nach Haufe gefommen. Man ergreift ihn; bei Joſephs
Anblick gefteht er fogleich im Verhör feine Schuld und muß fie
noch am felbigen Tage mit dem Leben büßen.
Als Joſeph aber darauf wieder von dannen zog, umring-
“ ten ihn auf einer einfamen Stelle in dem Walde, durch wel-
hen fein Weg führte, die Verwandten und Diebsgenofien des
Gehängten: „Du bift der Urheber feines Todes! du haft un:
fern Meifter verratben! dein Tod foll ihn rächen!“ Mit die-
fem Geſchrei ftürzten fie auf ihn los, hingen ihn am nächften
Baume auf, und eilten bavon.
Da famen einige Hirten zufällig in die Nähe. Den hän⸗
genden Körper fehen und vom Stride Iosfchneiden, war. das
Werk eines Augenblids. Da jedoch der Jüngling fein Lebenszei⸗
hen mehr von ſich gab, ſchickten fie fih an, ihn zu begraben.
Indem fie aber noch beichäftigt waren, fein Grab aufzuwerfen
— fiehe, da fprengt vom nahen Hügel daher ein Ritter in
weißem Gewande auf fohneeweißem Roſſe, von ftrahlendem
Lichtglanz umfloffen. Die Hirten werfen fih demüthig zur Erbe
nieder und beten: „Herr, Herr! erbarme dich unſer!“ Der
Yichtglängende Reiter ſchwingt fih vom Pferde, faßt die Leiche
in feine Arme, befleigt mit ihr feinen Schimmel wieber und iſt
im Fluge den Bliden der flaunenden Hirten eutfchwunden.
Es war ein Engel des Herren gewefen. In feinen Armen
belebte fich die Leiche wiener und als Joſeph zu ſich ſelbſt kam,
fand er fih bei dem Amphitheater in Verona Tiegen und fah
feinen Herrn, der ihm voraus gereift war, gerade auf fi) zu⸗
fommen. Nachdem er ihm fein wunbervolles Abenteuer erzählt,
gleitete ihn der Knabe nach Rom und Fehrte fpäter mit ihm
nad Teutſchland zurück.
Nedartdpalund Odeuwald. 575
In Speyer hörte Joſeph von dem frommen Wanbel ber
Mönche im Kloſter Schönau und fogleich entfchloß er fich, zu
ihnen zu gehen, um fih durch fromme Uebungen bes ewigen
Heiles würdig zu machen.
Die Brüder nahmen den neuen Zögling bereitwillig auf
und unterrichteten ihn in ben Regeln ihres Ordens; er aber
fam als Novize feinen Pflichten aufs Pünktlihfte und Ge-
treuefte nad).
Noch war aber das Probefahr nicht ganz vorüber, als os
feph erfrankte. Die Anftvengungen feiner weiten Reife, bie
ausgeftandenen Gefahren und Kaftelungen hatten Die Kräfte
feines Körpers aufgerieben.
Am 20. April 1188 entfihlief er felig in dem Herrn.
Sein Gefchleht war bis zu feinem Tode unerkannt geblies
ben; erſt jeßt entvedte man, bei Einfleivung des Leichnams,
Daß der vermeinte Knabe Joſeph die Jungfrau Hildegunde
war. Sie ward im Kloſter Schönau begraben, ift aber fpäter
als Verklaͤrte vielen Frommen erfchienen und hat manche Wuns
der gewirkt. Wo aber jetzt ihre Reliquien aufbewahrt werden,
tft unbefannt.
4. 8 Grimm.
(Aus deſſen: „Die malerifhen und romantifhen Stellen des Odenwaldes in
ihrer Vorzeit und Gegenwart.“ Darmftabt 1843, Lese.)
Der faliche Eid.
Zu Schönau fleht der Bauer vor Gericht:
„Iſt deinen Mündeln diefer Ader nicht 2"
Sein Schwur ift falfch !
„saß ab Die Hand von fremdem Gut,
Denn fremdes Gut gedeiht nicht gut!«
Sein Schwur ift falſch!
„Sich rührt nicht Das Wimmern der Kindlein Hein ?
Der Ader ift ihnen, er ift nicht dein |“
Sein Schwur ift falſch!
„> beb’ nicht zum Schwur empor die Hand,
O ſchwöre nicht falfch um ein Fein Stück Land!”
Sein Schwur ift falſch!
576 Nedartpalund Odenwald.
Ihn rührt nicht das Wimmern der Kindlein Hein,
Er fihwöret zu Gott: „Der Ader ift mein!”
Sein Schwur ift falfch !
„gu Füßen öffnet ſich dir der Grund,
Und bu verfinfft in ben klaffenden Schlund !“
Sein Schwur ift falſch!
Ihn rührt nicht das Wimmern der Kindlein Hein,
Er fhwöret zu Gott: „Der Ader ift mein!”
Sein Schwur ift falſch!
Da Hafft die Erde und fchlingt ihn hinab,
Nur oben bleiben die Schub und der Stab. —
Sein Schwur war falfch !
*) Obige Ballade ift ohne Quellenangabe in 3. Baader’s „Sa⸗
gen der Pfalz und des Odenwalds 2c. mitgeteilt.
Grimm fagt: „Sm Odenwald beim Klofter Schönau Tiegt ein Ort,
genannt „zum falfhen Eid.“ Da hat auf eine Zeit ein Bauer ge⸗
geſchworen, der Ader gehöre fein; alsbald öffnete fih der Erdboden
unter feinen Füßen und er verfanf, fo daß nichts übrig blieb, als fein
Stab und feine Schuhe. Davon hat die Stelle den Namen erhalten.
Sonft weiß man auch von Meineidigen, Daß ihnen die aufgerich-
teten Finger erftarren und nicht mehr gebogen werden mögen, ober
daß fie kohlſchwarz werden; au daß fie nad dem Tode folchen Leuten
zum Grabe herausmwachfen.“
(Bergl, Grimm's „teutfhe Sagen." 1. Bd. S. 160.)
Neiter ohne Kopf.
Am Anfang des Mückenlocher Waldes führt der Weg
über eine Brüde, Hat man fie überfehritten, fo fieht man zu⸗
weilen auf einem Schimmel einen Mann reiten, welcher feinen
Kopf wie einen Hut unter dem Arme trägt. Er verfolgt Die
Leute und führt fie gern irre, Tann aber nicht über den Ora-
ben, der in ber Nähe Tiegt; Daher fie jenfeits beffelben vor
ihm fiher find. Auch aus dem Wald heraus vermag er nur
eine kurze Strede zu reiten, und verſchwindet a an bem großen
Marfftein, wo fie endet.
Redarthal und Odenwald. 377
‚Bei feinen Rebzeiten war er ein Feldmeſſer, der in
biefer Gegend folche Betrügereien verübte, daß er mun zur
‚Strafe dafelbft umgehen muß.
(Aus Mone!s „Anzeiger ꝛc.“ Jahrg. 1838.)
Die weiße Frau.
Zwiſchen Waldwimmer sbach und der Mühle Läuft über
die Wiefen ein ſchmaler Fußpfad, welcher zu einer Duelle
führt. Auf diefem Wege zeigt fich täglih um Mittag und Mit-
ternadht eine weiße Frau mit einem Bund Sclüffel in der
Hand. Zu ihren Lebzeiten war fie Rammerfrau bei einer Herr-
fhaft geweſen, von der ihr, als jene fih im Krieg flüchtete,
deren Vermögen zur Aufbewahrung anvertraut wurde. Diefes
vergrub fie, flarb aber bald darauf eines plöglichen Todes.
Da Niemand den Ort des Schates mußte, fo kam die Herr,
Thaft darum und mußte nach ihrer Rückkehr von Allmofen
leben. Sie verfluchte deßhalb die Kammerfrau, welche ſeitdem
in ber Gegend, wo fie den Reichtum vergraben, umgehen
muß. Ihre Erlöfung iſt nur ale fieben Jahre möglich; fie
pflegt alsdann dreimal zu nießen und auf jedes. Niegen foll man
ihr „Helf Gott!“ zurufen. Thut man diefes, fo zeigt ſie Einem,
wo ber Schatz verborgen liegt und wie er gehoben werben
kann. Da man aber bald darauf flerben muß, fo hat es noch
Niemand gewagt, zum Drittenmal „Gott helfs“ zu rufen und
die weiße Frau if dann flets mit einem tiefen Seufzer ver»
ſchwunden.
(Nach mündl. Ueberlieferung mitgetheilt von Bernh. Baader in Mone!s „Ans
zeiger ꝛc.“ Jahrg. 1838.)
Geſpenſtiger Hund.
Wo am Wege von Waldwimmersbach nah Dils-
berg im Walde der erfle Markſtein fteht, kömmt öfters ein
fhwarzer Pudel zu den Vorübergehenden und läuft Dann ſchwei⸗
gend neben ihnen her. Er wird allmälig heller und ſchon beim
zweiten Grenzſtein ift er vollkommen weiß. Von bier an ver
I. 37
5
578 Neckarthal und Odenwald.
dunkelt ſich aber ſeine Farbe wieder und immer mehr, bis er am
Saume des Waldes beim dritten Markſtein wieder ganz ſchwarz
ausſieht. Laͤßt man ihn ruhig, ſo thut er Einem kein Leid;
frägt man ihn aber, was er wolle, fo verwandelt er ſich in
einen fürchterlichen Rieſen, gibt dem Neugierigen eine gewal⸗
tige Ohrfeige und verſchwindet. Wie diefer Geift zu erlöfen,
ift eben fo unbefannt, wie die Urfadhe, warum er umges
hen muß.
(Nach mündl. Neberlieferung mitgetheilt von Bernd. Baader in Mone’s „An⸗
zeiger für Kunde der teutfchen Vorzeit.“ Jahrg. 1838.)
Burg Stolzeneck.
Unterhalb Zwingenberg, bei dem Dörfhen Lindach,
rüden die Berge, welde das Ufer des Nedars begrenzen, en-
ger zufammen und bilden ein ſchmales, büfteres Thor, durch
welches der Strom wie träumenb bahingleitet. Links ragen aus
den Gebüfchen die halbzerbrödelten Mauern von Stolzgened
bersor, an welche ſich manche geichichtäichen Erinnerungen knü⸗
pfen. Noch zu Anfang des 15. Sahrhunderts war diefe Burg
ein weitgefürdhtetes NRaubnelt, in welchem Hans Horned
yon Hornberg fein Unwefen trieb.
Früher Iebte bier ein junger Ritter, Namens Ott mar,
mit feiner Schwefter Williswinde. Der Jüngling mußte
feinem Lehnsheren in den Krieg folgen und nur bie fehöne
Williswinde blieb mit einigen treuen Knechten und Dienerinnen
auf der Burg zurüd. Sie liebte die Einfamkeit, in der fie auf-
gewachſen war und dachte in der Unfchuld ihres Herzens nicht
daran, daß irgend eine Gefahr fie bier bedrohen Eönne. hr
Liebling war ein Rabe, den fie aufgezogen hatte, Er begleitete
fie auf al ihren Spaziergängen durh Garten und Wald,
hüpfte flugs auf ihren Ruf herbei und zupfte fie am Gewand,
wenn er Tutter haben wollte.
Zwei Monate waren bereits verfloffen feit ber Abreife ihres
. Bruders, und da ber Pfalzgraf mit dem Heereshaufen, bei
- welchem fih Ottmar befand, nach Sülich ziehen mußte, ſo
durfte man nicht fo leicht an eine baldige Rüdkehr denken.
Wohl hegte Williswinde Beforgniffe um ihren geliehter Bru⸗
Nedartpalund Odenwald. 579
der, aber in ihrer Seele wohnte Doch ein feſtes Vertrauen, daß
ihn der’gute Gott ihr erhalten werde. Eines Abends meldete
fih ein Pilger auf Stolzeneck und bat um Herberge. Willis⸗
winde nahm ihn freundlich auf und da er vorgab, aus Pa⸗
Täftina zu kommen, feste fie ihm felbft den Abendimbiß vor
und ließ ſich mit ihm in ein Gefpräd ein. Sein langer Bart
und der kecke Blid gaben dem Pilger etwas Unheimliches, aber
das Fräulein ſuchte dieſen Eindrud zu bemeiftern, wußte ja
Doch der fremde Dann fo viel zu erzählen von den Drang-
falen, fo ihm widerfahren auf der langen Reife, daß ihr in»
niges Mitleid rege wurde. Sie ließ ihm des andern Tages noch
ein beträchtlihes Geſchenk zum Abfchied reichen und fah ihm
lange finnend nach, ale ex über den Schloßhof und die Zugbrüde
dahin ſchritt. Als fie wieber aufblicte, ftand ber alte Eberhard,
der Kaftellan ihres Vaters, ein getreuer, wohlerprobter Diener,
neben ihr. „Fraͤulein,“ — ſprach er zu ihr, nach dem ſchon
fernen Pilger deutend, — „in jener Kutte fledt ein arger Schalk!“
— ‚Barum gleich fo Tieblos über einen Fremdling abfprechen,
weil fein Weußeres etwas Unangenehmes hat?!" entgegnete
Williswinde.
„Was die Augen ſehen, glaubt das Herz.” — verſetzte
der Kaftelan. — „Ihr kennt ja die hübfhe Mähr vom Mei-
fier Reinede, der im Pilgerrode nah Rom wallfahren wollte
und den Efel und Wibder beredete, ihm Geſellſchaft zu Leiften 2“
Was bringt Euch auf ſolche Gedanken 2”
‚Daß es mir nicht entgangen iſt, wie der Fuchs, der im.
jener Kutte ſteckte, mit fammt Kürbißflafche und Diufchelhut,
alle Mauern und Thürme, Thore und Gänge unferer Burg
ausipähte. Wir müffen und wahrlich auf einen demnächfligen
Veberfall gefaßt machen.”
Williswinde konnte nicht an folche tüdifche Hinterlift glau⸗
ben. „Wo hätten wir den Feinde ?'" — fagte fie — „rings in
ber ganzen Gegend lebt ja Jedermann ruhig und friedlich auf
feinem Beſitzthume.“
Eberhard fchüttelte ven Kopf, befchloß aber feft bei ſich,
jedenfalls auf der Hut zu feyn und mehr Wachen auszuftellen.
Einige Tage nad) diefem Vorfall Fam ein Ritter nad Stol-
zened und verlangte Williswinde zu fprechen. Beim erſten Blick
37°
580 Nedarthbalund Odenwald.
erfannte der Kaftellan in ihm jenen verbächtigen Pilger und
befhwor feine Gebieterin, alle mögliche Vorſicht aufzubieten.
„Gut,“ — erwieberte fie — „ſo will ich ihn nur in Eurer
Gegenwart anhören.”
Der Ritter trat mit ſittigem Gruß ein und erklärte ohne
weitere Umſchweife, daß er gekommen ſey, um die Hand der
reizenden Herrin von Stolzeneck zu werben. Williswinde ſchrack
ob dieſem überraſchenden und ſeltſamen Antrage ſichtlich zu⸗
ſammen, faßte ſich aber ſchnell und erwiederte: „Ich ſtehe
unter dem Willen meines Bruders, der aber ſchon ſeit langer
Zeit abweſend iſt. Sobald er jedoch wiederkehrt, mögt Ihr
Eure Werbung bei ihm anbringen!“
„Iſt das Euer erſtes und letztes Wort, Fräulein?" — fragte
der Ritter mit verfinftertem Angefichte.
Williswinde flüfterte ein bebendes Ja, denn die düſter rol-
lenden Blicke des Unbefannten weißfagten ihr Unheil.
„Ich weiß recht gut,“ — höhnte der abenteuerliche Freier —
„daß Frauen feinen eigenen Willen haben dürfen, fondern einem
fremden folgen müſſen.“ — Mit diefen Worten und einer Falten
Berbeugung z0g er ſich zurüd, fchwang fi auf fein Roß, das
fein Knappe im Schloßhofe bereit hielt und fprengte ‚Davon.
Diefer Borfall hinterließ Die fchlimmften Ahnungen in Willis⸗
winde und ihren Leuten. Sie berieth fih mit dem Kaftellan
und befchloß endlich auf fein Zureden, ihre Zuflucht in einem
benachbarten Klofter zu nehmen. Tags darauf trat fie wirklich
ben Weg dahin an, nur von einem Knecht und einer Dienerin
begleitet, um fein Auffehen zu erregen. Der Pfad führte in einen
einfamen walbigen Thalgrund. Ploͤtzlich flürzte der gefürchtete
Ritter mit einigen feiner Buben aus einem Hinterhalte hervor,
fhlug den Knecht, der feine Herrin vertheidigen wollte, zu Boden
und ſchleppte fie gebunden in einen uralten Thurm dicht neben
an, deſſen Eingang ein eifernes Gitter verſchloß.
„Nach zwei Tagen will ich wieber Antwort holen, fprödes
Fräulein I lachte der Wilde grimmig, den Inarrenden Schlüffel
drehend ‚ und jagte mit feinem Troſſe und ber gefangenen Die-
nerin, die Einer davon vor fih aufs Pferd genommen hatte,
von bannen,
Williswinde warf fih in dem bunfeln feuchten Raume auf
Neckarthal und Odenwald. 581
die Kniee und ſandte ein brünſtiges Gebet zum Himmel empor.
Da erblickte ſie plötzlich ihren getreuen Raben, der ihr bis hie⸗
her nachgefolgt war und nun vergebens an dem roſtigen Thor⸗
gitter mit dem Schnabel herumhackte, um zu ihr hineinzuge⸗
langen. Da es all feine Mühe fruchtlos ſah, hüpfte das arme
Thier in's nächfte Gebüſch und Tehrte bald mit einigen Sträuchen
Erds und Brombeeren zurück, die er feiner Herrin. durch die
Eifenftäbe hineinreichte, um ihr wenigften Erquidung zu ver⸗
ſchaffen.
Das Erſcheinen ihres Raben hatte Williswinde wieder eini⸗
germaßen Ruhe eingeflößt; ſie ſah ihn als einen Troſtboten
des Himmels an.
Zwei lange lange Tage ſchlichen ihr vorüber; doch wich
der treue Vogel nicht von dem Gitter, außer wenn er in den
nahen Wald flog, um ihr nahrhafte Wurzeln und erfriſchende
Beeren zu holen. Wie freudig ſchlug er jedesmal die blaulich⸗
ſchimmernden Flügel, wenn er ſah, wie ſeine Herrin die kleine
Beute, die er ihr brachte, mit dankbaren Blicken auf ihren
Freund in der Noth verzehrte!
Am Morgen des dritten Tages erſchien unſer Ritter vor
dem Thore des Thurmes. Er wiederholte ſeinen Antrag mit
noch ſchneidenderem Hohne und ſchwur, da Williswinde ſtatt
aller Antwort nur verächtlich ihr Geſicht abwandte, ſie nun
dem Hungertode preis zu geben, worauf er wüthend davon⸗
jagte.
Nach einem ruhigen Schlummer, die Frucht ihres innigen
Abendgebetes, ſtand Williswinde in der Frühe des nächſten
Tages an dem Gitter ihres Kerkers, Das im Morgenroth er⸗
glühte. Mit kindlich vertrauenden Augen fchaute fie zum reinen
blauen Himmel hinauf, hoch, — da erklingen auf einmal bie
Töne eines fröhlichen Liedchens, vom Walde her, Das ift nicht
die rauhe Stimme ihrers Verfolgers, nein, fe darf fies wa⸗
gen: mit aller Kraft fihreit fie um Hülfe.
Und nicht vergebens, Ein junger Ritter in glänzender Waffen-
rüftung nähert fih dem Thurme. Er ift ed, er ift es, ihr heißs
geliebter Bruder! Um feine Schwefter zu überrafchen, batte er,
ahnungslos von dem Borgefallenen,, den fürzeren Fußpfad, ber
582 Redartpalund Odenwald. '
bier vorbeiführte, nach Stolzened eingeichlagen, während feine
Leute auf der Heerfiraße dahinzogen.
Kaum hatte fie dem beftürzten Bruber berichtet, wie fie
hierher gefommen, als ihr Räuber herbeifprengte und, da er
den fremden Ritter vor dem Thurme gewahrte, mit gezüdtem
Schwert auf ihn losſtürzte. Es fehlte nicht viel, fo wäre Ott⸗
mar dem wüthenden Angriffe des riefenträftigen Gegners er-
legen, doch noch gerade zu rechter Zeit, ehe fein Arm ermats
tete, flog Williswindens fehwarzer Freund, der Rabe, an der
Spige eines unabfehbaren Schwarm feiner Genoſſen, mit be=
täubendem Krächzen auf den Räuber los, mit grimmigem Schnas
beihaden, Krallen und Flügelfchlagen über ihn herfallend, fo
daß er fich ihrer nicht zu erwehren vermochte. Schnell macht
fih Ottmar den günftigen Augenblid zu Nuge und zifchend fährt
feine Klinge durch das tüdifche Herz des betäubten Feindeg,
ber mit einem gräßfichen Schrei zufammenfinft. — Die Raben
wichen nicht von feiner Leiche; gierig fehienen fie fein Blut zu
trinten, badten ihm die Augen aus und riſſen feinen Leib in
Stücke.
Ottmar fand im Gürtel des Todten den Thurmſchlüſſel,
öffnete das Gitter und kehrte im Triumph mit der theueren
Schweſter nach Stolzeneck zurück Noch in unſern Tagen ſieht
man das Bild des getreuen Raben an einem Schwibbogen der
Burgruine ausgehauen.
(Siehe Al. Schreiber“s Sagen aus den Rheingegenden 2c.)
Jukunde von Stolzeneck.
Traurig ſinnend ſaß Jukunde
Auf dem hohen Felſenſchloß,
Lehrend ihre beiden Söhne —
Als es ſüß wie Lautentöne
Sich durch's Maienthal ergoß:
„Oeffne Deine ſtille Wohnung,
Holde Herzenskönigin!
Redartbalund Odenwalb. 583
Einen Ritter fiehft Du nahen,
Der, um Minne zu empfahen,
Kommt mit ehrfurchtsvollem Sinn.
„Laß die Todten friedlich ruhen !
Ah! ſchon mande Thräne quoll; —
Bei des Aufgangs Purpurfranze,
Bei der Sterne mildem Glanze,
Bebt mein Herz fo heiß und vol!"
Zürnend ſprach die treue Gattin:
„Nahe diefer Wohnung nicht!
Schlummert gleich im heiligen Rande
Längſt mein Wilhelm, trennt die Bande
Dennoch Zeit und Schidfal nicht!
„Dem zuerft mein Herz gefchlagen,
Schlägt es bis zur flillen Gruft,
Treue hab ich ihm gefchworen,
Deine Seufzer find verloren
Und verwehn im Abendduft.““
„Treue haft Du ihm gelobet; —
Doch der Tod bricht jeden Schwur.
Sol der Wangen Roth verblühen ?
Deiner Augen Gluth verglühen ?
Lebſt Du für die Todten nur? —“
„Nein, ich Iebe frifh im Leben,
Meinem holden Knabenpaar!
Seh’ ich einft fie herrlich blühen,
Dann mag dieſe Gluth verglühen,
Die dem Gatten heilig war!“
Ernft und finnend ſchwieg Jukunde,
Als der Ritter wieder ſprach:
„Edle Frau, vom heil’gen Grabe
Komm’ au ich, und füße Gabe
Folget meinem leben nad !
584 Neckarthal und Odenwald.
„Rudolf bin ich, der die Freundſchaft
Deines Gatten hat erſtrebt;
Das Gerücht bat Dich betrogen,
Prüfend, hab’ ih Dir gelogen —
Wilhelm, Dein beweinter, lebt!“
„Komm herein’! — ſprach die Entzüdte, —
„Freudig nannte Wilhelm Dich,
Dft den Freund aus frühfter Jugend
Und das Urbild wahrer Tugend;
Neues Leben ftrömt durch mih ! —"'
Bald erflieg der wackre Ritter
Der Getreuen Felfenfchloß ;
Aber — wel ein Wonneleben! —
Wilhelm war's, der voller Leben,
Selbſt in feinen Arm fie ſchloß!
8.8. u. Juſti.
Die heilige Rotburge.
Erfte Sage.
König Dagobert hatte eine Tochter, Notburga mit
Namen. Sie war ſchön, aber auch fromm wie Feine der Jung⸗
frauen des Landes, darum blieb auch ihr Sinn dem eitlen Glanze
biefer Welt fremd und fie floh heimlich aus dem Schloß ihres
Vaters, welcher Damals in Mosbach Hof hielt. Sie verbarg
fih in einer Felfengrotte am Nedar, nicht weit von dem Dorfe
Hoch hauſen. Hier lebte fieTag für Tag nur dem Gebete und
firengen Bußübungen. Ein zahmer weißer Hirfch brachte ihr
täglich ein Brod aus der Küche ihres Vaters. Dadurch ward
aber ihr Zufluchtsort dem trauernden Könige verratben, der
alsbald dahin eilte und fie zuerft mit flehenden Bitten, dann
unter grimmigen‘Drohungen aufforberte, mit ihm nad) Hofe zurüd-
zukehren. Notburga weigerte fi) deſſen, weil fie ein Gelübde ge:
than habe, dem Herrn in der Einfamfeit zu dienen. Da erreichte
Nedartdbalunv Ddenwald 585
der Zorn des Königs den Höcften Gipfel der Wuth und mit
gewaltiger Kauft padt er Die Tochter an, um fie aus der Höhle
zu.veißen. Aber, wehe! der Arm, woran er fie ergriffen, blieb:
in feiner Hand und mit geflräubtem Haar taumelte der uns
glückliche Vater zurück und floh voll Entfegen wieder nad
Haufe. Die fromme Jungfrau warf ſich vor ihrem Zelfenaltare
nieder und fiehe, da ringelte fi eine goldene Schlange hinter
demfelben hervor und legte ihr heilende Kräuter, die fie mit im
Munde herbeigebracht, in den Schoos. Mit dieſen verband fie
den ausgeriffenen Arm dem Stummel wieder, der bald wieder
feſt anwuchs und völlig geheilt war.
Als Notburga, nach Iangen Jahren, von vielen Andächtigen
aus der Gegend umgeben, ihre reine Seele auf ihrem. falten
fieinernen Lager aushauchte, ſah man helle farbenftrahlende
Flammen über der Höhle wallen. Ihr Leichnam wurbe nad)
Hochhauſen gebracht und in der dortigen Kapelle beigeſetzt, wo
noch ihr Grab zu fehen. Ihr Bild liegt in’ Stein ausgehauen
auf deffen Platte, das Haupt geſchmückt mit der königlichen
Krone. Neben ihr ruht die Schlange mit den Kräutern. Früher
war das Grab durch ein mit Lilien verziertes Gitter gefchloffen.
Auf dem Altarblatte und deffen beiden Flügeln ift ihre Gefchichte
abgebildet.
Im Jahr 1517, unter Papft Leo X, wurde das Grab
geöffnet. Zugegen waren Bifhof Reinhard von Worms,
Eberhard Horner von Hornberg mit feinen Söhnen, Hans
von Stein und die Brüder Geyling von Altheim. Man
fand den Leichnam noch unverfehrt:
Andere Sage.
Huf der alten Burg Hornberg am Nedar, wo Götz
von Berlichingen farb, wohnte vor Zeiten ein mächtiger
Fürft, deffen einzige Tochter, Notburga, an einen tapferen
Nitter verlobt war, der aber einem Zuge nad dem heiligen
Lande fih anfıhloß, von dem er nie wieder zurüdfehrte. Die
holdſelige Jungfrau trauerte um ihn, wie eine Wittwe, und
wollte von einer anderen Heirath nichts hören. Aber ihr Bater,
586 Nedartpalund Odenwald.
ein rauher und. gebieterifcher Mann, herrfchte ihr eined Tages
zu, fie möchte fi zu ihrem Hochzeitsſchmuck anfchiden, denn
in drei Tagen werde ber Bräutigam Tommen, ben er ihr auds
gewählt.
- Der Verzweiflung nahe, faßte Notburga den Entichluß, aus
dem väterlichen Haufe zu fliehen. In der Stille der Nacht rief
fie einen alten vertrauten Diener zu fih und fagte zu ihm:
„Degleite mich hinüber an die Höhle am Nedar, wo die Ka—
pelle des heiligen Michael ſteht; dort will ich mein Fünftiges
Leben unter gottesbienftlichen Uebungen in der Einfamfeit zu-
bringen.”
Als fie an den Fluß Tamen, war aber fein Nachen vor-
handen, um fie überzufegen; fiehe da trabte plöglich ein ſchnee⸗
weißer Hirfh aus dem Walde herbei, neigte fittiglich feinen
Bug vor Notburga, und lud fie mit Tlugen Augen ein, fich
feiner als eines Zelters zu bedienen. Sie ſchwang fich unbedenklich
auf feinen Rüden, und er fhwamm mit ihr durch den Nedar
bis zu der Uferftelle, wo die Felfenhöble fich befand.
Nicht Tange, fo vermißte der Fürft feine Tochter, und fehidte
viele Bothen und Kundfchafter aus, ihren Aufenthalt zu erfor-
ſchen; doch vergebens, nicht die geringfte Spur leitete fie da⸗
hin. Zur Mittagszeit fam der weiße Hirfch zu Dem treuen Diener
auf Schloß Hornberg; der wollte ihm ein Brod reichen, doch
der. Hirfeh neigte feinen Kopf, damit er es ihm an’s Geweih’
ſtecken möge. Raum war dies geſchehn, fo flog das verfländige
Thier nad der Höhle zurück und brachte Notburga das Brot.
So kam er jeden Tag und Tief fie feinen Mangel leiden.
Einft kam der Fürft gerade dazu, als der Diener dem Hirſche
bad Brod aufs Geweih fledte, und zwang ben Alten dur
fhredliche Drohungen, ihm das Geheimniß zu verrathen. Kaum
hatte fih am andern Tage ber Hirfch wieder eingeftellt, jo
fhwang fi der Fürft auf fein Roß und folgte dem Brodträger
nah, dur den Fluß bis zur Höhle, die feine Tochter barg.
Er trat ein und fand fie vor einem Kreuze Inieend in brünftigem
Gebete. Der Hirfch Hatte ſich zu ihrer Seite gelagert, und
blickte den hohen Eindringling mit großen verwunberten Augen
an. Bergebens waren alle Bitten und Befehle des zürnenden
Baters, Notburga folle mit ihm nad Hornberg zurüdfehren,
Nedartpal und Odenwald. 587
Sie weigerte ſich deß flandhaft, mit der Erklärung, ihr Leben
fey fortan nur Gott geweiht, da fie diefer Welt auf immer
entfagt babe.
Schäumend vor Ingrimm, will fie der Vater vom Kreuze
binwegreißen, das fie umflammert hielt. Siehe, da blieb ber
Arm, an dem er fie gepadt hatte, in feiner Hand; ſchaudernd
ließ er ihn zu Boden fallen und floh, wie von böfen Geiftern
gehetzt, nach feiner Burg zurüd.
Notburga Tebte von gun an ruhig in ihrer Höhle, bis ber
Herbft Fam und die welfen Blätter nieberrafcpelten. Da ſchweb⸗
ten Engel herab und wiegten die fromme Jungfrau in ben
ewigen Schlummer. Aber ihre Seele trugen fie, nachdem fie
deren flarre Hülle mit weißen Roſen überftreut, hinauf in die
Gefilde der göttlichen Freuden. Vieles Volk firömte herbei, denn
man hatte ſchon von fern die ganze Nacht hindurch ein helles
Leuchten über der Höhle gefehen. Zwei ſchneeweiße Stiere, die
noch fein Joch getragen, wurden an einen neugezimmerten Wa-
gen gefpannt und die Teiche darauf gelegt. Die Stiere ließ
man den Weg felber wählen, den fie einfchlagen wollten, und
fie führten den Wagen nad dem Dorfe Hochhauſen, auf bie
Stelle, wo die jeßige Kirche flieht; dort wurde Notburga beis
geſetzt. Der Hirfch war und blieb verfehwunden.
Notburga wird vom Volke gewöhnlich die Kraichgauer
Heilige genannt und die Leute in der Gegend zeigen noch auf
dem Felde die Spuren bes Weges, welchen der Hirſch von
Hornberg aus nach der Höhle zu nehmen pflegte.
Diefelbe ift noch vorhanden. Sie wird von einem Kalffelfen
gebildet, der am Iinfen Ufer des Nedars fich erhebt, wurde
aber fchon größtentheild von dem Strome und feinen Eißgängen
zerftört. Wenn man den Namen der Heiligen, der Höhle ges
genüber, ausruft, fo wirb er, wie von einer leifen Geifter
flimme , wiederholt.
(Die Legende von ber heiligen Notburga, deren Gründung in bem
Siege des Chriſtenthums über das Heidenthum befteht, findet fich mit
Heinen Abänderungen vielfach verbreitet. Grimm, Jäger und
Kaufmann erzäplen diefelbe, in ihren Führern durch das Nedarthal,
mit unbedeutenden Abweichungen, den deutfchen Sagen der Brüder
588 Nedartgalnnd Odenwald.
Brimmnad. Langbein, Millinger, Julius Sturm unb
ebenfo v. Keller (»NRotburga, eine Legende in ſechs Gefängen von
v. Keller. Mannheim 1823) feierten fie in poetifchem Gewande.
Sagen nom Minneberg.
1.
Auf der Burg Hornberg, wo einſt die fromme Not⸗
burga in ihrem ſtillen Kämmerlein Mn Entſchluß faßte, der
Welt zu entfagen, wohnte bald nach ihr auch eine Zierbe ihres
Geſchlechls: Minna von Horned. EinGraf von Schwars
zenberg, reich und angefehen vor allen Rittern jener Ges
gend, warb um des Fräuleins Hand und Minna’s Vater vers
mochte nicht, einen fo weitgepriefenen Dann ald Eidam aus-
zuſchlagen.
Aber Minna's Herz und Liebe gehörten längſt dem Ritter
Edelruth, der zwar arm an Gütern, aber deſto reicher an
männlichen Tugenden war. Einft war er dem Rufe eines fröh-
lichen Turniers auf die Burg gefolgt und die Jungfrau, welche
ihm ben Siegespreig gereicht, hatte fein Herz gewonnen. Des Rit⸗
ters Schönheit und rühmliche Borzüge erwarben ihm bald Gegen⸗
liebe. Doch des Pärchens Minneglück war von kurzer Dauer. Denn
auch in dieſes einfame Thal erfholl die Aufforderung zur Er-
oberung bes heiligen Grabes, und Ritter Edelruth zügerte
nicht, ihr zu folgen. Minna's Bater war dies erwünfdht; ba
er bereits einem Andern die Hand feiner Tochter zugeſagt, fah
er gerne deren Geliebten fein. Leben abenteuerlichen Gefahren
in fernen Ländern ausfegen und beftärfte den Ritter Edelruth
noch in feinem Vorſatze durch das gleißnerifhe Verſprechen,
ihm, wenn er als Sieger zurückkehre, Minna zur Gattin zu
geben. Ä
Schmerzlih war die Trennung der beiden Liebenden; lange
ſah Minna vom Sölfer der Burg traurend ihrem Verlobten
nad, deſſen hohe Seftalt, die ganze Pilgerſchaar überragend,
ben Nedar abwärtsichiffte. — Jahre vergingen; Edelruth voll
brachte der rühmlichen Thaten viele; ſchon war er feines Gelübdes
ledig, und nur die Ehre hielt ihn noch von der Rückkehr ab,
RNedartpalund Odenwald. 589
da des Kampfes noch Fein Ende war, als er in einer Schlacht,
abgefchnitten von den Seinen, in die Hände des Feindes fiel.
Diefer, grimmig über die ausgezeichneten Kriegsthaten des jun-
gen Helden, welcher Schaaren von Ungläubigen den Tod ge⸗
bracht hatte, ſchloß ihn in eine Höhle ein, die einft der Aufent-
halt wilder Thiere war. Zwei Tage verlebte hier Edelruth ohne
die mindefte Nahrung, bis er endlich oben an der einzigen
Oeffnung, welche fein Kerfer hatte, ein liebliches Geſicht er-
blickte, worauf ihm eine fchöne Hand drei Pfirfiche herab warf,
und ihm, während zugleih ein Seil von oben berunterglitt,
eine. zarte Stimme zurief: „Zwei Diener harren meines Wins,
kes; fteig’ herauf und folge mir in jene ſtille Thäler, wo wir
uns ungeftört der Liebe freuen können.”
Aber der Ritter antwortete: „Nur in meiner Heimath Tann
ich Liebe finden; doch wenn Du edel gefinnt bift, fo rette mich!“ —
„Rur Liebe zu mir kann Dich retten!" — entgegnete die Stim-
me — „nur in meinen Armen Yächelt Div die Freiheit!" —
„Nur wer Treue übt,“ — erwiederte der Gefangene, — „iſt
wahrhaft frei; und fo wahr ich ein Ritter Bin, werde ich
mein Gelübde nicht brechen!” — Da verfhwand die Erfchei-
nung und tiefe Sehnfucht ergriff Edelruth von Neuem nach der
fernen Geliebten.
Auch diefe hatte unterdeffen ſchwere ‘Kämpfe zu beſtehen;
Doch wankte ihre Treue gegen den Erforenen nicht einen Augen-
blick. Als endlich die flehendften Bitten nichts mehr über ihren
harten Vater vermochten, und er fie zur Vermählung mit dem
Grafen von Zwingenberg zwingen wollte, entfloh Minna
aus der väterlichen Burg, nur von einer getreuen Zofe be=
gleitet.
Sie beftiegen einen Nachen und fuhren im Dunkel der Nacht
ben Strom hinab. Gegen Morgen kamen fie an den fchroffen
Abhang eines Berges, deſſen Gipfel von uralten Fichten bedeckt
war. Hier Iandeten fie, um einen Zufluchtsort zu fuchen unb
gaben den Nachen den Wellen preis. Durch das Dichtefte Gebüfch
fliegen die zarten Frauen, die felfigen Pfade hinan und feheuten
feine Mühe, bis fie endlich eine Höhle fanden , worin Minna,
bis zur Rückkehr ihres Nitters, zu wohnen beſchloß. Ihre Zofe
forgte für Herbeifhaffung. von Nahrungsmitteln aus den be⸗
590 ° Nedartpalund Ddenwald.
nachbarten Weilern. Aber fiebenmal kehrte der Frühling, nur
der Geliebte nicht. Da brach der Jungfrau Herz in ungeftiliter
Sehnfucht. Ihre treue Sefährtin war ber Verzweiflung nahe,
und warf ſich auf Die Leiche der Herrin, fie mit einem Strome
von Thränen überfluthend. Plöglich vernahm fie eine Stimme
hinter ſich, und als fie umblidte, fand Ritter Edelruth im Tich-
ten Waffenfchmude vor dem Eingang der Felfenhöhle. Er hatte
feine Minna auf der Burg gefucht und als er dort Niemanden,
als ihren tiefgebeugten, veueverzehrten Vater fand, geſchworen,
feine Waffen nicht eher abzulegen, als bis er die Verlorene
gefunden. Biele Tage ſchon war er durch Berg und Wälder
geirrt, bis ihn fein Windfpiel auf die rechte Spur führte. Al⸗
Ienthalben verfündeten ihm feine Namenszüge, von Minna in '
die Rinden der Bäume gefchnitten, die Nähe der Gelichten.
Sp fand er fich endlich bie zum Eingang der Höhle durch.
Da lag entfeelt vor ihm, auf einem Bette von Moos, das
Theuerfte, was er hienieden befeffen. Der ungeheure Schmerz
drohte ihn felbft zur Leiche zu machen. Seine Klagen erfüllten bie
Wälder und jeder Tag fand ihn an dem ſtillen Orte, wo er
mit Hülfe der Zofe Die geliebte Minna begraben hatte,
Ars fein Schmerz ruhiger geworben war, baute er an biefer
Stätte eine Burg, und nannte fie zum ewigen Denfmale feiner
Liebe: die Minneburg. Sn der Felfenhöhle aber, worin er
Minna begraben, ließ er auf den Denfftein das Bild bes
Hundes meißeln , der ihm den Weg dahin gezeigt hatte.
2.
Undere Berfion.
Hugo von Habern hinterließ drei Söhne; frühe [hen
wurden fie an ritterliche Uebungen und bie Befchwerlichfeiten
der Jagd gewöhnt. In den weitausgedehnten Forften des Oden⸗
waldes ftreiften fie bis zu den freundlichen Thalmindungen des
Neckars und verfolgten Tagelang das Gewild. Ihr Begleiter
war ein Windfpiel von feltener Treue, und ein trefflicher Jagd⸗
hund, der fie ſtets auf die richtige Fährte Teitete.
Eines Tages führte fie biefer kundige Wegweifer auf den
Nedartpalund Dpenwalb. 591
Gipfel eines fleilen Berges am Nedar, vor den Eingang einer
düfteren Höhle. Die Jäger folgten auch diesmal dem Flugen
Borläufer, der fie noch niemals irre geleitet hatte, und zwar
in die Tiefe der Grotte hinein, in deren Hintergrunde fie zu
ihrer großen Ueberrafchung drei weibliche Geſtalten erblidten,
welche betend auf den Knieen lagen. Die Fünglinge wähnten brei
Heilige im überirdifchen Glanze geifliger Verklärung vor ſich
zu ſehen, doch bald überzeugten fie fih, daß diefe nur Bewoh⸗
nerinnen diefer Erde wären, die vom Schickſale verfolgt, bier
einen Zufluchtsort gefunden hätten. Sie waren entfproffen aus
dem berühmten Gefchlechte der Ritter von Handſchuch sheim,
allein diefer alte Stamm war mit ihrem Vater ausgeflorben und
ihre Befigungen dem Lehensherren wieder heimgefallen. Die
Mutter rubte ſchon längſt im Grabe, und dad geringe Erbtheil,
welches den drei Schweftern noch übrig geblieben, hatte ihnen
die Habfucht eigennügiger Menfchen entriffen. Als verlaffene
Waifen, ohne Schug und Hülfe, hatten fie fih nun vor den
Nachſtellungen argliftiger Verführer in dieſe abgelegene Felſen⸗
klauſe flüchten müſſen, denn ſie waren ſchön, und mit welchen
Gefahren iſt Schönheit nicht verbunden? Ein alter treuer Die⸗
ner war den Jungfrauen gefolgt und ſorgte, als Einſiedler ver⸗
kleidet, für ihren Unterhalt; doch waren, in der tiefen Einſam⸗
keit und gänzlichen Abgeſchiedenheit von den Menſchen, ihre
ſanften weiblichen Gefühle nicht erſtorben, und bie edlen Süng-
linge machten benfelben Eindrud auf fie, den die Jungfrauen
auf jene gemacht hatten. Das unauflögliche Band reiner Liebe
ſchloß fich in der Folge unter ihnen und Fnüpfte fi) mit jedem
Tage fefter. Die drei Brüder erbauten auf jener Stelle eine
finttlihe Burg, und nannten fie Minneburg. Lange lebten
fie Dort mit ihren holdſeligen Frauen im glüdlichfien Vereine;
erft viele Jahre nachher verfchwand auch ihr Name aus ben
Regiſtern der edlen Gefchlechter des Nedarthals. Zum ewigen
Gedächtniß Tießen die Ritter das Windfpiel, welches fie zu den
Einfiedferinnen geleitet hatte, in Stein ausbauen. Noch vor
wenig jahren behauptete dieſes Denkmal ber Erfenntlichkeit
feine Stelle auf dem hoben Portale über der Einfahrt zum
Minnebergz allein rohe Hände haben es entwürbigt und
an der Ziegelhütte unten im Thale bei dem Dörfhen Gut⸗
592 NRedartpalund Odenwald.
tenbad, über einer Stalithüre, in eine ärmliche Lehm-
wand eingemauert. *)
(S. „Badiſche Wochenſchrift.“ Jahrg. 1807. Nro, 5. Seite 73).
Die beiden vorſtehenden Sagen haben einem jungen Dichter den
Stoff zu einem größeren Gedichte geliehen, welches unter dem Titel:
„Die Sage vom Minneberg des Nedartpals, ein Romanzenkranz von
Sr. Ernft, mit Umriffen und einer Wufltbeilage von L. Hetſch,“
in Stuttgart bet Ebner und Seubert erfchienen if.
Der Minneberg.
em wirds nicht fehnlich zu Sinne,
Hört er vom Minneberg?
Wer denkt nicht, daß ſich darinne
Berfchwiegene Minne berg’?
Oder daß in feinem Grunde
Der Ritter Tanhufer ruht,
Mit Frau Venus Mund an Munde,
Berfehmolzen in füßer Gluth?
Komm, jet’ Di im Abendlichte
Still an die Seite mir
Und höre nun die Gefchichte,
Die man erzählt von bier:
Tief in dem Berge haufen
Zwölf Schöne Jungfräulein;
*) Denfwürbig ift, daß, vor nicht gar langer Zeit, ein Einfiebler
von unbefannter Herkunft, aber ungemeiner Bildung, fih in den
Ruinen der Minneburg eine freundliche Wohnftätte bereitetete und
den Play mit Blumenbeeten und Gefträuchen fehr anmuthig ausſchmückte.
Nachdem er vierzehn Jahre lang in firenger Weltabgefchiebenpeit in
diefer romantifchen Wohnung gelebt hatte, verfchieb er, doc iſt es
bisper flets unbelannt geblieben, wer ex geweien. Nach feinem Tode
verwilberten die hübſchen Anlagen wieder und der Muthwille gerfiörte
fie vollends. Sept gehört die Burg dem Fürftlen von Leiningen
(5: „Univerfalterifon vom Großherzogthum Yaden 20.% Karlsruhe 1944, Mallot).
Neckarthal und Ovenwalb. 593
Sie kamen zuweilen heraußen,
Doch ſtets nur Eine allein.
Die ſetzte ſich an die Quelle
Dort an dem ſchattigen Hang,
Sich labend am Kühl der Welle
Und luſtigem Vogelſang. —
Vom nachbarlichen Schloße
Kam einſtens ein Edelknab',
Verirret vom Jagertroſſe,
Hier an den Quell herab;
An deſſen mooſigem Rande
Das reizendſte Mägdlein ſitzt
Im blüthenweißen Gewande,
Vom Gürtel ein Demant blitzt.
Ein himmliſches Lächeln ſpielet
Um ihren Roſenmund,
Aus deſſen Bogen zielet
Der Gott, der Alles macht wund.
- Sie grüßet, wie hold erſchrocken,
Den jungen Jägersmann —
Ihre Augen, ihre Loden
Sie halten ihn bald im Bann,
In heißer Liebesumfchlingung --
Doc ſprach das Jungfräulein:
„Nur unter Einer Bedingung
Darf ich Dein eigen feyn:
„Selobe mir, nie zu ſpähen
Wo ich zu Haufe bin,
Mir niemals nachzugehen
Zur verfhwiegenen Wohnung hin!
II. 38
594
Neckarthal und Odenwald.
„Denn ſollteſt Du je dich wagen
In mein geheimes Haus,
So kommſt Du in ewigen Tagen
Nie wieder an's Licht heraus!“
Er ſchwört's; mit glühenden Küßen
Beſiegelt wird ihr Bund,
Geweiht zu Himmelsgenüſſen
Der trauliche Schattengrund. —
So floßen am kühlen Bronnen,
Bei koſigem Minneſpiel,
In weltverſchwiegenen Wonnen
Der Frühlingsabende viel.
Doch ließ die Neugier, die ſchlimme,
Dem Jungling feine Ruh;
Stets rief ihm eine Stimme
Aus ſeinem Innern zu:
,Geh ihr nach, geh’ ihr nach, wenn bie Loſe
Deinem Arm fi wieder entzieht,
Und in des Gebirges Schooſe
Nach der heimlihen Wohnung flieht.
„Gelöſt nun werde Dir endlich
Das Räthſel fo wunderbar,
Und drohte auch unabwenblich
Dir ewigen Banns Gefahr!“
Er kann nicht widerftehen,
Sein Herz iſt gar zu ſchwach;
Vom Liebchen ungejehen,
Schleicht er ihr Abends nach;
Entlang des Berges Seiten
Folgt er ihr ohne Halt, —
" Neckarthal und Odenwald. 595
Da ſieht er ſie plötzlich gleiten
In einen Felſenſpalt.
Er kann nicht widerſtehen,
Es drängt ihn mächtig hinein —
Kein Menſch hat ihn mehr geſehen,
Verſchloſſen bleibt der Stein.
A. Echzlr.
(Vergl. Aloys Schreibers „Sagen aus ten Rheingegenden und dem Schwarz⸗
walde.“ Heidelberg 1839, ©. 104.)
Der getreue Hirſch.
Zu Hornberg am Neckar wohnte einſt ein tapferer Rit-
ter, der im gelobten Lande große Thaten verrichtet hatte. Er
hieß Bertram der Weder und hatte eine ſchöne fromme Ges
mahlin, mit Namen Adelheid, und eine ebenfo brave Tochter,
bie Mechtilde hieß. Als Letztere achtzehn Jahre alt war, und ſchon
mander Edelmann um ihre Hand warb, da nahm der Tod ihre
Mutter weg und der Vater ging eine zweite Ehe ein, weil
er hoffte, noch einen Sohn und Stammeserben zu erhalten.
Diefe zweite Frau hieß Clotilde und war fehr boshaft, aber
rei, und brachte tem Ritter Bertram ein großes Heirathsgut,
der auch feiner Frau Alles vermachte, und der Tochter nur
die Sräulein-Ausfteuer beftimmte, die auch Damit zufrieden war.
Ein ganzes Jahr Yang ertrug Mechtilde ſchweigend und gebuls
dig die böfen Sitten ihrer Stiefmutter, die auch einen Sohn
befam, fo dag zu Mechtilden nach und nach die Liebe ihres
Baters geringer wurde. Einft Fam er von der Jagd und brachte
ein junges lebendiges Hirfchfalb mit, dag er feiner Tochter
fchenfte, die es forgfältig aufzog. Der junge Hirſch wurde
ganz zahm und fie ließ ihm oft fein Futter in einem Hängforb
zur Burg hinab. Da begab es fih, daß zu Wien ein großes
Zurnier gehalten wurde, und Bertram zog dahin. Raum war
er fort, fo fing die Stiefmutter mit Mechtilden Streit an und
ließ ſie in's Burgverließ werfen. Aber der Burgvogt und alle
Kappen festen fi fo herzhaft Dagegen, daß Clotilde ihre
38*
596 Nedartdalund Odenwald.
Stieftochter nach drei Tagen wieder freiließ. Mechtilve blieb aber
nun nicht mehr im Schloß, fondern ging in den Wald, wo
fie nicht weit von der Burg eine Höhle fand, die ihr recht
wohl gefiel. Sie holte fi) ihre Kleider, etwas Nahrung und
Bettzeug, und begab fih an den einfamen Ort, den man vor
Gebüſch und Strauchwerf noch nicht entdedt hatte. Der Hirfch
allein ging mit ihr, und fam täglich dreimal in’d Schloß in den
Türniß oder Atzungsſaal mit feinem Korbe und Jeder von dem
Gefinde war gewohnt, ihm etwas Nahrung hinein zu legen,
und wer ihn nichts gab, den ftieß er an, big er etwas erhielt.
Das trug er dann alles getreu feiner Herrin zu und friftete fo
fieben Jahre der Mechtilde tag Leben. Damit man aber bie
Höhle nicht finden follte, fo nahm der Hirich jedesmal einen
Umweg und madte einen Seitenfprung im Hin⸗ und Hermeg,
fo dag man die Spur verlor. An der Höhle entfpringt auch
die Mechtildenquelle, die Winters nicht zugefriert und im
Sommer eisfalt ift und niemals an Waffer abnimmt. Als Kind
hatte einmal Mechtilde einem Pilger, der in's heilige Land
reifte, ein Gefhenf gegeben, und aus Dankbarkeit Tieß er ihr
feine Kürbisflafche zurüd, die Mechtilde mit in die Höhle nahm
und die ihr der Hirfh an der Duelle füllte, fo oft fie ihm
winfte.
Der Ritter Bertram gewann im Turnier den erſten Preis,
aber groß war fein Jammer, ald er nad) Haufe Fam und feine
Tochter nicht fand, und Niemand ihm fagen fonnte, wo fie
hingefommen. Da gelobte er der Mutter Gottes eine fehöne
Kapelle zu bauen, wenn er die Gnade haben könnte, feine Toch⸗
ter Mechtilde noch einmal zu fehen. Er Tieß fie überall fuchen,
aber umfonft; man entdeckte feine Spur von ihr. Seine Frau
Clotilde war aber feit feiner Abreife nach Wien fiech geworben,
und Niemand fonnte ihr helfen. Sp litt fie ſchon fieben Jahre
bie bitterfien Schmerzen, aber zuletzt geftand fie ein, daß fie die
Mechtilde aus dem Schloß vertrieben habe. Darauf flarb fie,
und Bertram Tieß fie in dem Dorf Woltenhaufen beflatten, wo
ihr Familienbegräbniß war.
Eines Sonntags frühe hörte man den Hirſch entſetzlich
ſchreien und ſah ihn bei Wolfenhaufen ſich jämmerlich gebärden.
Herr Bertram befahl einem Knappen, nachzuſehen, und der fand
KRedartpalund Ddenwald. 597
denn auf der Wiefe die Medtilde todt und den Hirfch neben
ihr, der mit dem Geweih in die Erbe bohrte, als ob er anzei-
gen wollte, dag man fie dort begraben folfte. Da fam auf diefe
Nachricht der Ritter Bertram eilig von der Burg herab mit al-
len feinen Dienern und erfannte mit Jammer und Noth den
Leichnam feiner Tochter. Er ließ fie in einen fleinernen Sarg
legen und an berfelben Stelle begraben.
Unterdefjen hatte man den Heinen Sohn, der auch Bertram
hieß, im Schloß zurüdgelaffen und Niemand hatte Acht auf
ihn gegeben, weil Alles wegen Mechtildens Tod hinabgegan-
gen war. Bei der Zurüdfunft fand aber Bertram feinen Sohn
nicht, und fuchte ihn mit befümmertem Herzen in der ganzen
Burg. Da entvedte zulest der Burgvogt den abgebrocdhenen
AR eines Birnbaums und fo fanden fie den Knaben zerfchmet-
tert am Fuße der Mauer, und ein Theil feines Kleides hing
zerriffen an dem Gefträuche, über welches er von dem Birn-
baum herabgefallen war. Der Bater ließ fih an die Stelle füh-
ven und fiel in Ohnmacht, als er die Leiche feines Kindes
fah. Seine Leute waren bemüht, ihm einen Ruheplag zu fu-
hen, und fanden dadurch die Höhle Mechtilden’s, die vorher
jedermann unbefannt geblieben war. AU ihr Feiner Hausrath
war noch dariı, ihr Hängforb und ihre Kürbisflaiche und fo
fahen fie nun Far, wo fie fo lange verborgen gelebt hatte. Der
Hirſch, der mitgegangen war, ergriff die Flaſche und füllte
fie an der Quelle, und fo wurde Alles fund, wie Mechtilde
durch den dankbaren Hirfch ihr Leben erhalten hatte.
Der Nitter Bertram ließ feinen Sohn neben die Mutter
beftatten, und baute, wie er gelobt hatte, am Begräbnißplage
Mechtildens eine Kapelle, die er reich begabte. *).
*) Erwähnt wird biefe Sage im »Hiftorifch-politifch-geograppifchen
Atlas der ganzen Welt.“ Th. V. S. 1849, und in den „Antiquitäten des
Nedars.” Medicus hat fie 1765 mündlich gehört, wie fie oben fleht.
(Siehe Mone's „Anzeiger 20,” Jahrg. 1834.)
598 Neckarthal und Odenwald.
Das Lied vom Hornberg.
Hier wohnte Götz!*) Auf! ſingts im frohen Kreiſe!
Der edle teutſche Mann,
Der ſeiner Zeit des Heldenſinnes Preiſe
Zu Haufen abgewann.
Hier ſchlug ſein Herz für Recht und ſchlichte Sitte
In freier Bruſt empor;
Hier lieh der Held des Unterdrückten Bitte,
Der Wahrheit auch ſein Ohr.
Hier zog er ſiegreich aus mit ſeinem Herzen
Und ſeiner Eiſenhand;
Hier war ein Freund, — der ſtand in Luſt und Schmerzen,
Gleich dieſer Felſenwand.
Hier war's, wo ſeine kühnen Löwen ruhten
Zu neuem Siegesgang!
Hier wälzte ſich mit unſers Neckars gluthen
Triumph und Hochgeſang.
Hier war's, wo Götz in wildumſtürmten Tagen
Sich und die Treuen wog,
Dann aus der Nacht, drin ſchwache Seelen zogen,
Auf, wie der Falke, flog.
Hier trank der Knecht, der an des Führers Seite
Das Schwert erklingen ließ;
Hier hob den Feind die Großmuth und die Freude
Tief aus dem Burgverließ. —
So laßt denn hoch den goldnen Becher wandeln,
Gefüllt mit Neckarwein!
Es gilt, wie Götz als Biedermann zu handeln,
Und treu und wahr zu ſeyn;
Gleich ihm der Welt die große Schuld zu zahlen
Der alten Redlichkeit;
In Stürmen feſt zu ſtehn, wie in den Strahlen
Der holden Frühlingszeit.
*) von Berlichingen,
Redartgalund Odenwald. 509
Es gilt, ein unvergänglid Maal den Ahnen
Sm Herzen zu erbau’n,
Es gilt, es gilt, der Vorzeit ernfte Manen
Sn Herrlichkeit zu fchau’n.
Nichts fol den Glanz, in dem fie leuchten, mindern;
Erlöſchen fol er nie,
Und glühend ruf’ der Vater feinen Kindern:
Schaut hin, und ſeyd wie fie!.
r D. P. Reimold.
Sm Zahr 1516 kaufte Götz von Berlichingen die Burg
Hornberg von dem Ritter Conz Schott von Schottenftein. Dort ſchrieb
er am Abend feines Lebens feine Selbfibiographie und legte dann fein
müdes Haupt zur ewigen Ruhe nierer. Roc wird fein Harnifh auf
der Burg aufbewahrt.
(S. Gotifhalt’s „Mitterburgen 20.” ©. 74 u. 75.)
Der Michaeläberg.
Eine Stunde von Hafmersheim firomaufwärts, auf Dem
Gipfel des nahen, mit Reben befränzten Berges, erfcheint ung bie
einft von vielen Wallfahrern befuchte, dem heil. Michael geweihte
Kapelle, von der auch Die Höhe den Namen Michaelsberg führt.
Der Sußwanderer kann vom Hornberg aus auf einem angeneh-
men, durch den Forft ziehenden Pfad hiehergelangen. Die Ka-
velle ift uralt und man hat von diefem Orte folgende Sagen
der Vorzeit bewahrt:
Als die ganze Gegend noch eine fehauerlihe Wildnig war,
Hatte fich in dieſen Gebirgen ein fühner und fräftiger Jüngling
mit einer Tieblichen Jungfrau verlobt. Beide Tiebten einander
aufs Zärtlichfte; aber fie war eine Chriftin, er dem Heiden,
thume noch zugethan. Auch hing er feit an feinen Götzen, und
nachdem die Jungfrau fich vergeblich bemüht, ihn ber reinen
Lehre zuzuführen, trieb fie der tiefe Gram über feine Verblens
dung weit weg von ber Wohnung ihrer Eltern in die tiefften
Wälder, wo fie in einer Felfenfluft ihre Tage unter Geberen
für das Seelenheif ihres für fie verlorenen Bräutigam hin-
brachte. Selbft Die wilden Thiere hatten Mitleid mit der Traus
ernden und trugen ihr Nahrung zu. Aber nach einigen Jahren
ward fie von den Banden des irbifchen Lebens befreit und der
=
600 Neckarthal und Odenwald.
Engel des Todes geleitete freundlich ihren Geiſt zu dem Reiche
der Seligen. Oft durchſchweifte, nachdem ſie verſchwunden war,
der Jüngling düſter und kummervoll die weite Gegend umher
und ſuchte die Dahingeſchiedene vergebens.
Da hielt er eines Tages Jagd mit ſeinen Hunden im bu⸗
ſchigen Thale. Ein Wild ſprang vor ihm auf, blieb aber ſo⸗—
gleich ftehen und fah ihn unverwandt und mit fo traulichen
Blicken an, daß er, gerührt, den ſchon gezüdten Jagdſpeer wie-
ber zurüdhielt. Das Thier ſchien ihm zu winken: er folgte nach,
und ed führte ihn zu einer Nafengruft, die er alsbald für die
feiner Geliebten erfannte. Die Arme batte fich felbft die dabei
in einen Felſen gefchnittene Grabjchrift gefent und einige Be⸗
wohner des einfamen Thales hatten ihre Leiche Darunter beftattet,
Er warf fi auf den Hügel und näßte ihn mit heißen Thränen,
während das Bild der Entfchlummerten wie ein Engel des
Himmels vor feine Seele trat.
Da kam plößlich der reine Geift des Chriftenthums über
ihn, und fchnell war fein Entfchluß gefaßt. Ex pilgerte nach
Worms und ließ fih von dem Bifchof taufen. Darnach wieder
in feine Heimath zurüdgefehrt, baute er ſich eine Hütte auf
diefem Berge, wo er als Einfiebler heiligen Betrachtungen und
Bußübungen Iebte. Er ertheilte den Umwohnern fromme Leh⸗
ren, erguidte den müben Wanderer mit Speife und Tranf und
geleitete den DBerirrten wieder auf den rechten Weg durch bie
Wildniß. Weithin erfcholl der Ruf feines gottfeligen Wandels
und zahlreiche Pilger Famen von allen Orten her zu feiner ein-
famen Hütte und holten fich bei ihm Troſt und Stärfe in den
Drangfalen des Lebens. Als endlich der Fromme Klausner ein
hohes Alter erreicht und die Kräfte feinen Körper meift verlafs
fen hatten, vernahm er einmal Nachts, wo Sturm und Res
gen tobte, ein Pochen an feiner Thüre. Er öffnete fogleich und
in bie kleine Zelle trat ein Wanderer von hoher fchöner Geftalt;
er trug ein ſchneweißes Pilgergewand mit Lichtblauen Schleifen
und aus feinen Augen Teuchtete himmlifcher Friede. Der Greis
machte nun Feuer an, damit der Fremdling ſich erwärme, febte
ihm Speife vor und verrichtete dann knieend und mit zitternder
Stimme fein Nachtgebet. Aber flaunend ſah er jegt beim
Aufbliden, wie fein Saft, noch herrlicher als zuvor, das
Nedartpgalund Odenwald. 601
Haupt von einer Strahlenfrone umfränzt, vor ihm fland. Mit
erbabener Milde ſprach der Engel, — denn ein folder war ber
Fremdling — „Gott hat dein Stehen erhört; geh’ ein zur Ruhe,
zum ewigen Frieden " — Mit diefen Worten gab er ihm einen
Kuß auf die Stirne; der Greis fanf zurüd und feine Seele
ſchwang fi empor in die beffere Welt. Am Morgen fanden bie
Waller den VBerblichenen, als läg’ er nur im ruhigen Schlum-
mer, an feinem Fleinen Mltare von Rinden und Mood. Sie be=
gruben ihn unter Gebet und Thränen und erbauten auf diefer
Stelle ein Kirchlein, das fie dem Erzengel Michael weihten.
(Aus Kari Geib's eier Säilberung der Nedargegenden.” Frank⸗
furt a. M. 1843. Seite 74 u. 75.)
Kloſter Simmelreich,
(Metriſche Verfion.)
„Yeimm an den Ring, ihn trug mein Schwefterlein,,
Eh’ zu dem See fie ging im Hertha-⸗Hain,
Wo fie der Göttin Opfer wollte ſeyn!“ —
Friedhil de fanf zurüd, wie lichter Schnee,
Der Jungfrau Mutter aber ſprach: „O weh!
Ihr feyd fein Chrift, Ihr opfert noh im See?“
„Vieledle Frau! — Herr Siegbert! — feyd mir mild:
Bin ich Fein Chriſt, fo trag’ ich Speer und Schild
Und herzlich Lieb’ ih Eure Friedehild!“ —
Held Siegbert ſprach: „Geh, Grißo, werd’ ein Chriſt,
Schwör' ab den Götzenfrohn, in dem du biſt:
Dann wird Friedhilde dein in kurzer Friſt!“
Der Züngling geht und — kehret nimmermehr.
Friedhilde weint, es flirbt ihr Vater hehr,
Die Mutter auch, ba meint fie noch fo fehr:
„Will Gott mich einfam, gut, fo will ich's feyn!
Ade, Ade, du Burg auf hohem Stein,
Im Walde bau’ ich nun die Wohnung mein!” —
602 Nedartbalund Odenwalp.
Nun überwölbten Eichen ihr Gemach,
Die harten Felſen fangen all’ ihr nad,
Wenn fie am Kreuz davor. laut betend forach.
Gemildert warb ihr Schmerz in wenig Zeit,
Bom Kreuz herab trof Himmelsfüßigfeit ,
Und Friede füllte fie und Seligfeit.
Auch auf den Wald fam Frieden weit und breit,
Da that fein Thier dem andern was zu leid,
Und Ur und Bär fland vor ihr, wie gefeit.
Die Singevöglein bauten Nefter hier,
Und Hirſch und Reh und allerlei Gethier,
Das fhüchtern ift, fand Ruh' in dem Revier.
Und, brach fie einen grünen Zweig, fo fam
Das al’ heran und Jedes aß und nahm,
Sie heilete fie auch, war Eines lahm.
Was fie gepflanzt, trug reichlich überall; |
Grub fie im Gärtlein, flog die Nachtigall
Ihr auf das Haupt und fang mit füßem Schall.
Zrat fie im rothen Morgenlicht hervor,
Sang jedes Böglein mit ihr Morgendor ,
Am höchſten flieg der Lerche Lied. empor!
Bon taufend Blüthen duftete der Hain
Und Bienenſchwärme flogen aus und ein
Dur ihre Zell’ und bauten Waaben drein.
So Tebte fie allda in Einfamteit :
Da fam einft, um bie Abendglodenzeit,
Ein Engel und fie war zum Tod bereit.
Er betete mit ihr und als fie ſchwieg,
Sanf hin der Leib und ihre Seele ftieg
Empor zum Himmel aus der Erbe Krieg.
Nedarthpalund Odenwald. 603
Da fam rings jedes Bögelein heran
Und hing die Flüglein, ald der Himmeldmann
Ihr files Grab zu graben nun begann.
Da kamen Hirſch dazu und Elenn’ aud
Mit ihren Schaufeln aus dem grünen Straud,
Und gruben allda mit, nah Menſchenbrauch.
Und als fie in der Ruheſtätte war,
Trug jeglich Thier ein grünes Zweiglein dar,
Die Böglein aber Blumen in ihr Haar.
Der Engel legte dann den Stein hinauf
Und fohrieb fodann der Frommen Lebenslauf
Mit wunderbarer Slammenfchrift darauf. —
Einft jagte Grißo einen Hirfch zu Wald,
Der machte bei Friedhildend Grabe Halt,
Des Jünglings Speer verlor da die Gewalt!
Denn als er mächtig ihn erhub und da
Die wunderbare Schrift am Grabe fah ,.
War ihm Friedhildens Friedenszauber nah,
Und ſchuf ihn um, den Kühnen, daß er gleich
Abfhwur die Götzen; fromm und mild und weich,
Er baut ein Klofter da: das Himmelreid,
That Buße drin und ſchor fein blondes Haar,
Und lebt im Hiflelreiche manch ein Jahr,
Bis dann fein Ende wie Friedhildens war.
0 Auguſt Kopiſch.
*) Die urſprüngliche Sage berichtet, daß Grißo, nachdem er ſich
taufen ließ und den chriſtlichen Namen Lukas angenommen, eine
Einfiedelei neben dem Grabe der Geliebten erbauen ließ, darin er
Gott aufs Eifrigfte diente, verirrte Wanderer mit Speif’ und Trant
erquicdte und fie wieder auf den rechten Weg wies. Zahlreiche Wallfah⸗
rer pilgerten zu der Zelle des Heiligen Mannes, und als ihn eines Ta⸗
ges ein Engel Gottes von diefer Welt genommen, warb an der Stelle,
wo feine Siebelei fland, zum Andenken feiner wunderbaren Belehrung
eine Kapelle erbaut und dem heiligen Michael gewidmet, wovon der
Berg den Namen Michaelsberg erhielt. Augführlicher erzählt dies
folgende Legende von F. W. Krummacher.
606 — Redartpalund Ddenwaln.
In's Reich der Lieb’ und füßen Himmeldruh’!
Du haft getröftet und geliebt hienieden,
Drum fey ind ew’ge Liebesland beſchieden!“ —
Er ſprachs, und wunderſüße Harmonie'n
Erſchollen himmliſch in den Buchenzweigen;
Der Greis will ſich vor ihm zur Erde neigen,
Doch freundlich richtet ihn
Der Engel wiederum empor,
Und küßt ihm die verklärten Blicke;
Die ſtarre Hülle bleibt im ſtillen Thal zurücke, —
Es öffnet ſich das goldne Sternenthor;
Der Greis entſchwebt, dem ſchönen Jüngling gleich,
Ins Paradies, ins lichte Himmelreich.
Ein grüner Hügel birgt die morſche Hülle,
Und aus des Haines heil'ger Stille
Hallt noch manch brünſtig Flehn empor;
Denn wo voreinſt das grüne Hüttchen ſtand,
Glaͤnzt jetzt ein Kirchlein, Himmelreich genannt.
Hörſt du der frommen Pilger Chor?:
Sieh, Vater, gnädiglich auf und herab,
Birg unfern Leib ins fühle Grab,
Und unfern Geift heb’ in Dein Reich empor !”
5. W. Krummacher.
Beide vorigen Fegenden ergänzen fih; während Kopifch den Tod
Sriedhildens zum Gegenftand feiner Dichtung madt, bepandelt Krum:-
macher den nicht weniger fchönen Tod Grißo's, der den hriftlichen
Namen Lukas angenommen hatte, und bringt damit die fromme Sage
vom Michaelsberg in Berbintung.
(Vergl. 3. Baader's „Sagen der Pfalz, des Neckarthals 2c.”)
Die weiße Frau zu Guttenberg.
Huf dem Schloß Guttenberg am Nedar ift vor etlichen
und achtzig Jahren die weiße Frau vielen Leuten erfchienen, bes
fonders dem Hausgefinde. - Sie fhlih umher wie ber Wind;
Neckarthal und Odenwald. . 607
wenn eine Magd baden wollte, fo fprang ihr die weiße Frau
auf das Genick, doch war fie leicht, und man hielt fie oftmals
für den Alp. Zuweilen fand fie auch am Wafchzuber und half
den Mägden; fie war gewöhnlich weiß, auch grau, ihr Ge⸗
ficht voller Falten, ihre Geftalt lang, auch war fie, wie bie Leute
fagten, die fie gefeben, wohl über hundert Jahre alt. Winters
fchlich fie aus dem neuen Bau in das neue Schloß, das auf
dem Plage des alten erbauet ift, und kehrte alle Sachen um,
Ein berzhafter Diener des Burgheren fah ihr oft nah, wenn
fie davon ſchlich, dafür nahm fie ihm feine Kleider und fein
Dedbeit, wann er fihlief, und trug fie in eine andere Stube.
Der Schloßherr hat fie niemals gefehen, hörte fie wohl aber
in den Gängen, wenn fie eine flarfe Tracht Brennholz vor -
den Defen niederwarf. Allein fobald er fie ertappen wollte, war
fie verfchwunden und er fand fein Holz auf dem Gang. Mor:
gens fchlich fie dann gewöhnlich in das Backhaus, wo fie fi
yerficdte, wie das Geſinde oft gefehen hat. Ste that fat Nies
mand etwas zu Leide; wo fie Einem aber bei der Arbeit half,
da mußte er fleißig feyn, dann fah fie ihm zu, und verjchwand
wieder, ohne ihn zu beleidigen. Als einmal zwei Kammermäb-
hen im Wafchhaus ein Bad nahmen, öffnete die weiße Frau
bie verfchloffene Thüre, fo daß die Mädchen erfehroden davon
liefen. Da Tieß der Burgherr an der Ede des Wajchhaufes, wo
bie weiße Frau zu verfhwinden pflegte, aufgraben, und man
fand die Gerippe eines großen Menfchen und eines Kindes. Letz⸗
teres war von der weißen Frau, denn fie fol in ihrem Leben ein
Kammermäbchen gewefen ſeyn, bie ihr Kind umgebracht und
verſcharrt hat. Sie fonnte nicht flerben, bis fie die Mordthat
geftanden hatte, und fie verlangte, daß der Burgvogt fie zu ihrem
Kinde in die Ede des Wafchhaufes begraben follte. Das ge⸗
fhah, und fo entfland die weiße Frau. As man ihre Gebeine
wieder gefunden hatte, ließ fie der Burgherr auf dem Kirchhof
ehrlich beftatten und feitdem hat die weiße Frau Ruhe und geht
nicht mehr zu Outtenberg.
(Siehe Mone's „Anzeiger 20,” Jahrg, 1834.)
”
*
608 « NRedartbalund Odenwald.
Die Kapelle bei Dallan. *)
Als die Hunnen das teutfche Land überſchwemmten, Tebten
in dem Klofter bei Dalau zwölf junge Nonnen mit ihrer betag-
ten Vorfteherin. Sie gehörten fämmtlich den ebelften Gefchlech-
tern der Gegend an und waren von unſträflichem Wandel. Als
bie wilden Feinde fih dem Nedarthale nahten, ſah man auch
im Klofter nur fchredenöbleiche Geſichter, denn allenthalben ver-
übten die zuchtlofen Schaaren unerhörte Frevel. Einft verharr⸗
ten die Jungfrauen bis um Mitternacht im Gebet, zum Himmel
um Schus und Rettung flebend, da vernahmen fie plötzlich ein
dringendes Läuten an der Klofterpforte. Ein alter Dann mit
fihneeweißem Barte und von ehrwürbigem Anfehen bat um
Einlag und Nachtherberge. Freundlich nahmen die Frauen den
Wanderer auf und labten ihn mit Speife und Tranf, Leber
fein Antlig war eine Hoheit und Milde ausgegoffen, die jedes
Herz mit Ehrfurcht und Bertrauen erfüllte. Sm Laufe des Ge-
ſpräches theilten ihm Die frommen Schweftern auch ihre Beforg-
niffe wegen der Barbaren mit und baten um feinen Rath.
»Wie ihr an mir Erbarmen geübt habt,“ — fagte der
Greis — "fo wird Gott auch eurer fich erbarmen, denn er hört
fletö das Flehen der reinen Unfhuld. So hört nun den Rath,
ben ich euch ertheilen will: Laßt alsbald dreizehn Todtenfärge
machen und biefelben in die Kapelle ftellen. Nahen fich Die Feinde
diefen heiligen Mauern, fo fhmüdt eure Häupter mit Blumen⸗
fränzen und legt euch in die Särge, ald ob ihr Verftorbene
wäret. Ich werde wiederlommen zu derfelben Stunde, da bie
wilden Hrereshaufen in Dies Gotteshaus dringen und werde
euch einfegnen.”
Die Zungfrauen waten, wie der Greis ſie geheißen. Sie
ließen in Eile die dreizehn Särge zimmern und als fie das Ge⸗
fohrei und Gelärme der heranziehenden Hunnen vernahmen,
flocht Eine der Andern einen Kranz um das Haupt und Jede
legte fih im Todtengewand in ihren Sarg, die Hände über bie
Druft gefaltet. Auf einmal fam der Greis im Tirchlichen Talare,
begleitet von zwei wunderfchönen Chorfnaben, aus der Sakri⸗
ftei gefchritten und verrichtete Die Gebräuche, wie fie bei Beer-
*) Dorf, ein und eine Biertelftunde von Mosbach.
Redartbalund Odenwald. 609
bigungen vorgefchrieben find; denn bie Jungfrauen waren wirk⸗
lich eingeſchlummert, aber nur um jenſeits, in den Gefilden
des ewigen Friedens, wieder zu erwachen. Kaum waren die
letzten Einſegnungsworte über die Lippen des Greiſes, als die
Hunnen hereinſtürzten, aber bei dem Anblick der dreizehn
Särge wie ſtarr vor Schrecken ſtehen blieben. Der Greis hatte
ſich in eine Hohe zürnende Jünglingsgeſtalt verwandelt, bie mit
drobendem Winfe die Hand nad den Feinden: firedte. Cine
Strahlenglorie ummwob feine Loden und über bie weißen Ge-
fichter der tobten Jungfrauen ergoß ſich ein güldener Schimmer.
Bon namenlofer Angft ergriffen, flürzten die Kriegsknechte aus
Kapelle und Klofter fort, Keiner mehr ed wagend, bem Gipfel
des Berges wieder zu nahen. Als endlih das Tand von ben
wilden Horden gefäubert war, fehrten die Umwohner bes Klo⸗
ſters nach und nach in ihre Hütten zuräd und wollten auch,
nach alter Gewohnheit, dem Gottesbienft auf bem Berge wie
der beimohnen, allein fie fanden zu ihrem Staunen alle Zellen
verlaffen und in der Kirche dreizehn frifchgelegte Gruftplatten,
alle mit Kreuzen bezeichnet, worauf die Namen ber dreizehn
Jungfrauen und ihrer Priorin zu lefen waren. -
Al. Schreiber.
(Siehe deſſen „Sagen ⁊c.“)
Die Nonne zu Dallau.
„Zeb wohl, du Treugeliebte !
Ich ziehe fort von bier
Nach dem gelobten Lande,
Dort fleh' ih Sühnung mir.
Wenn ich an des Erlöfers Grabe
Für meine Seel’ gebetet habe,
Dann Fehr’ ich treu zurüd zu dir.“
Und fort zog er mit Eile,
In einem härnen Kleid,
Sie fah ihm nach mit Weinen
MU i 39
610
Nedartbalund Odenwald.
Und feufzt’: „Ich arme Maid!
Mas blinket ihr, o holde Sterne ?
In feinem Aug’ fah ich euch gerne,
Doch jest ift er fo fern, fo weit !“
An jedem Abend niet fie
Bor dem Madonnabild :
Maria, [hüg’ den Waller,
Er ift fo fromm, fo mild!
Er zieht dahin am Pilgerftabe,
An deines Sohnes ftillem Grabe
Will beten er von New erfüllt.“
Es fiheln fih die Monde,
Zwei Jahre wohl vergehn; .
Sie fchaute von dem Söller,
Und konni' ihn nicht erfpähn.
Sie fleigt fo bang und traurig nieber :
„Wann Tehreft du, Geliebter, wieder ?
Willſt Deine Maid du nimmer fehn? —“
Einft in des Traums Gefilden
Maria ihr erfcheint:
„Dein Ritter ift gefallen;
Der Tod hat ihn vereint
Mit Jefu, für das höh’re Leben
Hat er fein Heldenblut gegeben;
Der Arme hat jeßt ausgeweint.”
Und old fie drauf erwachte,
Nief fie: „Was weil’ ich hier
Auf diefer Erd’ alleine?
Nimm mid hinauf zu dir!
Hier iſt's fo 80°, bin fo verlaffen,
Will, ach! fo gern um dich erblaffen,
Hier traur' ich einfam für und für, —“
Nedartdpalund Odenwald. 611
Im Klofter fie fih ſchließet
In eine Zelle ein,
Und nad drei Monden naht ihr
Ein Engel mild und rein:
„Laß ab, Taf ab, dich fo zu graͤmen,
Dich will der Herr jegt zu ſich nehmen,
Zu enden deine lange Pein.”
Und freudig rief die Fromme:
„Ich fterb’, Geliebter mein!“
Sie farb und in den Himmel
Draht’ fie das Engelein.
Das Kiofter ift ſchon Tängft zerfallen,
Aus deffen öden dunfeln Hallen
Es uns erzählt’ der Leichenftein.
(Zliegendes Blatt.)
Neben dem friedlichen Dörfhen Dallau erhebt fi ein mäßiger
Berg, auf welhem vor Zeiten ein Frauenkloſter fiand. Da diefes
fhon Tängft zerfallen, würde man die Stelle, auf der es erbaut
war, faum mehr erfennen, bezeichnete diefe nicht der Name Kapell,
ven des Berges oberfle Spitze noch trägt.
Mancherlei redet die Sage von dieſem Frauenflofler. Weiße Ge-
falten follen in der Mitternahtfiunde dort ummundeln und melodiſche
Sangesweifen von der Höhe niederklingen.
Obige Sage mag dem DMeifter Uhland den Stoff zu feinem zar⸗
ten Gedichte geliehen haben, das wir hier anfdhließen:
Die Nonne.
‚Im ftillen Kloftergarten
Eine bleihe Jungfrau ging;
Der Mond befchien fie trübe,
An ihrer Wimper hing
Die Thräne zarter Liebe.
„O wohl mir, daß geftorben
Der treue Buhle mein!
Ich darf ihn wieder Lieben;
Er wird ein Engel feyn,
Und Engel darf ich Tieben.”
39?
612 Medartdgalund Odenwald.
Sie trat mit zagem Schritte
Wohl zum Mariabild ;
Es fland im Tichten Scheine,
Es fah fo muttrmid
Herunter auf die Reine.
Sie ſank zu feinen Füßen,
Sah’ auf mit Himmelsruß’,
Dis ihre Augenlieder
Im Tode fielen zu ;
Ihr Schleier wallte nieder.
39&o
Ddentväldifches Bauland.
2398o
Sagen von Borberg und der Umgegend.
Doktor Fauſt zu Boxberg.
Als Doktor Kauft in Heilbronn verweilte und fich
mit feinen leidigen Künften in der ganzen Gegend umbertrieh,
fam er auch öfterd auf die Burg Borberg, wo er ſtets gaſt⸗
liche Aufnahme fand. Als er einft an einem Falten Wintertage
mit den Herren und Frauen des Schloffes in den Oartengän-
gen an der Oftfeite der Burg luſtwandelte und die Damen über
Froſt Hagten, ließ er gleich die Sonne warm fiheinen, den
ſchneebedeckten Boden grünen, eine Menge Beilchen und fchöne
Blumen aller Art daraus hervorfproßen. Dann blühten auf
fein Geheiß die Bäume und es reiften daran, je nachdem es
die Geſellſchaft wünfchte, Aepfel, Pflaumen, Pfirfihe und
anderes edles Obſt. Endlich ließ er auch Weinftöde wachfen
und Trauben tragen, worauf er jeben feiner Begleiter einlud,
fih eine Traube abzufchneiden, aber nicht eher, als bis er dazu
das Zeichen gebe. Als fie bereit waren, zuzufchneiden, nahm er
die Berblendung von ihren Augen und Jeder ſah nun, daß
er das Meſſer an die Nafe feines Nächften gefett habe. Der
Theil des Gartens, wo fich Dies zugetragen, wird feit jener
Zeit „ber Veilchengarten« genannt. *)
*) Die Sage von der Gartenbezauberung erzählt man fih aud von Albertug
Magnus; die Nafenfcene Hat Göthe auch in feinem „Fauſt“ angebracht.
614 Odenwäldifhes Bauland.
Ein anderes Mal verließ Doktor Fauft Mittags um drei
Biertel auf zwölf das Borberger Schloß, um auf den letzten
Glockenſchlag zwölf Uhr bei einem Gelag in Heilbronn zu feyn.
Er fegte fich in feinen mit vier Rappen befpannten Wagen und
fuhr wie der Wind davon, fo daß er richtig Schlag Zwölf in
Heilbronn eintraf. Ein Arbeiter auf dem Felde hatte gefehen,
dag gehörnte Geifter vor dem Wagen den Weg eben pflafter-
ten und andere hinter ihm die Steine wieder aufriffen und
entfernten, um fo jede Spur dieſes Pflafters wieder zu ver-
tilgen.
(Nah mündlicher Ueberlieferung, mitgetheilt von Baader, in Mone's „An«
zeiger für Kunde teutfher Vorzeit,‘ Jahrg. 1838.)
Warum der Schillingftadter Schulze zu
fpät vor Amt kommt.
Zwei Ritter von Rofenberg waren in den Krieg gegen
die Heiden gezogen. Kurze Zeit darauf fam der Jüngere wieder
nach Haufe, gab feinen Bruder für todt aus, und ließ fih von
den Gemeinden des Amts Boxberg, ald ihrem nunmehrigen
©ebieter, Huldigen. Nachdem er ein Jahr Yang regiert hatte,
fehrte der Todtgeglaubte zurück und vertrieb ihn aus dem un-
rechtmäßigen Befisthum. Dierauf berief der Aeltere die Schulzen
des Amtes miteinander nach Boxberg, erflärte die Verſammel⸗
ten, weil fie fo voreilig und willig feinem Bruder gehuldigt, für
treubrüchig und Tieß fie füänmtlih durch den Möckmühler Scharf:
richter bei der |. g. Wolfögrube enthaupten. Der Schulze von Schils
lingsſtadt ſtellte fich erft ein, als die Hinrichtung der Andern
bereits vorüber war und wurde nahe dem Richtplage, wo ihn ber
Weg vorbeiführte, vom Scharfrichter ergriffen. Es gelang ihm -
jedoch, diefen zu gewinnen, indem er ihm fünf Gulden vers
ſprach, welche derfelbe für jeden Kopf vom Ritter zum Henker⸗
Iohn erhielt; worauf der Schulze mit Hinterlaffung von Haus
und Hof und Weib und Kind in das Kur-Mainzifche Dorf
Wittſtadt entfloh.
Odenwäldiſches Bauland. 615
Bon biefer Zeit an bis zum heutigen Tage kommt ber
Schilingftabter Schulze allemal zu foät, wenn die Schulzen
vor dem Amt in Borberg erfcheinen müffen *)
(Nach mündlicher eberlieherung mitgetheilt von Bernh. Baader In Mone's „Ans
zeiger 20.” Jahrg. 1838.)
Wölfingen.
Das Dorf Wölchingen bei Boxberg hieß urſprünglich
»Wölftingen« und hatte diefen Namen daher, weil einft
eine Wölfin aus dem nahen Walde zwölf Kinder, die auf Schlit-
ten die Kleine Anhöhe hinabfuhren, überfiel und zerriß. An dem
Orte, wo dieg gefchehen, ift ein hölzernes Kreuz aufgerichtet
und er beißt noch heute die Wolf sgrube, ſo wie der dor⸗
tige Wes: der Todtenweg.
Von der Burg zu Vorberg.
(Aus Mone's „Anzeiger ꝛc.“ Jahrg. 1838.)
1. Auf diefem Bergſchloß lebte vor Zeiten eine Freifrau
yon Rofenberg, welde den Armen viel Guted that. Um
bies vor ihrem Gemahle zu verbergen, unternahm fie manche
heimliche Gänge, welche der Ritter doch zulegt merkte und
daraus Verdacht frhöpfte, fie fey ihm untreu und ftehle ſich zu
einem Buhlen. Er fchlich ihr daher, als fie wieder fo wegge-
gangen war, mit einem Beile nad, um ihr, wenn er fie ſchul⸗
big erfände, auf frifcher That das Leben zu nehmen. Am Burg-
graben aber fand er fie, befchäftigt, unter die Armen, welde
dort fohanzen mußten, aus einem Korbe Brod und Wein zu
vertheilen. Da fah er reuig feinen Irrthum ein, und lebte fortan
*) Abweichend wird unter Anderm auch erzäplt, die Schulzen feyen
nach Heidelberg gegangen, um fi bei dem Pfalggrafen über ihres
Ritters Bedrückungen zu beffagen. Auf dem Hinwege hätten fie fich
in der Herberge zu Adelsheim unvorfichtigerweife über ihr Vorhaben
geäußert und heftig auf den Roſenberger Iosgefhimpft. Eine Magd,
welche zugehört, habe fpäter, als fle auf der Burg Borberg im Dienfte
geſtanden, die Sache dort ausgeplaudert und dadurch die Hinrichtung
ber Schulzen veranlaßt.
616 | Ddenwälpifhes Bauland.
mit feiner Frau in ungeflörter Einigfeit und Liebe. Beide find
auf dem Schloffe in Lebensgröße ausgehauen; er mit dem Beile,
womit er feine Gattin töbten wollte, und fie mit dem Korbe,
woraus fie Brod und Wein vertheilt.
2. Als einft die Burg belagert wurde, bat ein Knecht der
Befagung um die Erlaubniß, dem feindlichen Anführer, wel-
cher jenfeits der Umpfer, auf dem Berge dem Schloffe gegen-
über, fich zeigte, den Hut vom Kopfe herunterzufchießen, jedoch
ohne den Mann felbft zu verlegen. Als ihm der Burgherr dieſe
Bitte gewährte, ſchoß der Knecht mit feiner Armbruft zweimal
über das Thal hinüber und zwar jedesmal dem Anführer, ohne
ihn nur im Öeringften zu befchädigen, den Hut vom Köpfe.
Da fandte der Berfchonte auf die Burg, ließ dafür, daß die
beiden Schüffe nicht auf feinen Leib, fondern blos auf feinen
Hut Ferichtet worden, freundlic, danken und zugleich Frieden
anbieten, welcher auch alöbald gefchloffen wurde.
3. Der Krappenthurm des Schloffes hatte eine folche Höhe,
daß die Pfälzer, um ihrem Herren die Erflürmung der Burg
fund zu thun, auf dieſen Thurm ihre Sahne pflanzten, welche
denn auch zu Heidelberg, dad 18 Stunden davon entfernt Tiegt,
mit Freude wahrgenommen wurde,
A. Sn der Burg befanden fih vormals große Schäße, be-
ſonders in den Gewölbe, das noch heute die Silberfammer
heißt 5; dort fand man auch unter Anderm mehrere Thaler von
altem Gepraͤge.
Auf dem Berggipfel hinter dem Schloffe, welder „bie
Zent“ heißt, erfcheinen von Zeit zu Zeit am Mittag zwei weiße
Fräulein, und deuten mit ausgeftrediten Armen nad der Burg
hin. In diefer felbft fpuften ein Hofmesger und ein Hofbäder
und verrichteten heimlich ihre Handwerksgeſchäfte; auch wurde
fhon auf dem Fruchtfpeicher ein Simri von unſichtbaren Hän-
den hin und her gerollt.
Odenwäldiſches Bauland. 617
Die meineidige Hochzeit. -
In einem Bergwäldchen bei Wölchingen verfprachen
ein Burfche und ein Mädchen aus biefem Dorfe fich wechfelfeitig
die Ehe mit dem Schwur: Dasfenige von Beiden, welches
fein Wort breche und ein Anbered heurathe, folle am Hoch⸗
zeittage, und zwar bier auf diefer Stelle, vom Teufel zer-
riffen werden. Troß dieſes Verſprechens nahm das Mädchen
fpäter einen Andern und ihr Hochzeitfeft wurde in einer Scheune
gefeiert. Bei demfelben fand fih auch ein flattlicher Jäger ein,
den Niemand kannte und welcher, wie jeder Saft zu thun
. pflegt, mit der Braut drei Ehrentänze machte, Am Ende des
Dritten zog er fie aus der Scheuer und aus dem Dorfe hin-
. aus mit fi) den Berg hinauf, und als bie übrigen Hochzeitleute,
welche anfänglich die Sache für einen Scherz hielten, ihnen
nachſetzten, waren Beide nicht mehr zu fehen. Bon Arbeitern
auf dem Felde vernahmen fie fpäter, daß der Jäger mit ber
Braut in das Bergwäldchen verfhwunden fey: fogleich eilten
fie dahin und fanden dort, zu ihrem Entſetzen, die Kleider und
den Kranz der Braut in Stüde zerriffen und theild auf dem
Boden zerſtreut, theild auf ven Bäumen umherhängend. Der
Ring, den das Mädchen von ihrem früheren Geliebten hatte,
und worin beffen Namen eingegraben fland, war forgfältig in
ein Halstuch gewidelt, von ihr felbft aber, die ohne Zweifel
auch vom Teufel zerriffen worben, nichts mehr zu fehen,
Bon diefer Gefchichte her heißt der Berg der Reißberg,
das Wäldchen Reißhölzchen und der. Weg, weldhen ber
Böfe mit der Braut dahin gefahren, „Höllifhes Weg-
lein.“
(Aus Mone's „Anzeiger 20.” Jahrg. 1838.)
Noſenberg. *)
Was ſteht die alte Vefte auf hohem Felfen dort?
Die Mauern find zerfallen, und Stilfe herrfcht am Ort,
Wo fonft der frohe Harfner viel Minnelieder fang,
Da fauft durch leere Hallen der Wind fo Falt und bang.
* Dorf und Schloß, zwei Stunden von der Amtsſtadt Adelsheim, an der Kirnau.
618 Odenwäldiſches Bauland.
Wohl ragt' in alten Zeiten das Schloß ſo ſtolz empor
Und aus dem hohen Thore ſprengt' mancher Ritterchor,
Geſang und Minnelieder erklangen in der Hall,
Doch alles iſt verſchollen mit ſeines Herren Fall.
Drum ſteig aus deinen Grüften, du Roſenberg, hervor
Mit deinen treuen Knappen! — Schon wölbt ſich neu das Thor,
Schon ſteht im hellen Saale dein Mahl in voller Pracht;
Tritt Sänger aus dem Kreiſe und töne durch die Nacht!
1.
Der Weberfall,
In Schönen Frühlingstagen, wann wieder grünt die Flur,
Die Lüfte wärmer wehen, ſich jünget Die Natur,
Da hörte man ein Saufen wohl durch den ftillen Wald,
Wie ftarfen Baches Rauſchen, der fhäumend wiederhallt.
N
Es tönte immer lauter, das Braufen näher Drang,
Wie ferner Wandrer Tritte, wie dumpfer Waffenflang,
Und um bie Felswand bieget ſich her ein großer Troß:
Kaufleute find’S , die ziehen heran wohl hoch zu Roß.
Nah Frankfurt auf die Meffe die Waaren bringen fie,
Es drängt die Zeit, drum brachen fie ‚heute auf fo früh,
Und langſam ziehn die Schaaren, zum Kampfe nicht bereit,
Bier Tanzenfnechte folgen, fie dienen zum Geleit.
Schon naht die Mittagsfiunde, e8 brennt ber Sonne Strahl,
Da tönts wie Pferbgetrappel, wie Schwerterflang durchs Thal,
Wie wenn vom hohen Felfen der Gießbach niederſchießt,
Und über Stein und Felder wild braufend fich ergießt.
Und aus dem dunklen Walde hervor zum Sonnenlicht
Bon Rofenberg der Ritter mit feinen Knappen bridt:
Odenwäldbifhes Bauland. 619
„Wohlauf ihr frühen Wandrer, gebt eure Habe ber,
Wo nicht, fo büßt mit Kerfer und Tod die Gegenwehr !”
Der Kaufmann greift zur Waffe und wehrt fich für fein Gut,
Heil wie die Schwerter klirren, wie fprubelt auf das Blut!
Wie fhwingt mit Löwengrimme der Ritter dort fein Schwert,
Wie fauft es durch die Lüfte, wie blutet Dann und Pferd !
Dort finft ein Wandrer nieder, ein Lanzenfnecht bier fällt!
Bon Rofenberg, der Ritter, der hat ihn rafch, zerfpällt;
Er tobt und haut fo grimmig, der Muth zum Zorn ihm ſchwoll,
Bis ringsum lag die Straße der todten Wandrer voll.
Der Ritter fteigt vom Roſſe, wie ift e8 ihm fo heiß!
Wie ift fein Arm ermattet, wie triefet er von Schweiß !
Wie ift fein Schwert vol Scharten, und wie fo blutig roth !
Wohl Manchen hater Heute gefandt zum frühen Tod !
Drauf fchaut er fih die Beute, die heut er ſchon gemacht,
Schon lange hat er nimmer fo reiche heimgebradt ;
BDefieht dann die Sefangnen: „Willfommen in der Haft,
Ich hab’ dich lang erwartet, du werthe Kaufmannfchaft |”
Drauf tragen fie die Beute zu Ritters Schloffe fort,
Sie ziehn mit den Gefangnen, der Ritter fpricht Fein Wort,
Und hinter dem Gebüfche verſchwinden Alle bald,
Und wieder ftille wird es und einfam in dem Wald.
2,
Ritters Stevel.
Was rauſchet auf dem Schloffe von Rofenberg zur Nacht,
Wenn alles eingefchlafen und Niemand hält mehr Wacht ?
Es fchleichet auf der Mauer ein hohes Frauenbild,
Deß Gang voll hoher Würde, deß Antlig hold und mild.
620 Odenwäldiſches Bauland.
Und wenn fich nichts mehr reget im tiefen dunkeln Thal,
Da naht es fih ber Mauer, dort wo der Felfen kahl
Hinausfchaut zu dem tiefen und ſchauerlichen Teich,
Und aut der Wind durchfaufet das fteile Bergbereich. —
Süngft hat in einer Mondnacht der Wächter dies gefehn,
Der meldet fehnell dem Nitter, was eben dort gefchehn ;
Wie der ed hat vernommen, da wappnet er fich fehnell,
Und eilet mit dem Knappen hin zur befagten Stell.
Der Ritter naht der Zinne, und fieht dag Frauenbild,
Und ſchrecklich eine Ahnung erfüllt fein Herz fo wild;
Ha! hätte fein Gemahl wohl gebrochen ihre Treu? —
Der Ritter ftürkt hervor ſchnell, — die Luft Durchgellt ein Schrei,
Und vor dem Gatten flehend die Gattin nieberfällt ;
Sein Blick erfprüht von Flammen, die Hand geballt er hält,
Schon züdt er auf die Arme fein mächtig NRitterfchwert,
Doch raſch hat noch der Knappe den Morbftreih abgewehrt.
Und fie ſchaut wie ein Engel den harten Gatten an,
Die Augen auf den Ritter fo bittend, flehend fahn:
„O fchone Du der Gattin, die nicht Dein Wort bedacht,
Und den Gefangnen Nahrung gefpendet in der Nacht.”
Doc er rief zornerglühend zu feiner Frauen laut:
„Verruchte Natterbrut du! Du ſchnöde Satansbraut !
Haft mein Gebot verachtet und nicht auf mich gehört,
Empfang nun beine Strafe, du Weib, das mich entehrt !"
Er faßt fie mit den Armen, wenn auch mit aller Kraft
Sie, feiner ſich erwehrend, verzweifelnd auf ſich rafft;
Er wirft fie von der Höhe zum tiefen Teich hinab,
Dort hat fie bald gefunden ein fühles Wellengrab.
Da donnern rings die Berge, es blitzt burh Thal und Wald,
Und aus des Donners Rollen herab die Stimme fchallt:
Odenwäldiſches Bauland. 621
„Der Rache Tag ift nahe, — es lebt noch ein Gericht,
Dem bift du längft verfallen und ihm entgehft du nicht !“
Und ſchrecklich tönts dem Ritter, daß ihm das Herz erbebt,
Er finft zur Erde nieber, wie wenn er nimmer lebt’;
Erſt als am frühen Morgen die Sonne wieder fchien,
Da fanden auf der Mauer die Diener liegend ihn.
8.
Bitters Strafe.
Was ſchallen Die Trompeten an jener Burg fo hell?
Die Rache ift gekommen, ereilt den Ritter ſchnell;
Es haben die Verwandten bie Kunde bald empfahn,
Wie an der edlen Gattin der Nitter hat gethan.
Mir Schwertern und mit Tanzen, zu Wagen und zu Roß,
Naht nun der Burg von Nofenberg ein ftolzer Kriegertroß,
Kaufleute haben ihnen aud große Hülf’ gebracht,
Zu retten die Gefangnen, Die fehmachten dort in Nacht.
Den erften Sturm zu wagen, ben Mauern fie ſich nahn,
Es dringen viele Krieger auf Leitern ſchon hinan;
Der Ritter und die Seinen, die werfen fie hinab,
Dort fanden fie im Abgrund ein fehauervolles Grab.
Wohl ſtürmen frifhe Mannen auf jener fteilen Bahn,
Bon Allen die da famen, drang Keiner dort hinan,
Bon oben wirft man Felſen, gießt heißes Det herab,
Und alle finden unten ein frühes blutig Grab.
Und als die Sonne tauchte zum fernen Ocean,
Hat Keiner noch vollendet die fleile Felſenbahn;
Schon wären fie verzagend nach Haufe faft gekehrt,
Da hat man: „Greift zu Feuer!“ im Heere laut gehört.
622 Odenwäldiſches Baulanı.
Schnell gehts von Mund zu Munde: „Eilt Ale fort zum Ward,
Faͤllt Bäume, bringet Reifer und Stroh zum Brande bald,
Damit dem Ritter fchleunig ein Feuer werd’ gemacht,
Daran er fih mag wärmen in kalter Winternacht !
Und Alles bringet NReifer und Holz in fohnellem Lauf,
Das thürmen fie dem Ritter am flarfen Thore auf,
Drauf naht ein Dann mit Feuer, das fehleudert er ind Stroh,
Wie Iodert auf bie Flamme, wie brennt es Tichterloh !
Es praffelt an dem Thore die Flamme fchredlich auf,
Berzehrt die ftolze Pforte in immer raſcherm Lauf;
„Ward dir nicht heut, Herr Ritter, das Feuer gut gemacht?
Das hätteft du gewißlich fobald noch nicht gedacht ?“ —
Und ald das Thor verkohlet und eingefallen war,
Da dringet durch die Breſche herein der Feinde Schaar :
„est, Ritter, gilts zu fechten, fett wehr’ dich für dein Gut!
Der Feind der lechzt nach Rache, der Feind der lechzt nach Blut!”
Und ſchrecklich in den Hallen erfchallt der Waffenflang,
Der Ritter fchmettert nieder, was ihm entgegendrang;
Und Schritt vor Schritt nun dringen fie in der Halle vor,
Bis wo am tiefen Teiche die Felswand ragt empor.
Der Ritter blickt hinunter von jäher Felfenwand :
„Ha! das ift Gottes Rache! das ift des Satans Hand!” —
Es fchwindeln ihm die Sinne, er flürgt den Fels hinab,
Da bat ihn fohnell verfchlungen ein ſchrecklich Wellengrab.
Der Feind darauf Die Mauern und Thürme nieberriß,
Er plünderte die Schäbe, erbrach dad Burgverließ; —
Es lodert auf die Veſte in ungeheuerm Brand,
Sie kündet son dem Nitter Befreiung an dem Land. —
Odenwäldiſches Bauland. 623
Sept ſauſet in der Veſte der Wind in dunkler Nacht,
Es wurzelt in den Trümmern die Tann' in flolzer Pracht;
Und wo fonft Glanz nur ftrahlte, da waltet Nacht und Graus:
Das ift des Himmels Rache, die traf bes Ritters Haus.
Engen Huhn.
Buchens Hochmuth und Strafe.
Die Stadt Buchen war früher fo reih, daß fie „bas
Thalerſtädtchen“ genannt wurde und ihre Bürger fi
rühmten, fie fünnten bie Straßen mit lauter Kronenthalern
pflaftern. Wegen diefes Prahlens und Stolzes fuchten mehrere
Orte der Umgegend fih von Buchen unabhängiger zu machen;
worauf Die von Buchen auf ihre beiden Thore, die nad) Often
und Weften führen, einige nach Außen fpottende Affen und
überdies auf bag letztere Thor einen dem Odenwald den
bloßen H— weifenden Mann ausbauen ließen. Bon biefen
Steinbildern wurde der Mann unter dem Namen „A...
bleder” das Wahrzeichen der Stadt und Die von Buchen woll-
ten damit anzeigen, daß fle bei ihrem Reichthum fowohl die
erwähnten Orte ald überhaupt die ganze Welt gering fchäßten.
Zur Strafe für diefen Uebermuth gerietb Buchen alsbald in
Bermögensabnahme und kam endlich zu einem blutarmen Städt:
hen herunter. *)
*) Diefe Sage iſt aus der Erklärung des Wahrzeicheng der Stadt
entflanden. Es gibt ähnliche Wahrzeichen an anderen Orten, 3 B. an
der Kirche zu Wölchingen bei Borberg, unter deren Bildwerken fich
auch zwei fitende Affen befinden, welche den H— oneinanderfioßen.
Die Sage deutet foldhe Bildnereien aus Beweggrünten, die urfprüngs
lich felten darin lagen.
(Siehe Mone?8 „Anzeiger 20,” Jahrg. 1839.)
Die Lappe.
Ueber den ergiebigen Feldbezirk „bie Lappe“ hatten ehe⸗
mals die Orte Hettingen, Buchen, Hainſtedt und Walddürn ſo
624 Odenwäldiſches Bauland.
unaufhörliche Streitigfeiten, daß fie endlich dieſen Strich zur
Unfruchtbarkeit verwünſchten. Seitdem kam bafelbft nur mage-
ved Geflrüppe auf und ber Bezirk erhielt den Namen: „das
verfluchte Wäldchen.“ Später gelang es, die Händel zu ſchlich⸗
ten und feit diefer Zeit bringt die Lanpe wieder die fhönften
Feldfrüchte hervor.
(S.Mone!8 „Anzeiger 20. Jahrg. 1839.)
Das ſtrafende Madonnabild.
Als im October 1631 der Schwedenkönig Guſtav Adolf
mit ſeinem Heere nach Franken kam, überfiel einer ſeiner wil⸗
den Haufen auch das Kloſter Amorbach. Die Mönde deſſel⸗
ben entflohen zum Theile; die Zurüdbleibenden "aber wurben
von .den Soldaten fortgeiagt, dag Klofter geplündert und, was
man nicht raubte, zerflört. Der Himmel ſah dieſe Greuel
und Entweihungen des Klofterd ruhig mit an und verhängte
feine Strafe über die Frevler. Als man ſich aber erfrechte,
die gottlofe Hand fogar an die Himmelskönigin und Schußheis
lige der Kirche zu legen, erfolgte auch alsbald die Beftrafung.
Damals ftand nämlich in dem Schiff der Kirche das Bild der
Sungfrau Maria, auf dem linken Arme den Jefusfnaben, in
ber rechten Hand den Ecepter tragend und mit einem koſtba⸗
ren blauen Damaftfleide angethan. Diefes Kleid flach einem
Schwediſchen Fähndrich fo fehr in Die Augen, daß er ed der
Himmelskönigin abzog und feiner Geliebten als Kriegsbeute
mit nah Haufe brachte. Kaum hatte fie es aus feiner Hand
empfangen, als Beide plöglich erblindeten und auch blind biies
ben, bis der Fähndrich auf Befehl feines Hauptmanns das heis
lige Gewand wieder nad Amorbach feiner Eigenthümerin zus
rüdbrachte. Auf dieſes hin erhielt das Pärchen auch fein Geſich
wieder.
(Aus AL. Grimm’s: „Die malerifchen und romantifhen Stellen des Oben-
waldes, in ihrer Borzeit und Gegenwark* Darmſtadt 1824. Lesfe.)
Odvenwäldifhes Bauland. 623.
Die gemiedene Kanzel.
In der Kloſterkirche zu Amorbach, welche feit Lange von
den Lutheriſchen benügt wird, unterfing ſich einft ein Prediger
derfelben, gegen den fatholifchen Glauben Ioszuziehen. Da be-
fam er auf der Kanzel eine Obrfeige von unfichtbarer Hand,
und feitbem betritt fein lutheriſcher Geiftlicher_mehr diefe Kan⸗
zel, fondern es wird von einem Chorfluhl aus geprebigt. *)
(Nah mündl. enertiefe, mitgetheilt von Bernd. Baader in Mone’s „Anzeis
ger 20.” Jahrg. 1838).
Die Entitehung der Wallfahrtskirche zu
Walddürn.
In einer ziemlich rauhen Gegend des Badiſchen Odenwal⸗
des, an der Straße von Heidelberg nach Würzburg, liegt die
hübſch gebaute Stadt Walddürn, die ihren Urſprung höchſt
wahrſcheinlich einem römifchen Caſtelle verdankt, das fpäter in
ein teutfches Ritterfchloß umgewandelt wurde, um welches ſich
nach und nach ein Dorf bildere, welches unter den reichen, vom
Maine bis zum Nedar begüterten Herren von Dürn oder Di-
ren, deren Gefchleht in mehrfacher Hinfiht als wohlthätig
verdient erfcheint, um das Jahr 1236 fich zur Stabt erhob, die
aber erft feit dem jahre 1330 durch eine Wundergefchichte, fo
daſelbſt vorfiel, in bedeutende Aufnahme fam. Die Sage, aus
einer Zeit ftammend, wo das Volk ohne Aufklärung überall nur
Wunder fuchte und diefelben in feinen abergläubifchen Borflel-
fungen audy fand, Yautet fo:
Im 3. 1330 verfohüttete ein Priefter, während ber Meſſe,
aus Unachtfamfeit yon dem eingefegneten Weine auf das weiße
Kelchtuch, auf welchem nun augenblidlich das’ Bildnig des Hei⸗
lands in blutrother Farbe hervorsrat. Der Priefter erfchraf, ver⸗
barg das Tuch, nahm es zu fich und zeigte den Borfall insge⸗
heim bei feinen Obern an, welche hierwegen nach Rom berichteten,
von woher bald die Erlaubniß fam, das Tuch mit dem Wun⸗
derbilde zur Öffentlichen Verehrung auszuſetzen.
*) Diefe Sage CP) riecht bedeutend nach ultramontaner Fabrik. DH
II.
⸗
626 Odenwäldiſches Bauland.
Diefe Wunderbegebenheit war in furzer Zeit überall befannt
und es zogen bie Menfchen von nah und fern, einzeln und in
ganzen Schaaren, nad Walddürn; befonders in ber erften Hälfte
bes vorigen Jahrhunderts war das Zufammenftrömen des Bol-
fes zum Erflaunen groß, da die Anzahl der dahin Wallenden
jährlich oft auf A0—50,000 ſich belief; ſelbſt das ferne Köln
fandte feine Walfahrer hierher. — So wurde Walddürn
einer der befannteften Wallfahrtsorte, wie e8, wenn auch nicht
mehr fo ſtark wie früher befucht, bis jegt gebliehen if. Die
Pfarrkirche, ein großes und ſchönes Bauwerk mit reichen Ver⸗
zierungen und Einfünften, enthält in einer filbernen Kapſel das
wunderbare Kelchtuch, woburd dieſelbe die herühmtefte aller
Badiſchen Walfahrtefichen wurbe, doch if von dem ehema-
ligen Bildniffe_nur noch eine ſchwache Färbung zu erfennen.
FU. Nueb,
Sagen von der Jörgenburg.
1. Als die f. g. Meerwiefen bei Walddürn noch mit fhiff-
barem Waffer bededt waren, fland auf dem barangrenzenden
Schloßbudel die Jörgenburg, welche fpäter von den Fluthen
verjchlungen wurde. In dem noch vorhandenen Burgfeller Liegt viel
uralter Wein in der Haut*), die er allmälig durch die Länge
der Zeit, während die Fäffer verfaulten und Die Dauben ab-
fielen, ſich felbft gebildet hat. Auch große Schäte hält ber
Schloßbuckel verborgen; ein Mann, ber fpät in der Nacht dort
vorbeiging, fah außen einige Kiften fiehen, worauf der Teufel
faß und den Schlüffel in der Hand trug.
+) Der Bein in der Haut iſt eine ziemlich allgemeine Vorſtellung
des Volkes auch am Oberrhein, welches behauptete daß der Wein um
fih ferbft eine Haut ziehe, je älter er werde, fo daB die Faßdauben
vermodern und abfallen Können, ohne daß der Wein aus feiner Haut
ablaufe. Diefe Heberlieferung geht in die Zeit der Römer zurüd, welde
ben Wein in ledernen Schläuden und Beuteln aufbewahrten, woraus -
bie Sage eine Weinhaut gemadt hat.
Mone.
(Nach mündl. Hebertiefeenng mitgetheilt von Bernh. Baader in Mone?s „Ans
zeiger 20.” Jahrg, 1839).
Lo U U 770,
Odenwäldiſches Bauland. 627
2. Einem andern Danne blieb dort beim Adern die Pflug:
fchar in der Handhabe eines im Boden befindlichen Keſſels
fteden. Zweimal rief er: „Geh heraus in Gottes Namen !“ als
es aber nicht ging, das dritte Mal: „Wenn’s nicht in Gottes
Namen geht, fo geh's in Teufels Namen!» Da verfank der
Keffel, welcher voll Geldes war, in die Tiefe, die Handhabe
“aber blieb an der Pflugfchar hängen. Hätte der Mann auch dag
dritte Mal „in Gottes Namen !” gerufen, ſo würde dag Geld
ihm gewiß zu Theil geworben feyn.
(Siehe Mone’s „Anzeiger ⁊c.“)
Der Mardbrunnen und die Meerweiblein.
In den Meerwiefen bei Walddürn befindet fich der Mars⸗
brunnen, welcher, nachdem er zwei Stunden unter ber Erbe
geflofien, bei Bretzingen wieber hervorbricht, und z. B. Spreu
oder Späne, die man zu Walddürn hineingeworfen, bei Bre-
hingen wieder zu Tage bringt. ?)
In dem Brunnen hielten fi) vor Zeiten Meerweiblein auf,
oben wie fchöne Jungfrauen, unten wie Sifche geflaltet. Sie
famen Abends nad Walddürn in die Spinnftuben, fpannen
und plauderten mit den andern Mädchen, aber um 9 Uhr eil-
ten fie ftetd pünktlich von dannen. Einmal verfpäteten fie fich
bis um Zehn; als fie dies wahrnahmen, fprangen fie erfchroden -
fort , indem fie den Leuten noch zuriefen, heute feyen fie das
legte Mal bei ihnen gewefen. Am andern Tage fand man das
Waffer des Marshrunnens ganz mit Blut gefärbt und die Meers
weiblein find niemals wieder gefehen ?) worden.
Bor mehren Jahren ift ein Bauer mit vier Ochfen und einem
Pferde ?) in dem Brunnen verfunfen. Er befindet fich nebft ſei⸗
nem Bieh noch darin, und wenn man bineinruft: „Bauer,
Bauer mit zwei Paar Ochſen und einem Saul, Pütterle
vor!” ?) fo Täßt er alsbald Schaumblafen auf die Oberfläche
fteigen. _
1) Bon der Aach im Hegau, welche fih in den Unterfee mündet,
fagt man ebenfalls, daß fie ein unterirdifcher Arm der Donau ſey.
3) Es geht hieraus hervor, dag obige Sage aus zwet verfchiede-
nen Beftandtpeilen vereinigt iſt, nämlich aus Meerweiblein mit halber
Fiſchgeſtalt und aus Seejungfrauen von menfchlicher Geftalt. Der Ver⸗
40"
628 Ovdenwäldiſches Bauland.
ſpätung in den Spinnſtuben und beim Tanze begegnen wir in einigen
verwandten Sagen, z. B. in der vom Schluchtſee, von den Seejung⸗
frauen im Kappler Thal ꝛc.
3) Dergleichen Zuſammenſtellungen der Hausthiere kommen auch
in den Weisthümern vor, 3. B. achthalbe Roſſe, d. i. ſieben Pferde
und ein Mauleſel, und find ein volksthümlicher Zug.
4) Bläßchen empor !
(Nah mündl. Veberlieferung mitgetheilt von Bernd. Baader in Mone!s „Anz.
jeiger für Kunde der teutihen Vorzeit.“ Jahrg. 1838.)
—— 0 ——
Taubergrund m Mainthal.
+?6&>
Hammerwurf des Riefen.
Die drei uralten Kapellen bei Scheflersheim, Oberwittighau-
fen und Grünfelvhaufen wurden von Rieſen erbaut, welche
bie großen fchweren Steine dazu in ihren Schürzen berbeitrugen.
Als das erfte Kirchlein fertig war, warf der Baumeifter feinen
Hammer hoch durch die Luft, wit dem Vorhaben, da, wo ber«
felbe niederfalle, wieder eine Kapelle zu bauen.
In einer Entfernung von zwei Stunden fiel der Hammer
zu Boden und richtig ward auch daſelbſt das zweite Kirchlein
errichtet. Nach defien Vollendung warf der Riefe den Hammer
ebenfo wie das vorige Mal durch die Luft und erbaute ſodann
auf dem wieder zwei Stunden entfernten Plage, wo der Ham⸗
mer niederfiel,, die dritte Kapelle. In jener bei Schefleröheim
wird eine der mächtigen Rippen des Niefen aufbewahrt.
(Rah mündlicher Ueberlieferung mitgetheilt von Bernhard Baader in Mone's
„Anzeiger für Kunde der teutfchen Vorzeit.” Jahrg. 1839.)
Die Riefen und Die Menfchen.
Als der Grüngrund und die Umgegend noch von Niefen
bewohnt war, fließen einft zwei derfelben auf einen gewöhnli-
hen Menfchen. „Was iit das für ein Erdwurm?“ fragte ber
Eine, worauf der Andere antwortete! „‚Diefe Erbwürmer wer-
den und noch auffreſſen!“ — Wirklich find auch in der Folge
630 Taubergrund.
die Riefen von den andern Menfchen in der ganzen Gegend aus⸗
gerottet worden.
(Nah münblicher Ueberlieferung mitgetheilt von Bernhard Baader in Mone's
Anzeiger für Kunde der teutichen Vorzeit.” Jahrg. 1839. S. 309.)
Der Bildſtock mit Der Näherin.
An einem aufgehobenen Feiertag wollte ein fremdes Weib
mit ihrem Heinen Kinde nah Grünsfeld in die Kirche. Zwi⸗
fhen dem Uhlberger Hof und dem Städtchen merfte fie, daß es
zu fpät fey, daher fie fih am Wege nieverfegte und anfing zu
nähen, wobei fie fpradh :
„Gott zu Ehren
Will ich mein Kind ernähren.“
Während fie arbeitete, kam ein Gemitter und erfchlug fie,
ohne das Kind, welches hart neben ihr Tag, nur im Geringften
zu beichädigen. — Später wurde zum Andenfen dieſes Vorfalls
auf dem Plate ein fteinerner Bildſtock errichtet, auf welchem
die Begebenheit ausgehauen iſt.
(Aus Mone!s „Anzeiger ꝛc.“ Jahrg. 1839.)
Die Zerſtörung von Oberlauda.
Das Bergſchloß Oberlauda bewohnten ſonſt welche
vom niedern Adel, die ſich von Lauda nannten. Schon im
Jahre 1163 fommt, als Zeuge in einer Urkunde, ein Heinricus
de Luden vor,
Am Charfreitage des Jahres 1525 zogen die Aufrührifchen
Bauern von Scheflersheim, nachdem fie dafelbfi das Frauen⸗
Elofter ausgeplündert und verbrannt hatten, nah Merkels⸗
heim, wo fie ihr Hauptquartier auffchlugen. Bon bier aus
fhieten fle einen Haufen nach dem Städtchen Unterlauda,
welcher ſich mit den dortigen Bürgern vereinigte, noch felbigen
Tages mit ihnen nad) Oberlauda zog und die Burg zur Ueber⸗
gabe auffordert... Die Burg Lauda war damals an mehrern
Orten fohadhaft, und wurde von dem Würzburgifchen Ober:
amtmann Philipp von Rüdt bewohnt, der in, diefem kriti⸗
Taubergrund. 631
ſchen Augenblicke, außer feiner Familie, nur nich Siegmund
von Jobal, Erasmus von Fechenbach und einige Knechte
bei ſich hatte. Als nun Rüdt Miene machte, ſich zu vertheidigen,
warfen die Bauern Feuer in die Burg und zünbeten fie ſol⸗
cherweife an, bei: welcher Gelegenheit fie die Frau des Rüdt
mit ihren Kindern gefangen nahmen, rein ausplünberten und fie
noch weiter gemißhandelt hätten, wenn es nicht der Oberans
führer der Bauern, Florian von Geyer, verhindert hätte.
Rüdt, der fih den Bauern nicht übergeben wollte, 309 ſich
mit feiner wenigen Mannſchaft in den .Thurm der Burg und
wehrte fi dort fo Tange mannhaft, bis der Wind das Feuer
der brennenden Burg gegen den Thurm jagte, fo daß auch in
biefem das Holzwerf anfing zu brennen. Bald war ber Fuß⸗
boden des Zimmers, in welchem er fich aufhielt, durchgebrannt
und er fiel mit feinen fämmtlichen Leuten darin hinunter,
wo fie fo Tange harren mußten, bis alles im Thurme ausge⸗
brannt war. Tags darauf hörte man fie um Hülfe rufen, wors
auf fie Die Bauern, ſämmtlich Iebendig und. nur wenig befchä-
digt, herauszogen und, troß dieſer "wunderbaren Errettung,
durch die Spieße gejagt hätten, wenn fich nicht einer der Haupts
leute, Namens Kunz Beyer, der Gefangenen fehr thätig
angenommen hätte. Jetzt wurden ihnen die Hände auf den Rüden
gebunden und fie fümmtlih auf Wagen ins Hauptquartier nach
Merfelsheim geführt. Da fie aber hier Gefahr Tiefen, von den
Dauern todtgefchlagen zu werden, bradte man fie nad) Mer⸗
gentheim, wo fie bis nach der Schlacht bei Königshofen
in einem feften Thurme eingefperrt blieben.
Was der Brand von der Burg übrig gelaffen hatte, wurde
zuerfi ausgeplündert, dann völlig zerflört. Für dieſes barbarifche
Betragen mußten die Bauern ſchon einige Tage nachher büßen,
denn am Pfingfidienflage befam Hans Truchſeß zu Walb-
burg das Städtchen Lauda mit Akkord, und ließ fogleich zwei
Bürger und den dortigen Pfarrer, Namens Leonhard Beys,
enthaupten. Am 20 Juli 1525 fam Bischof Konrad IIL, geb.
von Thüngen, von Würzburg nad Lauda, um bie Unter-
thanen wieder in Pflicht zu nehmen, und ließ bei biefer Geles
genheit noch acht Einwohnern die Köpfe abfehlagen und bie üb-
rigen um 550 fl. ftrafen.
6323 Taubergrunt.
Seit biefer Zeit Kiegt bie Burg wüfle und gegenwärtig fieht
man nichts mehr von ihr, als einen fehr breiten tiefen Graben,
welcher einen Hügel von beträchtlichem Umfange umgibt, ber
mit Weinftöcen bepflanzt if, denen bie Refte dee Grundmauern
der Burg zu Terraffen dienen.
(Aus Gottſchalks „Ritterburgen und Bergichldffer Deutſchlands⸗ 6. Band. ©, 177.)
Die Niederlage der Bauern in der Schlacht
bei Königshofen.
An einem Freitag in der. Nacht
Hat ſich Götz Derling *) aufgemadıt,
Sein Haufen mit Tich genommen ;
Und ſechs⸗ und vierzig großer Stüd,
Schlangen, Falkonet und Feldgefhüg
Dom Bund thät er befommen.
Und zog wohl in das Tauberthal,
Zu Königshofen ihre **) Lager war,
Des Feinde wollt’ er da warten:
Sem’ Büchfen richt? er in das Feld,
Sein Ordnung bat er wohl beftellt,
Bon Spieß’ und Hellebarten.
Am Freitag vor Pfingften geſchah,
Daß man den Bund herziehen fah
Mit einem großen Heeres;
Die Bauern zogen den Berg hinan,
Den Vortheil wollten fie innen han,
Allda ſich der Feind wehre.
Dem reiſigen Zeug war ſo jach,
Der verloren Hauf eilt hinten nach,
In die Bauern thaͤten ſie brechen.
Ihr Keiner wollt hie nicht beſtohn,
Ein jeder meint: wär’ ich darvon!
Und huben an zu flreichen.
*) von Berlichingen.
*) nämlich der aufrüßrerifchen Bauern.
Taubergrund. 633
N
Sie wichen bald und liefen fehr,
Wohl nach dem Wald war ihr Degehr,
Ihr Keiner dorft fi) wehren.
Da blieben bei fechstaufenn Mann,
Die ihr Leben verloren han,
Allda that man fie feheeren.
Zu Würzburg rüft’ man ſich mit Macht,
Auf Pfingftabend um Mitternacht,
Wollten helfen den Brüdern,
Die da Tagen im Land daraus,
Sie feynd zu lang geblieben aus,
Waren fie all umkommen.
Sie zogen fchnell und eilten fehr,
Nah Königshofen fiund ihr Begehr,
Der Bund 309 ihn'n entgegen.
Sie zogen wiederum zurud
Und fohlugen allda ihre Burgk,
Als wollten fie fih wehren.
Der reifig Zeug 308 auf fie dar,
Die Bauern wurden's bald gewahr,
Und huben an zu weichen.
Da blieben bei Viertaufend tobt,
Wohin fie fommen, das weiß Gott,
In die Ham’ oder in’s Reiche ꝛc.
(Aus einem alten Fieber „Reimen von dem Bauernkrieg,” mitgetheilt in Wolff’ e
„biftorifhen Volksliedern“ S. 228.)
Ein zweiter Gefiler.
An einem noch jegt ftehenden Haufe in der Stadt Königs:
bofen' an der Tauber wohnte einft ein Edelmann, der von
feinen Unterthanen gleiche Acdhtungsbezeugungen, wie der Land⸗
vogt Geßler in der Schweiz, vor feinem außerhalb des Or⸗
tes auf einem Pfahl aufgeftedten Hute verlangte, und von
feinem Fenfter aus einen Jeden niederſchoß, der fich dieſem
Gebote weigerte. Die darüber empörten Bürger flürmten aber
634 Taubergrund,
fein Haus, ſtürzten ihn zum Fenſter des oberen Stodwerfes
hinaus und ſchloßen füh dem damals ausgebrochenen Bauern⸗
kriege an.
(Bergl, „Univerſal⸗Lexikon von Baden." Karlésruhe 1843. ©. 675.)
Die heilige Lioba zu Biſchofsheim.
Das ander Tauber, unter den drei Bifhofsheim im
Großherzogthum Baden, ift das ſchönſte, größte und älteſte;
denn es war ſchon vor 1100 Jahren ein Dörfchen oder bifchöf-
licher Hof, als der große Bonifazius, der Apoflel der
Zeutfhen, an die Zauber fam, um auch bier den göttlichen
Samen des Chriftentbums auszuftreuen; denn die Bifchofsheis
mer, jest gute, Fatholifche Ehriften, wie faft überall im Tauber-
grund, waren damals noch ſtockblinde Heiden. Bonifazius brachte
ihnen eine fehr gefchidte und fromme Engländerin, Lioba,
(Liebe) und wie fie hieß, fo war fie, die leibhaftige Liebe.
Sie baute ein Nonnenflofter, und diefes wurde der Bilhofs-
heimer geiftliche Pflanzgarten, aus dem viele weiße Lilien ent-
fproffen. Ihr Andenten wird in Bifchofsheim in ewigen Ehren
bleiben; aber ihr Klofter ift nicht mehr.
2.8983.
Bon der Ehriftnacht.
In Samburg und Umgegend geben folgende Sagen über bie
Chriſtnacht:
1. Während der Chriſtmette blühen die Aepfelbaͤume, blühen
ab und tragen Früchte.
2. Um Mitternacht Tiegt in den Ställen alles Vieh auf
den Knieen und aus den Brunnen fließt flatt Waſſer, Wein.
Eine Magd im untern Schloße zu Gamburg, welche zu
diefer Stunde zufällig den Küchenftänder friſch gefüllt Hatte,
fand denfelben am nächſten Morgen voll des Föflichen Weins.
. Zaubergrund. 635
3. Das in der Chriftnacht das Vieh miteinander fpreche,
wollte ein Mann nicht glauben; um nun darüber Gewißheit zu
erlangen, legte er fi in feinen Stall unter die Krippe. Zwi⸗
fhen eilf und zwölf Uhr fagten Die Ochſen zu einander: „In
Kurzem befommen wir in unferm Haufe Trauer, denn unfer
Herr wird flerben! —“ Wirflih war drei Tage darauf der
Mann eine Leiche, Ä
Ein Anderer, der, einer Weite wegen, im Stall auf das
Reden des Vieh's wartete, wurde am Morgen dafelbft tobt
gefunden.
(Siehe Mone's „Anzeiger 20.” Jahrg. 1839.)
Spinne nicht im Mondfchein!
Zu Samburg faß eines Abends eine Frau in der Stube
allein und fpann, ohne anderes Licht als den Mondfchein. Da
trat ein weißes Männlein herein, Tegte eine Menge Spulen
hin und fagte: „Dieſe Spulen mußt du, bie ih in einer
Stunde wieberfomme, alle umfponnen haben, fonft drehe ich
bir den Hals um!“ — Hierauf ging ed fort; die Frau, in
größter Angit, wußte ſich Tange nicht zu helfen, endlich aber
fiel ihr doch ein Rettungsmittel ein. Sie umfpann jede Spule
einmal, womit fie bis zu des Männleins Rüdfunft fertig
wurde, Als diefes Die Spulen in Augenfchein nahm, ſprach es:
„Das hat dir Gott angeratben, dag du ed fo gemacht haft!
Es hätte dir fonft den Hals gekoſtet!“ Hierauf nahm es die-
felben und entfernte ſich. Von der Zeit an hat bie Frau nie
wieder im Mondſchein ſpinnen mögen.
(Siehe Mone?s „Anzeiger“ Jahrg. 1839.)
636 TZaubergrunv. .
Der fchügende Stein.
Nach der alten Ausfage eines Bergfnappen liegt auf dem
Berge Muͤhlgluck bei Gamburg ein Stein, worüber fein
Gewitter ziehen kann, fo daß er das Dorf und die Umgegend
fhon vor vielem und großen Schaden bewahrt hat.
(Siehe „Mone’8 Anzeiger“ 1839,)
/
Schäte in und bei Neicholzheim.
1. Die Bewohner des zweiten Haufes links an der Straße
von Brombach ber, hörten einft Nachts einen Yärmen, ale
wenn der Schornftein zufammenftürzte und draußen viele Hunde
beiten. Beim Hinausfchauen in den Hof fahen fie unter den
Drennneffeln am Thor ein helles Licht. Während fie nun hin
und her ſtritten, ob fie hingehen und die Hebung des Schatzes
verfuchen follten, nahm das Licht allmälig ab und erlofch end⸗
lich ganz. Als fie gleich darauf nachforfchten, war weder eine
Spur des Lichts, noch eine Beſchädigung des Schornfteind zu
entdeden,
2. In dem Gärtchen vor demfelben Haufe zeigt fih alle
fieben Jahre ein nächtliches Fläämmchen, das vom erften Advents⸗
bis zum Dreifönigstage ummwandelt. Als einmal zwei Mädchen
ed von der Straße aus erblidten, wollte die Eine ſtillſchwei⸗
gend ein Stück Brod darauf werfen, Die Andere aber rief: „Sieh,
ein Lichtlein I” und fogleich war das Flämmchen verſchwunden.
3. Eine Frau, welche auf ihrer Wiefe grafte,, fah darauf
glänzende Steinen herum liegen. Sie bob vier derſelben für
ihr Kind daheim auf und that fie unter das Gras in ihre Köze
(Tragforb). Als fie nah Haufe fam, waren bie Steine zu
alten Silbermünzen geworden , jede fo groß wie ein halber
Kronenthafer. |
\
TZaubergrund-Maintpat. 637
A. Ein fünfzehnjähriges Mädchen fah auf einer Wiefe in
einem Erlenbufch ein grünes Henfeltöpfchen ftehen, worin etwas
Glitzerndes zu wimmeln ſchien. Sie holte ihre in der Nähe bes
findliche Mutter herbei; als fie aber mit ihr zu dem Buſche
fam, war das Töpfchen verfchwunben.
(Nah mündlicher Heberlieferung iegenent von Bernd. Baader in Mone’s
„Anzeiger 20.” Jahrg. 1838. ©.
°30&
Sagen aus der Gegend von Wertheim.
Vorzeichen eines gefegueten Herbſtes.
1. Auf der Röttbacher Klinge, dreiviertel Stunden
Mainabwärts von Wertheim, tönt in mandem Sommer ein
Geffingel, wie fernes Schlittengeläute, welches man die „Schel⸗
lengäule” nennt. Es zeigt den vorzüglichen Wein an, der im
nächften Herbfte gewonnen wird. -
2. Zu Waldenhaufen imKeller des Haufes am Tindens
brunnen läßt fi, wenn der folgende Herbft gut ausfallen foll,
ein Klopfen, wie das eines Küfers, nur fhwächer und dumpfer,
vernehmen. Dies gefchieht in der Zeit vom erſten Advents -
bis zum Dreifönigstage, und je beffer die Weinleſe, defto
deutlicher und häufiger das Klopfen. Horcht man darauf oder
forfcht man dem Orte nad, woher es tönt, fo hört es augen
blicklich auf.
(Nah mündlicher ag mitgetheilt von Bernh. Baater in Mone's „Ans
zeiger“ Jahrg. 1
638 Mainthal.
Der Sichelesacker.
Auf dem Reicholzheimer Bergfelde gegen Wertheim
hielt man einſt am Tage vor Mariä Himmelfahrt Aerndte. Als
Abends das Feſt eingeläutet wurde, hörten die Leute mit der
Arbeit auf und ermahnten ein Mädchen, welches zu ſchneiden
fortfuhr, daſſelbe zu thun. „Es mag Gott lieb oder leid ſeyn,
mein Acker muß noch heute fertig geſchnitten werden!“ — ant⸗
wortete das Mädchen, und arbeitete mit doppeltem Eifer fort.
Nachdem ſie den letzten Schnitt gethan, fiel ſie plötzlich, zur
Strafe für ihren Frevel, rückwärts in die Sichel und ſtarb an
der Wunde. Zum Andenken an dieſen Vorfall wurde auf dem
Acker ein Stein, mit einer darauf eingehauenen Sichel errichtet,
nnd daher kommt die Benennung des Platzes „Sichelesader.“
Dei diefem Steine wädst Fein Hälmchen Gras und wenn man
ihn zudeckt oder entfernt, kommt er doch allemal wieder auf
dem alten Plage zum Borfchein.
(S, Mone's „Anzeiger 20.” Jahrg. 1838.)
Die Kreuze oberhalb Neicholzheim.
Vor Zeiten gingen einmal neun bis zwölf Höhfelder Burſche
mit einem ſchönen Mädchen von der Waldenhauſer Kirchweihe
heim. Auf der Höhe hinter Reicholzheim geriethen fie wegen bes
Mädchens, das Allen wohlgefiel, miteinander in Streit, wobei
fämmtlihe Burfche bis auf Einen, und auch das Mädchen,
welchem fie den Kopf abhieben, getödtet wurden. Der am
Leben gebliebene Burfche ging noch bis zur Gamburger Steige,
wo ihn aber die Neue fo heftig erfaßte, daß er fich felbft um-
brachte. An diefem Platze nun, fo wie an jedem andern, wo
einer der Burfche gefallen, ſteht ein fteinerned Kreuz, und ein
hoher Stein, mit einem darauf eingehauenen Schwerte, da, wo
das Mädchen umfam. Bon dem oberften Kreuze bei Reicholz-
heim bis zum unterften, war das Blut wie ein Bach gefloffen.
Die dortigen Aeder haben von dieſem VBorfalle den Namen „Die
Streitäder”, und wegen beffelben ift Die Waldenhaufer Kirch⸗
weihe für immer aufgehoben, Bei den Kreuzen fpuft es in man
Mainthal. 639
chen Naͤchten, namentlich geht ein ſchwarzer Mann dort um,
der ſich den Vorüberwandernden auf den Rüden hängt und eine
gute Strecke weit won ihnen forttragen Täßt. *)
(Siche Mone’E „Anzeiger 10. Jahrg. 1838.)
Der Streitader. m
(Bergl. vorftehende Sage.)
D Liebe, blinde Liebe! was haft du fchon vollbracht!
Wie Biele fhon auf Erven geſtürtzt in Leidensnacht!
Warme und edle Herzen haft oft du dem Tode geweiht:
Ob in Paläften geboren, ob im Schoße der Dürftigfeit.
Lei Wertheim liegt ein Dörfchen, das Reicholzheim ge
| nannt,
Da blühte einft ein Mädchen, die Schönft’ im ganzen Land;
Mer in der Gegend fie fannte, dem ſtets fie vor Augen blieb,
Zwölf rüftige Jünglinge warben zugleich um ihre Lieb |
Die Holde ſprach mit Thränen: „Ihr ſeyd mir Alle werth,
Und gerne folgt’ ich Jedem von euch zu Haus und Herd —
Sucht euch in Frieden zu einen, und Welchem ihr dann mich beftimmt,
Er fey verfichert, Daß meine Hand dann gern die feine nimmt.”
Die Burfche waren Freunde, Doch fchwieg Die Sreundfchaft Hier,
Stets ſenkt fie ihre Waffen, wo Liebe ſchwingt's Panier!
Haß trat und Zorn an die Stelle, doch gaben Dem Mädchen fie nad),
Und zur Befprechung festen fie feſt den nächſten Tag.
*) Streitäder, Kriegsmatten u. dgl., gibt es in vielen Gemar-
“Jungen; fie mögen wohl ihre Namen vom fireitigen Feldmaaß oder
Eigenthumsrechte haben, worüber auch manchmal blutige Händel ent-
fanden feyn mögen. Sch vermutde daher, daß über folche Felpnamen
noch hie und da Bolksfagen im Schwunge find. Ob damit überall die
rohen feinernen Kreuze auf den Feldern sufammenhängen, läßt fich nicht
mit Gewißpeit behaupten. In der Regel ſtehn diefe Kreuze als Zeichen,
bag auf ihrem Plate Jemand erfihlagen wurde, daher das Mordwerk⸗
zeug (Meffer, Pflugfchar 20.) häufig in rohen Imriffen auf dem Kreuz
ausgehauen if. More.
640 | Mainthal.
Ein Ader warb bezeichnet zu dem Verſammlungsort;
Als dort die Zwölfe ftanden, da fiel manch ſcharfes Wort,
Bon Worten fam’s dann zum Dräuen, vom Dräuen fam’s zum
Streit,
Und bald flog, fampfgezüdet, jed’ Meſſer aus der Scheid’,
Bald lagen Zehn am Boden im Blut, fo jung, fo roth,
Und bald umfing den Eiften der Kämpfer auch der Tod,
Einer nur war noch übrig — als der auf die Teichen fah,
Da trat fein Schreckensſchickſal ihm plötzlich graufig nah.
Er weint: „DO Herr im Himmel, was haben wir gethan!
Welch gräßlich Werk vollendet im wilden Liebeswahn!“
Und in fein pochendes Herz ſenkt er fich den vauchenden Stahl
Und folget feinen Gegnern in's finftere Todesthal. |
Die Jungfrau hört die Kunde — fie weinte und verfhwand
Bon ihr im weiten Maingau nicht mehr die Spur fih fand.
Aber der Ader wo einftens der Zwölfe Blut trank der Grund,
Streitader wird er noch heute genannt vom Volkesmund.
(Aus Dr. 3. Günther’s „Großes poetifhes Sagenbuch der Teutſchen.“ Jena 1844.
Ohne Namen des Berfaflers.)
Der Sreijäger.
Gegen Ende des vorigen Jahrhundert Iebte auf dem Dörr⸗
bofe bi Rauenberg ein Säger, der, weil er drei Sreifchüffe
gethan, Alles was er wollte, ſchießen konnte. Die Freifchüffe
that er fo, daß er auf ein Tuch kniete und das erftemal gegen
die Sonne, das zweite Mal gegen den Mond, und bag drits
temal gegen Gott felbft fhoß, wobei vom Himmel drei Bluts⸗
tropfen auf das Tuch fielen. Nach feinem Tode ging er fogar
am Tage im Walde beim Dörrhofe in feiner Jägerfleidung mit
Gewehr und Jagdhund umher. Durch den Schieder (Markt⸗
ſchieder, Feldmeſſer) vom Laufenhof warb er in einen Sad
beihworen, in die obere Klinge zwiſchen Grünenmwörth und
Mainthal. 641
Mannsfeld getragen und dort unter einem’ Felſen gebannt, Der
„nie Schneidersfammer” heißt. Seit dieſer Zeit wird bie Klinge
vom Bieh gemieden; auch iſt ſchon daſelbſt bei Nacht ein ſchwar⸗
zer Mann gefehen worden.
(Siehe Mone’E „Anzeiger 20. Jahrg. 1838.)
Die Wettenburg.
Ein halbes Stündchen oberhalb Wertheim auf einem
Berge, den der Main auf drei Seiten befpült, Tag vor Zeiten
ein ftattliches Schloß, die Wettenburg genannt. Seine letzte
Befigerin, eine geizige Gräfin, wollte einen Theil des Maine
auch um bie vierte Seite ded Berges leiten und diefen dadurch
zu einer Inſel machen, die den Bettlern unzugänglich wäre. Ver⸗
geblich wurde die Gräfin von ihren Untertanen, welche im
Schweiß ihres Angefichts die Frohndarbeit leiſten mußten, ane
geflehbt, von ihrem drüdenden Beginnen abzuſtehen; da warf
fie einen Ring in den Main und fprad : „So wenig ich dieſen
Ring jemals wiederjehe, fo wenig unterbleibt mein Vorhaben!“
Bald darauf, bei einem Feſtgelag im Schloffe, fand fih zu
ihrem Schredfen der Ring im Bauch eines aufgetragenen
Karpfen.
Schon waren die Arbeiten der armen Unterthanen im vollen
Gange, da fam Gottes Strafgericht und verfenfte die Burg mit
fammt der Gräfin und ihren andern Bewohnern in die Tiefe
des Derged. Nur wenige Mauerrefte und ein tiefer Schacht be⸗
zeichneten noch die Stelle des Schloffes.
"In diefen Schacht ließ fich einmal ein Hirte an einem Seile
hinab , nachdem er feine oben harrenden Gefährten angewieſen,
ihn auf ein gegebenes Zeichen wieder hinaufzuziehen. Er kam
in einen Saal, worin ein fehwarzer Hund lag, und etliche Män⸗
ner und Frauen in alterthümlicher Tracht, doch regungslos
wie Steinbilder, beifammen faßen. Da faßte ihn ein Grauen
und er Tieß fich augenblicklich wieder heraufziehen.
II. 41
642 Mainthal.
Einen Schäfer, der ein andermal hinunter gefliegen war,
führte eine Gran, die Herrlichkeiten des Schloffes ihm zeigend,
Dusch viele Säfte und Gemächer, zulettt in eines, worin lauter
Todtenföpfe an den Wänden aufgerichtet fianden. Ald er wieder
"aus dem Berge geftiegen war., fand er Vieles rings in ber
Gegend ganz verändert und erfuhr, daß er nicht, wie er ge⸗
glaubt Hatte, nur einige Stunden, fondern fieben Jahre in der
Tiefe zugebracht Habe.
Heutigen Tages ift auch der Schacht nicht mehr zu fehenz
wohl aber hört man noch zuweilen Nachts cin Geläute aus
dem Schopfe des Berges.
(Siehe Mon e’8 „Anzeiger 20.)
Anbere Sagen von der Wettenburg.
Alle fieben Jahre, am Jahrestage des Untergangs der Burg,
fpiegelt fi diefelbe vom Grunde des Mains herauf, unb
Sonntagstinder fehen auf dem Berge, da wo das Schloß ges
flanden, einge Högle und daneben einen Felfen, worin ein großer
Ring abgedruckt ifl. Auf dieſen Ring legte ein Küfer einft fein
Bandmeſſer und fohlief nachher ganz in der Nähe davon ein.
Beim Erwachen fah er weder Felſen noch Meffer mehr, aber:
nad) fieben Jahren fand er beides wieder, ald er an dem glei-
hen Tage dahin kam.
Ein Schäfer, welcher ſich vor dem Negen in die Höhle ge-
flüchtet hatte, verfiel darin in Schlaf; als er erwachte, waren
unterdefien fiebenmal fieben Jahre verfloffen und er traf zu
Haufe Alles verändert.
(Nah mündl. Ueberlieferung mitgetheilt von Bernd. Baader in Mone’s „An-
jeiger 20.” Sahrg. 1838. ©, 52.)
Der Kürlesgarten bei Bifchofäheim.
HSoch ging es her an Biſchofs Gerhard Tifche,
In langen Reihen faß der Gäſte Schaar,
Auf Silberſchüſſeln prangten Riefenfifche
Und Wildbrät, fo des Forfles Zierde war;
Mainthal. 643
Reich fprudelte dazu der Wein, der frifche,
Im Keller aufbewahrt ſchon manches Jahr,
Der Befte nur floß heut aus grüner Tonne
Und flimmte jedes Herz zu lauter Wonne.
Unter den Gäften hob fih wie ein Rieſe
Der wilde Kunz von Rofenberg empor;
Zwei Männer trugen ſchwer an feinem Spieße,
Und fünf Schuh maß das Schwert, das er erfor;
Schon Manchen ftredte tobt er auf die Wieſe,
Bor feiner Kraft erlag der Ritter Flor,
Er achtete nicht Zucht, noch zarter Sitte,
Und lebt' ald Unthier in der Menſchen Mitte.
Auch heut, bei Würzburg’s Bifhof, als der Reben
Flüffiges Feuer ihm zu Kopfe flieg,
Prahlt er von Weibern, die fi ihm ergeben
Und fchewte Taut von manchem Minneſieg,
Berfpottete das traute Eheleben, ”
Und pries dagegen, was ihm bot der Krieg. —
Doch als er Wertheim's Weib verleumbet hatte,
Erhob fi) zornerfült der Graf, ihr Gatte,
Und warf den Fehdehandſchuh hin dem Frechen,
Rief ihn zum Kampf auf Leben und auf Tod.
Bol Gift ſprach Rofenberg: „Du willſt Dich rächen,
Du feiner Schäfer weiß und rofenroth ?
Doch gut, auch dich kann noch mein Schwert durchftechen,
Das Manchem ſchon ein ſchnelles Ende bot,
Hielt mich nicht Schüffel und Pofal gebunden,
Sp lägſt du jest fihon da im Blut und Wunden.
„Doch in drei Tagen werb’ ich zu dir kommen,
Dis dahin mad’ zum Tode Dich bereit! —“
Der Bifchof und die Säfte, ſchwer beflommen,
Bermitteln wollen fie den fchlimmen Streit.
41*
644
Mainthal.
„Blut heiſcht Die Rebe, fo ihr habt vernommen |“
Spricht der gefränfte Mann voll Heftigfeit, —
„Und Agmus, Grafvon Wertheim, wirbniezagen,
Das Leben für fein edles Weib zu wagen!”
Bon Bater, Weib und Kindern, treuen Schaaren
Der Diener froh begrüßt, Tehrt er nah Haus,
Doch als vom nahen Zweifampf fie erfahren,
Da brachen Schred und Taute Klagen aus.
Sein Bater ſpricht, ein. Greis in Silberhaaren:
„Dubiftein Wertheim, kennſt nicht Todesgraus!“
Die Gräfin aber ruft mit bitterm Weinen:
„So raubt das Schidfal dich fo früh den Deinen |“
Ernft fpricht der Graf: „Gott kann den Sieg auch geben
Dem ſchwächern Arm, er wehrt der böfen That,
Sn Seine Hand befehl? ich treu mein Leben ;
Der David fiegen Tieß ob Goliath, ©
Der wird auch mich in dieſem Kampf umfchweben! —“
Und ſolcher gottvertrauten Worte Saat
Entfeimet Troft und Hoffnung in den Seinen —
Doch noch ein fohönrer Troft fol ihm erfcheinen.
Unruhig fohlummernd, fieht er Durch drei Nächte
Den heiligen Georg vor fih im Traum,
Die Kreuzesfahne ſchwinget feine Rechte,
Und feine Füße trägt ein Wolkenſaum.
„Ich fhwebe fhügend um did im Gefechte, -
Und bring’ dir Sieg, drum gib nicht Sorgen Raum,
Geſchlagen hat des rohen Sünders Stunde !”
So tönt es Tieblidy yon des Heiligen Munde.
Asmus erwacht und fühlt das füße Laben
Der Troftesworte von dem Wolfenthron;
Dem Himmel bringt er feines Danfes Gaben,
Und als der dreien Tage Frift entflohn,
Mainthal. 645
Gibt er den Segen ſeinen holden Knaben,
Küßt ſeinen Vater als getreuer Sohn,
Umarmt die fromme Gattin feſt und lange
Und läßt fih wappnen zu dem ernften Gange.
Die Gräfin aber läßt den Bürgern fünden,
Welch Ichwerer Kampf dem edlen Manne droht,
Und fleht: fich zum Gebete zu verbünden,
Bon ihm Dadurch zu wenden fichern Tod,
Bon ihm, dem Biedern, der ein Feind der Sünden,
Den Armen Retter war aus mander Noth.
Sie ſpricht: „Hört ihr vom Schloß das Glöckchen Täuten,
Sp wißt ihr feine Mahnung wohl zu deuten !“
Als von dem Thurm, aus dunkeln Epheuranfen
Drei Uhr verfündete der Glocke Mund,
Stehn Rofenberg und Wertheim in den Schranken
Im Kürlesgarten dort im Taubergrund.
Der Helmfturz fällt und rafch wie Die Gedanken
Flammt auf das Schwert, bligt auf des Schilded Rand,
Beflügelt find die ſtahlumſchanzten Glieder
Und im Gebirg halt es von Hieben wieber.
Da tönt Geläute von des Schloffes Zinnen,
Und Vater, Weib und Kinder Fnieen hin,
Den Sieg durch brünftig Beten zu gewinnen,
Und jebe Lippe bebt: „Gott, fhüge ihn!"
Durch Seufzer tönt's in heißer Thränen Rinnen:
„O laß ihn dem gewiſſen Tod entfliehn !“
Und wie vom Schloß die Glockenklänge fchallen,
In Wertheim Alle auf die Kniee fallen.
Doc in dem Thale kreuzen fich die Klingen, |
Jetzt fängt fie auf der Schilde breiter Rand, Ä
Hier gleiten fie von glatten Eifenringen, |
Dort flürzt ein Hieb den Helmbuſch in den Sand. |
646 Mainthal.
Das Panzerhemd zerreißt, die Spangen ſpringen,
Hier rauſcht ein Blutquell von des Helmes Band,
Und wüthend ziſchen Hoch herab die Streiche,
Denn jeder Kämpfer fodert eine Leiche.
Sept Rofenberg! jetzt naht fih Deine Stunde! —
Des Grafen Flamberg bligt und Funfen fliehn,
Dem Gegner fchlägt-er eine tiefe Wunde,
Und raſſelnd flürzt der RieP zu Boden hin.
Asmus Löft ihm den Helm, beugt fih zum Munde
Des Ueberwundenen und fraget ihn:
„Fühlſt du ob deiner frechen Rede Neue? —“
„Mein! — knirſchet Kunz — „ein Narr nur glaubt an Treue!“
Da firömt erneute Kraft durch As mus' Glieder,
Er faßt den Sträubenden, fpricht: „Ich erbarm’
Mih Deiner!” — trägt ihn zu der Tauber nieder —
Da drängt fi froh herbei der Bürger Schwarm,
Und Jubelruf fchallt aus der Stadt, tönt wieder
Vom hohen Schloß, als fie des Grafen Arm
Dreimal den Feind fehn tauden in die Wellen,
Und hoch dann an das Gegenufer fehnellen.
Die Wunde brachte nicht den Tod dem Riefen,
Allein gebrochen war fein freder Muth;
Nicht fann er mehr auf Schimpf und Blutvergießen
Und zehrte hin in ſelbſtverbißner Wuth.
Graf As mus aber und die Seinen ließen
Nicht ab, dem Herrn zu danken mild und gut,
Und täglich, um des Kampſes wilde Stunde,
Erklang das Glöcklein mahnend in die Runde.
Noch fegt, wo über Wertheims Paradieie
Die Mittagfonne Segenftrahlen webt,
Und über Waldung, Weingebirg und Wieſe
Der Böglein Chor mit Jubelliedern ſchwebt;
Mainthol. 647
Manch Schifflein auf dem Mainſtrom bald auf dieſe
Und bald auf jene Seite ſegelnd ſtrebt:
Da tönet, bei der dritten Stunde Schlage,
Vom Thurm der Schall des Glockleins ale Tage.
(Aus der in ber Didaskalia mitgeteilten Serle „Mainſagen.“ Siete Jahrg. 1844,
Nr. 58. Vergl. au Mone’s „Anzeiger“ Jahrg. 1835. ©. 163,
Das Schaf fängt Den Wolf.
Vor langer Zeit, als die Gegend bei dem Dorf Eichel
am Main noch mit Wald bededt war, fam ein Mann mit einem
Schafe zu der dortigen Wallfahrtskirche, Die „Maria zur Eiche”
heißt. Er band das Schaf außen an die Kirchthüre und ging
hinein, fein Gebet zu verrichten. Mittlerweile kam aus dem Wald
ein Wolf gegen das Schaf, dieſes riß fih Ins, und fprang in
die Kirche und der Wolf ihm nad. Da lief ed zur Thüre zus
rück, faßte den Strid, der daran hängen geblieben war, und
ig die Thüre im Hinauslaufen zu. Der Wolf war nun einge⸗
fperrt und wurde umgebracht. *)
(S. Mone!8 „Anzeiger ꝛ⁊c.“ Jahrg. 1837.)
° Die Leiten,
Bei einer Befchiegung Wertheims wollten die Franzofen,
welche die Stadt inne hatten, fih dag Mainthal hinauf zurüds
ziehen, allein hinter Eichel fanden fie alle Berge am Wege
bis Urphar von ihren Feinden befegt. Diefe überfchritten, die
Franzoſen mit Kugeln und Felsftüden und bracdten ihnen eine
ſolche Niederlage bei, daß der Main durch die Menge ber Leich-
name geftaut wurde. Die Bauern von Bettingen fchifften
*) Das über der nörblichen Kirchenthüre ausgehauene Bild: ein
Midder mit dem Kreuze, gegen den ein Wolf den Rachen auffperrt,
wird auf diefe Eage gedeutet, fo wie auch das in der Gegend übliche
Sprüchwort: in Eichel fängt das Schaf den Wolf — darauf Bes
äug hat. i M.
‚8 Minthal.
viele Fluͤchtige über, nahmen ihnen aber alsdann zum Fergen⸗
lohn ihre ganze Habe ab, wodurch fie gar reich wurben. Sie
blieben es jedoch nicht lange, weil das unrechterworbene Gut
fein Gedeihen hatte. Wegen des damaligen großen Blutbabes
heißt Urphar: „Die Mörbergrube” und die Gegend ab-
wärts: „Die Leiten“ (Leiden). Daſelbſt Täpt fich, feit dem
Treffen, in der Luft ein nächtliches Raſſeln, Schießen und
Schreien hören, was man auch dem wilden Heere zufchreibt.
(Rad mündlicher Ueberlieferung mitgetheilt von Bernd. Baader in Mone's „Ans
zeiger.“ Jahrg. 1839. S. 180.)
Bon Der Burg zu Wertheim.
1. Im Archive des Schloffes wird ein lederner Riemen auf-
bewahrt, der Demjenigen, welcher ihn umhat, Glück auf der
Sagd und die Gabe verleiht, wahrzufagen und fi in einen
Hafen zu verwandeln.
2. Alle dreihundert Jahre fieht man in der Burg Säde
fieben, welche oben geöffnet und mit Frucht angefült find,
die, wenn man davon mit nach Haufe nimmt, fih in Gold⸗
törner verwandelt.
3. Auf der Citadelle ift ein Hünengrab zu fehen, und in
der Nähe des Pulverthburms fiand ein Bäumchen, deflen Krone
wie ein Korb geflochten war. Darauf pflegten fih Nachts die
Heren zu feßen und es hieß daher „Das Derenbäumchen.” Jetzt
ift es weggehauen.
Die Kapelle im Haslocher Thal.
Eine Stunde unterhalb Wertheim zieht rechts vom Main,
bei dem Dorf Hasloch, ein enges, walbiges Thal hinein,
darin ſteht auf freiem Plate eine verfallene Kapelle. Hier ſah
einft ein Graf von Wertheim, auf der Jagd, einen weißen
Hirſch, und legte ſchnell auf ihn an, aber in demſelben Augen
Meainthed. | 649
blick verfhwand der Hirfch vor feinen Augen. Wegen biefer
Erfcheinung ließen der Graf und feine Frau dort die Kapelle
bauen, und noch jest fehweben ihre Geifter in glänzenden Ges
fialten in mancher Nacht um die verfallene Kapelle.
(S. Mone’8 „Anzeiger 20.” Jahrg. 1835.)
Sage aus dem Waldſaſſengau.
Unweit der alterthümlichen, in deutſchgothiſchem Bauſtyl
erbauten evangelifchen Kirche der Stadt Wertheim, wird
in ber Sylveſternacht, in der Straße bei dem fogenannten Neuens
brunnen, zu mitternächtliher Stunde ein vierrädriger Karren ges -
ſehen. Derfelbe ift ohne Deichfel. In feierlich ftilem Zuge wird
der Karren vorwärts gefchoben von drei Männergeftalten ohne
Köpfe.
Diefe Scene in Augenfchein zu nehmen, ift nicht jedwedem
Sterblichen vergännt. Nur gewiffe helfehendere Leute haben das
Vergnügen folch’ abenteuerlichen Anblickes. Diefelben müſſen
jedoch wiffen, daß man nicht ftehen bleiben darf, um mit Weile
das feltfame Begebniß anzufchauen. Denn bebächtig und demüthig
müſſen die Seher ihre Straße weiter ziehen, fonft find fie des
Todes.
A. Afſſum, Lehrer.
Doktor Luther in Wertheim.
Auf der Reife zum Wormſer Reichstag kam Doktor Luther
auch nad Wertheim, wo er im Adler einkehrte, und bie Zeche
für die Bratwürfte, die er daſelbſt verzehrte, ſchuldig geblieben
iſt. Als er von ber Eichelfteige aus bie Stabt anfichtig wurde,
ſprach er:
„Bom Feuer hat Wertheim nichts zu befah’n,
Im Waffer aber wird's untergah’n !”
(Siehe Mone's „Anzeiger 22. Jahrg. 1838.)
650 %„ Maintal.
Die ähnlichen Frauen.
Ein Graf von Wertheim that nad) dem Tode feiner Frau,
bie er innigft lieb hatte, Das Gelübde, nicht wieder zu heirathen,
es fey denn, daß er eine Frau fände, welche der Berftorbenen
ganz ähnlich fähe. Er fuchte lange nadı einer Solchen umher,
bis er endlich eine fand und fich mit ihr vermählte.
Auf feinem Grabftein in der Wertheimer Stadtkirche ift er
nebft feinen beiden Frauen, bie eiftander ganz ähnlich von An-
geficht find, ausgehauen; das Bild der Erftern trägt einen Rofen-
franz in der Hand.
(Siehe Mone’8 „Anzeiger 20.” Jahrg. 1838.)
Der Hirſch zu Wertheim.
Im vorigen Jahrhundert gefhah es, daß fich ein Hirfch
zum alten Bergſchloß in Wertheim verirrte. Fürft Karl Tho—
mas erfah ihn aus feiner Hofhaltung im Thale, und ftredte
ihn, als er eben über einen Rebftod fprang, durch einen Schuß
. aus dem oberfien Stockwerk zu Boden. Wegen Diefes gelunge-
nen Schuffes gab der Fürft feiner Dienerfchaft ein Feft, wobei
der Hirfch verzehrt wurde; auch Tieß er auf dem Plate, wo
berfelbe gefallen, das Standbild eines Hirfches, der über einen
traubenvollen Weinftod fegt, errichten. Diefes fleht noch heute;
ber Graben heißt Davon der Hirſchgraben und deffen Thor
das Hirſchthor.
(Nach mündlicher uepenietetung mitgetheilt von Vernh. Baader in Mone's „An⸗
zeiger ꝛc. Jahrg.” 1838.)
Die rettende Glocke.
„Auf, hinaus in den Wald! In das herrliche Grün, zu den
duftenden Tannen und Eichen,
Wo das Vögelein ſingt und das Hirſchlein ſpringt in den lu⸗
ſtigen, freien Bereichen!
Mainthal. 651
Hier wirds mir zu eng in ber alten Stadt, melancholiſch macht
mich der Glocken
Fefttäglicher Klang in den Mauern fo dumpf — nur draußen
da winft mir Frohlocken!“
Graf Johann mit dem Bart von Wertheim fpracdh
Zur Jagd gerüftet alfo an der Pforte. —
„> bleibe! Heut ift erfter Oftertag !"
Entgegnet ihm fein Weib mit fanftem Worte.
„Begleit' mich lieber auf dem Kirchengang,
Mich, die durch Gottes Gnade jüngft genefen.
Geliebter Mann, iſt's ja doch ſchon fo lang,
Daß du nicht mehr im Gotteshaus gewefen !”
Doc er Füßt fie und ſchwingt auf das Roß fich behend: „Ein
andermal, Liebfte, nicht heute!
„Ich muß in den Wald, hab zum Beten nicht Zeit!" — Fort
zieht er mit Jägern und Meute.
Auf wieherndem Roß, unter Hundegebel, von ſchmetternden
Hörnern umflungen,
Iſt raſch aus dem Thore, hinunter am Main, in den buften-
ben Wald er gedrungen.
Schon tönet fern und ferner das Geläut, .
Da ruft der Sraf: „Ade, trübfel’ge Glocke!
Fuͤrwahr, du bringft mich nicht zum Beten heut,
Solch ſchönen Tag feir’ ich im Jägerrocke!“
Noch einmal tönt Die Glinde wie ein Auf
Und deutlich ſcheint's zu flehn: „D kehre, kehre!“
„Fort⸗ — ruft ee — „Rößlein! Spute deinen Huf,
Daß ich den Klageton nicht Tänger höre!“
Es fpiclet die Sonne mit zitterndem Gold durchs Grün um
die raufchenden Aeſte,
Der Gudud ertönt und des Hähers Geſchrei und die Holztaub’
girrt aus dem Nefte,
652 Mainthal.
Es ſonnt ſich das ſchillernde Schlänglein im Gras, Eichhörn⸗
| hen feet im Fluge
Don Zweige zu Zweig und vol Neugier blidt ed nach dem
waidlichen Zuge.
Da ſchwingt auf einmal über'n Haſeldorn
Sich ſtolz ein weißer Hirſch von ſechzehn Enden;
Heiſa! wie treibt ſein Roß des Grafen Sporn,
Wie ſetzt er nach, den Wurfſpieß zu verſenden!
Jetzt endlich ſtellt ganz nah das Wild ſich dar,
Doch nur um ſchnell um's Waldeseck zu biegen —
Fern läßt der Graf zurück der Diener Schaar,
Sein Roß ſcheint, gleich dem weißen Hirſch, zu fliegen.
Durch verwachſen Geſtrüpp, noch verſchont von der Axt, in
des Dickichts verborgnes Geflechte,
Folgt tief bald hinab, hinauf bald der Graf, und den Spieß
hält zielend die Rechte;
Jetzt ſendet er ihn dem Flüchtigen nach, Doch der iſt ihm glüd-
lich entgangen,
Sort flieget der Hirſch, ihm nach der Graf mit ſchweißumper⸗
leten Wangen.
Doch mitten in dem athemlofen Lauf
Schleudert ein Aft den Reiter von dem Pferde,
Und Hirfh und Renner fliehn im Sturmgefchnauf,
Betäubt hebt ſchwer der Graf fih von der Erbe.
Ins Hüfthorn fHößt er laut und oft und lang —
Doch's Echo nur fohallt von der Berge Rüden,
Schon dämmerts Abend und vom Felfenhang
Sieht er den Wolf mit glühendem Aug? ſich bücken.
„Weh! verirrt in der Nacht, im unheimlichen Wald!” bes
ginnt der Graf nun zu Elagen,
Laut pochet ein Herz in der feuchenden Bruft und er fühlt vom
Durfte fih plagen.
Mainthat. "653
»Bringt der Durft mich nicht um, fo werben mich bier bie
hungrigen Wölfe zerreißen;
D mein Weib! meine Kinder, ihr Lieben, ihr ſeyd bald Wittwe
und Flagende Waifen !“
Da tönt vom Himmel füßer Klang herab —
Hoch deoben fieht er eine Glode ſchweben —
Er fennt am Klang fie, die den Frühgruß gab,
Die Glocke Wertheims iſt's, er hörts mit Beben;
Hell tönt fie fort — da wirft aufs Knie er ſich
Und betet aus des Herzens tiefſtem Grunde:
„Wohl bringfi du, Glode, heut zum Beten mid |
D Gott, verzeih 1” ruft er mit blaßem Munde.
Und die Glocke fie fenkt vor den Grafen fich hin und wandelt
mit mahnendem Schallen
Ihm voraus in dem Wald und er Tichtet fi) bald vor ihr zu
geräumigen Hallen.
Auf taucht nun der Mond, ftets zieht fie voran, im filbernen
Klange ſich wiegend,
Bis der Morgen erglüht, ba erhebt fie fich fchnell, nad) Wertheim's
Thurme hin fliegend.
Nah Wertheimd Thurm, der durch den leiſen Flor
An des befannten Thales Saum erfcheinet —
Erfchüttert tritt der Graf durchs hohe Thor
Bald in fein Schloß, wo Alles zagt und weinet.
Bol Jubels von den Seinigen umringt,
Stift raſch fein Anbli feines Weibes Klagen:
„Sey ruhig! Wenn die Glinde wieder klingt,“
— Ruft er, fie füßend, — „werb’ ich nie mehr jagen !“
(Aus der in der Didasfalia, Jahrg. 1844, ohne Namen des Dichters, mit.
getheilten Serie Mainfagen. Nr. 263 vom 22. Septbr. Einige Berbeiferungen,
des dort fehr holprigen Versmaaßes glaubte fid) ver Herausgeber wohl erlauben
zu dürfen,)
654 Mainthal,
Die Gräfin zu Wertheim.
Empor som goldnen Steome,
Borbei am fchlanfen Dome,
Hinauf ind Himmelshlau !
Mir winkt aus dichter Stämme Nacht
In herrlicher Verwäftungspracht
Zerrifiner Fürftenbau.
Fort, zwifchen Mauersaden,
Durch, mit gebeugtem Naden,
Durchs fleinverhängte Thor !
Hinan, wo Thurm auf Thurm fich flellt,
Wo fühn wie aus der Alpenwelt
Ein Gipfel ragt hervor!
Jetzt klettern und jest fpringen,
Leicht über Kluft ſich fchwingen,
Tief unten Thal und Fluß:
Sch weiß nicht, ift es Menfchenipur,
Iſts ew’ger Fußtritt der Natur, -
Borüber wallt mein Fuß.
Sind Wände diefe Rippen ?
Sind Säulen diefe Klippen ?
Iſt dieſes Holz nicht Stein?
SR all der Bau fein Felfenfpiel?
O Kaftellan, fo fag’ mir viel,
Recht viel aus jener Zeit!
Nenn’ alle die Geſchlechter,
* Nenn’ Fehden mir und Fechter
Um Brüde, Thor und Haus!
Bon Freud’ und Frieden melde mir!
Sprich: weldhe Sänger gingen hier
Mit Harfen ein und aus?
Mainthal. 655
Und ſag' auch, welche Frauen?
O könnt' ich Eine ſchauen
In Fülle, ſtolz und mild!
Dann wölbte ſich mir farbenhell
Das erkervolle Saalgeſtell
Ringsum als Wunderbild.
Du laͤchelſt ſeltſam, Führer!
Biſt du ein Geiſterſpürer
Und lebſt in todter Zeit?
Dein hohles Auge ſah wohl gnug,
Doch um den Mund ein ſchlauer Zug
Führt mich jahrhundertweit.
Und nieder gehn wir, nieder,
Im Städtchen find wir wieder,
Der Dom, er fehliegt fih auf.
Getaucht in Licht und Lebensluft,
Muß ich hinab in Modergruft,
Und Särge ftehn zu Hauf!
Und Ein Sarg ift noch offen;
Vom Tagesfchein getroffen‘
Spielt bleiher Sammt ind Roth;
Und fhaurig ruht das Himmelsticht
Auf einem welfen Angeficht
Bol unverweftlen Tod.
Aus Purpurfammt und Seide,
Aus funfelndem Geſchmeide
Dies Antlitz blühend fproß,
Und, fchritt Die Jungfrau durch den Saal,
So ward, ald wenn ein Sonnenftrahl
Durchs Bogenfenfter floß. ®
Wie viele Leiern Fangen,
Wie viele Klingen fprangen
Im Liebesftreit um fie!
656
»
Mainthal.
Sie felbft in frifher Jugend Glanz,
Sie fühlte fih fo Leben ganz,
Dacht' an den Tod wohl nie! -
Erhalten auf der Bahre
Liegt fle dreihundert Jahre —
O ſchweige, Kaftellan !
Ich weiß, was du mir fagen willt:
Bor diefem ftarren Todtenbild
Weicht aller Erbenwahn !
Geborſtne Schlöffer dauern
Im Trog zerfpaltner Mauern
Noch glänzend fpätem Blick.
Das Menſchenkind hat Feine Frift,
Es endet, wenns von hinnen iſt,
Sein zeitliches Gefchid.
Bei diefer graufen Miene
Der menſchlichen Ruine
Erſchauert mir die Haut.
Wenn meinen Leib empfing die Gruft,
Steig' er verwandelt auf zur Luft
Als Gras und buntes Kraut!
Und jetzt zum Sonnenſcheine,
Jetzt zu dem Schloßgeſteine
Der alten Welt empor!
Doch will ich rückwärts nicht zur Zeit,
Wil vorwärts ſchau'n zur Ewigkeit,
Dud das zerfallne Thor.
Guftav Schwab.
—_— 1777
Inhaltsverzeichniß
des zweiten Bandes.
Das Rheinthal. Gedicht von Aloys Schreiber.
Ortenau.
Die erlöſte Schlange. Aus Mone's „Anzeiger ıc“ . .
St. Landolins Bad. Aus Demfelben. . . . een
Das Erucifir von Wittenweier. Aus Demfelben. 20.
Lahr’s Urfprung. Bon D. 8. . en
Urfprung von Hohengeroldged. Bon Mar von Ring. oo.
Walther von Geroldsed. Bon G. K. Diet el... .
Klofter Schuttern. Bon 3. L. B... ...
Offenburgs Urſprung. Bon L. H. B...
Peter von Stauffenberg und die Meerfeye. In fen Romanze
Aus „Knabe Wunderborn.“ . . . » ...
Ritter Staufenberg. Von Karl Geib. ... ..
Meluſine im Stollenwald. Aus Mone's „Anzeiger ꝛc.“.
Der Teufelsſtein auf der Schiehald. Aus Demſelben.
Der Schatz im Stollenberg. Aus Demfelden. . . »
Der Fuß in der Wand. Bon Karl Simrod..
Hanauer Ländchen.
Vom Korker Waldgericht. Aus dem Fahrer Hinfenden Bothen.
Biſchofsheim am hohen Steg. Aus Demſelben....
Der Leichenzug zu Scherzheim und das wilde dern. Aus Mone x
„Anzeiger ꝛ2c.. ren
Menchtbal und Seitentbä ler.
Der Bannader. Bon U. Schreiber. . . 2. 2 2 0. .
Der Ring. Bon Demfelben. > 2 2 0 en nenn
II. 42
Seite.
0 0 G OM
ei je,
41
43
658 Snpaltsverzeidniß.
Seite.
Allerheiligens Stiftung. Von Ed. Bra uer. 2 2... 44
Allerheiligens Ende. Bon Demfelben. . . -» . 45
Die Felſenkirche von Aberheiligen. Von Al. S Gelbe en . 47
Diefelbe. Bon A. Kopiſch. 2 2 2 0. ... 48
Der Reiterſprung. ea 49
Der Zigeunerwaldd. 49
Acherthal und Seitenthäler.
Türenne's Fall. Bon Georg Rapp. .. ee. 50:
Das Brigittenfihloß. Bon Al. Schreiben re... 52
Brigitta von Hohinrot. Von ©. Rapp. . . - . 54
Das Brigittenfchloß , in 3 Romanzen. Bon Fried, O'tte. 55
Der Burggeiſt auf Rodeck. Bon A. Schreiber . ... 61
Der Retter von Rode, Bon Ignaz Hub. » » 2.2. 63
Die Klofterruine zu Seebad. Bon Fried. Ernie. . . » 66
Die Helden vom Kappler Thal. Bon D. 9. . . 2... 68
Das Bergmweiblein. Bon Al. Schreiber. . . 2.2... 69
Die Frau von Bofenflein. Bon Ignaz Hub. . . 72
Die drei Zungfrauen aus dem See. Bon A. Sareiser. 7
Die drei Seefrhweftern. Bon Marlame. .. 79
Mummelfee und Nachbarfeeen.
Zchn Romanzen vom Mummelfee. Bon A. Schnezler . . 81-89
Die Seifter am Mummelſee. Bon Ed. Möride. .
Der Jäger am Mummelfce. Bon A. Kopifd. . . »
Der Jägersmann. Bon Emilie Scotzniowsky.
Mummelſee's Geſchenk. Bon Adolf Stöber. ..
Eine Wanderung nad dem Mummelfee. Bon Hppolit so eiber.
Die Braut vom Bergfee. Bon G. Rapp. .
Der Ritter und das Gerfräulein. Bon Karl 3 elt.
Die guten Seejungfrauen. Aus Mone’s „Anzeiger ac“ . . _
Aus dem »Simplietffimud.“. . . . 0.
Das Mümmelchen. Bon Al. Schreiber ..
Der Wildſee. - . .
Das Männlein vom Ser. Bon q. 8, Dorn.
Der Nonnenfee. Bon AM. Schreiber.
Die Nonnen fingen nicht mehr. Aus Mone’s „Anzeiger: 20."
Der Nire Wechſelbalg. Aus Demfelben. ..
Anmerkungen zu den Mummelſee⸗Sagen. .... 130—
Bühl und nächte Umgebung.
Der Herentfurm zu Bühl. Bon A. Schreiber .
Diefelbe Sage, Metrifh von Ed, Brauer ...
1
w
⁊
Inhaltsverzeigniß. 659
Die Narrenzunft in Bühl. Bon L.9.B .. . 138
Das Lindenfirchlein. Bon Al. Schreiber .. 2. 2... 139
Die Lindenkirhe. Bon Auguft Stöber. ... .. 140
Der ausgelieferte Schatz Aus Mone's "Anzeiger wu. 1
Herenbutter. Aus Demfelben. . . . » en 141
Des Affenthalers Urfprung. Bon 4. Sänelen en 142
Sagen von der Burg Winded.
. Die Jungfrau auf der Burg Windeck. Bon A. Schreiber. 144
. Der lange Gang. Aus Mone's "Anzeiger u... 146
. Das Huhn zeigt den Kirchenplag. Aus Demfelben. . . . 146
. Der Hennegraben. Bon U. Schreiber . » 2... 14
. Der treulofe Schreiber. Aus Mone's „Anzeiger 1 . 151
. Das Burgfräulein von Windel. Bon U. es reiber . 151
. Hugo von Windel. Bon Demſelben. . . » 0.0.13
. Das Fräulein von Windel. Bon G. Rapp... ... 15%
a a a m wm m u
9. Die todte Braut. Bon AM. Schreiber .. 0 155
10. Die Jungfrau auf Burg Lauf. Bon Ludw. Bin. ... 158
11. Garlinde. Bon A. Schreiber . . . oo... 159
12. Der nädhtlihe Tanz. Bon Demfelden. . 2 2 2 20. 161
Die Hub. Bon Demfelben. . . . nn. 163
Erwin von Steinbach. Bon A. Sſch neaten. ren 16%
Erwin’s Bild. — Bon Daniel Hir tz. ren 168
Die Kröte. Ausg Mone’g Anzeiger > 171
Ruftritt. Aus Demfelden. . . » . .. 171
Dosgau. — Stadt Baden und nächte Umgebung.
Baden-Baden. Bon U. Schreiber... . ..» .... 173
Baden's Urſprung. Bon Ev. Brauer .. 176
Das alte Schloß zu Baden. Bon Mar von S N enfend o rf. 180
Die graue Frau von Hohenbaden. Bon Sanaa P ud. ... 180
Das Vehmgeriht in Baden. . . » re. 184
Chriſtoph von Baden. Bon Ep. Braue er. 185
Ludwig von Baden. Bon G. Rapp. .. .. 188
Sagen vom alten Schloſſe. Aus Mone?s „Anzeiger cu. 192
GSilbergrube. Bon UM. Schreiber . . . ve... 193
Der Hungerberg. Bon Demfelben. . . . ren 194
Das Kreuz auf dem Friedhofe. Bon Demſelben. ...... 195
Dieſelbe Sage, metriſch von Guf. Mühl. x 2. 2... 186
Kellers Bild und Kreuz. Bon A. “areiden nen 199
Kellers Bild. Son Ed. Brauer. . ... Pr 201
Der Lindenfhmidt. Alted Volkslied. - 2 2 2 203
Der verfuntene Wagen. . . . ren 205
Sp fährt man zum Teufel. Bon ã. Scqhnezler. .... 2066
42*
660 . Indaltsverzgeihmiß.
Ein Gefpenft lieſt Meffe. Aus Mone's "Anzeiger ıc.
Das Reh im Steinwäldchen. Bon A. Sſch western .
Die Sage vom Balbreit. .. . . . .
Fremersberg. Bon Fried. Dite. . en
Der Ahorndbaum. Bon U, S arelben . oo.
Die Altenburg. Bon Demfelben. .
Schlage deine Mutter niht! Aus Mone's „Aneiger - 36.0
Klofter Lichtenthal Bon U. Schreiber. . .» .
Aus Lichtenthal. Bon Juſt. Kerner . . . . .
Lichtenthal. Bon A. Schnezler .
Die Rettung des Kloſters Lichtenthat. Bon Gerh. Self ih
Die Stiftung des Waiſenhauſes in Lichtenthal. Bon Emilie
Scotzniovsky.
Der Waſſerfall von Geroldsau. Von Derfelben. ER
Die Hütte zu Eberfleinburg. Bon A. Schreiber . -»
Sagen von ter Burg Alt»Eberftein. Aus Mone's „Anzeiger 2c.«
Die Belagerung von Alt-Eberftein. Aus Cꝛuſius Schwaͤbiſche
Chronick.“. . .
Graf Eberfiein. Bon Lud. uUbland.
Das Kloſter bei Eberſtein. Bon A. Schre ib er..
Die Haueneberfteiner Glocke Aus Mone’g "Anpeiger ꝛc.“
Rieſen im Waſſer. Aus Demſelben. oo. ..
Die Geiſter führen irre. Aus Demſelben. . ER
Die Drei-Eichenlapelle. Bon AU. Schreiber. . .
Sagen von der Yburg. Bon Demfelben. . . . .
Das golvene Kegelfpiel. Aus Mone’g „Anzeiger 2 > ·.
IAburgs Fall. Bon Ed. Brauer . .
Die böfe Müllerin von Zell. Aus Mone’ 8 ‚Anzeigen - Ic.
Fortunat von Baden. Bon Ignaz Hub. . . . .
Das Blutfeld. Bon AH. Schreiber . 0.
Die Teufelstangel. Bon Auguf Stöber .
Die Teufelsfanzel und Klofter Engelsburg. Von Emilie S co he
niovsky.
Die Wolfsſchlucht. Von Au. S & rei ib er. . .
Diefelbe Sage, metrifh von Ed. Brauer . . .
260
Anmerkungen zu den Sagen von der Stadt Baden ıc. . 263278
"Murgtbal. "
Die Wolfsſchlucht und die Waldfapelle vei Seleagh Von Aus.
Schnezler... se
Die Hölle. Aus Mone's „Anzeiger ꝛ.“ rn
Die Teufelsmühle. Bon U, Schreiber. . . .
Der Klingel, Bon Demfelben. . .
Sagen von der Klingelfapelle und vom Schloß Eberſtein Aus
Krieg's v. Hochfelden «Geſchichte von Eberſtein..
- An. A
279
282
233,
284
285
Inpaltsverzeihniß.
Dee Koch zu Eberfiein. Bon Ger. Helfrich.
Die Belagerung von Reu-Eberftein. Bon A Schre iber.
Bon den Grafen von Eberftein. Aus Satobs v. Königs J ofen
„Elſaäͤß. Chronick.“
Der Grafenſprung. Bon Al. S fr re i ber.
Der Srafenfprung. Metrifh von A. Kopiſch.
* [2
Das Rodenweibhen. Bon U. Schreiber. . .
Das Nefielhemd. Bon A. Schnezler . . .
Die Gräfin im Nocdertwald. Aus Mone’g Anxeizr u 20.4
Gaggenau. Bon Ed. Brauer . .
Die Seifterhöhle. Aus Mone’g „Anzeiger ꝛc.“
Hilpertsloch. Von Al. Schreiber.
Die Eliſabethsquelle zu Rothenfels. Von Berh. Helfrig. .
Die drei Schweftern. Bon A. Schreiber. . .
Mudenfturm. Bon ©. Klüber. .: .
Markgraf Ludwig von Baden, der Zürtenbeimingr Bon Ev,
Brauer eo . .
Das Raſtatter Schloß. Anonymus..
Albthal.
Die Entſtehung von Herrenalb. Bon Al. Schreiber. .
Die Stiftung von Frauenalb. Bon Ed. Brauer.
Johann von Hohenwart. Bon U. Schreiber .
Fürſtenzell. Bon Demfelben.
Die umgehenden Feldmeſſer. Aus m on e's „Anzeiger ꝛc.“
Der Ring am Ettlinger Kirchthurm. Bon J. Schneider.
Streit zwifchen Ettlingen und Brauenalb. Bon Demfelben. .
Das Rad von Malfd. . . .. 1
Karlsruhe und nächſte Umgebung.
Karls⸗Ruhe. Bon Mar Sachs.. oo.
Die Gründung von Karlsruhe. Bon Ed; Bra aus. . .
Die weiße Frau. . en
Kunde von Jenſeits. Bon 2. s ch nezler. >. .
Die Herenwäfhe. Aus Mone’s „Anzeiger 0." .
Karl Friedrich im Zahre 1806. Bon Ev. Brauer. .
Die hohe Ruhe. Aus Mone's „Anzeiger ıc..
Gottesaue. Bon Fried. von Maltitz. 0.
‚Die Geifler zu Gottesaue. Bon A. Schn ezler. ..
Die Kirche von Hagsfelden. Aus Mone's Anzelger ꝛc.⸗·.
Die beſchirmten Kronen. Aus Demſelben.
Rippur. Bon Mar von Schenkendorf.. oo.
Die Wallfahrtskirche von Bidespeim. Bon 8. 9. 8. ..
357
357
358
662 Inhaltsverzeichniß.
Durlacher Fugen
Durlach's Namendurfprung . oe.
Die Paulwirthin Aus Mone’s „Anzeiger ꝛc.“
Herzog Konrad von Schwaben in Durlach. Von Ed. Bra u er.
Der Markgraf und die Mönde. Bon G. a
Geld fonnt fih. Aus Mone’s „Anzeiger 20.0 oo.
366
Sagen vom Thurmberg. Aug Demfelben. . . . 366-370
Sagen von Wolfartsweier. Aus Demfelben. . . ..
Glocke läutet von ſelbſt. Aus Demſelben.
Sagen vom Thurmberg bei Wolfartsweier. Aus Demfelben. 372-375
Das Dorfthier. Aus Demfelben. . . . . . .
Der verfahrene Schüler. Aus Demfelben. . . . .
Das freigetige Erbmännlein. Aus Demfelben. . . .
Erdmannskuchen. Aus Demfelben. . . .
Sagen von der St. Barbarafirche bei Langenſteinbach. Aus
Demfelben. . R . . . . .
&t. Barbara. Bon Ed. Brauer. . . . oo.
Die weiße Fran. Bon Wilhelm». Chézy
Der Rothackergeiſt und der wilde Jäger. Aus Mone’g „An-
zeiger ıc.u . . oo.
Zunfer Marten und ber wilde Jäger. Aus Demfelben. oo.
Pforzbeim und Umgegend.
Das von den Juden getöttete Mägdlein, Aus G. Grim’s
„Teutſche Sagen. . . 00.
Die vierhuntert Pforzheimer. Bon en. Brauer. ..
Die Pforzbeimer Bürger. Bon Adolf Bube.....
Triumphzug kindlicher Liebe. Von L. H. B..
Die Peſt in Pforzheim. Bon Ed. Brauer . oo.
Die Todten wollen Ruhe. Aus Mone’s „Anzeiger 20.
Der böfe Hausgeift Blaferle. Aus Demfelben. on
Hausgeiſt Blaferle. Bon Auguſt Nodna 8 el. . .
Die Nonnen zu Weißenflein. Aus Mone’s „Anzeiger *
Der nächtliche Schlachtlärm. Aus Demſelben....
Der beſtrafte Sakramentſchänder. Aus Demſelben.
Der feurige Mann. Aus Demſelben. .. .
Kraichgau und Eiſengau.
Die Heine Fürſtengruft zu Bruchſalſ. Aus Mone’s „Anzeiger ꝛc.⸗
Der Rekrut auf Ppilippsburg. Bon Karl Simrock...
Das Gnadenbild zu Waghäuſel. Aus Mone's »Anzeiger ꝛc.“
Die Kapelle zu Waghäuſel. Aus Denifelben. . 2...
Der entheiligte Gürtel: Aus Demfelben. . . .
Teufelskutſchen. Aus Demfelben. >. 2 200
370
372
Inpaltsverzeihnig.
Das mifdtpätige Männlein. Aus Demfelben. .
Das Hündchen von Bretten. Erſte Sage. Bon 8. © imrod.
Zweite Sage. Bon Mar Sad. . . 220
Der wachfende Stein. Bon Ludwig Kieffer. .
Der Schwabe vor Bretten. Bon. . . ..
Ein Geſpenſt pflügt. Aus Mone's „Anzeiger en
Gefpenft in's Haus gebracht. Aus Demfelben, .
Die übel belohnte Here. Aus Demfelben. . . .
Arbeit in der andern Welt. Aus Demfllben. . . »
Schab in Flehingen. Aus Demflbn. . . .
Sage vom alten See. Bon A. Schreiber. oo.
® ® ® ® 0
Tiefenau. Rah A. Schreiber . ee.
Die SeesNonnen von Ziefenau. Bon ganz 5 ub.
Das verſunkene Kloſter. Bon Lud. Uhland. .
Der Nixenquell. Von K. Simrock. . ee
Die ſchöne Buche. Anonymus . . .
Der Metzger bei der Herenverfammlung. Aus M one's „An.
zeiger ꝛc.“. . .
Der dreifüßige Hafe. Aus Demfelben. . . . . .
Der Gänsberg. Aus „Badiſches Magazin." . oo.
Der Teufelsbefchwörer. Aus Mone’s "Anzeiger 20.” . .
Das beherte Kind in Nußloch. Aus Demſelben..
Mannheim und nächſte Umgegend.
Mannem. Anonymus ..
Mannheims Urſprung Von L. 8. B. ee
Die weiße Dame. . en
Der Npeingeifl. Aus Mone Y\ „Anzeiger 26.0 020.
Der Saft in der Rheinmüple. Bon Sgua Hub. . . »
Das Feuer und der Trappgaul. Aus Mone’s „Anzeiger 2.“
Die Teufeldlaroffe. Bon Ignaz Hub. .
Die Here und der Mühlknecht. Aus Mone 7 „Anzeiger ic.
Der Rofengarten. Aus dem Stadt s und Randbothen.- .
Das Teufelsloch. Aus Demfelden. . . .
Das Geläute von Ladenburg. Bon H egewaid.
Pfälzer Bergſtrafße.
Der Edle von Handſcucheheim. Aus Baaders "Sagen der
Pfalz ıc." . .
Gertraut von Gemmingen.
Die Todten wollen begraben ſeyn. Aus Mo one x ‚Anzeiger 30.
® . * “ [2
Wein aus dem Brunnen. Aus Demfelben. . . .
Sage vom Schloß Windel, Anonymus. .
Der Spruch auf der Burg Winde. Aug G. Grimm' 8 „Die
Bergſtraße ꝛc.⸗ . . ee.
464
664 Inhaltsverzeichniß.
Der Hexenthurm in Weinheim. Bon Lehrer Zimmermann.
Der Geift des Burgkochs auf Windeck. Bon Demfelben. .
Die zwei Iehten Burghereen. . °
Das Burgfräulein von Winded. Bon Adaldert v. Chamif fo o
Die Stiftung von Heiligkrenz. Von Lehrer Zimmermann.
Heidelberg und nächfte Umgebung.
An Heidelberg. Bon J. Ch. Hölderlin . . .
Die Heidelberger Ruine. Bon Nikolaus Lenau » . .
Redarfage. Bon K. G. Nadler . . . ..
Der Pfalzgraf am Rhein. Altes Voltslied. een
Eberhard der Heilige. Bon Heribert Rau. .
Herzog Dtto der Erlauchte und die ſchöne Weifentochter. Vier
Romanzen von Eduard Duller..
Ludwig der Strenge. Bon Mar von Ring...
Srievrichs I. Rettung aus Weiber und Pfaffenliſt. Bon Dem-
felben. . . . . . . . .
Derbe Warnung. . . . .
Das Lied der Markgrafen. Altes Vollslied.
Kurfürſt Friedrich der Sieghafte von der Pfalz. Balladen von
Ed. Duller . . . . .
Das Mahl zu Heidelberg. Bon Suf. Schwab. el
Truplaifer. Bon Ed. Duller. . ..
Pritſchen⸗Peter. Aus Weidner's Apopbiheanat.
Konrad Pocher. Ebendaher. . . .
Ein Schredenstag.
Heinrich von Valois, Herzog von Anjon. Bon Deren Ran.
Mäßtgkeitsvereine. Bon L. H. B.. .
Des Pfalggrafen hölgerner Dom. Bon K. ®. Radler
Hans von Handfhurhspeim’s Tod. Bon E. S su ler.
Die Ahnung. Bon Heribert Rau. - .. ..
Der Pfalzgraf. Aus „Knabe Wunderhorn | ER .
Der Blitz. Bon Heribert Rau.
Auf dem Schlofle zu Heidelberg. Bon Mar von S d enten:
dorf. ..
Der Hexenbiß. Von a. Schne A 2 .
Der Rieſenſtein. Von Heinrich Künzel. nn
Der WVolfsbrunnen. Bon A. Schreiber . . . .
Die Sage vom Wolfsbrunnen. Anonymus. . ed
Der Wolfsbrunnen. Fliegendes Blatt. . .. ..
Am Wolfsbrunnen. Bon Martin Opitz. ee
Der Zettabühl. Bon peeiber 9 Rau. . . .
Der Königsſtuhl.. . . . . oo.
Der Heiligendberg. . ee
Punker von Rohrbach. Von a. & 6 nezler. ..
Inhaltsverzeichniß. 665
Seite
Neckarthal und Odenwald.
Der Ritter von Angeloch. Von Al. S dreib! ern . . 2.560
Ditsberg. . - .. 3865
Die Hochzeitfeier. Von H. Be nel . . en 565
Ritter Landſchaden. Bon Guſt. Schwab. .. 570
Die heilige Hildegunde zu Schönau. Von L. Grimm. . 572
Der falſche Eid. Von A. Kopiſch. 575
Reiter ohne Kopf. Aus Mone's „Anzeiger ꝛc . . 53576
Die weiße Frau. Aus Demfelben. . . . . . . 577
Sefpenftiger Hund. Aus Demfelben. .77
Vurg Stolzeneck. Von Al. Schreiber. . 38
Jukunde von Stolzeneck Bon K. W. Juſſti. .3838882
Sagen von der heiligen Rotburge.. . .. . .. 384
Sagen vom Minneberg. - . . . 588
Der Minneberg. Romanze von 1. & chin ezte er. 392
Der getreue Hirfh. Aus Mone's „Anzeiger ꝛc.“. . . 995
Das Lied vom Hernberg. Bon D. P. Reimoid.. . . 598
Der Michaelsberg. Bon Karl Seib. -. > 202 43539
Klofter Himmelreih. Bon U Kopiſch. 606061
Der fromme Lukas. Bon F. W. Krummacher.. 604
Die weiße Frau zu Guttenberg. Aus Mone's „Anzeiger ꝛc⸗ 606
Die Kapelle bei Dallau. Bon AM. Shreiber . .. 608
Die Nonne zu Dallau. Fliegendes Blatt. ... . 609
Die Nonne. Bon Lud. Uhland.. oo. . . . 61
Ddenwäldifches Bauland.
Doktor Fauft zu Borberg. Aus Mone's „Anzeiger ꝛc.⸗ . 613
Barum der Schiliingftadter Sdutze zu at » vor Amt kommt.
Aus Demfelben. . . . . 614
Wölfingen. Aus Demfelben. . - 2.0.0.6
Bon der Burg zu Borberg. Aus Demfelben. . . . . 615
Die meineidige Hochzeit. Aus Demfelben. . .. 617
Roſenberg. In drei Romanzen von Eugen Huhn.. . 618
Buchens Hohmuth und Strafe. Aus Mone’s „Anzeiger ıc.- 623
Die Lappe. Aus Demfelben. . . . . . 623
Das firafende Madonnabild. Bon 8. Sri mm . . . 624
Die gemiedene Kanzel. Aus Mone’s "Anzeiger 10. . 625
Die Entſtehung der Walfahrtsticche zu Walddürn. Bon 3 1.
RNueb . 625
Sagen von der Zörgenburg. Aus Mone e’8 „Anzeiger ꝛc.“. 626
Der Marsbrunnen und die Meerweiblein. Aus Demfelben. . 627
666 . Inbaltsverzeichniß.
Taubergrund und Mainthal.
Hammerwurf des Rieſen. Aus Mone's „Anzeiger 0. .
Die Riefen und die Menfhen. Aus Demſelben. . .
Der Bildftod mit der Näherin. Aus Demfelben. . .
Die Zerfiörung von Oberlauda. Bon Gottfhall . .
Die Niederlage der Bauern in der Schlacht bei Königshofen.
Aus W olff’ 8 „Hiſtor. Volksliedern.“. .
Ein zweiter Geßler. . en
Die heilige Lioba zu Biſchofsheim. Von 8. 9. B. ..
Bon der Chriſtnacht. Aus Mone's „Anzeiger 2.“
Spinne nicht im Mondſchein! Aus Demfelben. .
Der ſchützende Stein. Aus Demſelben. ..
Schätze in und bei Reicholzheim. Aus Demſelben.
Sagen aus der Gegend bei Wertheim.
Borzeichen eines guten Herbftes. Aus Mone’g Anzeiger 20.
Der Sicheles⸗Acker. Aus Demfelben. .
Die Kreuze oberhalb Reicholzheim. Aus Demfelben.. .
Der Streitader. Aus Gäntpers „Doet. Sagenbuch 20." .
Der Freifäger. Aus Mone's „Anzeiger 20. . .
Die Wettenburg. Aus Demfelden. . .
Der Kürlesgarten bei Bifchofsheim. Aus einer : Serie „Bain
fagen.“ . . .
Das Schaf fängt den Wolf, Aus Mo ne’$- Anzeige. 1 20."
Die Leiten. Aus Demfelben. . . .
Bon der Burg zu Wertheim. Aus Demfelben. ..
Die Kapelle im Haslocher Thal. Aus Demſelben.. .
Sage aus dem Waldfaffengau. Bon Aſſum.. 0.
Dr. Luther in Wertheim. Aus Mone’s „Anzeiger ꝛc.“ .
Die ähnlihen Frauen. Aus Demfelben. 0.
Der Hirfh zu Wertheim. Aus Demfelben. . oo.
Die rettende Slode. Aus einer Serie »Mainfagen.« .
Die Gräfin zu Wertheim. Bon Guſtav Schwab.
298
Berihtigungen:
Seite 220, Ber 10 von unten lieg „ummwebet.”
263, am Schluß des Gedichts Ties „Brauer’ ftatt „Bauer.
286, Zeile 19 von unten lies „framwen’ flatt „rawen.“
542, Vers 1, muß ftatt „eines?“ „ein; ſtehen.
„ 984, le K. W. „Juſti.“
599, Zeile 18 von oben lied „Ritterburgen.’
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